Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schlauch, das war schon ganz schön dramatisch, was Sie alles vorgetragen haben - vor allen Dingen wie. Aber ich frage mich vor allem bei dem letzten Teil Ihrer Ausführungen, warum Sie das alles bis jetzt nicht getan haben. Sie tragen, wenn ich das richtig sehe, in vier Ländern Verantwortung mit, unter anderem in Nordrhein-Westfalen, in Hessen, in Sachsen-Anhalt. Warum tun Sie das da nicht? Warum haben Sie es nicht in Schleswig-Holstein gemacht? Warum haben Sie es vorher nicht in Niedersachsen gemacht?
Da haben Sie Polizeigesetze abgeschafft.
Und jetzt Ihr Ministerpräsident - das bringt uns in dieser Republik nicht weiter und hängt den Leuten inzwischen zum Hals raus. Ich sage Ihnen das in aller Deutlichkeit.
- Herr Krüger, zu Ihnen oder zur SPD komme ich jetzt.
Jetzt ist Herr Schily weg, und er hat sich dafür auch entschuldigt. Das ist akzeptabel. Ich würde trotzdem gern zwei Bemerkungen machen.
Erstens möchte ich ihm danken für seine eindeutige Haltung und die der SPD-Bundestagsfraktion, für die er geredet hat, zur Strafmündigkeit von Kindern.
Ich finde das, was Herr Schröder im Bundesrat erklärt hat, völlig inakzeptabel. Es ist ein Armutszeugnis für einen Mann, der offensichtlich selber keine Kinder hat und nicht weiß, wie man damit umgeht. Das wird er vielleicht noch irgendwann lernen. Soll das das einzige Mittel der Gesellschaft sein, wenn Eltern versagen, wenn die Gesellschaft versagt und möglicherweise auch die Schule versagt? Ich denke, das trägt nichts bei.
Der zweite Punkt: Lauschangriff. Ich sage das jetzt auch für Herrn Schily zu Protokoll. Die SPD hat das ganz flott auf einem Parteitag beschlossen. Meine Partei hat sich außerordentlich schwer mit diesem Thema getan. Ich finde, es ziert eine Partei, wenn sie sich bei einem so massiven Eingriff in die Grundrechte der Menschen mit einem Thema schwertut. Wir haben einen Mitgliederentscheid herbeigeführt, und wir haben lange in einer großen Koalition verhandelt. Aber daß man sich jetzt hier hinstellt und den Innenminister prügelt und dabei selber schon weiß, daß mindestens vier Bundesländer, wo Koalitionen regieren, die Koalitionsklausel ziehen werden, kann ich nicht akzeptieren.
Der innere Frieden einer Gesellschaft beruht aber auf der Freiheitlichkeit ihrer Rechtsordnung, ebenso wie beim Schutz von Leib und Leben und Eigentum der Bürger, nämlich auf den Grundrechten.
Ina Albowitz
Kriminalität ist ein Verstoß gegen die Zivilisation, dem sich der Rechtsstaat mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenstellen muß. Aber im Gegensatz zu zahlreichen Vertretern anderer Parteien greifen die Liberalen das Thema innere Sicherheit nicht erst dann auf, wenn die nächste Wahl vor der Tür steht; dazu ist heute schon viel gesagt worden. Diese Problematik steht bei uns ständig auf der Tagesordnung. Allerdings beschäftigen wir uns mit ihr in einer angemessenen und verantwortungsvollen Art. Für eine erfolgreiche liberale Innenpolitik gibt es zahlreiche Beweise. Sie hat nämlich die Geschichte dieser Bundesrepublik entscheidend mitgeprägt.
Die Lufthoheit über den Stammtischen zu erringen und Ängste zu schüren war nie unsere Sache.
Statt dessen haben wir uns intensiv mit Lösungsmöglichkeiten auseinandergesetzt. Das war oft schwierig genug für die eigene Partei. Was an gesetzgeberischen Maßnahmen notwendig war, haben wir auf den Weg gebracht oder mitgetragen, oft nach schwerem Ringen. Hätten sich andere Verantwortungsträger beim Bund und in den Ländern einige unserer Ideen früher zu eigen gemacht, wäre das, was Herr Kanther heute als neue Form der Verbrechensbekämpfung vorschlägt, längst gang und gäbe. Herr Kanther, das war so auch vor Ihrer Zeit als Bundesinnenminister.
Schließlich fordern wir seit langem den Ausbau von Prävention und Bürgerbeteiligung. In unserem Thesenpapier zur inneren Sicherheit von 1993 können Sie das alles nachlesen: die Einrichtung sogenannter kriminalpräventiver Räte - Herr Schily hat eben gesagt, das geschehe längst; das geschieht längst nicht in allen Bundesländern -
- ich sage ja: Es passiert nicht in allen; Herr Schlauch, es passiert zum Beispiel nicht in Bayern; wir reden ja von allen Bundesländern -
- das habe ich nicht gesagt -,
die Modernisierung und Neuorganisation der Polizei, um mehr Bürgernähe und Polizeipräsenz auf den Straßen zu erreichen, zusätzliche Stellen und technische Aufrüstung usw.
Was jetzt als besondere Erfindung der New Yorker Polizei zur Nachahmung empfohlen wird, steht schon seit Jahren in unseren Konzepten. Das „Broken windows” -Programm ist inzwischen eines, mit dem man sich ernsthaft auseinandersetzen kann.
- Genau, Herr Kollege Marschewski.
Auch in haushaltsmäßiger Hinsicht haben meine Partei und meine Fraktion alles, was der Verbesserung der inneren Sicherheit dienen konnte, mitgetragen oder angeregt. Ob es sich um die Neuorganisation des BGS, des BKA, den Aufbau einer schlagkräftigen europäischen Polizei oder die Ausrüstung dieser Behörden mit modernster Technik handelt, die F.D.P. hat sich dafür immer stark gemacht. Die Bremser saßen häufig woanders, und zwar in den Ländern. Auch das wissen wir.
Natürlich freuen wir uns besonders, wenn sich auch der Bundesinnenminister unserer Meinung anschließt. Ich nehme das jetzt für uns in Anspruch. Genau wie er jetzt sind wir nämlich schon seit langer Zeit der Meinung, daß unsere Gesetze zur Verbrechensbekämpfung sehr gut und ausreichend sind. Das Problem in unserem Land besteht nicht in den gesetzlichen Grundlagen, sondern in ihrem Vollzug.
Davon abgesehen kann sich die gesetzgeberische Arbeit der Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. zur Verbesserung der Strafprozeßordnung wirklich sehen lassen. In dieser und in der letzten Legislaturperiode haben wir eine Vielzahl von Gesetzen verabschiedet, um vorhandene Lücken zu schließen und um auf neue Formen der Kriminalität zu reagieren. Wend man die einzelnen bundesgesetzlichen Maßnahmen seit 1991 zusammenzählt, dann kommt man zur Zeit auf die stattliche Anzahl von 39 und nicht auf 40, Herr Schlauch. Die 40. Maßnahme müssen wir erst noch verabschieden. Darunter sind so wichtige wie das Geldwäschegesetz, das Verbrechensbekämpfungsgesetz, das kürzlich beschlossene Korruptionsgesetz oder die Hauptverhandlungshaft, die wir gegen den massiven Widerstand der SPD durchgesetzt haben.
Es zeugt im übrigen auch nicht von innerer Überzeugung eines Landes, wenn man, bevor die erlassenen Gesetze ihre Wirkung überhaupt entfalten können, schon wieder nach neuen ruft.
Die Kriminalitätsbekämpfung krankt nicht an mangelnden gesetzlichen Möglichkeiten, sondern an Vollzugsdefiziten. Was nützen neugeschaffene Methoden wie das beschleunigte Verfahren, wenn sie in manchen Ländern so gut wie überhaupt nicht angewandt werden und wenn die Bürger wegen der schleppenden Fallbearbeitung bei den Länderjustizbehörden den Eindruck gewinnen müssen, daß Strafe nicht mehr auf dem Fuß folgt?
Interessanterweise gibt es gerade bei denjenigen Ländern die größten Vollzugsdefizite, deren oberste Repräsentanten sich in den letzten Wochen und
Ina Albowitz
Monaten mit law-and-order-Parolen als Seelenverkäufer betätigt haben.
- Frau Kollegin, ich bitte Sie, lesen Sie sich nur einmal das Protokoll der Sitzung des Bundesrates in der letzten Woche durch. Dann fällt Ihnen nichts mehr ein. Der in den letzten Tagen so viel zitierte Professor Pfeiffer stellt den Städten Hamburg und Hannover ein vernichtendes Zeugnis in puncto innere Sicherheit aus.