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ID1318506400

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    Plenarprotokoll 13/185 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 185. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 8. September 1997 16733 A Begrüßung einer Delegation der Knesset des Staates Israel 16733 B Tagesordnungspunkt 11: Erklärung durch die Bundesregierung zum Europäischen Rat in Amsterdam sowie zum Weltwirtschaftsgipfel in Denver und zur Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen . . 16733 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 16733 C Rudolf Scharping SPD 16739 C Karl Lamers CDU/CSU 16743 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16746 A Dr. Helmut Haussmann F.D.P 16749 B Dr. Gregor Gysi PDS 16751 C Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 16743 D Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . 16756 B Hartmut Schauerte CDU/CSU 16758 B Ernst Schwanhold SPD 16760 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 16761 C Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 16763 C Birgit Homburger F D P. 16764 D Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) (Drucksache 13/8011) 16766 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Rudolf Dreßler, Ulrike Mascher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Strukturreform statt Leistungskürzungen in der Alterssicherung (Drucksache 13/8032) 16766 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Generationenvertrag neu verhandeln (Drucksache 13/8036) 16766 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 20: Antrag der Gruppe der PDS: Rentenversicherung stabilisieren und Reform 2000 vorbereiten (Drucksache 13/8044) 16767 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 16767 A Rudolf Dreßler SPD 16772 A, 16789 C Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . 16775 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16777A, 16799 D Dr. Gisela Babel F.D.P 16780 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16781 C Peter Dreßen SPD 16783 A Petra Bläss PDS 16783 D Julius Louven CDU/CSU 16786 B Ulrike Mascher SPD 16789 D Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16792 D Walter Hirche F.D.P 16793 D Gerd Andres SPD 16795 A Maria Eichhorn CDU/CSU 16796 A Margot von Renesse SPD . . . 16797 B, 16800 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 16798 C, D Heidemarie Lüth PDS 16801 A Volker Kauder CDU/CSU . . . 16801 D, 16806 D Ottmar Schreiner SPD 16803 C, 16807 A Hartmut Schauerte SPD 16805 D Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 16807 C Zusatztagesordnungspunkt 21: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu möglichen atomaren Verseuchungen des Meerwassers bei La Hague durch die Wiederaufbereitung deutschen Atommülls 16809 C Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16809 D Dr. Renate Hellwig CDU/CSU 16810 C Jutta Müller (Völklingen) SPD 16811 B Birgit Homburger F D P. 16812 C Rolf Köhne PDS 16813 B Horst Kubatschka SPD 16813 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 16814 D Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16815 D Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 16816 D Arne Fuhrmann SPD 16818 A Wolfgang Behrendt SPD 16818 D Nächste Sitzung 16819 D Berichtigung 16819 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 16821* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 16821 C 185. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 146. Sitzung, Seite 13 263 C, letzte Zeile: Statt „Drucksache 13/5555 Nr. 1.18" ist „Drucksache 13/5555 Nr. 2.21 " zu lesen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 27. 6. 97 * Bachmaier, Hermann SPD 27. 6. 97 Behrendt, Wolfgang SPD 27. 6. 97 * Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 27. 6. 97 Blunck, Lilo SPD 27. 6. 97 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 27. 6. 97 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 27. 6. 97 Caspers-Merk, Marion SPD 27. 6. 97 Graf von Einsiedel, PDS 27. 6. 97 Heinrich Fink, Ulf CDU/CSU 27. 6. 97 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 27. 6. 97 * Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 27. 6. 97 Dr. Heuer, Uwe-Jens PDS 27. 6. 97 Horn, Erwin SPD 27. 6. 97 Hustedt, Michaele BÜNDNIS 27. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Jacob, Willibald PDS 27. 6. 97 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 27. 6. 97 * Knoche, Monika BÜNDNIS 27. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Leidinger, Robert SPD 27. 6. 97 Limbach, Editha CDU/CSU 27. 6. 97 Lohmann (Witten), Klaus SPD 27. 6. 97 Marten, Günter CDU/CSU 27. 6. 97 * Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 27. 6. 97 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 27. 6. 97 Dr. Paziorek, Peter CDU/CSU 27. 6. 97 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 27. 6. 97 * Reschke, Otto SPD 27.6. 97 Ronsöhr, CDU/CSU 27.6.97 Heinrich-Wilhelm von Schmude, Michael CDU/CSU 27. 6. 97 * Schultz (Everswinkel), SPD 27. 6. 97 Reinhard Seibel, Wilfried CDU/CSU 27. 6. 97 Simm, Erika SPD 27. 6. 97 Terborg, Margitta SPD 27. 6. 97 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 27. 6. 97 Vosen, Josef SPD 27. 6. 97 Wohlleben, Verena SPD 27. 6. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 27. 6. 97 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Abgeordnete Dr. Gisela Babel hat ihre Unterschrift zu dem Antrag „Eckpunkte für die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen" - Drucksache 13/6591- zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Unterrichtung durch die Bundesregierung Dritter Bericht der Bundesregierung über die Förderung der Frauen im Bundesdienst (Berichtszeitraum 1992 bis 1994) - Drucksache 13/5991 - Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1994 des wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen „Welt im Wandel: Die Gefährdung der Böden" - Drucksache 13/2221 - Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments 1996 - Drucksachen 13/7370, 13/7535 Nr. 1.2 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung 57. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union (Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 1996) - Drucksachen 13/7168, 13/7460 NL 2 - Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Innenausschuß Drucksache 13/7456 Nr. 2.5 Rechtsausschuß Drucksache 13/4466 Nr. 2.32 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/7306 Nr. 1.1 Drucksache 13/7456 Nr. 2.7 Drucksache 13/7541 Nr. 1.2 Drucksache 13/7541 Nr. 1.3 Drucksache 13/7541 Nr. 1.4 Drucksache 13/7541 Nr. 1.5 Drucksache 13/7541 Nr. 1.6 Drucksache 13/7541 Nr. 1.7 Drucksache 13/7541 Nr. 2.1 Drucksache 13/7541 Nr. 2.9 Drucksache 13/7541 Nr. 2.11 Drucksache 13/7541 Nr. 2.14 Drucksache 13/7541 Nr. 2.20 16822* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/3216 Nr. 1.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/4466 Nr. 2.3 Drucksache 13/6766 Nr. 2.20 Drucksache 13/6861 Nr. 2.15 Drucksache 13/7017 Nr. 2.6 Drucksache 13/7456 Nr. 1.5 Drucksache 13/7541 Nr. 2.7 Drucksache 13/7706 Nr. 2.12 Drucksache 13/7867 Nr. 1.6 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/7017 Nr. 1.3 Drucksache 13/7456 Nr. 1.1
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Blüm, die große Übereinstimmung und die Einigkeit in der Rentenreformdebatte, die Sie hier wieder heraufbeschworen haben, existiert doch schon längst nicht mehr.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Mit Ihnen haben wir keine Übereinstimmung, das ist wohl wahr!)

    Sie waren es, die den Konsens verlassen haben und zum Generalangriff auf das System der solidarischen Rentenversicherung geblasen haben; denn was Sie uns heute als Gesetzespaket vorgelegt haben, ist

    Petra Bläss
    eben keine, wie Sie sagen, behutsame Weiterentwicklung.
    Herr Minister Blüm, ausgerechnet der Opposition vorzuwerfen, sie führe die Menschen in die Irre, ist schon ein starkes Stück. Es waren schließlich Koalitionspolitikerinnen und Koalitionspolitiker, die das ganze Jahr über allwöchentlich - möglichst noch am Sonntag - mit neuen Kürzungsvorschlägen kamen und die Leute in diesem Lande verunsichert haben.

    (Beifall bei der PDS)

    Die PDS fordert Koalition und Bundesregierung auf, den vorgelegten Gesetzentwurf für die sogenannte Rentenreform 1999 zurückzuziehen. Der Gesetzentwurf beruht auf falschen Prämissen und wird den eigentlichen Herausforderungen der Zukunft nicht gerecht.

    (Beifall bei der PDS)

    Wir fordern Sie auf, statt weitere Einschnitte vorzunehmen, schnellstens die rechtlichen Regelungen des Rentenkonsenses 1992 wieder herzustellen, die finanziellen Engpässe durch einen erhöhten Bundeszuschuß zu beseitigen und ein gleiches Rentenniveau in Ost und West zu schaffen.

    (Beifall bei der PDS)

    Auf dieser Basis sollte der Bundestag eine Kommission einsetzen, die aus den Vorschlägen aller Parteien, von Gewerkschaften, Verbänden und Vereinen eine wirklich zukunftsorientierte Reform für die gesetzliche Rentenversicherung erarbeitet.

    (Beifall bei der PDS Julius Louven [CDU/ CSU]: Sie haben die Kirche noch vergessen!)

    Eine Reform, die nicht nur die jetzige Rentnerinnen-
    und Rentnergeneration berührt, sondern die auch die Alterssicherung der heute 30jährigen und Jüngeren betrifft, sollte in einem breiten gesellschaftlichen Konsens erarbeitet werden.

    (Beifall bei der PDS)

    Voriges Jahr, als Bundesminister Blüm noch stereotyp behauptete, die Renten seien sicher, forderte die PDS ein Rentenmoratorium, das kurzfristige Änderungen untersagen und eine Reform für die kurz-, mittel- und langfristigen Probleme einleiten sollte. Das wurde damals in diesem Hause abgelehnt.
    Seit Beginn dieses Jahres wurde nun eine unsägliche Reformhysterie erzeugt, die seriöser Arbeit abträglich ist. Sie mißbrauchen einen von der Politik verursachten finanziellen Engpaß, um einen akuten Handlungsbedarf für die Jahre 2020 bis 2040 zu suggerieren, den es aus rentenpolitischer Sicht so nicht gibt.

    (Beifall bei der PDS)

    Es stimmt, daß die Rentenversicherung 1996 ein Manko hatte, weil der gewählte Beitragssatz nicht den anhaltenden Einbruch auf dem Arbeitsmarkt einkalkulierte. Mit der 97er Anhebung der Beitragssätze dürfte es aber gelingen, das Loch in der Schwankungsreserve zu stopfen. Aber insgesamt ist
    in den vergangenen Jahren eben kein exorbitanter Beitragsanstieg zu verzeichnen. Von einer Ausgabenexplosion kann also keine Rede sein.

    (Beifall bei der PDS)

    Der Beitragssatz bewegt sich genau auf dem Pfad, der mit dem Rentenreformgesetz 1992 prognostiziert worden war,

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Nein, nein!)

    obwohl bei dessen Verabschiedung die deutsche Einheit nicht einmal einkalkuliert war.
    Wenn der Bund seine staatliche Garantie erfüllen und die im Laufe der Jahrzehnte der Rentenversicherung übertragenen gesamtgesellschaftlichen Ausgaben sachgerecht ausgleichen würde, funktionierte die Rentenversicherung in ihrer heutigen Verfaßtheit bis zum Jahre 2015. Es bliebe also Zeit für einen seriösen Diskussionsprozeß.

    (Beifall bei der PDS)

    Der geplante parlamentarische Galopp mit Anhörung in der Sommerpause, Sondersitzungen im. September und Abschluß sage und schreibe Anfang Oktober kann doch wirklich nur einem Ziel dienen: durch Änderungen der Änderungen im Sozialbuch VI noch mehr soziale Grausamkeiten unbemerkt durchzuschleusen, als jetzt schon ersichtlich ist. Da haben Sie ja mit dem Sparpaket im vergangenen Jahr schon Ihre Erfahrungen gemacht.
    Wie groß die Arroganz der Macht dieser Regierungskoalition ist, sieht man daran, daß die unüberhörbaren Proteste wie die eine Million gesammelten Unterschriften des VdK und die unzähligen Protestresolutionen anderer Verbände - erinnert sei an den BRH-Bundesvertretertag vergangene Woche, der unter dem Motto stand: „Eines ist sicher: Wir wehren uns!" - einfach ignoriert werden und daß Sie kraft Ihrer Mehrheit im Parlament ungehindert Ihre Vorstellungen durchzusetzen versuchen.

    (Dr. Dagmar Enkelmann [PDS]: Das ist ein Skandal!)

    Auf das schärfste protestieren auch wir gegen das Vorhaben, mittels eines sogenannten Demographiefaktors das Rentenniveau abzusenken. Der Standardrentner mit 45 Arbeitsjahren zu immer durchschnittlichem Verdienst, der das Rentenniveau von 70 Prozent erreicht, ist mittlerweile - das wissen Sie selbst - ein statistischer Exot geworden.
    Wenn 55 Prozent der Männer und 95 Prozent der Frauen dieses Niveau bereits heute nicht mehr erreichen, droht vielen von ihnen schon jetzt Altersarmut. Eine weitere Absenkung wirkt folglich existentiell. Frau Kollegin Fischer von den Grünen, daß sich die Grünen mittlerweile auf diese Diskussion um Rentenkürzungen einlassen, zeugt doch davon, daß Sie von dem System der solidarischen Rentenversicherung Abschied genommen haben.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Das zeugt davon, daß die Grünen es verstanden haben, im Gegensatz zu Ihnen!)


    Petra Bläss
    Wenn Sie der F.D.P. permanent Klientelpolitik vorwerfen, dann sage ich Ihnen: Das ist Klientelpolitik. Im übrigen entwickeln Sie sich hier schnurstracks dahin, Kronzeuge für die unsoziale Kürzungspolitik der Bundesregierung zu sein.

    (Beifall bei der PDS)

    Wir meinen, daß die lebensstandardsichernde Funktion der gesetzlichen Rente erhalten und gestärkt werden muß und daß diese nicht zu einer Minimalversorgung degradiert werden darf.
    Höchste Zeit wird es, daß sich die Regierungskoalition endlich den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beugen und Kindererziehungszeiten additiv zu anderen zeitgleich vorhandenen Beitragszeiten anerkennen will.

    (Beifall bei der PDS)

    Auch die stufenweise angehobene Bewertung mit dem Durchschnittseinkommen reicht noch nicht aus, sich damit zu brüsten, daß mit diesen Maßnahmen den Bleichlautenden Entschließungen von Bundestag und Bundesrat aus dem Jahre 1991 entsprochen wird. Es bleibt dabei, daß vor dem 1. Januar 1992 geborene Kinder nur mit einem Jahr bewertet werden. Das ist eindeutig zu wenig. Damit wird sich an der Situation vieler älterer Frauen eben nichts oder nicht sehr viel ändern. Für eine wirklich bessere Alterssicherung von Frauen bleibt in der Tat noch vieles zu tun.

    (Beifall bei der PDS)

    Als besonders inhuman prangern wir die Veränderungen für Erwerbs- und Berufsunfähige sowie für Schwerbehinderte an. Den Berufsschutz völlig abzuschaffen, stundenweise Resterwerbsfähigkeit auf den ohnehin überlasteten Arbeitsmarkt zu verweisen, das ist nicht Ausdruck von Risiskoverteilung, sondern einzig eine Sparorgie und ein Anreiz zur weiteren Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Zu Recht sprach gestern die BAG „Hilfe für Behinderte" davon, daß hiermit ein weiterer Schritt der Bundesregierung getan wird, fiskalische Probleme auf Kosten behinderter und chronisch kranker Menschen zu lösen.

    (Zuruf von der PDS: So ist es!)

    Weiter geht es mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters. Nach dem späteren Rentenbeginn für Arbeitslose und Frauen folgt jetzt der für Schwerbehinderte und Langzeitversicherte. Dieser Weg ist bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage kontraproduktiv.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Also noch früher?)

    Die Abschläge für vorzeitige Inanspruchnahme sind unsozial. Meine Damen und Herren, mit den vielen Übergangsregelungen wird auch immer unübersichtlicher, wann jemand überhaupt in Rente gehen kann.
    Liebe Kolleginen und Kollegen, für die Perspektive der Rentenversicherung wird völlig einseitig ein demographisch determiniertes Bild gezeichnet: Sinkende Geburtenrate und steigende Lebenserwartung führen zur Verschiebung in der Alterszusammensetzung der Bevölkerung, was großen Einfluß auf die Finanzierbarkeit der Rentenversicherung habe.
    Wesentlich sind doch vor allem aber die Einnahmen, also die Anzahl der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, die Anzahl derer, die in versicherungspflichtiger Arbeit stecken. Völlig ausgeblendet werden die Veränderungen in der Arbeitswelt, wo künftig für alle erforderlichen Waren und Dienstleistungen immer weniger Arbeitskräfte benötigt werden. Nachgedacht werden müßte unseres Erachtens, wie das dann produzierte Bruttoinlandsprodukt für die Sozialversicherungen erschlossen werden kann.

    (Beifall bei der PDS)

    Es gibt neuartige Fragen, die nicht mit alten Methoden beantwortet werden können. Die Bundesregierung entwickelt aber nur bei Kürzungsvorschlägen einen unnachahmlichen Einfallsreichtum, nicht hinsichtlich neuartiger Finanzierungsquellen. Der daraus resultierende neoliberale Umbau des Sozialsystems muß gestoppt werden.

    (Beifall bei der PDS Zuruf von der F.D.P.: Blödsinn!)

    Deshalb legen wir in unserem Antrag Vorschläge vor, die die Rentenversicherung nicht nur erhalten, sondern auch armutsfest, gerechter und attraktiver machen sollen. Insofern machen uns auch die Anträge der anderen Oppositionsparteien bei aller Unterschiedlichkeit im Detail Mut, daß eine andere Politik in der Rente möglich wäre.
    Zieht man dann noch außerparlamentarisch entstandene Konzepte wie das der Volkssolidarität in Betracht, könnte man richtig Lust auf die Arbeit an einer Rentenreform bekommen.
    Kurz ein paar Splitter unserer Forderungen: Um das Rentenrecht für Frauen zu verbessern, setzen wir dort an, wo das Hauptproblem liegt. Ihre für die Gesellschaft verrichtete Leistung bleibt häufig unbezahlt und zu gering bewertet. Erwerbsarbeit wird zumeist zu gering bezahlt und bleibt unversichert. Deshalb fordern wir eine wesentlich höhere Anerkennung der Kindererziehungszeiten, die höhere Bewertung häuslicher Pflege, die modifizierte Beibehaltung der Rente nach Mindestentgeltpunkten, die Versicherungspflicht für jede geleistete Arbeitsstunde und die einschränkungslose Anerkennung von Zeiten von Arbeitslosigkeit und Weiterbildung.
    Ich möchte Sie daran erinnern, daß die PDS hier im Bundestag schon im vergangenen Jahr einen Antrag zur eigenständigen Alterssicherung von Frauen vorgelegt hat.

    (Beifall bei der PDS)

    Erst dann stellen wir die Forderung nach einer bedarfsgerechten sozialen Grundsicherung für diejenigen, die keine existenzsichernde Rente erzielen. Für uns steht nicht Alimentierung, sondern Anerkennung von Lebensleistungen im Vordergrund.
    Unser Angebot für chronisch Kranke und eingeschränkt Leistungsfähige läuft auf aufeinander abge-

    Petra Bläss
    stimmte, flexible Formen von gesundheitlicher Rehabilitation, Selbstverwirklichung im Beruf und ergänzende Rentenleistungen hinaus.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Menschen mit Behinderungen, die nie einer Erwerbstätigkeit nachgehen können, sollen einen existenzsichernden Nachteilsausgleich erhalten.
    Um die lebensstandardsichernde Funktion der Rentenversicherung zu stärken, schlagen wir vor, das Eckrentenniveau künftig an die durchschnittlich erreichten Jahre von Erwerbstätigkeit zu binden. Die Selbstbestimmung befördern und den Arbeitsmarkt entlasten könnte ein flexibler Übergang in den Ruhestand auf Basis von Lebensarbeitszeitkonten. Wir bieten Ihnen an, darüber zu diskutieren.
    Eine wirkliche Reform wird aber ohne Umverteilung des produzierten Reichtums nicht möglich sein. Wichtig wäre für uns auch, die Versicherungspflicht auf alle auszuweiten, die Beitragsbemessungsgrenze deutlich anzuheben, um die Arbeitgeber und den finanziell leistungsstarken Teil der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschaft stärker in den Solidarausgleich einzubeziehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Die solidarische Rentenversicherung hat also Chancen. Wir müssen sie ihr nur geben.
    Danke.

    (Beifall bei der PDS)



Rede von Michaela Geiger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Julius Louven, CDU/CSUFraktion.

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    Rede von Julius Louven


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 23. Januar des letzten Jahres wurde im Rahmen der Kanzlerrunde von Bundesregierung, Gewerkschaften und Arbeitgebern einmütig festgestellt:
    Der Standort Deutschland steht vor großen Herausforderungen.
    Wenig später heißt es:
    Den Sozialstaat zu sichern und zu festigen ist gemeinsames Ziel und gemeinsame Aufgabe. Seine Finanzierungsgrundlagen müssen durch Reformen erhalten bleiben.
    Treffender kann das Hauptanliegen der Rentenreform 1999 nicht beschrieben werden. Vor diesem Hintergrund sollten wir nüchtern an die Bewältigung der Probleme herangehen. Polemik, Herr Kollege Dreßler, hilft hier nicht weiter. Zu welcher Polemik Sie fähig sind, haben Sie heute wieder bewiesen, aber auch vor drei Wochen in meinem Wahlkreis. Zu letzterem ist eigentlich noch eine Entschuldigung Ihrerseits fällig.
    Die Aufgabe, die sich uns stellt, ist ein Stück Zukunftssicherung. Es geht darum, die Entwicklung
    der gesetzlichen Rentenversicherung in Übereinstimmung zu bringen mit den wirtschaftlichen und

    (Ottmar Schreiner [SPD]: Was hat denn der Rudolf da gesagt? Jetzt wollen wir es wissen!)

    - Rudolf, ich gebe dir das Papier schon einmal; dann kannst du es dir durchlesen -

    (Ottmar Schreiner [SPD]: Scheint ja ein dickes Ding gewesen zu sein!)

    mit den demographischen Herausforderungen, weil nur auf diese Weise das soziale Ziel der Einkommenssicherung im Alter bei vertretbaren Beiträgen garantiert werden kann.
    Unser Reformkonzept erfüllt diese Anforderungen. Wir schützen nicht nur die Beitragszahler vor Überforderung, sondern sorgen zugleich dafür, daß die Renten auch in Zukunft bezahlbar bleiben. Für mich ist wichtig, daß es nachvollziehbar zu einer Lastenverteilung zwischen Alt und Jung kommt. Ich denke, die älteren Menschen sehen ein, daß der Preis für das Älterwerden nicht allein von immer weniger Jungen durch immer höhere Beiträge gezahlt werden kann, während andererseits die Jungen erkennen sollten, daß sie unter geänderten demographischen Bedingungen zukünftig private Vorsorge für das Alter treffen müssen.
    Ihr Konzept, meine Damen und Herren von der Opposition und insbesondere von der SPD, genügt diesen Anforderungen nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie, Herr Dreßler, haben inzwischen dazugelernt; denn als ich im Dezember 1994 hier im Bundestag auf Grund der Prognos-Zahlen davon gesprochen habe, daß wir die nächste Legislaturperiode, also diese, dazu nutzen sollten, eine weitere Rentenreform vorzubereiten und durchzuführen, haben Sie in Ihrer typischen Art von Besserwisserei erklärt, daß eine weitere Rentenreform objektiv nicht notwendig sei. Die Wirklichkeit hat Sie sehr schnell eingeholt.
    Zu Ihrer neuen Erkenntnis haben vielleicht auch die Jungen in Ihrer Partei beigetragen. Wenn man das Papier „SPD 2000 plus - Wir sind da" liest, erkennt man, daß die Jungen in Ihrer Partei Ihnen, Herr Dreßler, kräftig Dampf gemacht haben. Der Satz „Es reicht nicht aus, wenn sich alte Männer wechselseitig versichern, daß ihre Rente sicher ist, denn sie könnten nicht nur andere, sondern auch sich täuschen" muß Ihnen doch schon ganz schön weh getan haben.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Damit waren Kohl und Blüm gemeint!)

    Ebenfalls der Satz „Aber auch eine Korrektur von Rentenansprüchen im Falle steigender Beitragssätze und eine veränderte Besteuerung von Renten" zeigt mir, daß Sie nicht mehr allein der große Zampano in der Rentenversicherung sind. Herr Dreßler, heute morgen im Frühstücksfernsehen konnten Sie einen jungen Kollegen aus Ihrer Fraktion - ich sehe ihn jetzt leider nicht - hören, der sich massiv darüber beklagte, daß es nicht so weitergehen könne, daß die

    Julius Louven
    Jungen durch immer höhere Beiträge das Alterwerden bezahlen.

    (Dr. Gisela Babel [F.D.P.]: Einmal Dreßler, immer Dreßler!)

    An dieser Stelle will ich gerne einmal darauf hinweisen, daß ich es sehr begrüße, daß sich junge Menschen - ob bei Ihnen oder bei uns in der Jungen Union, wie auch in politischen Versammlungen - zunehmend um das Thema Rente kümmern; ein Sachverhalt, den ich bis vor wenigen Jahren so nicht gekannt habe. Diese jungen Menschen bewegt die Frage, wie mit immer weniger Jungen eine immer längere Lebenserwartung der Alten finanziert werden kann. Es ist gut, daß auch die Jungen diese Debatte in politische Gremien hineintragen und sich daran beteiligen.
    Hauptanliegen Ihrer Rentenreform, meine Damen und Herren von der SPD - wenn man hier überhaupt von einer Rentenreform sprechen kann -, ist, die Rentenversicherung mit neuem Geld zu versorgen. Der Arbeitsminister hat dies hier schon sehr plastisch dargestellt. Dieses Geld wollen Sie von Arbeitnehmern, den Selbständigen, den Unternehmern, der Arbeitslosenversicherung und aus dem Bundeshaushalt.
    Ich will dafür einige Beispiele nennen. Sie wollen alle geringfügig Beschäftigten in der Rentenversicherung versicherungspflichtig machen, wogegen sich -aus guten Gründen - sogar die Rentenversicherungsträger wenden. Sie wollen die Versicherungspflicht letztlich auf alle Selbständigen ausweiten, was in der Tat zunächst Mehreinnahmen in einem erheblichen Umfange bringen würde. Sie verschweigen aber, daß hieraus natürlich auch Ansprüche entstehen, die später finanziert werden müssen.

    (Ulrike Mascher [SPD]: Das leugnen wir doch nicht!)

    Sie wollen - wie auch an vielen anderen Stellen - Einsparungen, die wir mit dem Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz durchgesetzt haben, im wesentlichen zurücknehmen ohne Rücksicht auf die Lohnzusatzkosten, deren Senkung Sie sonst so lautstark verlangen.

    (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Typisch!)

    Die gestrige Debatte zum Thema Rehabilitation und Ihre Forderung, in diesem Bereich wieder kräftig draufzusatteln, um dann mit den Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber Strukturpolitik zu betreiben, hat wieder einmal deutlich gemacht, wie wenig lernfähig Sie im Vergleich zu anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Von Tony Blair und seinem Sieg bei den letzten Unterhauswahlen in Großbritannien sind Sie noch meilenweit entfernt.

    (Horst Kubatschka [SPD]: Ein Jahr sind wir entfernt!)

    Sie laufen tatsächlich Gefahr, die rückständigste sozialdemokratische Partei in Europa zu werden.

    (Jörg van Essen [F.D.P.]: Das sind die schon! Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Diese Gefahr haben sie überwunden!)

    Schließlich gehen Sie notwendige Reformen nur halbherzig an. Zusammengefaßt lautet Ihre Botschaft: Einsparungen sind weitestgehend überflüssig. Es muß lediglich umfinanziert werden. Es muß frisches Geld aus anderen Quellen herbeigeschafft werden.
    Mit Zukunftssicherung hat dies nichts zu tun; um so mehr aber mit Wirklichkeitsverweigerung. Niemand, der noch ernstgenommen werden will, streitet mehr ab, daß zu hohe Lohnnebenkosten Arbeitsplätze gefährden.
    Deshalb war es richtig und mutig zugleich, daß Bundesregierung und die Sozialpartner in der von mir eingangs angesprochenen Kanzlerrunde vom 23. Januar das anzustrebende Ziel genau benannt haben. Es heißt in der gemeinsamen Erklärung: Die Sozialbeiträge müssen insgesamt bis zum Jahr 2000 wieder auf unter 40 Prozent zurückgeführt werden.
    Richtig ist diese Deckelung deshalb, weil wir ein konkretes Ziel brauchen, an dem sich unsere Reformen in der Sozialversicherung zugunsten der Arbeitsplätze messen lassen müssen. Mit Zahlenfetischismus hat das nichts zu tun.
    Trotz der im Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz umgesetzten Maßnahmen mußte der Beitragssatz zur Rentenversicherung in diesem Jahr von 19,2 Prozent auf 20,3 Prozent heraufgesetzt werden. Hätten wir die Einsparungen, die Sie, meine Damen und Herren von der SPD, im Falle eines Wahlsieges, den ich allerdings nicht sehe, wieder rückgängig machen wollen, nicht durchgesetzt, wäre der Anstieg des Rentenversicherungsbeitrags noch deutlicher ausgefallen. Trotz dieser Einsparungen, deren Durchsetzung natürlich auch uns nicht leichtgefallen ist, wird der Rentenversicherungsbeitrag im nächsten Jahr weiter ansteigen, womit deutlich wird, wie notwendig weiterer Handlungsbedarf in der Rentenversicherung ist.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Daran ist bestimmt die SPD schuld!)

    Zweifellos hat die Entwicklung, die ich bereits 1994 angesprochen habe, viel mit der schlechten Konjunktur und der Arbeitsmarktlage und sicherlich auch mit den Belastungen infolge der Wiedervereinigung zu tun. Der weit verbreitete und nicht allein von der SPD genährte Glaube, daß sich die Situation für die Rentenversicherung nach Überwindung dieser Problemlagen wieder deutlich entspannen wird, führt jedoch in die Irre. Die Zukunft der Rentenversicherung kann langfristig nicht allein durch eine deutlich verbesserte Arbeitsmarktlage gesichert werden.

    (Peter Dreßen [SPD]: Der Versuch ist doch nicht strafbar!)


    Julius Louven
    Die erheblich zu niedrige Geburtenrate und die steigende Lebenserwartung, die ich natürlich jedem gönne, haben ein solches Gewicht, daß weder mit einer guten Beschäftigungslage noch durch eine deutlich steigende Erwerbsbeteiligung oder durch noch so hohe Zuwanderungszahlen langfristig ein starker Beitragsanstieg zu verhindern wäre.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der entscheidende Punkt!)

    Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, ehrlich und richtig, daß unser Konzept zur Rentenreform deutliche Einsparungen vorsieht; denn ohne diese Einsparungen erreichen wir die von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Bundesregierung einvernehmlich festgelegte Zielsetzung nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In unserer Rentenreform sind es vor allem drei Schritte, die zur Beitragsstabilisierung beitragen: der zusätzliche Bundeszuschuß, die Reform der Erwerbsminderungsrenten und der Demographiefaktor.
    Dennoch ist die von uns angestrebte Rentenreform keine reine Sparreform; denn im Bereich der Familienleistungen kommen wir trotz angespannter Finanzlage zu Verbesserungen. Meine Kollegin Maria Eichhorn wird auf diesen Bereich noch eingehen.
    Lassen Sie mich daher jetzt zu den von mir angesprochenen drei Punkten kommen, die zur Beitragsstabilisierung führen. Auf Grund des erhöhten Bundeszuschusses müssen Sie nun endlich aufhören, davon zu reden, wir hätten nicht die Kraft und den Mut, sogenannte versicherungsfremde Leistungen auszugliedern.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: So ist es! - Peter Dreßen [SPD]: Es gibt doch keine mehr!)

    Angesichts der Tatsache, Herr Dreßler und Herr Dreßen, daß Sie die letzte versicherungsfremde Leistung hier im Deutschen Bundestag noch mitbeschlossen haben, ist Ihre Argumentation an dieser Stelle ohnehin fadenscheinig. Dies ist es auch deshalb, weil eine Ausgliederung nicht bedeutet, daß sich diese Leistungen auflösen; vielmehr müssen sie aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden, was wiederum zu einer höheren Steuerbelastung führt. Dies kann auf Grund der Absicht der Kanzlerrunde, die Gesamtstaatsquote zurückzuführen, nicht wünschenswert sein.
    Was die Erwerbsminderungsrenten angeht, so hatten Volker Kauder und ich vorgeschlagen, Neuzugänge nicht mehr im Rahmen des Umlageverfahrens, sondern im Rahmen der Kapitaldeckung zu finanzieren. Ich komme darauf zurück, weil der Vorschlag bezüglich der Kapitaldeckung, der auch bei der Kollegin Fischer eben eine Rolle spielte, nicht nur in unseren Reihen, sondern auch in Ihren Reihen, vor allem bei Ihnen, Herr Dreßler, erheblichen Zuspruch gefunden hat.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Richtig!)

    Volker Kauder und ich haben uns für eine Kapitaldeckung außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung ausgesprochen.

    (Peter Dreßen [SPD]: Das ist der entscheidende Fehler!)

    Sie, Herr Kollege Dreßler, und andere plädieren hingegen für eine kollektive Kapitaldeckung innerhalb der Rentenversicherung. Dieser Vorschlag ist aus guten Gründen abgelehnt worden. Herr Professor Krupp, Mitglied der Rentenreformkommission der SPD, hat im Maiheft der „WSI-Mitteilungen" noch einmal wichtige Einwände gegen ein solches Verfahren untermauert.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Er hat wichtige Gründe „dafür" untermauert!)

    Er weist erstens darauf hin, daß es bei einer kollektiven Kapitaldeckung in größerem Umfang zu einer unverantwortlichen staatlichen Machtausübung käme, zu einer Kapitalkonzentration, die mit den Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft unvereinbar wäre.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Ach nein!)

    Er legt aber zweitens dar, daß eine private Kapitaldeckung in begrenztem und sicherlich noch auszubauendem Umfang durchaus sinnvoll ist. Letzteres wollten wir, Volker Kauder und ich, erreichen.
    Wir gehen nun mit unserer Reform bei der Erwerbsminderungsrente einen anderen Weg, den wir - wiederum Volker Kauder und ich - natürlich akzeptieren und unterstützen. Dabei - dies will ich hier offen sagen - sehen wir in diesem Teilbereich noch Beratungsbedarf. Hier wollen wir insbesondere die Anhörung abwarten, um möglicherweise im Gesetzgebungsverfahren zu modifizierten Regelungen zu kommen.

    (Ottmar Schreiner [SPD]: Ist das der Spähtrupp von Herrn Schäuble Kauder und Louven?)

    Den wichtigsten Einspareffekt erbringt der Demographiefaktor. Er bewirkt, daß sich der künftige Anstieg der Renten verlangsamt, was zu einer Verminderung des Rentenniveaus führen wird. Ausgeschlossen wird ein Absinken unter den Wert von 64 Prozent, ausgeschlossen werden auch Rentenkürzungen. Sie sollten daher endlich aufhören, dies zu behaupten.

    (Ottmar Schreiner [SPD]: Wenn ihr Frau Babel zu Kauder und Louven noch dazu packt, habt ihr ein Trio infernale!)

    Sie, meine Damen und Herren von der SPD, lehnen einen Rückgang des Rentenniveaus rundweg ab und wollen, wie ich zuletzt von Frau Mascher im WDR, aber auch von Herrn Dreßler hier hörte, dies zum Wahlkampfthema machen. Ich sage Ihnen: Davor haben wir keine Angst.

    (Peter Dreßen [SPD[: Warum peitschen Sie das denn so durch?)


    Julius Louven
    - Weil es notwendig ist, Herr Kollege Dreßen. - Die in dieser Frage sensibilisierten Menschen wissen, daß die Formel „mit 25 in Arbeit, mit 58 in Rente" mit immer weniger Beitragszahlern bei einer immer längeren Lebenserwartung nicht zu finanzieren ist.
    Interessant ist, daß die Gewerkschaften in dieser Frage erneut weiter sind als Sie. Die Auffassung von Herrn Schulte ist weithin bekannt. Weniger bekannt, aber heute morgen auch noch einmal durch Norbert Blüm bekannt gemacht worden, ist die Position von Herrn Standfest, ebenfalls DGB. Er hat sich vor der Hauptversammlung des VdR vor sechs Wochen - Sie müssen hier nicht mit Äußerungen vom vorigen Jahr kommen, Herr Dreßler -

    (Jörg van Essen [F.D.P.]: Der ist immer der Zeit hinterher!)

    wie folgt geäußert - das zeigt auch, daß er lernfähig ist -:
    Bei gleichbleibendem Recht wird der aktuelle Rentenwert im Jahr 2030 rund 109 DM betragen. Infolge des demographischen Faktors würde sein Anstieg auf 103 DM abgebremst. Diese 6 DM, die 5,8 Prozent entsprechen, sind die Gegenleistung dafür, daß die Rente dann mehr als zwei Jahre länger als heute gezahlt werden muß. Ein Durchschnittsverdiener muß heute 27 Jahre lang Beiträge entrichten, um eine Rente zu erhalten, die die Sozialhilfeschwelle für Rentner übersteigt. Wenn der aktuelle Rentenwert schon heute 5,8 Prozent niedriger wäre, müßte er 28,5 Jahre Durchschnittsbeitrag entrichten.
    Soweit Herr Standfest.