Rede von
Dr.
Willibald
Jacob
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wiederum ist der Haushalt für Entwicklungszusammenarbeit von skandalösen Kürzungen bestimmt. Zugleich ist ganz deutlich: Die Institutionen, die den Gedanken der gesellschaftlichen Entwicklung tragen und menschliche Entwicklung fördern, werden finanziell unterhöhlt. Dem kann die PDS nicht zustimmen.
Zu den Kürzungen: Erstens. 0,2 Prozent des Baransatzes werden gekürzt. Zweitens. Die Verpflichtungsermächtigungen für die kommenden Jahre werden um mehr als 16 Prozent gekürzt; das sind 750 Millionen DM. Drittens. Besonders die Mittel von Nichtregierungsorganisationen und Kirchen werden verringert. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem die polytechnische. Ausbildung und damit die Armutsbekämpfung. Viertens. Die Unterstützung der ungeliebten UN-Organisationen wird beschnitten. Das heißt, Entwicklungsanalytikern , Entwicklungstechnikern (UNIDO), Frauenprogrammen (UNIFEM) und dem Kinderhilfswerk (UNICEF) wird Schritt für Schritt die Unterstützung entzogen.
Damit verbunden ist das Gegenteil dessen, was die Praktiker der Entwicklungshilfe erwarten: Erstens. Die Regierung ist nicht bereit, ersparte Mittel der Entwicklungshilfe dieser wieder zuzuführen, sondern sie stopft damit die allgemein bekannten Haushaltslöcher im reichsten Land Europas. Zweitens. Die Regierung ist keineswegs zum vollständigen Schuldenerlaß für die ärmsten Länder bis zum Jahre 2000 bereit. Drittens. Sie unterhöhlt damit de facto die Beschlüsse aller UN-Gipfelkonferenzen der letzten Jahre. Viertens. Die Regierung ist dabei, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung überflüssig zu machen und damit auch den entsprechenden Bundestagsausschuß.
Das Fazit: Was nach innen wahr ist, ist auch nach außen wahr. In unserem eigenen Land wachsen die Massenarbeitslosigkeit und gleichzeitig die Gewinne von Banken und Großbetrieben. In den Entwicklungsländern wächst die Armut, und gleichzeitig wachsen die Gewinne von Großbanken und multinationalen Konzernen. So wie im eigenen Land Armutsbericht und Reichtumsbericht fehlen - von der Regierung verweigert -, so fehlen sie auf Weltebene.
Von Armutsbekämpfung wird gesprochen. Gleichzeitig sollen wir Schritt für Schritt unfähig gemacht werden, die Ursachen von Armut, Hunger, Fluchtbewegungen und Bürgerkriegen zu verstehen und nach ihnen zu fragen. Aber ich denke, unsere Regierung irrt, wenn sie meint, Menschen, die das erkannt haben, würden Ruhe geben.
Sie haben längst begriffen, daß eine „Störung der gesamtwirtschaftlichen Lage" vorliegt, wie Herr Dr. Waigel es gestern sagte. Praktiker der Entwicklungszusammenarbeit fügen hinzu: Diese Störung ist eine globale Erscheinung. Eine Ausgewogenheit der weltwirtschaftlichen Lage hat es nie gegeben. Kolonialismus, Rassismus und der dann folgende Neoliberalismus waren und sind Indikatoren für eine Störung der weltwirtschaftlichen Lage.