Rede von
Wolfgang
Börnsen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute zur Beratung anstehende Bericht zur Unfallverhütung im Straßenverkehr macht deutlich: Es gibt nachweisbare Erfolge, weiter erhebliche Herausforderungen und einen Auftrag an alle Veranwortlichen der Verkehrssicherheit, nicht nachzulassen. Unfallzahlen zu senken und Gefährdungen zu reduzieren ist und bleibt eine Herkulesarbeit.
Als im Jahre 1953 erstmalig alle Unfalldaten registriert wurden, war das Resultat erschreckend, aufrüttelnd und eine Mahnung an alle Verantwortlichen. 11400 Verkehrstote war eine schlimme Bilanz in der damaligen Bundesrepublik. In der Folgezeit stieg die Fahrleistung, und die Anzahl der Fahrzeuge verdoppelte sich. Aber auch die Zahl der Unfälle stieg rapide. Die Situation erreichte 1970 mit 19100 Getöteten und Hunderttausenden von Verletzten einen traurigen Höhepunkt. Die Wende trat ein, als die Verkehrssicherheit zu einer nationalen Aufgabe wurde.
Heute, über 40 Jahre nach der ersten Statistik, können wir feststellen: Die Anstrengungen aller amtierenden Regierungen, der Verkehrssicherheitsverbände, der Verkehrserzieher und der technischen Sicherheitsverbesserung haben ihre Wirkung gezeigt. Besonders das Verkehrssicherheitsprogramm von 1984 war ein Meilenstein in dieser Erfolgsgeschichte.
1995, so dieser Unfallverhütungsbericht, gab es 6 561 Verkehrstote in den alten Bundesländern und einen Rückgang um 70 Prozent gegenüber 1970. Dabei haben die Zahl der gefahrenen Kilometer und sich der Fahrzeugbestand erheblich zugenommen. Wir haben zu registrieren: Noch nie gab es so wenige Tote und Verletzte im Straßenverkehr. Waren es 1995 im vereinten Deutschland noch 9 450 Verkehrstote, sank die Zahl im vergangenen Jahr um fast 8 Prozent auf 8 727. Einen Rückgang gab es auch bei den Verletzten. Ich möchte an dieser Stelle all denen danken, die zu diesem eindrucksvollen Resultat beigetragen haben.
Doch es gibt noch immer zu viele Opfer im Straßenverkehr. Der Appell, in der Aufklärungsarbeit nicht nachzulassen, gilt nicht nur den verantwortungsvoll und ideenreich tätigen großen Verkehrssicherheitsorganisationen, wie zum Beispiel dem DVR und der Deutschen Verkehrswacht, sondern richtet sich auch an die Bundesregierung, die in der Bereitstellung von Mitteln nicht nachlassen sollte. Der kommende Haushalt sollte wieder 25 Millionen DM enthalten, mit einer mittelfristigen Perspektive, um kontinuierlich und zielorientiert arbeiten zu können.
Auch wenn die Anzahl der Verkehrstoten den niedrigsten Stand seit 1953 erreichte, war die Zahl der Verkehrstoten in den neuen Bundesländern, bezogen auf die Einwohnerzahl, fast doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern. Es bleibt noch viel zu tun.
Fast zwei Drittel der 1994 bundesweit registrierten Unfälle mit Personenschäden ereigneten sich innerhalb von Ortschaften. Hier muß von Ländern und Kommunen noch mehr getan werden. Auf Außerortsstraßen wurden 30 Prozent, auf Autobahnen, den oft verteufelten, 6,8 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden registriert. Der weitaus größte Teil der 1994 erfaßten Straßenverkehrsunfälle mit Personenschaden wird auf ein Fehlverhalten der Fahrzeuglenker zurückgeführt. 15 Prozent gehen auf nicht angepaßte Geschwindigkeit zurück. Es folgen Vorfahrts- und Abstandsfehler, Fehler wegen Alkohols und Fehler beim Abbiegen.
Wer diese Daten ernst nimmt, muß seine Aufklärung für mehr Sicherheit breit anlegen. Der Schwerpunkt sollte dabei bei den Kindern und jungen Erwachsenen liegen. Jeder vierte Pkw-Fahrer, der 1994 einen Unfall verursachte, hatte seinen Führerschein noch keine zwei Jahre oder besaß gar keinen. Jeder fünfte Unfall wurde von einem jugendlichen Fahranfänger zwischen 18 und 24 Jahren verursacht. Nur 4 Prozent aller Unfälle werden von Verkehrsteilnehmern verursacht, die über 65 Jahre alt sind. Senioren fahren sicher.
Doch ihre Probleme sind Reaktionsfähigkeit und insbesondere nachlassende Sehfähigkeit. Hier besteht für den Gesetzgeber Handlungsbedarf.
Erfolg gab es auch bei der Risikogruppe der Kinder. 1970 hatten wir noch über 2 000 getötete Kinder im Straßenverkehr, 1994 waren es 418. Aber viele von ihnen wurden als Mitfahrer in einem Pkw getötet, hauptsächlich deshalb, weil sie unzureichend gesichert waren.
Mehr als die Hälfte aller Kinderunfälle ereignet sich beim Radfahren. Problematisch ist dabei die Verbannung der über Sechsjährigen von der Straße in andere Bereiche. Die Bundesregierung bereitet eine entsprechende Änderung der Straßenverkehrsordnung vor; das ist gut so.
Nach wie vor ist die Haftung von Kindern und Jugendlichen im Straßenverkehr nicht befriedigend geregelt. Es sollte zügig geprüft werden, wie sie haftungsrechtlich bessergestellt werden können.
Ich begrüße die Initiative der Bundesregierung und der Länder, bei vielen Maßnahmen zu einem
Wolfgang Börnsen
neuen Konzept zu kommen. Das gilt zum Beispiel auch gegenüber den Fahranfängern. Der Führerschein auf Probe war ein Erfolg, aber er war nur von kurzer Dauer und begrenzt. Ich glaube, es muß zu weiteren Erfolgen kommen, wenn man zur Kenntnis nimmt, daß 14 Prozent der Fahranfänger im Verkehrszentralregister in Flensburg mit Verstößen gemeldet sind, doppelt so viele wie alle anderen Altersgruppen. Das neue Konzept, wonach die Probezeit um zwei Jahre verlängert werden soll, begrüße ich ebenso
wie das Angebot einer freiwilligen Ausbildungsphase und auch die Möglichkeit, in Zukunft eine freiwillige Fortbildung, verbunden mit einer Bundesregelung, durchzuführen. Das heißt, wer mitmacht, kann damit seine Probezeit verkürzen.
Unkonventionelle Maßnahmen sind erforderlich. Ich möchte auf eine Initiative des Deutschen Verkehrssicherheitsrates im Lande Schleswig-Holstein hinweisen. Dort werden jetzt nach dem Beispiel der dänischen Verkehrsorganisation junge Frauen als Schutzengel in eine Verkehrssicherheitsinitiative eingebunden, damit dazu beigetragen werden kann, daß es zu weniger Verkehrsunfällen bei jungen Leuten kommt. Diese dänische Initiative, die sich so simpel anhört, hat großartige Erfolge gezeitigt: Reduzierung der Zahl Getöteter, Reduzierung auch bei der Zahl der Unfälle mit verletzten jungen Menschen.
Ich glaube, daß es notwendig ist, noch auf ein Thema aufmerksam zu machen, das uns berühren sollte. Es geht um die Gurtmuffel. Die Verkehrsstatistik aus dem Jahre 1994 belegt, daß nahezu jeder dritte Getötete im Pkw nicht angeschnallt war. Besonders schlimm ist die Vernachlässigung der Gurtpflicht bei Kindern im Pkw. Nur noch 18 Prozent der Kinder im Alter zwischen 6 und 12 Jahren sind ordnungsgemäß gesichert. Das ist viel zu wenig; hier müssen mehr Kontrollen durchgeführt werden,
die möglicherweise mit einem höheren Bußgeld und einer Eintragung in der Flensburger Verkehrssünderkartei verbunden werden müßten.
Insgesamt - damit komme ich zum Schluß - möchte ich feststellen, daß der Unfallverhütungsbericht 1994 klarmacht: Die Mittel und Maßnahmen zur Verringerung von Straßenverkehrsunfällen in unserem Lande greifen; sie haben Erfolg. Die Verkehrssicherheitsarbeit wird von der Polizei über die Fachverbände bis hin zu den Schulen als gemeinsame Aufgabe gesehen. Die Rettungsorganisationen arbeiten wirkungsvoll. Allen Engagierten haben wir zu danken, besonders den Ehrenamtlichen, den Eltern und den Erziehern.
Danke schön.