Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Kampf gegen das Verbrechen, der Kampf für die innere Sicherheit ist der Schwerpunkt der Innenpolitik dieser Bundesregierung.
Nach den herkömmlichen Gesetzen, die in unserem Fach gelten, wird die Richtigkeit dieser Politik immer dann ganz besonders ausgewiesen, wenn sich die Opposition der Regierung anschließt.
Es ist offenkundig, daß die SPD jetzt erklärt: Die Innenpolitik der Regierung ist richtig; so wollen auch wir sie haben. - Das ist zunächst einmal als Erfolg zu bewerten; denn was man gemeinsam tun kann, ist besser als das, was im Streite geschehen muß. Aber es ist zu fragen, ob es zutrifft, was da so vollmundig in Interviews erklärt wird und was in Abhakkalendern an Aktionen, die nötig seien, zusammengefaßt wird. Wenn man das glauben soll, muß mehr geschehen als das Geben von Interviews. Denn die Kriminalität ist eine Reflexion der gesellschaftlichen Umstände.
Die sozialdemokratische Gesellschaftspolitik vieler Jahre war in vielen einschlägigen Aspekten außerordentlich falsch: in der Erziehungspolitik, in der Familienpolitik, in der Ausländerpolitik, bei der Definition von „freihändigen" Gewaltbegriffen oder Widerstandsrechten. Wenn man bedenkt, was allein aus dem niedersächsischen Regierungslager im Umfeld von Castor-Transporten erschallt, dann muß man die Frage stellen: Ist eigentlich alles wahr, was an anderer Stelle nunmehr neu eingefordert wird?
Die Sicherheitspolitik braucht eine geistige Basis. Ich würde mich freuen, wenn wir uns auf die gleiche Basis verständigen könnten. Aber ich muß schon darauf hinweisen: Was etwa im Zusammenhang mit der Asylpolitik an Kübeln von Schmutz über uns ausgegossen worden ist,
während jetzt eine schnellere Abschiebung gefordert wird, das geht doch auf keine Kuhhaut!
Lassen Sie mich Ihnen einmal ein Zitat für ungezählte andere hier darbieten:
Die Staatsräson der Nazis war die Verfolgung ethnischer und politischer Minderheiten. Teil der
Bundesminister Manfred Kanther
Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland ist deren Schutz. ... Albrecht zerstört damit einen Teil unserer freiheitlichen Ordnung, deren Kraft sich gerade in Schwierigkeiten beweisen muß. Aber so sind sie, diese Patentchristen: Wenn es schwierig wird, geht die Ethik über Bord. Was bleibt, ist Machtwille, gestützt auf kalten Zynismus. Jeder Abgeordnete kann zeigen, wohin er gehört: auf die Seite des Anstands oder auf die der Unanständigkeit, auf die Seite der Moral oder die der Unmoral.
So Herr Schröder vor zehn Jahren. Deshalb müssen wir hinterfragen, ob es wahr ist, wenn er nun richtigerweise schnellere und mehr Abschiebungen von Ausländern ohne Bleiberecht und insbesondere von Straftätern fordert, zumal er doch so sehr zuständig wäre.
Aber 51,5 Prozent all derer, die ausreisepflichtig sind, tauchen in Niedersachsen ab. Im ganzen vergangenen Jahr sind vier Straftäter abgeschoben worden - bei 200 000 Ausländerdelikten im Lande. Das ist die Realität, und auch sie gehört zum Problem.
Wenn man sich mit Jugendkriminalität beschäftigt und dies auch noch mit starken Worten tut, dann muß daran erinnert werden, daß sich hier in besonderem Maße gesellschaftliche Umstände widerspiegeln, die auf Erziehung in Familien und Schulen fußen.
- „Sehr richtig" . - Aber das ist sehr schwierig, wenn man bedenkt, daß noch vor nicht langer Zeit einer Ihrer Kanzlerkandidaten erklärt hat, daß Pflichtgefühl eine Sekundärtugend sei, mit der man auch ein KZ betreiben könne. Wie wollen wir denn die Rechtsordnung bei jungen Leuten als eine einzuhaltende verankern, wenn wir Werte gleichzeitig so herabsetzen?
Ich wünsche mir, daß sich das bei denjenigen in der SPD wirklich ändert, von denen all diese endlosen Zitate stammen. Es geht ja nicht um alle in der SPD; ich will hier nicht alle über einen Leisten schlagen. Gerade im Innen-Fach gibt es ja viele Männer und Frauen, die anders denken. Aber wenn es eine grundsätzliche Umkehr der Sozialdemokratischen Partei in der Sicherheitspolitik geben soll, dann gehört auch die Aufarbeitung dieser offenkundigen Defizite dazu.
Ferner gehört ein Nachweis in der Praxis dazu, daß es nun anders hergehen soll. Was eigentlich braucht ein Politiker noch als eine absolute Mehrheit mit den eigenen Freunden, um genau die Politik zu machen, die er gerne machen möchte?
Deshalb ist doch die Frage, warum in den sozialdemokratischen Polizeigesetzen im Saarland, in Schleswig-Holstein und besonders in Niedersachsen zum
Beispiel die Polizeiaufgabe der Bewahrung der öffentlichen Ordnung unter dem Aspekt eines Pseudoliberalismus, der immer falsch war, eliminiert worden ist. Ich fordere die Verantwortlichen auf, ihre Polizeigesetze so zu ändern, daß sie zu ihren Interviews passen.
Ich fordere sie auf, ihre faktische Landespolitik so einzurichten, daß sie zu ihren Forderungen paßt.
Der Bundesgrenzschutz hat in den letzten Jahren 3 000 Beamte mehr erfahren, und die Aufwendungen für den Bundesgrenzschutz sind in den Haushalten von 1993 bis 1998 um über 40 Prozent gestiegen. Aber in Niedersachsen gibt es in den letzten drei Jahren 247 Planstellen für die Polizei weniger. Da muß doch erklärt werden, wie man damit mehr Sicherheit gewährleisten will.
Ich muß daran erinnern, daß im föderativen Staatsgebilde die Polizei und die Justiz ganz überwiegend Aufgabe der Länder sind. Es kann nicht zugelassen werden, daß man diese Aufgabe wegdrückt, indem man sich nur noch mit bundespolitischen Forderungen an die Gesetzgebung tummelt, aber die eigenen Schularbeiten höchst unzulänglich macht. Polizei und Justiz sind Länderaufgabe.
Die innere Sicherheit zu gewährleisten ist Länderaufgabe.
- Ganz entscheidend Länderaufgabe.
Der Bund hat seine gesetzgeberischen Schularbeiten gemacht oder ist zur Zeit dabei. Mit Grund sage ich das so: Wir haben das Anti-Korruptionsgesetz, das Verbrechensbekämpfungsgesetz, das BKA-Gesetz, das BGS-Gesetz und das Ausländergesetz novelliert. Wir stehen kurz vor der Novellierung der Gesetze betreffend Abhören und Geldwäsche.
Die gesetzgeberischen Schularbeiten sind im wesentlichen, jedenfalls dem Grunde nach, gemacht. Nun geht es um die Durchführung. Aber auch da sind die bundespolitischen Schularbeiten gemacht: mit der ins Haus stehenden BGS-Reform, mit den genannten Organisationsgesetzen. Nun muß durchgesetzt werden, was angeblich gemeinsamer politischer Wille ist.
Wir werden nicht zulassen, daß die Länder, insbesondere die sozialdemokratisch regierten, die Aufgabe ihrer Staatlichkeit im wesentlichen darin sehen, Entscheidungen zu bundespolitischen Themen zu blockieren, während sie zu Hause ihre eigenen sicherheitspolitischen Schularbeiten nicht machen.
Bundesminister Manfred Kanther
Sie müssen sich einmal die Statistiken vornehmen. Darin stehen Bayern und Baden-Württemberg, was die Aufklärungsquote anbetrifft, mit einem riesigen Abstand vor den norddeutschen Ländern. Die langfristig stetige Sicherheitspolitik unionsgeführter Landesregierungen hebt sich sichtbar von der sozialdemokratischer Landesregierungen ab. Diese Länderaufgabe gilt es hier zu betonen.
Ich habe einen Vorschlag für eine völlig neue Sicherheitspolitik in den besonders gefährdeten Großstädten gemacht. Maßnahmen sind dringend erforderlich, wenn wir die Sorgen unserer Mitbürger ernst nehmen;
denn das Bild wird insbesondere von den Erlebnissen und den Vorgängen zumindest in einigen Großstädten geprägt. Hier müssen wir aus amerikanischen Erfahrungen lernen, ohne sie blind abkupfern zu wollen.
Dieser Vorschlag wurde in den letzten Tagen von den Bundesländern damit beantwortet, daß gesagt wurde: Ja, Herr Kanther, schicken Sie doch einmal 100 Leute vom BGS. Dann ist das neue Sicherheitskonzept in Ordnung. -
Das wird ganz sicher nicht geschehen.
Ein neues großstädtisches Sicherheitskonzept verlangt nach neuen Ansätzen in der praktischen Politik, auch nach neuen geistigen Ansätzen. Für die Sicherheitsarbeit in der Großstadt ist der Ordnungsbegriff wesentlich. Dort müssen großstädtische Verwaltungen und Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten, um Prävention und Verbrechensbekämpfung zu stärken. Dort muß die Justiz in einem stärkeren Maße, als es heute geschieht, ihren Sicherheitsauftrag reflektieren. Dort muß insbesondere gegen die Alltagskriminalität, auch gegen solche mit einem geringeren Unrechtsgehalt, vorgegangen werden. Es darf nicht von Bagatellkriminalität und von der Freigabe von Drogen in Apotheken geredet werden.
Man darf nicht die Leute verwirren und die Hemmschwelle senken, statt sie zu verteidigen. Das alles sind die grundlegenden Ansätze eines neuen Konzepts. Es geht nicht darum, daß der Bund 100 Beamte des Bundesgrenzschutzes an die Seite der Landesregierung stellt.
Ich würde mich freuen, wenn es zu mehr Gemeinsamkeit in der Praxis käme. Das aber bedeutet, daß die Landespolitiker in diesem Sinne tätig werden müssen und sich damit als glaubwürdig erweisen.
Ich freue mich, daß sich die Sozialdemokraten der Politik anschließen wollen, die wir, auch ich, immer unbeirrt vertreten haben,
insbesondere in wesentlichen Fragen der Ausländerpolitik. Nur, Ihre Kandidaten müssen das noch mit der Verheißung in Einklang bringen, daß die Zukunft der ganzen Bundesrepublik rot-grün aussehen soll. Ein institutionalisierteres Sicherheitsrisiko als eine Koalition mit den Grünen kann es doch allen Erfahrungen nach gar nicht geben.
Das Polizeigesetz, das Herr Schröder jetzt nachzubessern verheißt, stammt doch aus rot-grüner Feder.
Was aus der Arbeit des hessischen grünen Justizministers lädt zum Nachmachen oder gar zur Übertragung auf die Bundesebene ein? Was machen denn Ihre rot-grünen Landesregierungen als erstes angesichts des gefundenen Kompromisses zu den Themen des Abhörens und der Geldwäsche? Sie erklären, sie werden sich im Bundesrat der Stimme enthalten. Sie können aber doch die Sicherheitspolitik, die Sie uns ansinnen und die Sie mit rotgrüner Mehrheit durchsetzen wollen, in diesem Hause auf gar keinen Fall mit Enthaltung durchbringen.
Das heißt also, bevor das sicherheitspolitische Godesberg der Sozialdemokraten glaubwürdig ist, muß es in der Praxis dort nachgewiesen werden, wo Sie selbst Verantwortung tragen.
Wir haben die Sicherheitspolitik zu einem Hauptaspekt der Koalitionsarbeit gemacht.
Sie hat sich in den vier Jahren, die ich jetzt im Amt bin, als der wesentliche und vorankommende Aspekt der eigenen Arbeit erwiesen. Das, was wir miteinander anpacken wollen, ist geschehen. Es hat häufig Ihren Widerspruch gefunden. Ich freue mich, wenn es jetzt in wesentlichen Fragen Ihre Zustimmung findet. Aber ich weiß nicht, ob das so bleiben wird.
Wenn man schnellere Verfahren vor deutschen Gerichten fordert, darf man nicht, wie zuletzt die Herren Voscherau und Schröder, der Hauptverhandlungshaft hier im Hause und im Bundesrat widersprechen. Das paßt nicht zueinander.
Es geht gerade in der Sicherheitspolitik darum, glaubwürdig zu sein. Diese Glaubwürdigkeit ist etwas, was wir mit vielen praktischen Punkten der Gesetzgebung und des Vollzuges - ich verweise auf die hohen Aufwendungen für die Sicherheitskräfte des Bundes, BKA und Bundesgrenzschutz - immer nachgewiesen. haben.
Bundesminister Manfred Kanther
Ich freue mich, wenn wir auf eine Zeit der Gemeinsamkeit als einem Hauptanliegen unserer Bürge] zugehen sollten, aber nicht nur durch ein Abhaken von vordergründigen Handlungskalendern, sondern durch die geistige Fundierung von Sicherheitspolitik. Ich hoffe das, aber ich möchte es gern in der Praxis nachgewiesen wissen.
Danke sehr.