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ID1319302000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/193 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 193. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. September 1997 Inhalt: Vorverlegung der Frist für die Einreichung der Fragen für die Fragestunde am 2. Oktober 1997 17425 A Zurückverweisung von Vorlagen an einen Ausschuß 17425 A Zur Geschäftsordnung Dr. Gregor Gysi PDS 17425 B Joachim Hörster CDU/CSU 17426 A Dr. Peter Struck SPD 17426 B Uwe Lühr F.D.P. 17426 C Tagesordnungspunkt 14: Schlußbericht und Ergänzender Bericht der Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages: Abschließende Empfehlungen zur Vorbereitung der Verkleinerung des Deutschen Bundestages und zu Vorschriften des Bundeswahlgesetzes gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 29. Juni 1995 und vom 30. November 1995 (Drucksachen 13/7950, 13/8270) 17426 D Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU 17427 A Wolfgang Dehnel CDU/CSU 17428 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 17429 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17431 D Dr. Max Stadler F D P. 17433 C Dr. Dagmar Enkelmann PDS 17435 C Tagesordnungspunkt 5: Zwischenbericht der Enquete-KommisSion „Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 1. Juni 1995: Konzept Nachhaltigkeit Fundamente für die Gesellschaft von morgen (Drucksachen 13/1533, 13/7400, 13/7415) (Berichtigung) 17436 C Marion Caspers-Merk SPD 17436 D Eckart Kuhlwein SPD 17438 D Erich G. Fritz CDU/CSU 17439 B Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17441 C Birgit Homburger F D P. 17443 A Rolf Köhne PDS 17444 B Christa Reichard (Dresden) CDU/CSU . 17445 A Ursula Burchardt SPD. 17446 D Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 17448 B Ulrike Mehl SPD 17449 C Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 17450 B Tagesordnungspunkt 15: Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 9. Mai 1996 (Drucksachen 13/4477, 13/8170) . . 17450 D Ortrun Schätzle CDU/CSU 17451 A Renate Rennebach SPD 17451 D Roland Kohn F.D.P. 17454 A Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17456 A Roland Kohn F.D.P. 17456 B Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . 17457 D Ulla Jelpke PDS 17458 B Eckart von Klaeden CDU/CSU 17459 B Gisela Schröter SPD . . . . . . . . . 17459 D Helmut Jawurek CDU/CSU 17461 B Ronald Pofalla CDU/CSU 17462 C Renate Rennebach SPD 17463 A Nächste Sitzung 17463 D Berichtigung 17464 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17465* A 193. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. September 1997 Beginn: 10.00 Uhr
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    Berichtigung 191. Sitzung, Seite 17 316 B und 192. Sitzung, Seite 17 421 B: In den Listen der entschuldigten Abgeordneten der beiden Plenarprotokolle ist der Name „Maaß (Herne) SPD" zu streichen. Einzufügen ist der Name „Maaß (Wilhelmshaven) Erich CDU/CSU". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Altmann (Pommels- BÜNDNIS 26. 9.97 brunn), Elisabeth 90/DIE GRÜNEN Antretter, Robert SPD 26. 9. 97 * Behrendt, Wolfgang SPD 26. 9. 97 * Blank, Renate CDU/CSU 26. 9. 97 Blunck, Lilo SPD 26. 9. 97 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 26. 9. 97 * Conradi, Peter SPD 26. 9. 97 Dietert-Scheuer, Amke BÜNDNIS 26. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 26. 9. 97 Duve, Freimut SPD 26. 9. 97 Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 26. 9. 97 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 26. 9. 97 * Fograscher, Gabriele SPD 26. 9. 97 Francke (Hamburg), Klaus CDU/CSU 26. 9. 97 Frick, Gisela F.D.P. 26. 9. 97 Fuhrmann, Arne SPD 26. 9. 97 Geiger, Michaela CDU/CSU 26. 9. 97 Gloser, Günter SPD 26. 9. 97 Haack (Extertal), SPD 26. 9. 97 * Karl Hermann Hampel, Manfred SPD 26. 9. 97 Hanewinckel, Christel SPD 26. 9. 97 Heyne, Kristin BÜNDNIS 26. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Höll, Barbara PDS 26. 9. 97 Hoffmann (Chemnitz), SPD 26. 9. 97 Jelena Hollerith, Josef CDU/CSU 26. 9. 97 Horn, Erwin SPD 26. 9. 97 * Jawurek, Helmut CDU/CSU 26. 9. 97 Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 26. 9. 97 Klose, Hans-Ulrich SPD 26. 9. 97 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kohl, Helmut CDU/CDU 26. 9. 97 Lemke, Steffi BÜNDNIS 26. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Lüth, Heidemarie PDS 26. 9. 97 Lummer, Heinrich CDU/CSU 26. 9. 97 * Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 26. 9. 97 * Erich Mante, Winfried SPD 26. 9. 97 Marten, Günter CDU/CSU 26. 9. 97 * Marx, Dorle SPD 26. 9. 97 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 26. 9. 97 Müller (Berlin), PDS 26. 9. 97 Manfred Dr. Niese, Rolf SPD 26. 9. 97 Dr. Paziorek, Peter CDU/CSU 26. 9. 97 Rupprecht, Marlene SPD 26. 9. 97 Dr. Scheer, Hermann SPD 26. 9. 97 * Schloten, Dieter SPD 26. 9. 97 * Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 26. 9. 97 Dr. Scholz, Rupert CDU/CSU 26. 9. 97 Schütz (Oldenburg), SPD 26. 9. 97 Dietmar Schwanitz, Rolf SPD 26. 9. 97 Siebert, Bernd CDU/CSU 26. 9. 97 * Terborg, Margitta SPD 26. 9. 97 * Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter CDU/CSU 26. 9. 97 Weis (Stendal), Reinhard SPD 26. 9. 97 Wetzel, Kersten CDU/CSU 26. 9. 97 Wieczorek-Zeul, SPD 26.9.97 Heidemarie Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 26. 9. 97 Dr. Wittmann, Fritz CDU/CSU 26. 9. 97 Wülfing, Elke CDU/CSU 26. 9. 97 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 26. 9. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 26. 9. 97 * Dr. Zöpel, Christoph SPD 26. 9. 97 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Max Stadler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Häfner, die letztgenannte Hoffnung, die Sie hier vermutlich vergebens ausgesprochen haben, ist jedenfalls nicht Inhalt des Schlußberichts der Reformkommission.

    (Marion Caspers-Merk [SPD]: Es wäre aber schön gewesen!)

    Zu der von Ihnen beschriebenen Situation wird es nicht kommen.
    Wenn ich richtig gerechnet habe, steht das Thema „Verkleinerung des Bundestages" in dieser Wahlperiode bereits zum siebten Male auf der Tagesordnung. Das bedeutet dennoch nicht, daß die Verkleinerung strittig wäre. Im Gegenteil: Wir sind uns einig. Nicht nur die Verwaltung, auch das Parlament muß schlanker werden. Dies gilt auch und gerade im Hinblick auf den bevorstehenden Umzug nach Berlin. Die Zahl der Abgeordneten im 15. Deutschen Bundestag wird deutlich reduziert werden.
    Wir haben im Oktober letzten Jahres mit der 13. Änderung des Bundeswahlgesetzes die Zahl der Abgeordneten auf künftig 598 festgelegt. Das bedeutet 299 direkt in Wahlkreisen gewählte Abgeordnete und dieselbe Zahl von über Landeslisten zu wählenden Abgeordneten. Manche halten die Verkleinerung für zu gering. Sie wollen deutlich weniger Abgeordnete. Es heißt immer wieder, der Bundestag sei im Vergleich zu anderen demokratischen Parlamenten zu groß. Dies ist falsch. In einer repräsentativen Demokratie darf die Zahl der Repräsentanten nicht zu klein sein, sonst geht die vielbeschworene Bürgernähe erst recht verloren.
    Das britische Unterhaus, oft zitiertes Vorbild für die parlamentarische Demokratie, zählt 650 Abgeordnete. In Italien sind es 630 und in Frankreich 577 Abgeordnete. Aber die Zahl der Wahlberechtigten ist in diesen Ländern geringer. Schon jetzt hat der Bundestag nach Rußland, Japan und den USA mit einem Abgeordneten für 92 000 Wahlberechtigte eines der ungünstigsten Verhältnisse. Nach der Verkleinerung sind es über 100000 Wahlberechtigte je Abgeordneten. Diese Zahl ist doppelt bis dreifach so hoch wie die Zahl der Wahlberechtigten je Landtagsabgeordneten in den Bundesländern. Weder während der Weimarer Republik - anfangs mit 423, später sogar mit 647 Abgeordneten - noch in der Anfangszeit der Bundesrepublik mit damals 410 Abgeordneten gab es ein so ungünstiges Verhältnis von Abgeordnetenzahl zur Zahl der Repräsentierten.
    Für eine weitergehende Verkleinerung des Bundestages wird ferner das Argument benutzt, ein kleinerer Bundestag wäre wesentlich arbeitsfähiger. Auch dies trifft nur scheinbar zu und hält einer

    Dr. Max Stadler
    genaueren Betrachtung nicht stand. Denn die Größe zum Beispiel der Ausschüsse und Gremien richtet sich nicht nach der Gesamtzahl der Abgeordneten, sondern nach dem Parteienproporz. Wenn eine kleine Fraktion im Ausschuß zumindest mit einem Abgeordneten vertreten sein soll - das muß ja wohl so sein -, dann ergibt sich auf Grund der zu wahrenden Mehrheitsverhältnisse automatisch die Größe der Gremien. Umgekehrt würde eine zu starke Verkleinerung die kleinen Fraktionen faktisch von einer effektiven Teilhabe an den parlamentarischen Willensbildungsprozessen ausschließen.
    Rund 30 Ausschüsse, Untersuchungsausschüsse und Enquete-Kommissionen gilt es allein derzeit zu beschicken. Es darf aber nicht so weit kommen, daß eine zum Beispiel mit 10 Prozent in den Bundestag gewählte Partei - Sie sehen, ich spreche jetzt gar nicht von der F.D.P. -

    (Heiterkeit)

    allein schon durch die Überlastung der einzelnen Abgeordneten mit Aufgaben und Funktionen an der effektiven Mitwirkung in diesen Gremien gehindert wird. Im Sinne der politischen Meinungsvielfalt ist es schließlich wünschenswert, daß auch die kleineren Parlamentsparteien aus allen Bundesländern mit Bundestagsabgeordneten vertreten sind. Die Gesamtzahl der Abgeordneten muß daher so bemessen sein, daß auch eine Partei mit einem Wählerreservoir von etwa 10 Prozent zumindest die Chance hat, aus möglichst allen Bundesländern Abgeordnete in den Bundestag zu entsenden. Denn eine Repräsentanz in der Fläche ist nicht nur für die einzelne Partei von Bedeutung, sondern für die Akzeptanz des parlamentarischen Systems insgesamt. Wäre sie nicht mehr gewährleistet, geriete unser ganzes Wahlrecht schnell in eine Schieflage.
    Im übrigen kann auch das zum Beispiel vom Bund der Steuerzahler immer wieder angemahnte Kostenargument nicht überzeugen. Nicht nur, daß die Kosten umgerechnet pro Kopf der Bevölkerung und Jahr lediglich bei gut 10 DM liegen, ist hier von Bedeutung, sondern auch folgende Überlegung: Eine Verringerung der Zahl der Abgeordneten würde natürlich zu Einsparungen bei der Gesamtsumme der Diäten führen. Doch wenn es Abgeordnete zeitlich und arbeitsmäßig nicht mehr schaffen können, eine ordentliche Arbeit für einen zu großen Wahlkreis und für zu viele Themen und Gremien im Parlament zu leisten, würde der Druck zwangsläufig größer, den Mitarbeiterstab zu erhöhen und bestimmte Aufgaben an diesen zu delegieren. Gerade wer das Beispiel USA anführt, sollte auch wissen, daß dort die Abgeordneten ein Vielfaches an Mitarbeitern haben. Das käme dem Steuerzahler aber erst recht teuer.
    Meine Damen und Herren, die F.D.P. tritt daher für die angemessene Reduzierung des Bundestags auf 598 Sitze ein. Für ein Herummanipulieren am Wahlrecht steht die F.D.P. nicht zur Verfügung. Das haben wir vor einem Jahr anläßlich der Verabschiedung des 13. Wahlrechtsänderungsgesetzes deutlich gemacht. Dazu stehen wir auch jetzt. Denn gerade in diesen Tagen, in denen Reformen blockiert werden und mutige politische Neuansätze im Parteienclinch steckenbleiben, wird der Ruf nach einer Wahlrechtsänderung schnell wieder laut.
    Von einem Mehrheitswahlrecht versprechen sich manche den Ausweg aus der Entscheidungsblokkade. Davor können wir, wie Sie verstehen werden, nur warnen.

    (Lachen bei der PDS)

    Deutschland würde um ein großes Stück politischer Vielfalt gebracht. Daß die F.D.P. und etwa auch die Grünen dieser Meinung sind, ist klar. Aber auch Bundespräsident Roman Herzog sieht dies so. In der „Berliner Zeitung" vom 17. September dieses Jahres erklärt er - ich zitiere -:
    Aber ich habe schon in den 60er Jahren darauf hingewiesen, daß eine Verbitterung der Bürger entstehen würde, wenn durch ein Wahlsystem, also durch einen juristischen Federstrich, die bestehenden kleinen Parteien herauskatapultiert würden.
    Dem ist, so glaube ich, nichts hinzuzufügen.
    Das Mehrheitswahlrecht wäre also der falsche Weg zur Lösung der Strukturprobleme unseres politischen Systems. Nicht die Größe des Bundestags, nicht das Wahlrecht, sondern auch das inzwischen entstandene Maß an Vermischung der Verantwortung zwischen den Institutionen, vor allem zwischen den Ländern und dem Bund, hat die derzeitige Blockadesituation maßgeblich mit beeinflußt.
    Wir brauchen zur Lösung der dringenden Probleme daher klare Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Die Zahl der Länder werden wir vermutlich nicht so leicht verringern können. Aber Graf Lambsdorff hat recht: Wir brauchen eine Reform des föderalen Systems der Bundesrepublik. Dazu muß zwingend gehören: erstens eine deutlichere Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenz und Aufgabenverantwortlichkeiten des Bundes und der Länder, zweitens eine klarere Verteilung der Einnahmequellen in der Finanzverfassung zwischen Bund und Ländern

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Und Gemeinden! Wenn schon, denn schon!)

    und schließlich drittens die Schaffung leistungsstarker Bundesländer. Denn Voraussetzung für einen funktionsfähigen Föderalismus sind Länder mit vergleichbarer Wirtschafts- und Finanzstärke.
    Wir wollen starke Länder mit klaren Kompetenzen und ausreichender Finanzausstattung. Wir wollen aber auch klare Entscheidungsbefugnisse des Bundes. Aus einem klassischen System der horizontalen Gewaltenteilung ist unser Föderalismus allmählich zu einem System der Gewaltenhemmung geworden. Können wir uns das in der augenblicklichen Situation wirklich leisten? Das ist die Frage.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das liegt aber eher an der Regierungskoalition als am System!)

    Diese Strukturprobleme müssen wir angehen. Mit einer Änderung des Wahlrechts dagegen wären wir keinen Schritt weiter.

    Dr. Max Stadler
    Vor diesem Hintergrund begrüßt die F.D.P. ausdrücklich die jetzt vorgelegten Empfehlungen der Reformkommission. Danach bleibt es auch künftig so, daß die Bevölkerungszahl die maßgebliche Bemessungsgrundlage für die Wahlkreiseinteilung ist. Es wird nichts am Verhältnis der Zahlen von Direkt- und Listenmandaten geändert. Es wird nichts an der Fünfprozentklausel geändert. Es wird nichts an der Grundmandatsklausel und der Regelung der Überhangmandate geändert. Wir sehen uns darin auch durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom April dieses Jahres bestätigt. Dies gilt im übrigen auch für die von der Reformkommission vorgeschlagenen Abweichungen, bei denen ein Neuzuschnitt von Wahlkreisen vorgenommen werden muß. Künftig werden Abweichungen von über 25 Prozent nicht mehr geduldet. Auch dies ist ein wesentliches Element, Herr Kollege Häfner, um schon für die Wahl 1998 und erst recht für die späteren Wahlen Verfälschungen von Wahlergebnissen - das sage ich bewußt - durch Überhangmandate weitgehend auszuschließen.
    Meine Damen und Herren, bei der Verkleinerung des Bundestags und damit bei' der Veränderung der Wahlkreise tut sich eine Parallele zu anderen Veränderungen auf, die wir schon vollzogen haben. So wurden etwa bei der Verkleinerung der Bundeswehr aus Demonstranten gegen die Bundeswehr plötzlich Kämpfer für die Erhaltung der jeweiligen Standorte. Ähnliches erleben wir jetzt beim Bundesgrenzschutzkonzept. Viele Sparapostel werden nun zu rastlosen Briefeschreibern, da es um ihren Wahlkreis und dessen Zuschnitt geht. Plötzlich geht es nicht mehr um „die da oben in Bonn", sondern um „unseren Abgeordneten im Wahlkreis". Nicht von ungefähr haben daher eine Reihe von Bundesländern lange gezögert, überhaupt eigene Vorschläge für die Reduzierung beizusteuern.
    Wir sind froh, daß mit der von der Reformkommission vorgeschlagenen Wahlkreiseinteilung die Voraussetzung dafür geschaffen ist, daß wir auch dieses Problem in absehbarer Zeit, das heißt noch in diesem Jahr im Innenausschuß einer vernünftigen Lösung zuführen werden.
    Bei dieser Gelegenheit - dies ist mein Schlußgedanke - sollten wir uns auch darauf verständigen, ob nicht Art. 39 des Grundgesetzes so geändert werden kann, daß der Wahltermin künftig nicht immer weiter im Jahr zeitlich zurückwandert, bis er schließlich in die Sommerferien fällt, wo er sicher nicht hingehört. Wir sollten Art. 39 im Zuge dieser gesamten Reform so gestalten, daß der Wahltermin im Herbst bleibt, wie er von den Wählern gut akzeptiert wird.
    Ich schließe mit dem Dank an alle, die an der Abfassung des vorzüglichen Abschlußberichts beteiligt waren.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dagmar Enkelmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dagmar Enkelmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Reform, nein, eigentlich eine Revolution erschüttert das Hohe Haus. Gewaltige Umwälzungen werfen ihre langen Schatten voraus. Nichts wird mehr sein wie früher. Mit der Verkleinerung des Parlaments wird das politische System in seinen Grundfesten getroffen. Endlich, endlich werden die Bürgerinnen und Bürger wieder voller Ehrfurcht auf dieses Hohe Haus blicken.
    Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man die ersten Reden hier verfolgt hat. Ich will allerdings daran erinnern, was der Ausgangspunkt für die Arbeit der Reformkommission gewesen ist. Der Ausgangspunkt war immerhin das hehre Ziel einer grundlegenden Reformierung des Parlaments. Man muß sich heute ernsthaft fragen, was davon tatsächlich übriggeblieben ist:

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    eine vollmundige Ankündigung, die wie Seifenblasen geplatzt ist. Nein, die kräftige Diätenerhöhung darf ich natürlich nicht vergessen.
    Um nicht mißverstanden zu werden: Die PDS ist nicht unbedingt gegen eine Verkleinerung des Parlaments; denn auf den Hinterbänken der großen Fraktionen sitzen viel zu viele Leute ihre Zeit ab.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS HeinzGeorg Seiffert [CDU/CSU]: Bei euch noch eher! Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: O Gott, o Gott! Bei euch sitzen sie auf den Vorderbänken!)

    Das aber als Reform des Parlaments, besser: des parlamentarischen Systems zu verkaufen ist letztlich nur ein Griff in die politische Trickkiste.
    Ich will unsere Kritik an der Verkleinerung des Deutschen Bundestages in der Form, wie sie vorgenommen werden soll, noch einmal vortragen. Sie bedeutet eben keineswegs eine Parlamentsreform im Sinne der Erweiterung und Verbesserung der parlamentarischen Demokratie, nämlich der parlamentarischen Vertretung der Bevölkerung.
    Dies zeigt sich unter anderem auch darin, daß die Wahlkreise erheblich vergrößert werden sollen und so den Abgeordneten der unmittelbare Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Wahlkreisen erschwert werden soll. Offenkundig ist das aber auch so gewollt. Zudem bleibt der bürokratische Apparat des Bundestages und der Regierung das, was er ist.
    Das bedeutet, daß ohne eine grundlegende Reform und Stärkung der Abgeordnetenkompetenzen und der Kompetenzen des Parlaments überhaupt - insbesondere gegenüber der Regierung - die Regierungslastigkeit des Bundestages weiter zunehmen wird. Gestern stand unter anderem das Problem der Anzahl Bundesminister und der Parlamentarischen Staatssekretäre zur Debatte. Da sollte man anfangen; aber man sollte wesentlich weiter gehen.
    Nicht einmal mehr eine Regelung zur Kompensation der Überhangmandate wird empfohlen. Da beruft man sich nun auf die Mehrheitsentscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, ob-

    Dr. Dagmar Enkelmann
    wohl die Mehrheit des Senates ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Überhangmandate bei der Wahl zum 13. Deutschen Bundestag keine Vorentscheidung über die generelle Frage nach deren politischem Sinn oder Unsinn bedeutet.
    Wir bleiben dabei, daß eine Kompensation politisch dringend geboten wäre. Die große Zahl der Überhangmandate bei der letzten Wahl hat letztlich den Willen der Wählerinnen und Wähler ignoriert und im Ergebnis verfälscht.
    Nahegelegt wird eine solche Kompensation durch das Minderheitenvotum des Zweiten Senats. Offenkundig sind solche Entscheidungen durchaus sehr unterschiedlich auslegbar.
    Mich wundert ein wenig die Zaghaftigkeit der SPD. Die heutige Ankündigung, daß jetzt gehandelt werden soll, kann man nur begrüßen.
    Die Empfehlungen der Reformkommission bestätigen, daß eine grundlegende Parlamentsreform nicht gewollt ist. Wenn man sich wirklich um Effektivität der parlamentarischen Arbeit sorgte, dann müßte man dort anfangen, wo aus Gründen einer Beschäftigungstherapie für anderweitig nicht zu beschäftigende Abgeordnete inzwischen mehr als 250 Gremien eingerichtet wurden, und zwar einschließlich Apparaten und entsprechender finanzieller Mittel. Ich denke, hier könnte in ganz anderen Größenordnungen gespart werden.
    Wenn es tatsächlich um mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit parlamentarischer Entscheidungen geht, muß man bei einer grundsätzlichen Öffentlichkeit parlamentarischer Gremien ansetzen, bei der Ausweitung der Kontrollrechte gegenüber der Regierung, dem Ausbau des Petitionsrechts usw., usf. Entsprechende Vorschläge sind an vielen Stellen auch von der PDS gemacht worden.

    (Beifall bei der PDS)

    Wenn man sich wirklich Sorgen um die Politikverdrossenheit macht - vielleicht sollte man besser „Politikerverdrossenheit" sagen -, dann wird es wenig helfen, daß statt 672 Abgeordneten dann nur noch 598 Abgeordnete im Plenum sitzen oder eben auch nicht.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Nun machen Sie doch bitte nicht alles mies!)

    Die PDS fordert eine deutliche Wende hin zu unmittelbarer und verbindlicher Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern an politischen Entscheidungsprozessen. Eine solche Wende würde bei Veränderungen des Wahlrechts beginnen - auch hierzu liegen unsere Vorschläge vor -, ginge über die Ausgestaltung einer Volksgesetzgebung - wir fordern auch den Volksentscheid auf Bundesebene -

    (Beifall bei der Abg. Dr. Christa Luft [PDS])

    und reichte bis zur Einrichtung des Amtes eines Bürgerbeauftragten; auch darüber wird momentan diskutiert.
    Das wäre eine wirkliche Reform; das würde zu mehr Glaubwürdigkeit des Parlaments und letzten Endes seiner Abgeordneten führen. Das würde parlamentarische Demokratie stärken, aber genau dieses Signal, Herr Kollege Schmidt, ist hier heute ausgeblieben.

    (Beifall bei der PDS sowie des Abg. Dr. Jürgen Rochlitz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])