Rede von
Gunter
Weißgerber
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Nachtragshaushalt ging glücklicherweise .am Einzelplan 07 vorbei, ohne größeren Schaden anzurichten. Es drängt sich immer wieder der Gedanke auf: Was wäre bewirkt worden? Wäre hier zu stark gekürzt worden, liefe man Gefahr, den Haushalt letztendlich in Luft aufzulösen.
Zum Haushalt für das Jahr 1998. Gegenüber dem letztjährigen Haushalt erfolgt ein Rückgang um 1,9 Prozent auf rund 692,7 Millionen DM. Das entspricht in etwa einem Anteil am Bundeshaushalt von 0,15 Prozent.
Erfreulich am vorliegenden Entwurf ist der TäterOpfer-Ausgleich. Auch für 1998 ist wieder ein Ansatz in Höhe von 151 000 DM enthalten. Ich erinnere Sie daran: Bis 1995 war der Bund mit 300 000 DM im Jahr in alleiniger Verantwortung. Ab 1996 galt die Vereinbarung, daß sich Bund und Länder die Kosten hälftig teilen, zu je 150000 DM. Die Länder waren 1996 noch nicht in der Lage, ihren Teil beizusteuern. Deshalb war der Täter-Opfer-Ausgleich generell in Gefahr. Für dieses Jahr - ich habe den Brief des Bundesjustizministers vorliegen - haben sich die Länder endlich geeinigt; die Kofinanzierung ist gesichert.
Aus meiner Sicht ist dabei erstaunlich, daß, obwohl nicht alle Länder dabei sind, der Gesamtbetrag bereitgestellt worden ist. Es scheint in den Ländern, was den Täter-Opfer-Ausgleich angeht, eine Solidarität parteiübergreifender Art zu geben.
Ich erinnere den Kollegen Kolbe an die letzten Haushaltsberatungen. Es war vorwiegend die Opposition, die letztendlich den Täter-Opfer-Ausgleich gerettet hat.
- Ja, der Einwand ist richtig: Wir konnten die Mehrheit überzeugen. Die Widerstände aber waren sehr groß.
Das Kapitel „Wehrstrafgerichtsbarkeit" taucht im Haushaltsentwurf jedesmal wieder auf. Die SPD lehnt dies natürlich weiterhin ab. Wir sind der Meinung, daß es einer speziellen Wehrstrafgerichtsbarkeit in unserem Land nicht bedarf. Soldaten sind Staatsbürger in Uniform.
Ich bin gespannt, wie dieses Thema im Haushaltsausschuß behandelt wird. Im vorigen Jahr hat speziell der Kollege Weng angeregt, daß sich, wenn es tatsächlich nie zur inhaltlichen Ausfüllung dieses Kapitels kommt, die Frage stellt, ob die Wehrstrafgerichtsbarkeit überhaupt noch im Haushaltsentwurf auftauchen muß.
- Herr Kollege Weng hat das voriges Jahr im Haushaltsausschuß angesprochen. Momentan ist es noch im Ansatz vorhanden.
Ein weiteres großes Kapitel im Haushalt des Justizministeriums ist das, was die Föderalismuskommission 1992 empfohlen hat und der Bundestag zur Kenntnis genommen hat. Ganz wichtig: Der Bundesgerichtshof und die Dienststelle des Generalbundesanwaltes, soweit bisher beide in Berlin ansässig, sind seit 14. Juli dieses Jahres in Leipzig. Damit sind die ersten Bundeseinrichtungen in Ostdeutschland angesiedelt. Ich als Leipziger nehme das sehr befriedigt zur Kenntnis. Ich bin auch sehr froh, daß der Kostenrahmen nicht ausgenutzt worden ist: Ursprünglich waren 21 Millionen DM veranschlagt; am Ende hat es zirka 18 Millionen DM gekostet. Auch solche Maßnahmen können also durchaus billiger werden. Wir werden sehen, wie das mit dem Berlin-Umzug noch wird. Man sieht an dem Leipziger Beispiel: Die Dinge haben durchaus die Chance, wesentlich billiger zu werden.
In dem Zusammenhang möchte ich mich seitens des Bundesjustizministeriums, seitens des Finanzministeriums - ich sehe Frau Diehl hinten sitzen - bei allen Beteiligten, dem Generalbundesanwalt, dem Land Sachsen und natürlich der Stadt Leipzig, dafür bedanken, daß es zu dieser Entwicklung gekommen ist. Natürlich besonderen Dank an Sie, meine Kollegen im Rechts- und Haushaltsausschuß, vor allem an die, die hier sitzen. Herzlichen Dank, daß das erste Projekt gelungen ist.
Allerdings gibt es beim Bundesgerichtshof noch ein Problem, die sogenannte Rutschklausel. Sie wissen sicherlich - sonst bringe ich es in Erinnerung -, die Föderalismuskommission hat 1992 unter anderem auch beschlossen, für jeden neu entstehenden Senat in Karlsruhe wird ein Strafsenat in Leipzig angesiedelt. Das stand bisher fest. Ausgerechnet am Tag der Einweihung des Bundesgerichtshofes in Leipzig am 3. September ist das von mehreren Rednern zur Sprache gebracht worden, mit der Hoffnung verbunden, daß diese Rutschklausel hinfällig wird. Ich warne alle im Haus. Es hat genug Enttäuschungen die ganzen Jahre gegeben. Die Politik muß auch einmal zu dem stehen, was sie formuliert hat.
Gunter Weißgerber
Außerdem gibt es ein noch größeres Problem. Der Bundesgerichtshof will seit Jahrzehnten in Karlsruhe bauen. Ich meine, das ist sehr berechtigt. Die Richter sind miserabel untergebracht. Das ist also ein berechtigtes Anliegen.
- Auf jeden Fall viel schlechter als Abgeordnete. Ich könnte noch ganz andere Vergleiche anstellen. Ich komme aus dem Osten. Sie wurden wirklich nicht gut untergebracht.
Ich bin nicht rachsüchtig und daher nicht geneigt, es den Richtern in Karlsruhe nicht zu gönnen, nur weil die Gesamtentscheidung nicht für Leipzig ausgegangen ist. Ich bin der Meinung, die Ansprüche sind berechtigt. Wir sollten dem stattgeben. Aber die Betroffenen in Karlsruhe sollten auch bitte die Hände von der Rutschklausel lassen. Das eine bedingt das andere.
Thema Reichsgerichtsbibliothek. Ich gehe davon aus, daß es das letzte Mal sein wird, daß ich in diesem Rahmen davon spreche. Es ist schließlich zu einem guten Konsens gekommen. Die Bestände bis 1801 kommen alle nach Leipzig. Alles das, was das Verwaltungsrecht angeht, wird ebenfalls in Leipzig untergebracht.
Ich bin zufrieden mit dem Konsens, und ich denke, wir sollten alle gut damit leben können. Es stellt sich nur die Frage, wieso das überhaupt so lange gedauert hat.
Zum Bundesverwaltungsgericht. Auch dieses könnte, was Föderalismus angeht und die Verteilung von Bundesinstitutionen, eine Art späte Erfolgsgeschichte werden. Herr Minister, Sie werden aber verstehen: Mir wäre es lieb, wenn die Geschichte ab dem nächsten Jahr durch einen sozialdemokratischen Justizminister weitergeschrieben würde. Aber das, was Sie und Ihre Vorgängerin bisher auf dem Gebiet geleistet haben, verdient Anerkennung.
Ab Januar 1998 wird das Reichsgerichtsgebäude in Leipzig renoviert. Dafür stehen 16 Millionen DM im Haushaltsentwurf. An die Stadt Leipzig ergeht von hier aus der Appell, alles dafür zu tun, daß das Reichsgerichtsgebäude bis zum Jahresende auch geräumt sein wird. Zur Zeit befindet sich das Museum der bildenden Künste darin. Die Stadt Leipzig hat zugesichert, dies termingemäß zu leisten. Alles andere wäre sehr blamabel. Es ist ganz schlecht, wenn man Leistungen fordert und selbst die Gegenleistungen nicht zu erbringen imstande ist. Die Stadt Leipzig steht hier in der Pflicht. Ich hoffe ganz stark, daß sie dieser Pflicht auch nachkommt.
Eine Anerkennung auch an den Rechtsausschuß für die Entscheidung, daß die Wehrdienstsenate von München ebenfalls nach Leipzig kommen.
Das nächste Projekt: Verlagerung der Dienststelle Berlin des Deutschen Patentamtes nach Jena. Auch dies wird im nächsten Jahr angegangen und wird Mitte 1999 abgeschlossen sein. In Jena werden dadurch 183 zusätzliche Stellen entstehen.
Ich komme jetzt zu einem Problem, welches mit dem Haushalt erst einmal wenig zu tun hat. Aber Sie als die versammelte juristische Kompetenz im Bundestag sollten mir deshalb trotzdem zuhören. Das Problem der Zahlungsmoral öffentlicher und privater Auftraggeber ist im Osten ein nahezu existentielles Problem für sehr viele Unternehmen. Wie ich vielfach höre, wird es auch im Westen des Landes zu einem wesentlich größeren Problem als bisher.
Wir diskutieren vielerorts über Eigenkapitalhilfeprogramme und über die Aufstockung des Eigenkapitals. Das alles ist richtig. Ich meine, solche Programme dienen vor allem auch dem Zweck, daß Unternehmen säumige Zahler besser verkraften können. Hier muß auch auf justiziellem Wege etwas geschehen. Nun bin ich kein Jurist par excellence, aber wir alle sind aufgerufen, dieses Problem noch einmal gründlich anzugehen.
Im Arbeitsrecht gibt es eine Regelung, daß es dann, wenn jemand meint, zu Unrecht entlassen worden zu sein, innerhalb von vier Wochen den Gerichtstermin gibt. Leute, die auf säumige Zahlungen warten, müssen sehr oft zum Gericht laufen, und aus ihrer Sicht geschieht auch sehr wenig.
Nun weiß ich nicht, wie das in der Marktwirtschaft bewertet werden soll und wie das hier im Hause gesehen wird. Aber wir als Politiker schaffen schließlich auch die Rahmenbedingungen, in denen sich Marktwirtschaft abspielen soll. Aus meiner Sicht jedenfalls bedarf es in dieser Beziehung Regelungen.
Die Industrie- und Handelskammern regen da auch vieles an. Sie sind der Meinung, daß man mit einem Notaranderkonto arbeiten könnte, auf dem 60 oder 80 Prozent der vereinbarten Geldleistungen geparkt werden, damit der Auftraggeber sieht, daß das Geld da ist. Das ist vielleicht eine Möglichkeit.
Eine andere Möglichkeit wäre, zu fragen, ob man per se von einem Betrugsverdacht ausgehen kann. Das ist eine Möglichkeit des Strafrechts. Das sind Fragen, die ich aufwerfe. Ich erwarte jetzt nicht von Ihnen, daß Sie sofort Regelungen vorlegen.
Aber die Menschen nehmen es nicht mehr hin, wenn wir nicht auch diesen Dingen auf den Grund gehen, die sie tatsächlich zu Hause sehr stark betreffen. Ich bitte Sie also ganz einfach, sich dieses Problem einmal gründlich zu überlegen.
Danke schön.
und des Abg. Detlef Kleinert [Hannover]
[F.D.P.])