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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/185 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 185. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Inhalt: Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde, für die Aktuelle Stunde sowie der Vereinbarung über die Befragung der Bundesregierung in der Sitzungswoche ab 8. September 1997 16733 A Begrüßung einer Delegation der Knesset des Staates Israel 16733 B Tagesordnungspunkt 11: Erklärung durch die Bundesregierung zum Europäischen Rat in Amsterdam sowie zum Weltwirtschaftsgipfel in Denver und zur Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen . . 16733 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 16733 C Rudolf Scharping SPD 16739 C Karl Lamers CDU/CSU 16743 A Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16746 A Dr. Helmut Haussmann F.D.P 16749 B Dr. Gregor Gysi PDS 16751 C Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 16743 D Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD . . . 16756 B Hartmut Schauerte CDU/CSU 16758 B Ernst Schwanhold SPD 16760 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 16761 C Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . 16763 C Birgit Homburger F D P. 16764 D Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) (Drucksache 13/8011) 16766 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Rudolf Dreßler, Ulrike Mascher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Strukturreform statt Leistungskürzungen in der Alterssicherung (Drucksache 13/8032) 16766 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Andrea Fischer (Berlin), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Generationenvertrag neu verhandeln (Drucksache 13/8036) 16766 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 20: Antrag der Gruppe der PDS: Rentenversicherung stabilisieren und Reform 2000 vorbereiten (Drucksache 13/8044) 16767 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 16767 A Rudolf Dreßler SPD 16772 A, 16789 C Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . 16775 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16777A, 16799 D Dr. Gisela Babel F.D.P 16780 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 16781 C Peter Dreßen SPD 16783 A Petra Bläss PDS 16783 D Julius Louven CDU/CSU 16786 B Ulrike Mascher SPD 16789 D Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16792 D Walter Hirche F.D.P 16793 D Gerd Andres SPD 16795 A Maria Eichhorn CDU/CSU 16796 A Margot von Renesse SPD . . . 16797 B, 16800 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 16798 C, D Heidemarie Lüth PDS 16801 A Volker Kauder CDU/CSU . . . 16801 D, 16806 D Ottmar Schreiner SPD 16803 C, 16807 A Hartmut Schauerte SPD 16805 D Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 16807 C Zusatztagesordnungspunkt 21: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu möglichen atomaren Verseuchungen des Meerwassers bei La Hague durch die Wiederaufbereitung deutschen Atommülls 16809 C Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16809 D Dr. Renate Hellwig CDU/CSU 16810 C Jutta Müller (Völklingen) SPD 16811 B Birgit Homburger F D P. 16812 C Rolf Köhne PDS 16813 B Horst Kubatschka SPD 16813 D Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU 16814 D Dr. Jürgen Rochlitz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16815 D Walter Hirche, Parl. Staatssekretär BMU 16816 D Arne Fuhrmann SPD 16818 A Wolfgang Behrendt SPD 16818 D Nächste Sitzung 16819 D Berichtigung 16819 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 16821* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 16821 C 185. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 146. Sitzung, Seite 13 263 C, letzte Zeile: Statt „Drucksache 13/5555 Nr. 1.18" ist „Drucksache 13/5555 Nr. 2.21 " zu lesen. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 27. 6. 97 * Bachmaier, Hermann SPD 27. 6. 97 Behrendt, Wolfgang SPD 27. 6. 97 * Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 27. 6. 97 Blunck, Lilo SPD 27. 6. 97 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 27. 6. 97 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 27. 6. 97 Caspers-Merk, Marion SPD 27. 6. 97 Graf von Einsiedel, PDS 27. 6. 97 Heinrich Fink, Ulf CDU/CSU 27. 6. 97 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 27. 6. 97 * Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 27. 6. 97 Dr. Heuer, Uwe-Jens PDS 27. 6. 97 Horn, Erwin SPD 27. 6. 97 Hustedt, Michaele BÜNDNIS 27. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Dr. Jacob, Willibald PDS 27. 6. 97 Junghanns, Ulrich CDU/CSU 27. 6. 97 * Knoche, Monika BÜNDNIS 27. 6. 97 90/DIE GRÜNEN Leidinger, Robert SPD 27. 6. 97 Limbach, Editha CDU/CSU 27. 6. 97 Lohmann (Witten), Klaus SPD 27. 6. 97 Marten, Günter CDU/CSU 27. 6. 97 * Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 27. 6. 97 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 27. 6. 97 Dr. Paziorek, Peter CDU/CSU 27. 6. 97 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 27. 6. 97 * Reschke, Otto SPD 27.6. 97 Ronsöhr, CDU/CSU 27.6.97 Heinrich-Wilhelm von Schmude, Michael CDU/CSU 27. 6. 97 * Schultz (Everswinkel), SPD 27. 6. 97 Reinhard Seibel, Wilfried CDU/CSU 27. 6. 97 Simm, Erika SPD 27. 6. 97 Terborg, Margitta SPD 27. 6. 97 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 27. 6. 97 Vosen, Josef SPD 27. 6. 97 Wohlleben, Verena SPD 27. 6. 97 Zierer, Benno CDU/CSU 27. 6. 97 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Abgeordnete Dr. Gisela Babel hat ihre Unterschrift zu dem Antrag „Eckpunkte für die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen" - Drucksache 13/6591- zurückgezogen. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - Unterrichtung durch die Bundesregierung Dritter Bericht der Bundesregierung über die Förderung der Frauen im Bundesdienst (Berichtszeitraum 1992 bis 1994) - Drucksache 13/5991 - Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1994 des wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen „Welt im Wandel: Die Gefährdung der Böden" - Drucksache 13/2221 - Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union - Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments 1996 - Drucksachen 13/7370, 13/7535 Nr. 1.2 - - Unterrichtung durch die Bundesregierung 57. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union (Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 1996) - Drucksachen 13/7168, 13/7460 NL 2 - Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Innenausschuß Drucksache 13/7456 Nr. 2.5 Rechtsausschuß Drucksache 13/4466 Nr. 2.32 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/7306 Nr. 1.1 Drucksache 13/7456 Nr. 2.7 Drucksache 13/7541 Nr. 1.2 Drucksache 13/7541 Nr. 1.3 Drucksache 13/7541 Nr. 1.4 Drucksache 13/7541 Nr. 1.5 Drucksache 13/7541 Nr. 1.6 Drucksache 13/7541 Nr. 1.7 Drucksache 13/7541 Nr. 2.1 Drucksache 13/7541 Nr. 2.9 Drucksache 13/7541 Nr. 2.11 Drucksache 13/7541 Nr. 2.14 Drucksache 13/7541 Nr. 2.20 16822* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Juni 1997 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/3216 Nr. 1.4 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/4466 Nr. 2.3 Drucksache 13/6766 Nr. 2.20 Drucksache 13/6861 Nr. 2.15 Drucksache 13/7017 Nr. 2.6 Drucksache 13/7456 Nr. 1.5 Drucksache 13/7541 Nr. 2.7 Drucksache 13/7706 Nr. 2.12 Drucksache 13/7867 Nr. 1.6 Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 13/7017 Nr. 1.3 Drucksache 13/7456 Nr. 1.1
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    Rede von Karl Lamers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich den Kollegen Scharping richtig verstanden habe, dann hat er gemeint, die Bundesregierung habe dem Beschäftigungskapitel zugestimmt,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Obwohl sie es nicht will!)

    - ja -, obwohl sie es nicht gewollt habe.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ganz richtig!)

    Aber wenn der Kollege Scharping so ehrlich gewesen wäre, wie er es von der Bundesregierung gefordert hat, dann hätte er sagen müssen, daß der Streit nicht um die Frage „Beschäftigungskapitel und Koordinierung der Wirtschaftspolitik" ging, sondern um den Inhalt der Politik.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Nein!)

    Hier kann ich nur zitieren - vollkommen zustimmend -:
    Die Aufgabe, das eigene Haus in Ordnung zu bringen, wird einem von keiner supranationalen Organisation abgenommen. Hier ist die nationale Politik selbst in der Pflicht.
    So Oskar Lafontaine. Es fällt mir nicht leicht, ihn mit Zustimmung zu zitieren, aber hier hat er ohne jeden Zweifel recht.
    In diesem Sinne sind in Amsterdam die Entschließungen zum Beschäftigungskapitel und zum Stabilitätspakt gefaßt worden. Deswegen stimmen wir beidem uneingeschränkt zu, weil das genau dem Inhalt unserer Politik entspricht.
    Herr Kollege Scharping, bei den Aufgaben im eigenen Haus sind Sie und Ihre Kollegen von der SPD es doch, die uns dauernd hindern: gestern bei der Steuerreform, heute bei der Rentenreform und vorgestern bei der Gesundheitsreform.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Was Sie Steuerreform nennen!)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben recht: Denver war ein wichtiger Schritt zur weiteren Heranführung und Eingliederung Rußlands in die westlichen Strukturen. Schon deswegen ist dies erfreulich.
    Wir sollten die Unterzeichnung des europäischamerikanischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung der Produktionsstandards nicht unterschätzen; denn das ist von manchen als der wichtigste Fortschritt in den transatlantischen Handelsbeziehungen seit langer Zeit bezeichnet worden.
    Ich glaube, daß die Vorschläge des Gipfels, ein globales Netzwerk zur Überwachung global tätiger Finanzinstitute zu schaffen und hierfür verbindliche Richtlinien zu formulieren, auch von grundlegender Bedeutung sind; denn eine immer dichtere, eine supranationale, eine globale Wirklichkeit braucht immer dringlicher verbindliche supranationale Regelungen. Hierfür haben ohne jeden Zweifel die westlichen Länder und Japan eine besondere Verantwortung.
    Diese Verbindlichkeit erfordert die Bereitschaft, sich einem gemeinsamen Recht zu unterwerfen. Diese Fähigkeit haben die Europäer zweifelsfrei weiter entwickelt als irgendeine andere Gruppe von Staaten. Insofern sind die Europäer ein Modell.
    Bei den Amerikanern ist diese Bereitschaft aus verständlichen Gründen wesentlich weniger entwickelt. Aber die anderen, die großen aufstrebenden Nationen werden niemals zu einer solchen Eingliederung bereit sein, wenn nicht die USA, die mächtigste Nation, ebenfalls dazu bereit sind. Die Amerikaner davon zu überzeugen, dazu sind nur die Europäer in der Lage, aber auch nur, wenn sie mit einer Stimme sprechen. Ich erinnere daran, daß die Welthandelsorganisation insofern ein großartiger Erfolg gerade für Europa gewesen ist.
    Natürlich ist es zu bedauern, daß es den Europäern in Denver noch nicht gelungen ist, die Amerikaner zu einer verbindlichen Reduzierung der Klimagase zu bewegen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, Umweltpolitiker Lamers!)

    Aber das wird kommen.
    Herr Bundeskanzler, Ihre Rede vor den Vereinten Nationen wie auch Ihre gemeinsame Initiative mit Brasilien, Südafrika und Singapur waren nach meiner Überzeugung von größter symbolischer Bedeutung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch wenn ich gegen eine rein symbolische Politik bin,

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Was ist denn der Unterschied?)

    so glaube ich doch, daß man auf diesem Felde klare Symbole setzen muß, wenn man zu gemeinsamem Handeln kommen will. Was wäre eigentlich besser geeignet, klarzumachen, daß es notwendig ist, eine gemeinsame Politik zwischen Industrie- und anderen Ländern zu führen, als die Luft, die wir alle gemeinsam atmen?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Bio-Lamers!)

    Es besteht also Anlaß, Ihnen für Ihr Engagement in Denver und für Ihre Rede in New York zu danken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie sollten das auf den Knien tun, Herr Lamers!)

    Dasselbe gilt für Amsterdam. Meine Damen und Herren, unversehens hat sich in Amsterdam der Abschluß des Stabilitätspaktes, der eigentlich nur noch eine formelle Angelegenheit sein sollte, als genauso wichtig erwiesen wie die institutionelle Reform der Union. Das gilt mindestens in dem Sinne, als ein Scheitern auch die Währungsunion und damit das Schlüsselprojekt für den weiteren Fortgang des europäischen Einigungsprozesses in Gefahr gebracht hätte. Es ist Ihr Verdienst, Herr Bundesfinanzmi-

    Karl Lamers
    nister, diesen Stabilitätspakt überhaupt zustande gebracht und ihn völlig unverändert über die letzte schwierige Hürde in Amsterdam gebracht zu haben. Das ist überhaupt nicht hoch genug zu veranschlagen. Meine Fraktion dankt Ihnen ausdrücklich dafür.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die zentrale Bedeutung des Stabilitätspaktes konnte man in den letzten Wochen an den Finanzmärkten ablesen. Auf die französischen Wahlen haben die Finanzmärkte zunächst ganz gelassen reagiert. Aber als der Eindruck - mag er auch verkehrt gewesen sein - entstand, der Stabilitätspakt würde in Frage gestellt, da haben sie nervös und negativ reagiert.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie werden doch nicht in den Schweizer Franken geflohen sein, Herr Lamers!)

    Das macht ein weiteres Mal in aller Deutlichkeit klar: Für die Märkte, für die durch sie erzeugbare Stabilität und Instabilität von Wechselkursen, für Zinskonvergenz oder -divergenz ist weniger entscheidend, was im Moment ist, als vielmehr ihre Erwartung von dem, was sein wird. Ihre Frage ist: Können wir den Regierungen vertrauen, daß sie den Kurs der Stabilität nachhaltig fortsetzen, ja oder nein?

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was sagt Edmund Stoiber dazu?)

    Das Festhalten am Stabilitätspakt ist für die Märkte das Signum für Nachhaltigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Dieses Vertrauen haben sie in den vergangenen Jahren und Monaten zunehmend gezeigt und mit geringeren oder gar - wie etwa im Falle Frankreichs - ganz verschwundenen Risikoaufschlägen für die Zinsen auf Staatsanleihen und mit Wechselkursstabilität belohnt. Dieses Vertrauen ist auch berechtigt. Denn alle Staaten haben in den vergangenen Jahren ganz unglaubliche, von niemandem für möglich gehaltene Fortschritte

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das ist es! Unter 2 Prozent!)

    bei der Reduzierung ihrer Budgetdefizite und bei der Bekämpfung der Inflation erzielt. Ohne den Maastrichter Vertrag wäre das niemals geschehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, man muß einmal daran erinnern: Es ist uns doch vor einigen Jahren völlig unvorstellbar erschienen, daß die Inflation im Schnitt der Europäischen Union auf ganze 1,7 Prozent sinkt und in Italien nur noch 1,6 Prozent - mit weiter sinkender Tendenz - beträgt.
    Ich frage mich in allem Ernst: Was soll angesichts dieser Tendenz das Gerede von einem schwachen Euro?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Der Binnenwert des Euro wird so stark sein wie der der D-Mark. Was den Außenwert angeht, hat Wim Duisenberg in seinem letzten Bericht als Chef der niederländischen Zentralbank auf etwas sehr Interessantes hingewiesen. Er hat gesagt: Der braucht uns in Zukunft nicht mehr zu bekümmern, als er auch die Vereinigten Staaten, was den Dollar angeht, bekümmern muß. Helmut Schmidt hat in der „International Herald Tribune" gemeint, daß die äußere Stabilität des Euro wegen seines größeren Geltungsbereichs größer als die der D-Mark sein wird. Wir sollten daher mehr die phantastisch niedrigen Inflationsraten mit weiter zurückgehender Tendenz im Auge haben und darüber mit unseren Bürgern sprechen. Denn das ist es, woran sie zu Recht die Stabilität festmachen. Deshalb sollten wir nicht, wie das einige tun, versuchen gegen besseres Wissen eine Zahl mit einer Kommastelle als Symbol für Stabilität hochzustilisieren. Diese Bedeutung hat diese Zahl nachweislich nicht.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Was sagt Herr Waigel denn dazu?)

    Denn andernfalls wäre, da es im vergangenen Jahr ein Defizit von 3,8 Prozent in Deutschland und von 4 Prozent in Frankreich gab, das ganz unglaubliche Maß an Stabilität, von dem ich gesprochen habe, überhaupt nicht erklärlich.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber soll ich Ihnen die alten Reden des Bundesfinanzministers vorlegen?)

    Ich weiß - das will ich mit allem Nachdruck sagen -: Da es auf die Nachhaltigkeit ankommt, kommt es darauf an, daß wir die strukturellen Reformen wirklich fortsetzen oder in manchen Ländern erst richtig in Gang setzen.
    Aber es ist auch meine feste Überzeugung: Nur mit einer, durch eine und in einer Währungsunion können wir diese Reformen durchsetzen, nicht ohne eine solche Währungsunion. Nur durch sie können wir das umfassende Modernisierungs- und Gesundungsprogramm der europäischen Volkswirtschaften durchsetzen, nicht ohne sie. Dabei geht es um unsere Zukunftsfähigkeit. Deswegen sage ich: Wer die Währungsunion nicht will, wer sie hintertreibt, versündigt sich an der Zukunftsfähigkeit Europas und seiner Völker.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann ja nicht dauernd klatschen!)

    Ich habe bereits gesagt, daß wir das Beschäftigungskapitel und die Erklärung zur Beschäftigung von Amsterdam nachdrücklich begrüßen, weil all das, von dem ich gerade gesprochen habe, nämlich die strukturellen Reformen, in ihnen verankert sind.

    Karl Lamers
    Es hat in Amsterdam und vorher eine Diskussion mit Frankreich gegeben. Ich will deswegen an dieser Stelle ein Wort an Frankreich richten: Die Verankerung des Beschäftigungskapitels und die Erklärung zum Stabilitätspakt machen deutlich, daß wir dasselbe Ziel, und zwar ein doppeltes, haben: nicht nur die Wiederherstellung oder die Festigung unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern gleichermaßen eine solidarische, eine soziale Gesellschaft, auch deswegen, weil ohne eine solche solidarische Gesellschaft nicht nur die Stabilität dieser Gesellschaft, sondern auf Dauer natürlich auch die Stabilität der wirtschaftlichen Entwicklung gefährdet wäre.
    Wir müssen über den Weg reden, wie wir dieses Ziel erreichen. Deutschland befand sich in Amsterdam in Übereinstimmung mit allen Ländern; das muß ich einmal mit allem Nachdruck feststellen. Ich glaube, daß die neue französische Regierung bereits auf dem Wege ist, mißverstandene Signale, die sie ursprünglich gesetzt hatte, zu korrigieren. Wir sollten dem Dialog zwischen Frankreich und Deutschland über diese Fragen höchste Aufmerksamkeit widmen, nicht zuletzt im Vorfeld des sogenannten Beschäftigungsgipfels, der im Herbst dieses Jahres stattfinden soll.
    Die Wirtschafts- und Währungsunion ist Teil der politischen Union, sogar ein zentraler Teil. Wir haben in Maastricht zu Recht beklagt, daß die anderen Teile bislang zu kurz gekommen sind. Nun haben wir durch den Vertrag von Amsterdam einen großen Fortschritt auch in den anderen Bereichen der politischen Union erzielt. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist gestärkt worden. Bei der Ausführung gemeinsamer Strategien sind jetzt Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit der Regelfall. Wer sich auf besondere nationale Interessen berufen will, muß eine Ausnahmebestimmung in Anspruch nehmen. Das ist, wie ich finde, ein deutlicher Fortschritt, ein Schritt hin zu Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit. Die Aufnahme der Petersberg-Aufgaben der WEU in den Vertrag und die Schaffung der Leitlinienkompetenz gegenüber der WEU bedeuten ebenfalls eine sichtbare Veränderung des Vertrages hin zu besserem Krisenmanagement.
    Die Zusammenarbeit im Bereich der Innen- und Rechtspolitik ist grundlegend weiter verbessert worden. Ja, durch die Vergemeinschaftung von Asylrecht, Visapolitik, Kontrolle der Außengrenzen, Einreise- und Aufenthaltsbedingungen für Drittstaatler und justitieller Zusammenarbeit wie durch die Integration von Schengen in den EU-Rahmen haben wir in diesem Bereich Fortschritte erzielt, die über unsere vorsichtigen Erwartungen deutlich hinausgingen.
    Es gibt sogar - wer hätte das eigentlich für möglich gehalten? - zumindest Ansätze für operative Zuständigkeiten von Europol. Es gibt auch eine sehr wichtige Neuerung in der dritten Säule, nämlich die Einführung der Quasi-Richtlinien.
    Was die parlamentarische Kontrolle angeht, Frau Wieczorek-Zeul, so meine ich, haben sich die Verfahren für die Beteiligung des Deutschen Bundestages und die gesetzlichen Grundlagen für die Beteiligung
    der Länder bewährt. In diesem Rahmen werden wir Lösungen finden.
    Die Effizienz und die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union sind also gestärkt worden, wobei dies - das will ich hinzufügen; auch der Bundeskanzler hat es gesagt - nicht überall in dem Maße geschehen ist, wie wir es uns gewünscht haben. Aber solche Verträge sind immer Kompromisse. Jedenfalls gibt es einen Fortschritt.
    Es ist wahr, die Reform der Kommission ist unzulänglich. Die Stärkung der Position des Kommissionspräsidenten ist ein Fortschritt. Aber das andere ist problematisch. Vor allem das Fehlen einer Regelung bezüglich der Neugewichtung der Stimmen im Rat könnte bei der Erweiterung Probleme schaffen. Aber ich meine, wir sollten uns an die Erfahrungen erinnern, die wir in der Vergangenheit gemacht haben. Wenn ein ausreichend starker Druck vorhanden ist, dann gibt es auch eine Einigung. Ich bin sicher, daß der Druck der Beitrittsverhandlungen dazu führen wird, daß wir bei der notwendigen Reform auch hier Fortschritte erzielen.
    Der vielleicht größte Gewinner der Verhandlungen von Amsterdam - auch das hat kaum jemand für möglich gehalten - ist das Europäische Parlament,

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: So ist es!)

    das, wie der ehemalige Präsident Hänsch zu Recht festgestellt hat

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Der neue nicht!)

    - der neue leider nicht, Kollege Haussmann; aber ich glaube, der Kollege Hänsch versteht noch genug von diesen Dingen, um ein zutreffendes Urteil dazu abgeben zu können -, in einem Maße Rechte erhalten hat, wie man es sich vor zehn Jahren überhaupt nicht hätte vorstellen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich will das, was der Bundeskanzler zu der strategischen Bedeutung der Flexibilitätsklausel gesagt hat, mit allem Nachdruck unterstreichen. Das ist wirklich eine strategische Weichenstellung, die lange Zeit kaum möglich erschien.
    An dieser Stelle will ich auch einen Dank an die Briten richten. Sie haben unsere Vorschläge nicht in dem Maße akzeptiert, wie wir es uns gewünscht haben. Aber es hat sich gezeigt: Die neue britische Regierung versucht wirklich, konstruktiv in Europa mitzuarbeiten. Das sollten wir anerkennen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Amsterdam war ein wesentlicher Fortschritt im europäischen Integrationsprozeß. So gefestigt, können wir uns der nächsten großen Herausforderung stellen, nämlich der Erweiterung. Herausforderung bedeutet Chance und Risiko. Wir würden unseren künftigen Mitgliedern wie uns selbst den größten Gefallen tun, wenn wir bei aller Nüchternheit stärker die Chancen sähen, unseren gesamten Kontinent als eine Zone der Freiheit, des Friedens und des Wohlstands, als ebenbürtigen Akteur an der Seite der

    Karl Lamers
    USA - und nicht für immer unter deren Fittichen - sowie als ein Modell für die Welt zu gestalten, in dem freie, starke und selbstbewußte Völker eine neue, den Erfordernissen der Gegenwart angemessene Form des Zusammenlebens finden.
    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Joseph Fischer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joseph Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute über eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers anläßlich seiner Teilnahme an drei Gipfeln, nämlich den Gipfeln in Amsterdam, Denver und New York. Eine halbe Weltreise liegt hinter Ihnen, Herr Bundeskanzler. Jetzt sind Sie wieder zurück im irdischen Jammertal der Bonner Koalition. Die Probleme hier sind dieselben geblieben. Das möchte ich gleich vorwegschicken.

    (Zuruf des Abg. Michael Glos [CDU/CSU])

    - Es tut mir leid, Herr Kollege Glos. Auf Sie und Ihren Laden komme ich nachher noch zu sprechen - darauf können Sie sich verlassen -; denn wir werden, wenn wir über die Außenpolitik, die Europapolitik, über Amsterdam, über die Zukunft der europäischen Integration und über den Euro reden, garantiert auch über eine der wichtigsten Säulen des Kabinetts Kohl und seiner Koalition, nämlich über die CSU und Herrn Stoiber, reden müssen. Wer über den Euro spricht, kann über Stoiber und die CSU nicht schweigen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Aber darauf komme ich gleich noch zu sprechen.
    Mir geht es hier um eine Bewertung dessen, was diese Gipfel gebracht haben. Wenn man sich heute die Regierungserklärung angehört hat, aber wenn man sich auch gegenwärtig - ganz aktuell - die Rede des Kollegen Lamers angehört hat, - -

    (Peter Hintze [CDU/CSU]: Die war sehr gut!)

    - Herr Kollege Hintze, sie war in ihrem europapolitischen Teil, vor allen Dingen im Euro-Teil, in der Tat sehr gut.

    (Peter Hintze [CDU/CSU]: So ist es!)

    Da habe ich mehr geklatscht als Herr Glos. Damit haben wir wieder dasselbe Problem.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, der entscheidende Punkt ist ein anderer. Wenn man sich die Regierungserklärung des Bundeskanzlers und die Rede des Kollegen Lamers angehört hat, wird man feststellen: In Amsterdam war das Ergebnis ein minimales Ergebnis. Es hat Fortschritte gebracht, allerdings
    auch ein hohes Maß an Stagnation, viele Fragezeichen, um die herumgeredet wurde.
    Zu Denver kann man nur sagen: Das einzige, was positiv zu verzeichnen ist, ist die Teilnahme Rußlands, eine verstärkte Einbindung Rußlands in die westlichen Strukturen. Denver hat aber nicht die notwendige Regulierung des Globalisierungsprozesses, die Abstimmung von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gebracht. Das alles, was heute zwischen den wichtigsten Industrienationen gemacht werden müßte, ist in Denver nicht gemacht worden.
    Und New York? Nun ja, zu New York möchte ich jetzt etwas ausführlicher kommen. Herr Bundeskanzler, seien Sie mir nicht böse. Auf der einen Seite freut es mich, wenn ich an 1983 zurückdenke, an die erste Legislaturperiode, als wir hier waren, welche beeindruckende Veränderung in den Reihen von CDU/CSU zumindest mental in der Umweltpolitik stattgefunden hat, auch bei Ihnen. Damit Sie mich richtig verstehen: Ich möchte Sie ausdrücklich darin bestätigen, in dem Kurs weiterzumachen, international umweltpolitisch Druck auszuüben. Nur, ich bezweifle, daß Sie ernst genommen werden, wenn Sie das, was Sie international fordern, national nicht umsetzen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Dann muß ich Ihnen sagen: Ich kriege fast schon zynische Anwandlungen, wenn ich Ihre Regierungserklärung höre. Welches Wunder im Luftraum über dem Mittelwesten zwischen Denver und New York ist denn passiert? In New York mimen Sie den Ökofreak, während hier in Bonn gleichzeitig die Politik weitergetrieben wird, die letztendlich auf Umweltsudeleien, auf eine Betonpolitik hinausläuft.
    Wie sieht es denn aus? Was ist denn die Bilanz dieser Bundesregierung, die sie international vorweisen kann? Nehmen Sie doch einmal die CO2-Reduktionsziele, die Sie in Berlin verkündet haben. In Berlin hat man Ihnen den Ökofreak noch abgenommen - ich nicht, aber die Umweltverbände. In New York werden sie Ihnen diese Nummer nicht mehr abnehmen. Sie haben dort eine schöne Rede gehalten, eine gute Initiative - allerdings ist Ablehnung gesichert, insofern kann man eine solche Initiative vortragen - gestartet, während Sie gleichzeitig hier feststellen müssen - Ihre Umweltministerin hat es jetzt auch zugegeben -, daß Sie die Selbstverpflichtung zur CO2Reduktion um 25 Prozent bis 2005 nicht einhalten werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ist doch Quatsch!)

    Es ist ein Faktum, Herr Bundeskanzler, daß wir es im Jahre 1996 zum ersten Mal wieder mit einem Anstieg um 2 Prozent bei der CO2-Emission zu tun haben - im Westen Deutschlands, und da wird die Sache endgültig zynisch. Wir haben eine 45-Prozent-Reduktion, bezogen auf das Basisjahr 1989, im Osten Deutschlands. Das bezahlen wir mit Massenarbeitslosigkeit, mit katastrophalen Zuständen über

    Joseph Fischer (Frankfurt)

    die Deindustrialisierung durch eine falsche Einheitspolitik.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)

    Da gibt es 45 Prozent Reduktion, während im Westen seit 1990 Null Reduktion zu verzeichnen ist, im Gegenteil, jetzt haben wir wieder einen Anstieg. Es macht natürlich unglaublich glaubwürdig, wenn ich dann gleichzeitig auf internationaler Ebene verbindliche Festlegungen fordere.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Aber gehen wir doch weiter. Wie sieht es denn aus bei einer Politik der Nachhaltigkeit? Jetzt stehen wir innenpolitisch vor entscheidenden Strukturreformen, das ist ja nicht umstritten. Wir müssen jetzt handeln. Nur, wo ist die Nachhaltigkeit in dem, was Sie vorschlagen?
    Steuerreform: Es erbittert mich, Herr Bundeskanzler. Ich habe Ihnen hier das „Konzept Nachhaltigkeit, Fundamente für die Gesellschaft von morgen, Zwischenbericht der Enquete-Kommission ,Schutz des Menschen und Umwelt' des 13. Deutschen Bundestages aus 1997" mitgebracht. Ich habe Ihnen eine vorzügliche Studie von einer obersten Bundesbehörde, vom Umweltbundesamt, mitgebracht - sie ist aktuell erschienen -: „Nachhaltiges Deutschland - Wege zu einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung" . Ich empfehle dies zur Lektüre. Außerdem habe ich hier ein voluminöses, grün gebundenes Gutachten, „Umweltgutachten '96 - Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen bei der Bundesumweltministerin", das sich nicht nur zum Lesen, sondern dann und wann auch zum Handeln eignet.
    In all diesen Publikationen können Sie Strategien für eine nachhaltige Zukunftsentwicklung finden. Überall ist die Notwendigkeit einer ökologischen Steuerreform enthalten. Ohne eine ökologische Steuerreform, ohne daß wir in unserer Marktwirtschaft die externen ökologischen Kosten internalisieren, werden wir den Prozeß der Nachhaltigkeit in Deutschland nicht hinbekommen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Insofern müssen Sie, Herr Bundeskanzler, wenn Sie Ihre Rede ernst meinen, die Chance der jetzt notwendigen Steuerreform nutzen. Ihr Bundesfinanzminister muß endlich begreifen, daß eine ökologische Steuerreform für die nachhaltige Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland unverzichtbar ist.
    Ich möchte in diesem Zusammenhang einen weiteren Punkt ansprechen. Wie sieht es denn mit der Lage des Waldes aus? Hinsichtlich der Schäden haben wir ständig einen Zuwachs. Wie ist die Situation der Böden, des Grundwassers in diesem Lande? Sie beklagen den Waldverlust völlig zu Recht. Mein Eindruck aber ist der, daß die Radikalität Ihrer Position exponentiell, das heißt im Quadrat zunimmt, je weiter Sie sich von Ihrem eigenen Verantwortungsbereich entfernen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Die Helmut Kohls, das heißt die Konservativen in Indonesien, Borneo, Amazonien, wo auch immer, bringen Ihre Argumente vor. Dies führt dort zu einer ähnlich fatalen Politik, wie sie 'es hier bereits gibt.
    Wir haben nach wie vor einen täglichen Flächenverlust von 80 Hektar zu verzeichnen. Schauen Sie sich doch einmal die Roten Listen in Deutschland an! Ich will Ihnen einmal die Fakten vorlesen: Ausgestorben oder verschollen sind 8 Prozent der Säugetiere, 6 Prozent der Süßwasserfische und 4 Prozent aller Vogelarten. Bestandsgefährdet sind 40 Prozent aller Säugetiere, 64 Prozent der Süßwasserfische, 39 Prozent der Vögel und 65 Prozent der Kriechtiere. Wir haben also nicht nur ein Problem in den tropischen Regenwäldern. Wir haben ganz aktuell hier unsere ökologischen Hausaufgaben unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit zu machen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Schauen Sie sich die Entwicklung des Individualverkehrs an! Allein unsere Kraftfahrzeugflotte verbraucht mehr Rohöl als Gesamtafrika. Die Tendenz ist wachsend. Die Botschaft, daß die Volksrepublik China unter anderem auch von deutschen Automobilunternehmen motorisiert werden soll, mag für diese Unternehmen eine schöne Botschaft sein. Wenn wir aber so weitermachen, ist es ökologisch die schlichte Katastrophe.
    Umgekehrt, Herr Bundeskanzler, können wir den armen Ländern nicht sagen: Bleibt arm, damit wir reich bleiben können! Das ist moralisch und politisch nicht zu vertreten. Wir müssen eine Politik der Nachhaltigkeit betreiben, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich entwickeln zu können.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Eine Verkehrswende, eine Energiereform, eine Entwicklung weg von der Angebotsorientierung, eine Öffnung des Marktes für neue, umweltschonende Technologien - all das liegt in unserer nationalen Entscheidungskompetenz und bringt nebenbei einen gewaltigen Modernisierungseffekt, neue Märkte und Arbeitsplätze, trägt also wesentlich zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit bei.
    Dem bedeutenden Ministerpräsidenten aus einem nördlichen Bundesland, der in diesem Zusammenhang meint, die Umweltbürokratie sozusagen als neues Feindbild aufbauen zu müssen - das muß ich hier ansprechen -, kann ich nur folgendes sagen: Ich kenne die Zustände in diesem Land nicht. Allerdings ist meine Erfahrung als Umweltminister: Erstens. Kein Ökologe kann ein Interesse an zuviel Bürokratie und langen Genehmigungsverfahren haben. Da wurde in der Vergangenheit vieles verbessert. Vermutlich kann es noch besser gemacht werden, aber in allen Bundesländern, egal von wem sie regiert

    Joseph Fischer (Frankfurt)

    werden, sind beeindruckende Fortschritte erzielt worden. Zweitens. Umweltbürokratie und Umweltgesetze schaffen Rechtssicherheit, wenn sie entsprechend angewendet werden. Sie schaffen Investitionssicherheit und Sicherheit für Mensch und Umwelt.
    Wenn dies eine Metapher sein soll, mit der man den ganzen Umweltkram vom Tisch räumen will, dann kann ich diesen Herrn nur warnen; denn das bedeutet ein Zurück in die Steinzeit der 60er Jahre. Es wäre eine Gefährdung des Industriestandortes Deutschland.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Ich habe überhaupt nichts dagegen: Wir können uns zwischen Ordnungsrecht, Haftungsrecht oder ökologischer Steuerreform entscheiden. Ich plädiere für einen Mix dieser Dinge als eine moderne Umweltpolitik. Ich halte aber überhaupt nichts davon, dies vom Tisch zu räumen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Nun lassen Sie mich noch - leider in aller Kürze - auf den Amsterdamer Gipfel eingehen. Das Ziel war, die institutionellen Reformen für die Ostöffnung zu ermöglichen, eine Öffnung, die wir nachdrücklich bejahen. Diese institutionellen Reformen sind auf minimaler Ebene stehengeblieben.
    Das Beschäftigungskapitel ist für uns - gegen den Widerstand der Bundesregierung durch die politischen Veränderungen in unseren Nachbarländern durchgesetzt - einer der wichtigsten Erfolge von Amsterdam. Erst einmal steht das nur auf dem Papier. Aber es schafft Möglichkeiten. Ich möchte Rudolf Scharping nachdrücklich für seine klaren Sätze hier danken.

    (Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Oh!)

    - Nein, hören Sie zu! Das wird für die kommende Auseinandersetzung sehr wichtig sein.
    Er hat gesagt, daß es nicht um staatliche Beschäftigungsprogramme auf EU-Ebene geht, sondern daß es um eine abgestimmte Politik hin zu einem gemeinsamen Sozialraum geht.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Das ist für mich ein ganz wichtiger und entscheidender Punkt. Damit können wir nämlich diese ganze Debatte, die in die 70er Jahre zurückführt, schlicht vergessen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!)

    Ich sage Ihnen, Herr Kollege Haussmann: Die monetaristische Phase der europäischen Integration ist mit den Wahlentscheidungen in Großbritannien und in Frankreich zu Ende gegangen, und sie wird mit
    der Wahlentscheidung hier in der Bundesrepublik
    Deutschland nächstes Jahr endgültig zu Ende gehen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich bin der festen Überzeugung - ich bin mir sicher, daß der Bundeskanzler, auch wenn er es nicht ausspricht, diesen Gedanken gar nicht von sich weisen wird -: Wir werden die Völker mit dem Hinweis „Der Weltmarkt erfordert es" nicht mitnehmen können. Das zeigt Frankreich. Man muß die französische Wahlentscheidung sehr ernst nehmen. Das ist nicht einfach nur eine falsche Taktik von Präsident Chirac gewesen. Der entscheidende Punkt ist: Man muß die Völker mitnehmen. Die Methode, die noch bis Maastricht geführt hat, wird in Zukunft nicht mehr funktionieren. Weitere Souveränitätsübertragungen - die wir wollen und die Sie wollen; da gibt es einen großen Konsens -, ohne daß wir die Völker mitnehmen, das heißt, ohne daß es einen innenpolitischen europäischen Prozeß gibt, werden nicht mehr funktionieren. Dieser Prozeß muß dann auch institutionell und legislativ umgesetzt werden.
    Die Euro-Debatte ist jetzt die erste große innenpolitische europäische Debatte, die in allen Ländern gleich lang und mit gleichen Kontroversen geführt wird. Das finde ich unter Demokratiegesichtspunkten sehr wichtig. Aber das wird für die Zukunft heißen - auch das macht Amsterdam klar -: Wir werden eine weitergehende politische Integration unter Ausklammerung der Völker - das heißt ohne Volksentscheide bei weiterer Souveränitätsübertragung, ohne innenpolitische kontroverse Debatte, ohne das Risiko des Scheiterns, ohne offene Schlacht, auf dem Boden der Demokratie ausgetragen - nicht hinbekommen.
    Deswegen haben wir, Herr Bundeskanzler, bei Europol zwei gravierende Einwände: bei der Demokratie- und der Subsidiaritätsfrage. Das sind keine grundsätzlichen Einwände. Aber Entschuldigung, wenn wir eine europäische Polizei installieren, dann frage ich, wo der europäische Grundrechtsschutz bleibt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das muß meines Erachtens mindestens parallel laufen. Das gehört eigentlich vorneweg gestaltet.
    In dem Zusammenhang lassen Sie mich in aller Kürze auch einmal auf folgendes zu sprechen kommen: Ich habe nie auf Amsterdam gesetzt; nicht aus Berufspessimismus, sondern weil ich der Meinung war, daß man das europäische Maultier nicht überladen darf. Die Einführung des Euro hat jetzt unbedingte Priorität. Das zeigt auch das Gipfelergebnis von Amsterdam.
    Nur, Herr Bundeskanzler, da reicht es nicht, wenn Sie sich mit Ihrem ganzen Gewicht hier hinstellen und erklären: Der Euro kommt. Ich möchte von Ihnen wissen, und ich möchte von Herrn Waigel wissen - er hat doch die Mär von den 3,0 Prozent gebracht

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)


    Joseph Fischer (Frankfurt)

    - da schütteln Sie mit dem Kopf; ich könnte Ihnen die Reden aus dem Haushaltsausschuß und die Reden aus diesem Hause über die 3,0 Prozent, erst jüngst vorgetragen, vorlesen -: Was sagen Sie dazu, Herr Waigel, wenn Ministerpräsident Stoiber darauf hinweist - ich zitiere -:
    Würde die CSU es plötzlich mit dem Bonner Fraktionsvorsitzenden Schäuble halten und nicht mehr auf unbedingte Stabilität pochen, beginge sie „den größten Vertrauensbruch in ihrer Geschichte."
    „Unbedingte Stabilität" sind für ihn die 3,00 Prozent.
    Nun wissen Sie: Die 3,00 Prozent sind nicht erreichbar. Herr Lamers hat das gerade wieder eindeutig gesagt. Auch der Bundeskanzler ist der Meinung. Wie soll das gehen? Wir sind es leid, daß hier Erklärungen abgelesen werden und die wirkliche politische Debatte zwischen CDU, CSU, F.D.P. und wem auch immer am Wochenende in den Medien stattfindet, wenn wir die Debatte hier geschlossen haben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Herr Bundeskanzler, ich fordere Sie noch einmal klipp und klar auf: Nehmen Sie vor dem Deutschen Bundestag Stellung dazu, daß Herr Stoiber die Koalition in der Euro-Frage gegen die Wand fahren lassen will. Wenn das absurd ist, dann sagen Sie es. Welche Bedeutung hat es denn sonst, daß Herr Stoiber sagt, das wäre der größte Vertrauensverlust? In dem Zusammenhang möchte ich von Ihnen endlich Klartext hören. Wenn Sie das nicht tun, dann fordere ich den CSU-Vorsitzenden auf, hier eindeutig Stellung zu nehmen.
    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)