Herr Kollege Kastning, wer könnte Ihren haushaltspolitischen Erfahrungen und Einsichten widersprechen? Ich hoffe nur, daß dies auch bei der Koalition Niederschlag findet und daß sie nicht kritiklos ihren Entscheidungsweg geht.
Ich war gerade dabei hinzuzufügen, daß es jeder und jede Abgeordnete in diesem Parlament mit sich ausmachen muß, ob wir uns angesichts der finanzpolitischen Misere, in die uns die Regierung gebracht hat, ein solches Flugzeug mit diesem Finanzvolumen für unser Land noch leisten können.
Können wir uns dieses Flugzeug noch leisten? So lautet die Frage auf. Grund der verfehlten Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik dieser Regierung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich stelle fest, daß mit dem gegenwärtigen Verteidigungsbudget die Bundeswehr in derzeitiger Struktur und in diesem Personalumfang unterfinanziert ist, daß dieser Verteidigungsetat die Schere zwischen Aufgaben, Personalumfang, Materialplanung und Geld in bezug auf das Gesamtsystem Bundeswehr noch weiter öffnet.
Man kann trefflich darüber streiten, ob die Bundeswehr überdimensioniert oder unterfinanziert ist. Deshalb noch einmal, damit niemand sagen kann, er hätte es nicht gewußt oder er könnte mit uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten keine Diskussion führen: Für die heutige Bundeswehrstruktur. haben Sie in der Koalition nicht das erforderliche Geld. Für das vorhandene Geld haben Sie keine Planung. Das muß auch dieser Verteidigungsminister endlich einsehen. Er muß seine Scheuklappen beiseite legen, damit er nicht weiter falsche politische Entscheidungen trifft.
Daß dieses Planungs- und Finanzchaos auch die Soldaten und die zivilen Mitarbeiter demotiviert und sie zur inneren Kündigung treibt, das nennen Sie, Herr Kollege Rühe, die komplexe Herausforderung insbesondere in der Logistik. Dann diffamieren Sie noch Kollegen, die sich um das Heer kümmern - den
Kollegen Augustinowitz als stellvertretenden Vorsitzenden und den Kollegen Zumkley, die sich im Heeresbereich besonders engagieren - als der Industrie nahestehend, wenn sie sich um das Heer sorgen.
- Herr Kollege Nolting bittet mich gerade auch um Ehrenschutz, den ich im übrigen gerne gebe.
Das heißt schlicht und einfach, daß Sie auch da die wirkliche Lage - Engpässe in der Materialausstatlung, bei der Ersatzteilkette, wo über 5000 Ersatzteile fehlen - beschönigen. Sie wollen die Perspektive eines Generationswechsels oder einer ausreichenden Ersatzteilversorgung nicht sichtbar machen, sondern Sie möchten es auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Damit lösen Sie einen riesigen Investitionsstau für die Zukunft aus, der kaum aufzulösen sein wird. Deswegen unsere Forderung, jetzt darüber nachzudenken.
Wenn man aus den Begegnungen mit der Truppe zitiert: Es sieht finster aus, sagte mir jüngst ein Kommandeur im Generalsrang. Die jüngsten Bemühungen des Heeresinspekteurs, das Heer trotzdem modern erscheinen zu lassen, gelingen nicht. Ein Truppenführer, der täglich mit den Problemen konfrontiert wird, bewertet Ihre Politik folgendermaßen: „Entweder die militärische und politische Führung weiß überhaupt nicht mehr, was in der Truppe vor sich geht, oder aber sie nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau.." Beides wäre schlimm; ersteres ist wahrscheinlicher, freilich noch bedenklicher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir erkennen die Arbeit des Verteidigungsministers an,
die Bundeswehr mit Augenmaß für die erweiterten Aufgaben im Zusammenhang mit den sicherheitspolitischen Herausforderungen zu öffnen und sie behutsam mit unserer Hilfe an die neuen Aufgaben heranzuführen. Dazu konnte in diesem Hause Konsens hergestellt werden; dieser Weg ist dann beschritten worden und hat jetzt auch Erfolge im ehemaligen Jugoslawien gezeitigt. Das wird akzeptiert, auch die großen Leistungen, die das SFOR-Kontingent in Bosnien erbringt.
In anderen Bereichen - das habe ich versucht darzulegen - haben Sie versäumt, Ihre Arbeit zu machen. Deshalb rufen wir Ihnen zu: Halten Sie ein, und wenden Sie sich nicht weiter gegen unsere Forderungen, eine parteiübergreifende Wehrstruktur- und Personalkommission einzusetzen, um die Folgen Ihrer gescheiterten Reformpolitik für die Streitkräfte aufarbeiten zu können, um die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr mit Wehrpflichtigen entwickeln und endlich die damit verbundenen notwendigen politischen Entscheidungen für die Jahre nach 2000 vorbereiten zu können.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird Sie jedenfalls in der Debatte über Ihre Antwort auf unsere Große An-
Walter Kolbow
frage über die Lage und den Zustand der Bundeswehr damit konfrontieren. Die Kolleginnen und Kollegen der Koalition haben jetzt schon Gelegenheit, nicht nur darüber nachzudenken, sondern im Interesse unserer Streitkräfte und der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft hoffentlich eine solche Position einzunehmen, die es erlaubt, daß wir diese Aufgabe gemeinsam angehen können. Denn sonst würden wir einen großen Fehler begehen, den allerdings Sie dann zu verantworten hätten.
Ich danke.