Rede von
Carl-Dieter
Spranger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 1998 steht wie seine Vorgänger in den letzten Jahren unter dem strikten Gebot des Konsolidierens und Sparens. Für die Bundesregierung bedeutet dies, daß die aus den verschiedenen Einzelplänen zu finanzierenden Ausgaben nach ihrer Bedeutung für die Zukunft unseres Landes zu gewichten sind.
Wenn vor diesem Hintergrund der Einzelplan 23 mit dem Ausgaberahmen des vergangenen Jahres erhalten bleibt, ist dies, so meine ich, ein respektables Ergebnis für die Entwicklungspolitik.
Wenn wir trotz dieser Tatsache schmerzliche Einschnitte in einigen Bereichen hinnehmen, so liegt dies im wesentlichen an dem gestiegenen Dollarkurs. Ich verstehe und teile die Sorgen all derer, die sich mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit wünschen. Andererseits kann ich feststellen, daß die Mittel von über 7,6 Milliarden DM auch im nächsten Jahr unsere Handlungsfähigkeit erhalten. Deutschland bleibt ein verläßlicher Partner der Entwicklungsländer.
Wenig nützlich sind allerdings Unkenrufe der SPD noch während der Aufstellung des Haushalts, der Entwicklungsetat werde um über eine halbe Milliarde DM gekürzt, ein Herunterrechnen der Ansätze, wie es die Grünen in einer Pressemitteilung vom 29. August dieses Jahres versucht haben, oder unqualifizierte Behauptungen der Geschäftsführer von Welthungerhilfe und „terre des hommes", die die Handlungsfähigkeit der deutschen Entwicklungspolitik in Abrede stellten. Dies schadet unserer gemeinsamen Sache und untergräbt das Vertrauen, das zwischen staatlicher und nichtstaatlicher Entwicklungszusammenarbeit in letzter Zeit in sehr erfreulichem Maße gewachsen ist.
Trotz aller Besorgnis brauchen wir nach wie vor den internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Das zeigt der Blick auf die OECD-Statistik. Drastische Einbrüche, wie sie zum Beispiel Japan, Kanada und Australien zu verzeichnen haben, konnten vermieden werden. Auch Frankreich fiel in den Zahlen für 1996 erstmals hinter uns zurück. Deutschland hält nun seine Position als weltweit drittgrößter Geber. Das ist, so glaube ich, eine erfreuliche und zu begrüßende Position. Dabei werden - das muß man immer
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
wieder betonen - unsere Leistungen für Osteuropa mit vielen Millionen DM überhaupt nicht mitgezählt.
Partnerschaft ist keine Einbahnstraße. Partnerschaft zwischen Staaten berührt das gesamte Feld der politischen Beziehungen. Die Entwicklungszusammenarbeit ist bei vielen Ländern ein wichtiger Faktor, aber eben nur ein Faktor neben anderen. Es ist selbstverständlich, daß wir auch in unserer Entwicklungszusammenarbeit berücksichtigen, wie sich ein Staat bei der Erfüllung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen uns gegenüber verhält. Wir sind uns innerhalb der Bundesregierung deshalb völlig einig, daß die Weigerung von Staaten, eigene Staatsangehörige, die Deutschland verlassen müssen, aufzunehmen, alle Bereiche der auswärtigen Beziehungen berührt und Konsequenzen erfordert. Die Entwicklungszusammenarbeit allein kann diese Probleme, die letztlich ihre Ursachen im riesigen Mißbrauch eines großzügigen Asylrechts haben, nicht lösen.
Eine wichtige Aufgabe der Entwicklungspolitik ist die Bekämpfung von Fluchtursachen, aber auch die Reintegration von Flüchtlingen und abgelehnten Asylbewerbern. Dabei erwarten wir - und können wir zu Recht erwarten - die Kooperationsbereitschaft unserer Partnerländer.
Wenn dem Entwicklungsetat nur ein Bruchteil der Mittel zur Verfügung stünde, die Deutschland für Asylbewerber und Flüchtlinge jährlich aufbringt, könnten wir den Menschen in ihrer angestammten Heimat außerordentlich wirkungsvoll zusätzliche Hilfe leisten.
Nirgends wird die friedenspolitische Funktion der Entwicklungszusammenarbeit derzeit deutlicher als bei unseren östlichen Nachbarn. Von dort richten sich an Deutschland große Erwartungen. Gleichzeitig bietet der sich im Osten vollziehende Wandel für uns auch große Chancen. Der Haushalt des BMZ wird deshalb 1998 noch deutlicher als in den Vorjahren zum zentralen Finanzierungsinstrument der Bundesregierung für die Unterstützung der MOE/NUS-Staaten. Bei den Ressorts hat sich endgültig die richtige Erkenntnis durchgesetzt, daß die Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit am besten geeignet sind, Transformation und Reformen in den ehemals sozialistischen Staaten im Osten nachdrücklich zu fördern.
Ich möchte aber auch Schwierigkeiten, die sich durch die vorgeschlagenen Haushaltsansätze ergeben, nicht verschweigen. Für unsere Planungen sind die Verpflichtungsermächtigungen von besonderer Bedeutung. Die Einschnitte in diesem Bereich erschweren eine langfristige Politik. Wir müssen auch in Zukunft in der Lage bleiben, Zusagen in dem erforderlichen Umfang zu machen. Ein gravierendes und verstärkendes Problem ist die Entwicklung des Dollarkurses. Sie führt zu zusätzlichen Ausgaben im multilateralen Bereich, die das BMZ angesichts des engen Verfügungsrahmens nicht auffangen kann.
Für diese beiden Bereiche besteht in den parlamentarischen Beratungen sicher noch Diskussionsbedarf.
Die multilateralen Ausgaben bleiben mit rund 2,5 Milliarden DM im Verhältnis zu diesem Jahr konstant. Die auch von uns angestoßenen Reformen bei vielen multilateralen Organisationen haben inzwischen deutliche Effizienzgewinne und damit einen beschleunigten Mittelabfluß zur Folge. Die vom BMZ bei UNIDO bewirkte Straffung und Verschlankung ist beispielhaft dafür, wie wir unserer Forderung nach mehr Effizienz und Einsparung auch im multilateralen Bereich zum Durchbruch verhelfen können.
Jetzt kommt es darauf an, daß der neue Generaldirektor, der traditionell von einem Entwicklungsland gestellt wird, die angefangenen Reformen beherzt fortführt. Im VN-Bereich müssen aufgeblähte Verwaltungsapparate weiter abgeschmolzen und zusammengelegt werden. Wir werden die knappen Mittel im Bereich der multilateralen technischen Zusammenarbeit auf die maßgebliche Organisation, nämlich UNDP, konzentrieren. Gleichwohl - auch das ist festzustellen - müssen auch bei diesem Titel aus Sparsamkeitsgründen Kürzungen vorgenommen werden.
Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit bleibt mit etwa zwei Dritteln des Gesamthaushaltes unser schlagkräftigstes Instrument. Trotz des begrenzten Handlungsspielraums setzt der Haushalt hier einige deutliche Akzente. Die zahlreichen entwicklungspolitisch nützlichen Initiativen privater Träger werden mit einer kleinen, aber wichtigen Erhöhung des Titelansatzes honoriert.
In der finanziellen Zusammenarbeit wird das zukunftsweisende Instrument der Verbundfinanzierung weiter ausgebaut. Dies zeigt, daß wir auf die veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Entwicklung schnell und gezielt reagieren.
Das Ausmaß der privaten Kapitalströme in Entwicklungsländern stellt die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit vom Volumen her inzwischen weit in den Hintergrund. Es geht deshalb darum, mit Hilfe von Anreizen aus öffentlichen Mitteln private Finanzierungen zu stimulieren. Genau diese Mobilisierungsfunktion hat unsere Verbundfinanzierung. Ihr zweiter unbestrittener Vorteil ist der positive Nebeneffekt für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Aufträge im Rahmen der Verbundfinanzierung sichern Arbeitsplätze und Exportanteile in Deutschland.
Zum Stichwort Standort Deutschland noch eine wichtige Zahl aus dem Haushalt: Trotz äußerster Sparsamkeit gelang es uns, den Ansatz für Stipendien und Wissenschaftleraustausch auf der Basis von 1995 um fast 60 Prozent zu erhöhen. Wir ziehen hiermit die Konsequenz aus einer Reihe von Veranstaltungen im letzten Jahr, wo wir auch unter Hinzuziehung ausländischer Experten den Wissenschafts-
und Hochschulstandort Deutschland aus der Sicht der Entwicklungsländer analysiert haben, was mich dazu veranlaßt hat, mit den Kultusministern Verbindung aufzunehmen, um eine Reihe von Schwierigkeiten zu beseitigen, die offensichtlich dazu geführt
Bundesminister Carl-Dieter Spranger
haben, daß die Zahl der jungen Menschen, die zur Ausbildung nach Deutschland kommen, in den letzten Jahren immer rückläufiger geworden ist. Das ist eine Situation, mit der wir uns aus vielerlei Gründen nicht abfinden können.
Deswegen gehört diese Erhöhung auch zu dem Bestandteil unserer Anstrengungen, den Hochschulstandort Deutschland zu stärken, und erfüllt unsere Zusagen auf dem Symposium der Alexander-vonHumboldt-Stiftung im April dieses Jahres. Für unser internationales Ansehen, für die politischen und wirtschaftlichen Verbindungen zu anderen Staaten ist es ungeheuer wichtig, daß unser Land für ausländische Studenten und insbesondere auch für Studenten aus Entwicklungsländern offen bleibt.
Natürlich müssen wir dem Mißbrauch entgegenwirken. Dies darf aber nicht zu neuen Schranken für Wissenschaftler und Studenten führen, die in ehrlicher Absicht zu einer Ausbildung nach Deutschland kommen.
Meine Damen und Herren, der Regierungsentwurf für den Entwicklungshaushalt stabilisiert die Ausgaben für Entwicklungspolitik auf dem Niveau der vergangenen Jahre. Auf dieser Grundlage werden wir auch 1998 vernünftige Politik zum Wohle der Menschen in unseren Partnerländern und in unserem eigenen Interesse gestalten können.
Ich darf im vorhinein schon den Kolleginnen und Kollegen herzlich danken, die sich in den zuständigen Ausschüssen in den kommenden Tagen und Wochen mit dem Haushalt beschäftigen und mit viel Mühe, Einsatz und hoffentlich auch Wohlwollen beraten und mitgestalten.
Ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit.