Rede von
Dr.
Hermann Otto
Solms
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich staune, Herr Fischer: Sie beklagen, daß die Strukturreform nicht kommt, die Sie selbst verhindert haben. Das ist ein besonderer Akt der Doppelzüngigkeit.
Die Grünen sind - dessen rühmen Sie sich; darauf können Sie auch stolz sein - Mitglied in verschiedenen Landesregierungen. Ich frage mich, was die Ministerpräsidenten dieser Länder bei den Verhandlungen letzte Woche im Vermittlungsausschuß eigentlich getan haben. In dem Moment, in dem die Ministerpräsidenten Beck und Scherf versucht haben, die Konfrontation aufzulösen, hat man von den Ministerpräsidenten, an deren Landesregierungen die Grünen beteiligt sind, nichts gehört.
Einige Finanzpolitiker der Grünen haben teilweise mutige Vorschläge zur Umgestaltung des Steuersystems gemacht. Alles Pustekuchen! Wenn es um die Realisierung geht - nichts! Sendepause! So geht das natürlich nicht.
Wir haben vor einer Woche versucht - das war der letzte Versuch -, im Vermittlungsausschuß nach mehreren vergeblichen Anläufen zu einem Kompromiß zu kommen, nämlich zu einer mit Entlastungen verbundenen Strukturreform, die zu mehr Steuergerechtigkeit und zu niedrigeren Steuern geführt hätte. Das war nicht zu erreichen, weil sich die Opposition ausschließlich auf Umverteilung - von der rechten Tasche in die linke Tasche - konzentriert hat. Das hilft keinem Investor, das hilft keinem Arbeitnehmer, und das hilft auch keinem Arbeitslosen. Denn daraus wird keine Botschaft für mehr Beschäftigung in Deutschland.
Nur eine Woche, nachdem dieses Verfahren gescheitert ist, legt die Koalition nun einen Vorschlag vor, und zwar in einem Bereich, in dem sie alleine handlungsfähig ist, und tut das, was möglich ist. Wir hätten viel lieber eine umfassende Strukturreform des Steuersystems gehabt. Das war mit Ihnen nicht zu erreichen. Nun senken wir den Solidaritätszuschlag um zwei Prozentpunkte. Das bringt genau die Entlastung, Herr Scharping, die auch Sie bzw. die SPD als mögliche Entlastung vorgeschlagen hat, nämlich etwas mehr als 7 Milliarden DM. Wenn Sie das für richtig halten, dann - ich lade Sie dazu ein - stimmen Sie dem Ganzen zu. Das ist eine vernünftige Maßnahme.
Die Absenkung des Solidaritätszuschlages ist ein Akt der Solidarität mit den Arbeitslosen in Deutschland.
Denn das bringt Hoffnung für mehr Beschäftigung. Die Investoren warten nämlich auf ein Signal, daß wir die Probleme erkannt haben und daß wir die allzu hohe Steuerbelastung, allerdings auch die allzu hohe Belastung mit Lohnnebenkosten und die allzu hohen bürokratischen Auflagen abbauen, damit Deutschland als Standort für Investitionen wettbewerbsfähig wird. Erst daraus folgt ja die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze in Deutschland mit denen in anderen Standorten. Deswegen ist es ein-
Dr. Hermann Otto Sohns
fach zwingend, daß wir diesen Weg der Entlastung in allen Bereichen gehen.
Es ist nicht so, daß wir uns nur auf das Steuersystem konzentriert hätten. Wir wollen in allen Bereichen entlasten, wo es notwendig ist. Die Gesundheitsstrukturreform haben Sie abgelehnt. Wir mußten die Gesetzentwürfe neu einbringen und vom Bundesrat unabhängig gestalten. Aber wir haben sie durchgesetzt. Sie ist seit Mitte dieses Jahres in Kraft.
Zur Rentenreform gab es bei Ihnen diese und jene Äußerung. Wir haben die Rentenstrukturreform gestern im Ausschuß verabschiedet und werden sie in der nächsten Woche im Deutschen Bundestag verabschieden. Wir hatten Ihnen angeboten, die Mehrwertsteuer um einen Punkt zu erhöhen, um den Zuschuß zur Rentenversicherung zu verbreitern, um dadurch die Beiträge zu senken. Sie haben es abgelehnt, ansonsten hätten wir es schon zum 1. Januar 1998 machen können.
Nun gehen wir die Rentenstrukturreform zum 1. Januar 1999 an und machen Ihnen weiterhin das Angebot einer Mehrwertsteuererhöhung. Das ist nicht etwas, was man gerne vor Wahlen macht. Das Angebot zur Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt dient ausschließlich als Zuschuß für die Rentenversicherung, damit die Beiträge gesenkt werden können. Diese Diskussion können wir das ganze nächste Jahr weiterführen. Die Rentenstrukturreform wird auf jeden Fall kommen.
Wir haben auch im letzten Jahr eine ganze Fülle von Maßnahmen ergriffen und durchgesetzt. Ich erinnere nur an wenige: an die Änderung beim Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, an den Ladenschluß, an die Lohnfortzahlung und an vieles andere mehr.
In der Summe ergibt das eine ganz neue Perspektive.
Zum Schluß haben wir endlich mit Ihrer Zustimmung die Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer abschaffen können. Übrigens hat sich Herr Schröder im Fernsehen gerühmt, daß er die Vermögensteuer mit abgeschafft habe. Ich habe hier immer nur erfahren, daß die SPD dagegen sei. Aber egal; die Substanzsteuern sind beseitigt.
Darauf folgt als dritter wichtiger Schritt nun die Absenkung des Solidarzuschlages um zwei Punkte. Das ist eine verteilungsgerechte Maßnahme, weil das proportional die Steuerbelastung verringert und jeden Steuerpflichtigen trifft. Das ist keine Erschwernis für die Menschen in den neuen Bundesländern. Auch sie zahlen Steuern. Auch sie werden dadurch entlastet. Aber die Zuschüsse zu den Investitionen in den neuen Bundesländern oder für Infrastrukturinvestitionen der Länder und der Kommunen durch den Bund werden um keinen Pfennig gesenkt.
Deswegen bleibt die Botschaft klar: Die Senkung des Solidarzuschlags ist ein Zeichen der Solidarität mit den Arbeitsuchenden in Ost und West. Sie ist ein Zeichen der Solidarität mit der jungen Generation; denn das Dringendste, auf das die jungen Leute warten, ist die Aussicht, ihr Leben durch eigene Arbeit finanzieren und gestalten zu können, und nicht auf die Unterstützung des Staates oder anderer Organisationen angewiesen zu sein.
Erst daraus ergibt sich die Perspektive für die Zukunft. Deswegen ist die Senkung des Solis ein so wichtiger Schritt.
Wenn Sie nun die Gegenfinanzierung kritisieren, dann läßt sich das sehr leicht auflösen. Der Bundesfinanzminister hat dankenswerterweise auf die Zahlenzusammenhänge hingewiesen. Ich will das wiederholen. Tilgungen und Zinsen für den Erblastentilgungsfonds machen rund 26 Milliarden DM pro Jahr aus. Der Tilgungsanteil ist weit über das geplante Maß hinaus angestiegen und beträgt im Moment etwa 12 Milliarden DM, obwohl langfristig nur 5 Milliarden DM geplant und eingesetzt waren.
In einer Situation, in der wir Entlastungen dringend zur Dynamisierung der Wirtschaft und für mehr Arbeitsplätze brauchen, ist es nicht nur zulässig und vertretbar, nein, es ist sogar notwendig, daß wir den Finanzspielraum, den wir dort haben, für die dringendere Zielsetzung der Schaffung von Arbeitsplätzen einsetzen und Steuern senken. Das heißt, wenn jetzt die Tilgung um 5 Milliarden DM gekürzt würde, dann wäre die Tilgung immer noch höher als eigentlich geplant.
Das ist nun wirklich mehr als verantwortbar. Dazu kommt im übrigen noch, daß die über 7 Milliarden DM hinaus auflaufenden Gewinne der Deutschen Bundesbank zusätzlich in den Erblastentilgungsfonds eingestellt werden und damit die Tilgungsrate noch erhöhen. Wer sich mit Finanzpolitik ernstzunehmend beschäftigt, kann diesen Vorschlag nur für verantwortungsvoll halten.
Herr Scharping, ich wollte noch auf einen Punkt eingehen. Sie hatten darauf hingewiesen, daß ich vor zwei Jahren Forderungen und Vorstellungen der SPD gelobt habe. Ich bin ein ehrlicher Mensch: Wenn die Opposition etwas Vernünftiges sagt, lobe ich das. Nur ist inzwischen eine fundamentale Änderung eingetreten. Sie erinnern sich, daß die SPD im Herbst 1995 einen neuen Parteivorsitzenden gewählt hat. Er hat die Partei seitdem diszipliniert und einer bestimmten Strategie unterworfen.
Es ist übrigens interessant, daß er seinerzeit Helmut Schmidt vorgeworfen hat, daß man mit der Sekundärtugend Disziplin auch andere Dinge machen könne. Ich will das hier nur kurz erwähnen. Jetzt befleißigt er sich selbst der Sekundärtugend Disziplin. Dabei stellt sich heraus: Es kommt nicht darauf an, wie diese Tugend zu bezeichnen ist, sondern darauf, was man damit macht, und er macht eben Schädliches.