Rede von
Dr.
Graf
Otto
Lambsdorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Penner, es gibt auch manchmal Neues. Warum eigentlich nicht? Wir sollten doch flexibel und wandlungsfähig sein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben es soeben gehört: Der Ältestenrat hat dem Vorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung freundlicherweise einige Minuten Redezeit eingeräumt. Dafür bedanke ich mich im Namen aller politischen Stiftungen bei den Fraktionen. Was ich hier sage, haben wir unter den Stiftungen abgestimmt. Wir arbeiten nämlich gut und nahezu völlig konkurrenzlos zusammen.
Die Stiftungen begrüßen, daß das BMZ seinen Etat für 1998 nahezu auf dem Stand des laufenden Jahres halten konnte. Angesichts der Gesamthaushaltssituation ist eine Kürzung von lediglich 0,2 Prozent wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Eines kann man jedenfalls sagen - ich habe den Ausführungen hier natürlich zugehört; da gibt es unterschiedliche Meinungen -: Andere Ressorts haben in dieser Haushaltsvorlage mehr Federn lassen müssen.
Besorgt stimmt uns die Tatsache, daß dieser 0,2 prozentigen Kürzung des BMZ-Gesamthaushaltes eine weitere Kürzung von 5 Prozent bei den Stiftungen gegenübersteht. Zum Vergleich die Situation hinsichtlich der Förderung der Länder Mittel-, Südost- und Osteuropas: Hier soll der Ansatz um über 100 Millionen DM gegenüber dem des laufenden Jahres steigen. Dieser Zuwachs wird aber überwiegend der Finanziellen Zusammenarbeit und zu einem geringeren Teil der Technischen Zusammenarbeit zugute kommen. Die Mittel für die politischen Stiftungen hingegen, deren Aufgaben gerade in den Transformationsländern in jüngster Zeit stark gewachsen sind, sollen mit insgesamt 38,5 Millionen DM unverändert bleiben. Weitere Kürzungen auch in diesem Bereich sind wohl zu befürchten. Ob damit die politischen Gewichte richtig gesetzt sind, bezweifeln wir.
Insgesamt muß die finanzielle Situation für die politischen Stiftungen durch die erneuten Kürzungen im Baransatz und - was noch schwerer wiegt - bei den planungsrelevanten Verpflichtungsermächtigungen als fortschreitend kritisch bezeichnet werden. Vielerorts bereitet es uns bereits jetzt erhebliche Mühe, den Kernbestand nachhaltig aufgebauter Strukturen und Kontakte zu sichern und - auch das muß erwähnt werden - den Verpflichtungen gegenüber unseren Partnern nachzukommen.
Die Bedeutung der Auslandsarbeit der politischen Stiftungen und ihre Erfolge werden nicht zuletzt dank der Ausführungen von Bundespräsident Herzog zunehmend gewürdigt. Es erscheint mir allerdings wichtig, einmal auf die besondere Bedeutung der Arbeit der Stiftungen gerade in den Transformationsländern hinzuweisen. Dabei beziehe ich mich nicht nur auf die Länder in Mittel-, Südost- und Osteuropa, sondern auch auf zahlreiche Länder Afrikas, Lateinamerikas und Asiens. Auch dort vollziehen sich zum Teil schwierige politische und wirtschaftliche Übergangsprozesse, und nicht alle verlaufen auf Anhieb erfolgreich. Der jüngste Putsch in Kambodscha - um ein besonders krasses Beispiel zu nennen - verdeutlicht auf erschreckende Weise, wie schwach verankert vielerorts die demokratisch-rechtsstaatlichen Strukturen noch sind. Mit einem Schlag wurden hier die 1993 von der internationalen Staatengemeinschaft mit über 2 Milliarden US-Dollar und rund 20 000 Soldaten unterstützten Bemühungen zunichte gemacht, über freie Wahlen die Agonie von 20 Jahren Bürgerkrieg zu überwinden. Auch die anhaltende wirtschaftliche und politische Krise in Thailand sowie die Entwicklung in anderen Teilen der Welt - im ehemaligen Jugoslawien, in Pakistan, in Indonesien oder in Nigeria - zeigen, wie wichtig die Arbeit für den Aufbau und die Sicherung von demokratischen, pluralistischen und rechtsstaatlichen Strukturen ist.
Diese Arbeit ist mitunter mit einem erheblichen persönlichen Risiko - denken Sie bitte einmal an die Sicherheitslage in Südafrika - für unsere Auslandsmitarbeiter und deren Familien verbunden. Ich möchte hier heute die Gelegenheit nutzen, ihnen im Namen aller Stiftungen für ihr Engagement herzlich zu danken.
Sie leben dort nicht mit diplomatischem Status und den damit verbundenen Vorrechten.
Der Aufbau ziviler Bürgergesellschaften ist eine originäre Aufgabe der politischen Stiftungen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, eine Aufgabe, deren Wahrnehmung durch die fortgesetzten Kürzungen zunehmend schwieriger wird. Wenn wir mit unseren Bemühungen in den Transformationsländern gerade jetzt nachlassen, werden wir bald einen höheren Preis bezahlen. Vergessen wir bitte gerade hier in Deutschland nicht: Die Staaten in Ost- und Mitteleuropa konnten am gemeinsamen europäischen Zivilisationsprozeß während des letzten halben Jahrhunderts nicht teilnehmen, aus Gründen, die letztlich Deutschland zu vertreten hat, wenn auch das Veto der Sowjetunion nach dem Kriege die unmittelbare Ursache für den Ausschluß der Ost- und Mitteleuropäer aus Europa gewesen ist.
Unsere Arbeit in Rußland, der Ukraine, Bulgarien und Rumänien bedarf der Fortsetzung. Unser Engagement in den Ländern, die sich der Europäischen Union anschließen möchten, müßte verstärkt werden. Gleichzeitig, Herr Minister Spranger, fordern Sie - ebenso wie Ihr Kollege Kinkel - uns völlig zu Recht zu neuen Aktivitäten in weiteren Ländern auf. Aber um diesen Anforderungen gerecht zu werden, brauchen die politischen Stiftungen mindestens 45 Millionen DM aus dem „Programm zur Förderung der Länder Mittel-, Südost- und Osteuropas" für 1998. Sie werden besser beurteilen können als ich, ob das in Ihrem Etat überhaupt möglich ist.
Bei der Auslandsarbeit der politischen Stiftungen geht es um den Aufbau klarer marktwirtschaftlicher Strukturen sowie um die Durchsetzung und Sicherung der Freiheitsrechte und der politischen Partizipationsmöglichkeiten der Bürger. Es geht um die tat-
Dr. Otto Graf Lambsdorff
kräftige Unterstützung umfassender Reformprozesse, wie ich sie mir im übrigen auch für Deutschland in viel stärkerem Maße wünschen würde. Die politischen Stiftungen erfüllen eine Aufgabe, wie sie so von staatlichen Trägern nicht wahrgenommen werden kann. Sie erfüllen sie mit unterschiedlichen Ansätzen und unterschiedlichen Partnern. Das ist so gewollt, und es kann auch nicht anders sein.