Rede:
ID1319301600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. jetzt: 1
    5. der: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Gerald: 1
    8. Häfner.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/193 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 193. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. September 1997 Inhalt: Vorverlegung der Frist für die Einreichung der Fragen für die Fragestunde am 2. Oktober 1997 17425 A Zurückverweisung von Vorlagen an einen Ausschuß 17425 A Zur Geschäftsordnung Dr. Gregor Gysi PDS 17425 B Joachim Hörster CDU/CSU 17426 A Dr. Peter Struck SPD 17426 B Uwe Lühr F.D.P. 17426 C Tagesordnungspunkt 14: Schlußbericht und Ergänzender Bericht der Reformkommission zur Größe des Deutschen Bundestages: Abschließende Empfehlungen zur Vorbereitung der Verkleinerung des Deutschen Bundestages und zu Vorschriften des Bundeswahlgesetzes gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 29. Juni 1995 und vom 30. November 1995 (Drucksachen 13/7950, 13/8270) 17426 D Andreas Schmidt (Mülheim) CDU/CSU 17427 A Wolfgang Dehnel CDU/CSU 17428 D Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . 17429 C Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17431 D Dr. Max Stadler F D P. 17433 C Dr. Dagmar Enkelmann PDS 17435 C Tagesordnungspunkt 5: Zwischenbericht der Enquete-KommisSion „Schutz des Menschen und der Umwelt - Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 1. Juni 1995: Konzept Nachhaltigkeit Fundamente für die Gesellschaft von morgen (Drucksachen 13/1533, 13/7400, 13/7415) (Berichtigung) 17436 C Marion Caspers-Merk SPD 17436 D Eckart Kuhlwein SPD 17438 D Erich G. Fritz CDU/CSU 17439 B Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 17441 C Birgit Homburger F D P. 17443 A Rolf Köhne PDS 17444 B Christa Reichard (Dresden) CDU/CSU . 17445 A Ursula Burchardt SPD. 17446 D Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 17448 B Ulrike Mehl SPD 17449 C Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 17450 B Tagesordnungspunkt 15: Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 9. Mai 1996 (Drucksachen 13/4477, 13/8170) . . 17450 D Ortrun Schätzle CDU/CSU 17451 A Renate Rennebach SPD 17451 D Roland Kohn F.D.P. 17454 A Dr. Angelika Köster-Loßack BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17456 A Roland Kohn F.D.P. 17456 B Birgit Schnieber-Jastram CDU/CSU . . 17457 D Ulla Jelpke PDS 17458 B Eckart von Klaeden CDU/CSU 17459 B Gisela Schröter SPD . . . . . . . . . 17459 D Helmut Jawurek CDU/CSU 17461 B Ronald Pofalla CDU/CSU 17462 C Renate Rennebach SPD 17463 A Nächste Sitzung 17463 D Berichtigung 17464 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17465* A 193. Sitzung Bonn, Freitag, den 26. September 1997 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 191. Sitzung, Seite 17 316 B und 192. Sitzung, Seite 17 421 B: In den Listen der entschuldigten Abgeordneten der beiden Plenarprotokolle ist der Name „Maaß (Herne) SPD" zu streichen. Einzufügen ist der Name „Maaß (Wilhelmshaven) Erich CDU/CSU". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Altmann (Pommels- BÜNDNIS 26. 9.97 brunn), Elisabeth 90/DIE GRÜNEN Antretter, Robert SPD 26. 9. 97 * Behrendt, Wolfgang SPD 26. 9. 97 * Blank, Renate CDU/CSU 26. 9. 97 Blunck, Lilo SPD 26. 9. 97 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 26. 9. 97 * Conradi, Peter SPD 26. 9. 97 Dietert-Scheuer, Amke BÜNDNIS 26. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 26. 9. 97 Duve, Freimut SPD 26. 9. 97 Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 26. 9. 97 * Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 26. 9. 97 * Fograscher, Gabriele SPD 26. 9. 97 Francke (Hamburg), Klaus CDU/CSU 26. 9. 97 Frick, Gisela F.D.P. 26. 9. 97 Fuhrmann, Arne SPD 26. 9. 97 Geiger, Michaela CDU/CSU 26. 9. 97 Gloser, Günter SPD 26. 9. 97 Haack (Extertal), SPD 26. 9. 97 * Karl Hermann Hampel, Manfred SPD 26. 9. 97 Hanewinckel, Christel SPD 26. 9. 97 Heyne, Kristin BÜNDNIS 26. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Höll, Barbara PDS 26. 9. 97 Hoffmann (Chemnitz), SPD 26. 9. 97 Jelena Hollerith, Josef CDU/CSU 26. 9. 97 Horn, Erwin SPD 26. 9. 97 * Jawurek, Helmut CDU/CSU 26. 9. 97 Dr. Kinkel, Klaus F.D.P. 26. 9. 97 Klose, Hans-Ulrich SPD 26. 9. 97 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kohl, Helmut CDU/CDU 26. 9. 97 Lemke, Steffi BÜNDNIS 26. 9. 97 90/DIE GRÜNEN Lüth, Heidemarie PDS 26. 9. 97 Lummer, Heinrich CDU/CSU 26. 9. 97 * Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 26. 9. 97 * Erich Mante, Winfried SPD 26. 9. 97 Marten, Günter CDU/CSU 26. 9. 97 * Marx, Dorle SPD 26. 9. 97 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 26. 9. 97 Müller (Berlin), PDS 26. 9. 97 Manfred Dr. Niese, Rolf SPD 26. 9. 97 Dr. Paziorek, Peter CDU/CSU 26. 9. 97 Rupprecht, Marlene SPD 26. 9. 97 Dr. Scheer, Hermann SPD 26. 9. 97 * Schloten, Dieter SPD 26. 9. 97 * Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 26. 9. 97 Dr. Scholz, Rupert CDU/CSU 26. 9. 97 Schütz (Oldenburg), SPD 26. 9. 97 Dietmar Schwanitz, Rolf SPD 26. 9. 97 Siebert, Bernd CDU/CSU 26. 9. 97 * Terborg, Margitta SPD 26. 9. 97 * Dr. Uelhoff, Klaus-Dieter CDU/CSU 26. 9. 97 Weis (Stendal), Reinhard SPD 26. 9. 97 Wetzel, Kersten CDU/CSU 26. 9. 97 Wieczorek-Zeul, SPD 26.9.97 Heidemarie Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 26. 9. 97 Dr. Wittmann, Fritz CDU/CSU 26. 9. 97 Wülfing, Elke CDU/CSU 26. 9. 97 Würzbach, Peter Kurt CDU/CSU 26. 9. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 26. 9. 97 * Dr. Zöpel, Christoph SPD 26. 9. 97 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wilhelm Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir beiden Schmidts haben als Sprecher unserer Fraktionen in der Reformkommission über viele Monate gemeinsam gearbeitet. Darum gilt mein Dank am Anfang der guten Zusammenarbeit zwischen uns beiden, aber auch zwischen allen Beteiligten in der Reformkommission, und zwar sowohl den Abgeordneten als auch den Sachverständigen. Dort herrschte eine gute Atmosphäre, auch wenn wir uns in der Sache ab und zu massiv auseinandergesetzt haben.
    Ich denke, daß es ganz besonders des Dankes an Vizepräsident Klose bedarf - auch Sie, Herr Kollege Schmidt, haben es mit Recht ausgesprochen -, weil er für diese Atmosphäre gesorgt und die Grundlagen dafür gelegt hat, daß wir heute diesen Endbericht vorstellen können.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [PDS])

    Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande erwarten zu Recht, daß wir reformfähig sind. Dort, wo wir es schaffen können, haben wir es auch immer wieder bewiesen. Es gibt ja nicht nur Fälle wie gestern abend, als durch die Blockade der CDU/CSU im Vermittlungsausschuß die Steuerreform beerdigt wurde, sondern auch manch andere Dinge, die wir in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder auf den Weg gebracht haben, sprechen für sich. Das letzte gute Beispiel war gestern morgen das Kindschaftsrecht. In diese Reihe guter Reformansätze dieses Parlaments kann sich auch der Schlußbericht der Reformkommission zur Verkleinerung des Deutschen Bundestages einreihen. Darum bewerten wir ihn grundsätzlich positiv, auch wenn wir in diesem Zusammenhang nach wie vor einige Mängel zu beklagen haben. Wir hatten uns in diesem Hause selber die Vorgabe gegeben, den Deutschen Bundestag um mindestens 100 auf jedenfalls unter 600 Abgeordnete zu verkleinern. Das wird geschehen. Wir haben es sogar ins Bundeswahlgesetz hineingeschrieben, das schon im vorigen Jahr entsprechend verändert wurde.
    Die Verkleinerung des Deutschen Bundestages ist, wenn man so will, einer der letzten Bausteine des Gesamtprojekts Parlamentsreform, bei dem ja noch eine ganze Reihe von anderen Dingen von uns beraten, behandelt und auch entschieden worden sind. Der letzte Punkt der Parlamentsreform wird die Re-

    Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

    form der Wahlkreise nach der Verkleinerung sein. Einen weiteren Punkt haben wir gestern im Geschäftsordnungsausschuß auf der Grundlage eines Vorschlages meiner Fraktion zu diskutieren begonnen, nämlich die Veränderung der Verhaltensregeln für Abgeordnete: Wir wollen, daß mehr Informationen über die Nebentätigkeiten der Abgeordneten, wenn sie schon wahrgenommen werden, an die Öffentlichkeit dringen und nicht geheimgehalten werden. Dafür werden wir im Geschäftsordnungsausschuß sorgen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Zwischenbericht, den wir im vorigen Jahr diskutiert haben, hat bereits an den Tag gebracht, daß die Verkleinerung des Deutschen Bundestages auf 598 Sitze und die Verringerung der Wahlkreise von 328 auf 299 natürlich auch einige Folgerungen mit sich bringt, die wir alle gemeinsam zum Schluß noch zu diskutieren haben werden. Wenn wir den Bundestag um ungefähr 11 Prozent verkleinern, heißt das logischerweise im Umkehrschluß, daß wir die Wahlkreise um durchschnittlich 11 Prozent zu vergrößern haben. Dieser Forderung und dieser logischen Entwicklung darf sich in diesem Hause niemand entziehen. Ich will das schon an dieser Stelle sagen, weil ich finde, daß wir bei allen Regelungen, die wir im Generellen getroffen haben, nun auch alle in der Detailarbeit in der Pflicht stehen, das Reformwerk zu vollenden.
    Ich bin der Auffassung, daß wir ansonsten gar nicht so sehr dem Druck der Öffentlichkeit nachgegeben haben, wie immer behauptet wird. Der Tatsache nämlich, daß draußen immer häufiger von uns die Verkleinerung des Bundestages gefordert wurde, ist Rechnung zu tragen; aber wir haben sie auch von uns selbst aus als notwendig erachtet, denn nach der deutschen Einheit war der Bundestag mit 672 - nominell 656 - Sitzen ein zu großes Parlament und an mancher Stelle sehr bewegungsunfähig geworden. Ich will aber gleichzeitig darauf hinweisen, daß wir der Forderung: „Verkleinert das Parlament auf 400 Sitze!" natürlich überhaupt nicht nachgeben wollten und konnten. Denn gleichzeitig werden wir Abgeordnete, die wir unsere Arbeit wahrhaftig ernst nehmen, im Wahlkreis immer wieder darauf angesprochen, was wir denn nun alles machen sollen. Am Ende gibt es eine Spannbreite zwischen der einen Forderung, daß jeder Bürger und jede Bürgerin einen eigenen Abgeordneten haben möchte, und der anderen Forderung, daß nicht mehr als 400 Abgeordnete im Parlament sitzen dürfen. Diesen Widerspruch haben wir jedesmal im Einzelfall aufzulösen. Aber solchen populistischen Neigungen muß man nicht nachgeben; das haben wir auch bei dieser Reform nicht gemacht.

    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

    In der Frage der neuen Toleranzgrenzen für die Wahlkreisgröße haben wir erfreulicherweise Einigkeit erzielt. Diese zwingen uns nämlich übrigens, auch wenn wir nicht zu den eben skizzierten Schlußfolgerungen kämen, jetzt doch an vielen Stellen in Deutschland Konsequenzen zu ziehen. Wir hatten
    schon zur Wahl 1998 die uns massiv bedrängende Frage zu klären, wieviel Wahlkreise wir, weil sie durch die Bevölkerungsentwicklung an die Toleranzgrenzen gestoßen sind, nun verändern wollen. Wir hätten eigentlich schon zur Wahl 1998 156 Wahlkreise verändern wollen oder müssen. Wir haben es dann auf Sparflamme fahren wollen und können, weil wir uns gemeinsam darauf verständigt hatten. Aber die Schlußfolgerung daraus ist, daß wir den Reformstau, was die Parlamentsreform und die Größe der Wahlkreise anbetrifft, den wir nun seit fast 20 Jahren vor uns hergeschoben haben, nun endlich zum Jahre 2002 auflösen müssen. Dazu werden wir uns entsprechend zu stellen haben.
    Wir sind uns über eine Veränderung der Toleranzgrenzen einig. Wir sind uns auch einig gewesen - das ist durch den Verfassungsgerichtsbeschluß bestätigt worden -, daß wir bei der Grundmandateklausel und bei der Fünfprozenthürde richtig liegen.
    Der andere Teil, bei dem wir nach wie vor - das will ich im Widerspruch zu dem, was Herr Kollege Schmidt gesagt hat, noch einmal sehr deutlich ausführen - im Konflikt stehen, ist die Frage der Überhangmandate. Das will die SPD so nicht hinnehmen. Ich finde, wir sind durch den Verfassungsgerichtsbeschluß vom April dieses Jahres an vielen Stellen bestätigt worden. Es ist so, daß durch das Vier-zu-vierUrteil die Verfassungsgemäßheit nicht angezweifelt worden ist. Die Angelegenheit ist aber beileibe auch nicht so entschieden worden, daß wir nun nicht noch einmal eine Initiative ergreifen könnten. Ich sichere Ihnen schon jetzt zu, meine Damen und Herren auf der rechten Seite, daß wir das tun werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die Problematik möglicherweise zunächst in juristischer Hinsicht geklärt. Aber .der verfassungspolitische Konflikt ist damit wahrhaftig nicht überwunden. Wir finden, daß das, was die CDU/CSU und F.D.P. als Sieg für sich bezeichnet haben, sicherlich eher ein Pyrrhussieg ist; denn das Handeln des Gesetzgebers nach der Wahl 1998 ist damit überhaupt nicht ausgeschlossen. Wir behalten uns dies ausdrücklich vor.
    Wir werden auch deswegen darauf zurückkommen müssen, weil wir zu befürchten haben, daß bei der Wahl 1998 erneut eine erhebliche Anzahl von Einsprüchen gegen das Wahlergebnis, das am 27. September 1998 noch zu finden sein wird, eingelegt werden. Dies wird uns zu neuen Entscheidungen führen müssen, die wir dann zur Wahl 2002 durchaus noch zeitgerecht treffen können.
    Von daher hat das Verfassungsgerichtsurteil vom 10. April 1997 eine Reihe von Implikationen, die auch unsere Argumentation durchaus unterstützen. Wenn vier von acht Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichtern die Meinung der SPD-Fraktion unterstützen, dann ist das ein sehr deutliches Kennzeichen dafür, daß wir mit unserer Rechtsauffassung - mit unserer politischen Auffassung allemal - gar nicht so verkehrt liegen.

    Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

    Die Auseinandersetzung mit der Grundmandateklausel ist vom Abgeordneten Schmidt von der CDU/ CSU-Seite eher richtig bewertet worden. Wir wollen nach wie vor nicht die Auseinandersetzung auf diesem juristischen Feld mit Gruppen und Fraktionen, die über diesen Weg in den Bundestag gekommen sind. Wir werden mit der PDS die politische Auseinandersetzung genauso pflegen wie bisher. An der Grundmandateklausel wird nicht gerührt und gerappelt. Dazu stehen auch wir - nicht nur, weil wir das im Bundesverfassungsgerichtsurteil bestätigt bekommen haben, sondern auch, weil wir dabei von politischen Überzeugungen getragen werden.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich will zum Schluß darauf hinweisen, daß wir mit dem vorliegenden Abschlußbericht nur die Vorschläge der Reformkommission präsentieren und daß nun die sicherlich sehr schwierige und mühselige Arbeit des Innenausschusses - am Schluß auch des gesamten Plenums - zur Neuordnung des Wahlkreiszuschnitts noch bevorsteht. Ich sage das deswegen, weil ich schon von vielen Seiten angesprochen worden bin, nach dem Motto: Aber in meiner Region mußt du mich vor Folgerungen aus dieser Reform schonen und schützen.
    Das geht beileibe nicht, wiewohl wir natürlich durchaus die Möglichkeit sehen, noch etwas an den Vorschlägen zum Wahlkreiszuschnitt zu verändern. Das ist überhaupt keine Frage; die Vorschläge sind nicht feststehend. Aber sie sind durchaus ein Maßstab und eine Orientierung, die auf der Basis sehr neutraler und sehr fundierter Kenntnisse des Statistischen Bundesamtes und damit des Bundeswahlleiters zustande gekommen sind, der sich in vielen Fällen in den Ländern rückversichert hat. Man mag beklagen, daß sich manche Länder ein wenig gedrückt haben, uns Schützenhilfe zu leisten, wenn es darum geht, objektive Maßstäbe für die Wahlkreisveränderungen zu finden.
    Das Entscheidende scheint mir aber wirklich zu sein, daß wir jetzt nicht so vorgehen dürfen, daß die Interessen der einzelnen Abgeordneten, die jetzt im Parlament sind, oder die Interessen einzelner Gruppen möglicherweise in den Vordergrund rücken. Daß die Reformkommission dies berücksichtigt hat, hat sie mit ihrer Arbeit unter Beweis gestellt. Die Dinge sind dort sehr neutral, sehr objektiv behandelt worden, ganz bewußt unter dem Vorzeichen, daß sich nicht der eine vom anderen über den Tisch ziehen läßt oder der eine den anderen über den Tisch ziehen will. Das ist wichtig gewesen, und das sollte auch die Maxime für die Arbeit im Innenausschuß sein, dem ich sonst gar nichts weiter auf den Weg geben möchte, zumal ich mich selbst in die Arbeit dieses Ausschusses sehr gerne einklinken möchte.
    Daß es eine Objektivität unter uns gibt, mag man daran erkennen, daß auch in meinem Umfeld, im SPD-Bezirk Braunschweig, durchaus Schwierigkeiten bestehen, die Reduzierung der Zahl der Wahlkreise umzusetzen; denn ein Wahlkreis von fünf wird auf Grund dieser Beschlüsse eingespart werden müssen. Wir tun uns naturgemäß sehr, sehr schwer dabei.
    Von daher ist Objektivität ein ganz wichtiger Aspekt, den wir für die vor uns liegende Arbeit entsprechend nutzen sollten.
    Wir haben auch unter diesem Aspekt mit der Kommissionsarbeit und dem vorliegenden Schlußbericht ein Beispiel geliefert, um die weiteren Weichen zum Abschluß der Verkleinerung zu stellen. Ich warne jedenfalls sehr nachdrücklich davor, sich möglicherweise an irgendeiner Stelle noch davor zu drücken, das, was wir schon im Bundeswahlgesetz als prinzipielle Regelung stehen haben, nämlich auf 598 Abgeordnete und damit auf 299 Wahlkreise herunterzugehen, noch zu verschieben oder in sonstiger Weise nicht zu realisieren. Ich sage das deswegen, weil der Kollege Andreas Schmidt mit Recht zu Beginn seiner Ausführungen darauf hingewiesen hat, daß wir, wenn dies geschähe, weitere Bausteine dafür lieferten, die Politik- und Parlamentsverdrossenheit in diesem Lande zu nähren. Das wollen wir nicht, und das darf auch nicht sein.
    Ein letztes möchte ich in diesem Zusammenhang als Ergänzung und vielleicht auch als Bitte und Auftrag über den eigentlichen Abschlußbericht der Reformkommission hinaus auf den Weg bringen: Ich ermuntere diejenigen, die jetzt die Abschlußarbeit in den Ausschüssen und dann auch hier im Plenum zu leisten haben, darüber nachzudenken, vielleicht doch noch eine Regelung zur Verlängerung der Wahlperiode auf fünf Jahre ab 2002 einzubauen. Auch dafür gibt es eine gute Grundlage; denn wir wissen - das erfahren wir nicht zuletzt in dieser Wahlperiode -, wie spät man manchmal mit der Arbeit beginnt und wie früh der Wahlkampf für die nächste Wahl schon wieder anfängt. Der Kanzler hat bereits im Juni gesagt, wenn es nicht anders gehe, machten wir eben 14 Monate lang Wahlkampf. Damit ist natürlich auch eine Lähmung des Parlamentsbetriebes vorgezeichnet, die wir nicht wollen. Wir wollen auf jeden Fall eine kontinuierliche und solide Arbeit des Parlaments gewährleistet wissen, nicht aber einen 14 monatigen Wahlkampf; das ist die Entscheidung auf der rechten Seite des Hauses gewesen. Hier wäre eine Ausdehnung der Wahlperiode auf fünf Jahre sicherlich eine Verbesserung.
    Meine Damen und Herren, in diesem Sinne bitte ich Sie herzlich, diesen Abschlußbericht der Reformkommission wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen und bei der weiteren Arbeit als gute, objektive Grundlage zu berücksichtigen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gerald Häfner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerald Häfner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Liebe Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte an den Anfang meiner Ausführungen einen Dank an den Vorsitzenden, an die Mitglieder und Sachverständigen, aber auch - und weiß Gott nicht zuletzt - an die Mitarbeiter der Reformkommission stellen. Wir haben zwei Jahre intensiver

    Gerald Häfner
    und auch kollegialer Beratungen hinter uns gebracht und dabei zu einigen wichtigen Weichenstellungen gefunden, dabei allerdings auch - darauf werde ich noch zurückkommen - ein ganz zentrales Problem unseres Wahlrechtes ungelöst gelassen.
    Zunächst das wichtigste Ergebnis: Der Bundestag hat eine Verkleinerung auf 598 Abgeordnete zur 15. Wahlperiode beschlossen. Wir begrüßen diesen Beschluß. Wir haben ihn ja von Anfang an mit eigenen Anträgen gefordert und mit herbeigeführt. Der Beschluß kann die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes stärken und dessen Effizienz fördern. Allerdings muß er das nicht.
    Das ist schon einmal ein Punkt, an dem die Kommission meines Erachtens ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Die Effizienz, die Transparenz, die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes leiden unter vielen anderen Dingen weit mehr als unter der Größe dieses Hauses. All unsere Vorschläge zu Fragen einer weitergehenden Parlamentsreform wie der Straffung des Gesetzgebungsverfahrens oder einer Erweiterung der Rechte des einzelnen Abgeordneten sind bereits bei der Einsetzung der Kommission abgelehnt worden.
    Aber noch etwas zur Verkleinerung. Der Bundestag war ja nicht deshalb zu groß, weil wir das deutsche Parlament willkürlich aufgebläht hätten, sondern weil die glückliche Vereinigung der über 40 Jahre getrennten Teile Deutschlands zu einem Anwachsen der Bevölkerungszahl und damit auch der Anzahl der Abgeordneten geführt hat. Die Verkleinerung war jetzt trotzdem oder gerade deshalb notwendig, so wie viele andere Reformen im vereinten Deutschland zur Herstellung von Effizienz, Arbeitsfähigkeit, Transparenz und auch mehr demokratischer Legitimation erforderlich wären. Ich würde mir wünschen, wir hätten die Kraft zu noch sehr viel weitergehenden Reformen im Bereich der Festigung und Verbesserung der Demokratie als nur zur Verkleinerung des Bundestages.
    Dann ist uns als zweites gelungen - darüber bin ich sehr froh -, die Toleranzgrenzen im Wahlgesetz zu verändern. Die bisherige Regelung hat dazu geführt, daß einzelne Wahlkreise doppelt so viele Wahlberechtigte umfassen konnten wie andere Wahlkreise, ohne daß es zu einer Änderung der Wahlkreisabgrenzung hätte kommen müssen. Daß in Zukunft eine Neuabgrenzung bereits bei einer Abweichung der einzelnen Wahlkreise gegenüber dem Wahlkreisdurchschnitt in Höhe von 15 Prozent stattfinden soll und bei einer Abweichung von 25 Prozent stattfinden muß, entspricht der Forderung meiner Fraktion und fand erfreulicherweise ebenfalls Konsens in der Kommission.
    Konsens hatten wir auch in der Frage der Grundmandate; darauf ist schon eingegangen worden. Die PDS ist - das will ich hier deutlich sagen - unser politischer Gegner. Aber sie ist in den neuen Bundesländern von zum Teil über 20 Prozent der Bevölkerung gewählt. Es wäre gänzlich absurd, diese Partei nun mit Veränderungen im Wahlrecht aus dem deutschen Parlament katapultieren zu wollen. Ich bitte Sie, zu bedenken: Damit wären ja nicht nur den Abgeordneten der PDS sozusagen die Stühle vor die Tür gesetzt, sondern vor allem auch den zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, die sie gewählt haben und die hier von ihr vertreten werden. Das ist es, was mir manchmal in unseren Debatten zu kurz gekommen zu sein scheint.
    Wir sollten nie vergessen: Im Kern geht es beim Wahlrecht nicht um uns, nicht um die Abgeordneten, nicht um die Parteien, sondern im Kern geht es beim Wahlrecht um die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Das Wahlrecht ist eben ein elementares Recht der Bürger. Bürgerinnen und Bürger sind in der Demokratie der Souverän. Von ihnen geht alle Staatsgewalt aus, und sie wird laut Grundgesetz von ihnen in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Solange der Gesetzgeber weiterhin die von den Eltern unseres Grundgesetzes vorgesehene Einführung von Volksbegehren und Volksentscheid verweigert, bleibt das Wahlrecht das einzige Instrument, mit dem die Bürgerinnen und Bürger ihre Souveränität ausüben, ihrem politischen Willen Ausdruck verleihen können.
    Deshalb ist das Wahlrecht eine sehr fragile Angelegenheit. Es beinhaltet die Spielregeln, nach denen in der Demokratie gespielt wird, und diese sollte man im Konsens zwischen den beteiligten Politikern, aber nicht nur im Konsens zwischen diesen, sondern auch im Konsens zwischen den Sachverständigen und der Bevölkerung verändern und nicht, wie es hier geschehen ist, mit knappen Mehrheiten.
    Ich halte das für ein sehr trauriges Resultat unserer Arbeit in der Kommission, daß in der weiß Gott möglicherweise wahlentscheidenden Frage der Überhangmandate kein Konsens besteht. - Der Grund, Herr Schmidt - ich glaube, das darf man Ihnen zu Recht unterstellen -, warum Sie hier eine Änderung, wie von uns vorgeschlagen, abgelehnt haben, ist, daß Sie schon jetzt nur mit einer großen Zahl von Überhangmandaten Ihre Mehrheit im Deutschen Bundestag absichern können und daß Sie natürlich Angst vor der Wahl 1998 haben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Es macht Ihnen gar nichts aus, daß Sie einen Übergangskanzler stellen. Aber ich sage Ihnen: Eine Überhangregierung hat dieses Land nicht verdient.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Sie sind jetzt nur noch eine Übergangsregierung, aber eine Überhangregierung wollen wir in Zukunft nicht.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Überhangkanzler ist auch ganz gut! Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist eine Entgleisung!)

    - Das ist keine Entgleisung. Wenn es eine Entgleisung ist, dann ist es eine Entgleisung von Ihrer Seite.
    Das oberste Prinzip beim Wahlrecht ist der gleiche Erfolgswert aller Stimmen. One person - one vote, das müßte das Prinzip sein. Sie wissen, daß schon bei der vergangenen Wahl die CDU für die Wahl eines

    Gerald Häfner
    CDU-Abgeordneten um einige Tausend Stimmen weniger brauchte als die Grünen für die Wahl eines ihrer Abgeordneten. Das heißt, daß Stimmen von Wählerinnen und Wählern der Grünen weniger gezählt haben als CDU-Wählerstimmen und das Ergebnis, wie es von den Bürgerinnen und Bürgern gewollt wurde, verfälscht worden ist.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Das führt zu abstrusen und, wie ich meine, auch demokratieschädlichen Ergebnissen. Überlegen Sie sich doch einmal, was es bedeutet, wenn möglicherweise nach der nächsten Wahl eine erkennbare Mehrheit nach den Zweitstimmen errechnet wird und allen klar ist: Es regiert zum Beispiel wieder Ihre Koalition, obwohl sie abgewirtschaftet hat, aber dann durch Überhangmandate. Es wird nicht so kommen; es wird andersherum kommen. Das wissen Sie.
    Sie haben es bei der irrsinnigen Regelung belassen, daß durch Überhangmandate die Mehrheitsverhältnisse gekippt werden können und vier Jahre lang eine andere Bundesregierung, als von den Bürgerinnen und Bürgern gewollt ist, regieren kann. Das kann doch nicht im Sinne der Demokratie sein. Was bedeutet das für die Akzeptanz der Demokratie, aber auch der politischen Entscheidungen dieses Hauses? Daß Sie so etwas sehenden Auges beibehalten und dabei mitmachen, finde ich erschreckend.
    Herr Schmidt, ich muß ihnen deutlich sagen: Sie haben den Konsens durch offenkundigen - wenn ich dieses Wort aufgreifen darf - Nonsens ersetzt.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war aber der Schmidt von der CDU!)

    - Das war der CDU-Schmidt. Ich kann Sie beide noch immer deutlich unterscheiden, auch wenn Sie häufig das „Schmidteinander" in erkennbarer Weise gepflegt haben. - Aber Sie haben wirklich Konsens durch Nonsens ersetzt. Das ist ärgerlich nicht nur für uns; das ist ärgerlich für dieses Land. Wir haben schon jetzt nur noch einen Überhang-, Übergangkanzler.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Überhangkanzler!)

    - Beides stimmt! Darum verwechsle ich die beiden im Alphabet nebeneinanderstehenden Laute so leicht. Überhang und Übergang sind nahe beieinander. - Aber nur mit den Überhangmandaten haben Sie überhaupt noch eine Chance, sich zu retten.
    Ich hoffe auf einen so deutlichen Wahlsieg für RotGrün bei der nächsten Bundestagswahl, daß Ihnen auch die Überhangmandate nicht mehr helfen werden, Ihre verfehlte Politik weiter zu betreiben.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)