Rede von
Wolfgang
Schmitt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich dachte, daß die Einlassung des Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Sommer, wie sie zumindest die „Frankfurter Rundschau" überliefert hat, nach der er die Abschiebung
straffällig gewordener Ausländer erleichtern möchte, indem er die jeweiligen mutmaßlichen - mutmaßlichen! - Heimatländer entwicklungspolitisch unter Druck setzt, eine Einzelmeinung - wenn auch eine bedeutende Einzelmeinung - innerhalb des Unionslagers darstellt.
Ich gehe davon aus, daß die Äußerungen des Kollegen von Schmude nicht nur seine persönlichen waren, sondern tatsächlich die Position der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion wiedergeben. Ich bin erschrocken darüber und weise die Inanspruchnahme der Entwicklungszusammenarbeit für die Abschiebepraxis der Bundesregierung schärfstens zurück.
Wir haben es in den vergangenen 30 Jahren häufiger erlebt, daß die Entwicklungszusammenarbeit für andere Politikbereiche instrumentalisiert wurde. Ich glaube, die Ergebnisse, die dabei herausgekommen sind, sind wenig schmeichelhaft für die Entwicklungszusammenarbeit. Sie haben dazu geführt, daß entwicklungspolitisches Engagement diskreditiert wurde mit dem Hinweis: Die Dinge, die ihr vorhattet, habt ihr nicht erreicht.
Wenn man Ihre Vorstellungen zu Ende denkt, heißt das, daß in Zukunft Regime, die sich möglicherweise alles andere als förderlich in der Entwicklungszusammenarbeit verhalten, aber bereit sind, ihre Bürger aufzunehmen, im Sinne eines entwicklungspolitischen Menschenhandels dafür belohnt werden, daß die Leute zurückgenommen werden,
während die entwicklungspolitischen Kriterien dabei überhaupt keine Rolle spielen.
Es wird allerhöchste Zeit, daß sich an der Spitze des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - oder sollte ich besser sagen: des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Abwicklung; denn die erwähnten Äußerungen haben mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit weiß Gott nichts mehr zu tun - nicht nur personell, sondern auch konzeptionell etwas ändert.
Meine Damen und Herren, der Gehalt des Einzelplans 23 ist wirklich ernüchternd. Der Minister, aber auch andere Redner haben darauf hingewiesen: Wir haben es mit real sinkenden Haushaltsansätzen zu tun. Die absehbaren Einbrüche in den nächsten Jahren durch die deutliche Reduzierung der Verpflichtungsermächtigungen - die sind unser wichtigstes Instrument - verringern die Spielräume einer Entwicklungspolitik, die diesen Namen verdient, bis zur Unkenntlichkeit. In Zukunft stehen für die durch die Bundesregierung selbst benannten Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit, nämlich für den
Wolfgang Schmitt
Umwelt- und Ressourcenschutz sowie die Armutsbekämpfung, deutlich weniger Mittel zur Verfügung.
Die Fülle der Aufgaben des Ministeriums hat zugenommen. Das haben Sie richtig benannt, Herr Kollege Schnell. Sie haben auch erwähnt, daß der Personalbestand, anders als bei allen anderen Häusern dieser Bundesregierung, auf den Stand von vor 1990 zusammengeschmolzen ist. Aber Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als mit Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses zu reagieren. Die notwendige Konsequenz wäre, a) den Personalbestand oder b) die Aufgabenanforderung zu erhöhen. Aber mit einem warmen Händedruck werden Sie den bevorstehenden Schwierigkeiten, daß die wachsende Aufgabenfülle von immer weniger Beamtinnen und Beamten bewältigt werden muß, nicht gerecht.
Schließlich zu der ungeklärten Finanzierung der internationalen Verpflichtungen des Hauses auf Grund des höheren Dollarkurses: Das ist weiß Gott ein Bubenstück von Lastenteilung innerhalb der Bundesregierung. In der Vergangenheit war es so, daß das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mögliche Erlöse, die auf Grund des überraschend niedrigen Dollarkurses anfielen, umgehend an das Bundesministerium der Finanzen abführen mußte und dies mit dem Hinweis darauf erklärte, daß es sich schließlich nicht um eigene Verdienste handelte. Das leuchtete ein, solange man davon ausgehen konnte, daß im umgekehrten Falle Mehrausgaben infolge eines überraschenden Steigens des Dollarkurses ebenfalls vom Bundesministerium der Finanzen übernommen werden. Jetzt müssen wir feststellen: Die Vereinbarungen werden so gestrickt, daß Bundesfinanzminister Waigel wenigstens in diesem einen Fall immer auf der Seite der Gewinner steht. Das ist er sonst ja nicht mehr gewöhnt. Entsprechende Veränderungen am Devisenmarkt gehen immer zugunsten seines Hauses und zu Lasten des betreffenden Ministeriums.
Der Minister selbst hat im Rahmen seiner Aktion "Rette, was zu retten ist" offensichtlich - so meine ich - die Übersicht verloren. Es hat eine Pressekonferenz gegeben. Auf dieser Pressekonferenz hat er den vorliegenden Haushaltsentwurf charakterisiert: Der Haushalt ist eine sinnvolle Kompromißlösung; so Originalton Spranger. Fünf Minuten später: Es hat in meiner Amtszeit noch keine so drastischen Einschnitte gegeben.
Das gipfelt auf der gleichen Pressekonferenz in der Aussage: Der Personalabbau im BMZ kann nicht schlimmer werden, das heißt, wir sind praktisch am Ende. Die Existenz des Hauses oder die Sinnhaftigkeit der Arbeit steht grundsätzlich zur Debatte.
Die Frage ist: Handelt es sich bei dem hier vorliegenden Entwurf um einen Kompromiß, oder ist es ein entwicklungspolitisches Desaster. Ich glaube, die zweite Charakterisierung trifft zu.
Herr Laschet, es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß Sie auf einer Pressekonferenz, wohl im Auftrag des Bundesfachausschusses Ihrer Partei, einige konzeptionelle Überlegungen zur bundesdeutschen Entwicklungszusammenarbeit zu Papier
gebracht haben. Mein persönlicher Eindruck ist, daß man die darin aufgeführten Thesen auch aus grüner Sicht vorbehaltlos unterstützen kann.
Sie sind aber in der Regierung. Wir wollen von Ihnen keine Konzepte lesen, sondern wir müssen Sie - das werden Sie mir nachsehen -, weil Sie in der Regierung sind, an Ihren Taten messen.
Wenn man den Inhalt dieses Papiers mit der konkreten Entwicklungspolitik dieser Regierung kontrastiert, dann finde ich in der Politik des Hauses Spranger sehr wenig von dem wieder, was Sie zu Papier gebracht haben.
Ich bin davon überzeugt, daß das Ministerium unter dieser Führung keine Zukunft hat. Man bedient sich jetzt der „kreativen Buchführung", um etwaige Ausgaben, die eigentlich in diesem Jahr anfallen müßten, ins nächste Jahr zu vertagen - Maastricht läßt grüßen. Man steht konzeptionell vor einem Trümmerhaufen. Ich bin davon überzeugt, daß die nächste Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung um ihre Aufräumaufgabe wahrlich nicht zu beneiden ist.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.