Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Köhne, das, was ich hier eben gehört habe, war eine leicht verwestlichte Form meines fast vergessenen Marxismus-Leninismus-Unterrichts.
Ich kann nur sagen: Alle diese Theorien scheinen ziemlich gescheitert zu sein. Ich schlage deshalb vor, sie nicht auf ein so kompliziertes Gebiet wie „mehr Wettbewerb im Energierecht" anzuwenden;
denn um dieses Gebiet ringt man selbst unter demokratischen Verhältnissen nun auch schon seit vielen Jahrzehnten. Ich glaube, wir müssen uns der Sache mit aller Ernsthaftigkeit widmen.
Neben dem Regierungsentwurf liegen noch zwei andere Entwürfe zur Debatte vor. Als erstes muß man sagen - Frau Hustedt, soweit kann ich Ihnen sogar folgen -: Wettbewerb und Umweltschutz dürfen keine Gegensätze sein. Wer meint, man kann es den
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
Kommunen ersparen, ihren Bürgern zu sagen, wie teuer der öffentliche Personennahverkehr ist, indem man das irgendwie untransparent über die Strompreise gleich mal mitregelt, der tut weder dem Umweltschutz noch den Bürgern, noch sich selbst einen Gefallen.
Aus diesem Grunde muß doch ganz klar sein: Auch Umweltpolitiker scheuen sich nicht vor Transparenz. Wir brauchen den Wettbewerb.
Ich will noch hinzufügen: Ich gehöre zu denen, denen daran liegt, daß in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt noch Strom erzeugt wird. Wir können uns natürlich all den Diskussionen entziehen und sagen: Wir machen hier das, was wir für richtig halten. Aber dann wird man im europäischen Wirtschaftsraum Strom aus Frankreich, Strom aus Norwegen oder sonstwoher beziehen.
Dann haben wir gar nichts gewonnen, weil wir nicht fähig waren, unsere eigenen Monopole zu brechen. Und die Elektrizitätsversorgungsunternehmen wären nach meinem Eindruck durchaus in der Lage, sich anderen Geschäftsfeldern zuzuwenden.
Nun ist aber völlig unstrittig, daß die Energierechtsreform wesentliche Auswirkungen hat. Sie birgt Chancen und Risiken für die umweltpolitischen Belange und für die Fragen der nachhaltigen Entwicklung in sich.
Ich glaube, daß die Herausforderung des Schutzes unseres Klimas, nämlich die Reduktion der CO2Emissionen, ein Punkt sein muß, der uns auch bei dieser Reform beschäftigt. Deshalb halten wir es für notwendig, daß mehr Strom aus erneuerbaren Quellen produziert wird, um das Ziel der Reduktion der CO2-Emissionen um 25 Prozent zu erreichen. Wir brauchen die Kraft-Wärme-Kopplung und eine höhere Effizienz bei Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen.
- Nun schreien Sie doch nicht gleich! Ich bin ja noch gar nicht bei den Instrumenten; ich bin erst bei den Zielen.
Ich finde es ziemlich unerträglich, daß wir trotz gleicher Ziele unentwegt darüber debattieren, ob wir es schaffen, diese Ziele zu erreichen, und daß Sie stets erzählen, daß wir es nicht schaffen. Nun lassen Sie es uns doch einmal versuchen und in Ruhe diskutieren. Ich sage jedenfalls ganz deutlich: Ich stehe zu dem Reduktionsziel.
Unter diesem Blickwinkel betrachte ich natürlich auch die Frage: Wie sieht es mit der Energierechtsnovelle aus? Wir brauchen marktwirtschaftliche Mechanismen. Frau Hustedt, der Ansatz, den Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorsehen, ist natürlich theoretisch interessant und in der Tat auch von Mitarbeitern meines Ministeriums - auch mit meiner Billigung, wenn ich das hier so sagen darf - immer wieder verfolgt worden. Aber wir brauchen natürlich eine Novellierung des Energiewirtschaftsrechts nach den deutschen Gegebenheiten, und das sind eben nicht die britischen. Deshalb können wir jetzt nicht einfach mal den Elektrizitätsversorgungsunternehmen die Leitungen wegnehmen; dann kommen wir nämlich in „kleine Konflikte" mit der Verfassung.
Deshalb ist das Poolmodell auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland aus meiner Sicht nicht anwendbar, obwohl theoretisch interessant und umweltpolitisch auch handhabbar, allerdings mit schärfsten Eingriffen des Staates - das muß man ganz klar sagen -, die man ablehnen kann, und auch mit schwerwiegenden Fragen, wo denn nun wer wie an welcher Schraube drehen soll, um den Zugang von regenerativen Energien zum Leitungsnetz zu regeln. Dafür brauchen Sie wieder Gremien, und damit haben Sie wieder eine Menge Regulierung. Es gibt also viele Fragestellungen.
Nun haben wir in dem neuen Energiewirtschaftsgesetz, so wie es der Bundeswirtschaftsminister, die gesamte Bundesregierung hier heute vorgelegt hat, das Prinzip der Umweltverträglichkeit als gleichberechtigtes Ziel neben Preiswürdigkeit und Versorgungssicherheit.
- Aber, Herr Schütz, die Voraussetzung ist doch erst einmal, daß es gleichberechtigt ist. Das ist ganz im Sinne der nachhaltigen Entwicklung.
Diese heißt nämlich nicht nur „Umweltpolitik", und dann kommt eine Weile gar nichts, und anschließend guckt man mal nach Ökonomie und Sozialem. Wir brauchen die Gleichberechtigung. Sie steht in § 1 des Gesetzes.
Ferner - das verschweigen Sie einfach - ist natürlich die Gesamtheit der Energiegesetze zu sehen. Man kann sagen: Wir inkorporieren das Stromeinspeisungsgesetz in das Energiewirtschaftsgesetz. Oder man sagt: Wir wollen das Stromeinspeisungsgesetz erhalten, an das Energiewirtschaftsgesetz und seine Veränderungen anpassen und im Stromeinspeisungsgesetz das regeln, was wir für die Förderung regenerativer Energien für notwendig halten. Man kann beide Wege gehen. Es gibt gute Gründe, zu sagen: Wir trennen das; denn es macht keinen Sinn, bei den wettbewerblichen Komponenten von vornherein immer wieder auch alle Förderinstrumente unterzumischen. Aber ich glaube, daran braucht man nicht den allerletzten Prinzipienstreit zu entzünden.
Die Bundesregierung eröffnet durch den vorliegenden Gesetzentwurf die Option, den Anteil der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energien und
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
aus Kraft-Wärme-Kopplung zu steigern. Damit sind wir wieder bei unserem Prinzipienstreit, den wir unentwegt durch die Umweltpolitik tragen: Muß der Staat alles bis ins letzte vorgeben, oder kann man den Betrieben und der Wirtschaft auch die Chance geben, eigene kreative Überlegungen anzustellen und entsprechende Versuche zu machen? Denn wer behaupten würde, in der deutschen Elektrizitätswirtschaft gäbe es heute keine Anstrengungen, erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energieinformation und -beratung zu fördern, der lebt an der Wirklichkeit vorbei. Schon heute sind die wirtschaftlichen Anstrengungen im Wettbewerb der einzelnen Energieversorgungsunternehmen durchaus zu sehen, auch auf mehr Energieeffizienz, Kraft-Wärme-Kopplung und vieles andere hinzuarbeiten.
Deshalb sagen wir: Bereits vor der europäischen Stromrichtlinie, die besagt, es könne Vorrang für erneuerbare Energien geben, hatten wir in Deutschland das Instrument des Stromeinspeisungsgesetzes, und das wollen wir weiter nutzen. Ich sage Ihnen auch: Wir wollen dieses Instrument ganz bewußt weiter nutzen, um andere Formen der Energieerzeugung zu fördern, zum Beispiel die Windenergie, um die es in allen politischen Bereichen und aus gutem Grund eine ganze Reihe von Kämpfen gibt, aber auch die Energieerzeugung aus Biomasse. Diese sehe ich als eine der Formen erneuerbarer Energien an, die eine Chance haben, demnächst wettbewerbsfähig zu werden. Diesbezüglich sind wir in gutem Kontakt mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium und mit Herrn Rexrodt ohnehin. Er hat nicht das geringste gegen Biomasse; das ist mir noch nie aufgefallen.
- Entschuldigung, falls ich jetzt etwas gesagt habe, was mißverstanden werden kann. Wir sind uns schon einig.
Wir brauchen alle Formen der erneuerbaren Energien. Und ich sage Ihnen: Die Stromerzeugung aus Solarenergie ist diejenige Form, die heute - bezogen auf erneuerbare Energiequellen - am weitesten von der Wettbewerbsfähigkeit entfernt ist.
Ich spreche einen weiteren Punkt an: Sie tun den erneuerbaren Energien keinen Gefallen, wenn Sie diese vom Wettbewerb ausnehmen und keinerlei Druck ausüben, damit auch sie wettbewerbsfähig werden. Es hilft überhaupt nichts, die Windenergie auf diese Weise zu fördern und auf die Einspeisungsvergütungen überhaupt keinen Druck zu machen, so daß dann anschließend die kommunale Finanzierung über einen Windpark erfolgt. Es muß hier viel mehr Druck gemacht werden, damit auch auf diesem Sektor eine wettbewerbsfähige Energieerzeugung entsteht. Genau deshalb wird auch über neue Einspeisungsvergütungen geredet. Es wird nicht die Windenergie „totgemacht" oder das Stromeinspeisungsgesetz ausgehebelt. Es wird Druck gemacht, technische Innovationen zu entwickeln. Ich glaube, das ist in unser aller Interesse.
Ich will abschließend noch sagen, daß ich - auch im Sinne der Umwelt - hoffe, daß der jetzige Regierungsentwurf in unseren parlamentarischen Beratungen und dann auch im Bundesrat eine Mehrheit finden wird. Da wird es sicherlich Diskussionen sowohl in Richtung Kommunen, in Richtung neue Bundesländer als auch um erneuerbare Energien geben. Aber meiner Meinung nach werden wir mit einem verstärkten Wettbewerb im Energierecht und der gleichzeitigen Anpassung des Stromeinspeisungsgesetzes ein Instrument haben, mit dem wir bessere Voraussetzungen für eine umweltverträgliche Energieerzeugung schaffen.
Ich sage ganz deutlich: Ich stehe dazu, daß wir den Anteil erneuerbarer Energien erhöhen, daß wir uns hierfür Ziele setzen, daß darüber zwischen Bundesregierung und Bundestag gesprochen wird, um geeignete Instrumente dafür zu finden. Aber ich bin auch der Ansicht, daß man der Wirtschaft erst einmal die Aufgabe stellen kann, sich selbst Gedanken zu machen, bevor man mit dem großen staatlichen Hammer kommt.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.