Rede von
Rolf
Köhne
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Versorgung mit elektrischer Energie ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Sie bringt notwendigerweise wegen der Leitungen natürliche Monopole hervor. In anderen Staaten, zum Beispiel in Frankreich, ist sie deshalb in staatlicher Hand. In Deutschland hingegen wird die Energiewirtschaft von wenigen Konzernen kontrolliert. Befassen wir uns einmal kurz mit diesen.
Die RWE, der größte von ihnen, hat 1995 rund 22 Milliarden DM im Bereich Energie umgesetzt. Macht und Einfluß des RWE-Konzerns entspringen dabei einem kaum durchschaubaren Geflecht von Kapital und Politik. Im Versorgungsgebiet der RWE streichen ungefähr 2000 Politiker und Verwaltungsbeamte über Pöstchen im Konzern oder in einer seiner zahlreichen Töchter Nebenverdienste ein. Obwohl eigentlich durch die Beteiligung zahlreicher nordrhein-westfälischer Kommunen das mehrheitliche Stimmrecht bei der Politik liegt, setzen sich so die Interessen des Konzerns durch.
Die Nummer zwei im Energiegeschäft, die Preussenelektra, leidet so ungeheuer unter der Last der Einspeisung von Strom aus Windenergie, daß sie im letzten Jahr nach Steuern nur schlappe 45 Prozent mehr Gewinn, insgesamt 1,8 Milliarden DM, erzielen konnte. Als ausgleichende Gerechtigkeit hat sie auch proportional weniger Steuern als im Vorjahr bezahlt.
Einer der eifrigsten Fürsprecher dieses Konzerns ist im übrigen „Mächte-gern-Kanzler" Schröder.
Der dritte im Bunde, die Bayernwerke, unterscheiden sich von den anderen beiden hauptsächlich dadurch, daß sie über die VIAG besonders mit der bayerischen Staatsregierung verfilzt sind. Der ehemalige Finanzminister Georg von Waldenfels wurde offensichtlich mit einem Aufsichtsratsmandat dafür belohnt, daß er den für die VIAG lukrativen Verkauf der Bayernwerke eingefädelt und abgewickelt hat.
Der vierte Konzern, die VEAG, kontrolliert 70 Prozent der Stromerzeugung in Ostdeutschland und gehört - na, wem wohl? - zu je einem Viertel den ersten drei genannten Konzernen. Kein Wunder also, daß der Strom im Osten angesichts dessen, daß die Profite durch drei geteilt werden müssen, besonders teuer ist.
Die drei großen Konzerne kontrollieren aber nicht nur den Osten, sondern mit der Ruhrkohle AG, der Rheinbraun und der Laubag auch den Abbau der Kohle in Ost und West, also die Rohstoffe, die sie an sich selber verkaufen. Außerdem unterhalten sie bzw. ihre Mutterkonzerne, VEBA und VIAG, zahlreiche Tochtergesellschaften in den Bereichen der Abfallwirtschaft, der Ver- und Entsorgung sowie der Telekommunikation und in anderen wesentlichen Bereichen des öffentlichen Lebens. Es besteht die Gefahr, daß sich gerade diese Konzerne zu Infrastrukturkonzernen entwickeln, die immer mehr öffentliche Aufgaben übernehmen, wofür wir dann teuer bezahlen müssen.
Dringt man noch etwas tiefer in die Eigentumsverhältnisse ein, so stößt man immer wieder auf ein Konglomerat von sechs Banken und Versicherungen, nämlich die Allianz, die Münchener Rück, die Dresdner Bank, die Deutsche Bank, die Bayerische Vereinsbank und die Bayerische Hypo, die wiederum über zahlreichste Kanäle so miteinander verflochten, verheiratet und verschwägert sind, daß sie sich im wesentlichen selber besitzen und kontrollieren, darüber hinaus auch das Geld von Millionen Kleinaktionären und Sparern.
- Das ist Gegenstand der Debatte, Herr Kollege Grill.
Summa summarum kann man nämlich feststellen: Das profitträchtige Geschäft mit elektrischer Energie wird von einflußreichen Kapitalkreisen kontrolliert, deren geballte ökonomische Macht die politische Macht dieser Bundesregierung weit übertreffen dürfte. Diese Macht ist durch niemanden legitimiert. Allein schon zur Wahrung der Demokratie ist es deshalb geboten, diese Macht zu entflechten und gesellschaftlicher Kontrolle zu unterwerfen. Darin liegen nämlich die Gründe für die hohen Strompreise.
Aber auch aus umweltpolitischer Sicht ist dies dringend geboten.
Die Energiekonzerne haben aus finanziellem Interesse große Überkapazitäten in der Stromerzeugung geschaffen und behindern so den dringend erforderlichen Übergang auf rationelle Energienutzung und regenerative Quellen. Über die Rückstellungen für die Entsorgung von Atomanlagen haben sie dem Staat Steuern in Höhe von rund 20 Milliarden DM vorenthalten und ihre Kriegskassen um 55 Milliarden DM aufgefüllt. Das sind die realen Gründe, weswegen gegen eine Bevölkerungsmehrheit an der Atomenergie festgehalten wird, Kollege Grill.
Wenn der Wirtschaftsminister und andere hier immer vom Kampf gegen die Monopole sprechen,
Rolf Köhne
dann meinen sie aber etwas ganz anderes. Sie meinen das Monopol der Gemeinden und Kommunen auf die Verfügbarkeit über ihre Straßen und Plätze. Sie meinen das Recht auf kommunale Selbstverwaltung, das im Grundgesetz garantiert wird. Das wollen Sie aushebeln. Genau darum geht es.
Es geht nicht gegen diese drei Konzerne, sondern es geht gegen die kleinen 900 Stadtwerke - das muß man hier einmal ganz klar unterstreichen -;
denn das Wettbewerbssystem, das hier eingeführt werden soll, wird allein die großen Energieversorgungsunternehmen und die Großkunden besserstellen. Für die kommunalen Unternehmen besteht doch überhaupt keine Chancengleichheit. Durch das Herausbrechen von Großkunden werden kommunale Versorgungsunternehmen erhebliche Einbußen erleiden, so daß eine Reihe von ihnen über die Klinge springen wird.
Anstelle eines freien Wettbewerbs zugunsten aller Verbraucher werden letztendlich die industriellen Großabnehmer profitieren. Das kleine und mittelständische Gewerbe und die privaten Haushalte werden die Zeche zahlen. Darauf läuft das Ganze hinaus, was hier vorgeschlagen wird.
Die Bundesregierung beseitigt durch die geplante Aufhebung geschlossener Versorgungsgebiete und ausschließlicher Wegerechte die verfassungsrechtlich garantierte Regelungskompetenz der Gemeinden für die örtliche Versorgung der Bevölkerung mit Energie. Das muß aufhören.
Die Verhandlungsposition der Städte und Gemeinden bezüglich der Konzessionsabgabe bleibt trotz der Nachbesserungen, die Sie vorgenommen haben, geschwächt. Sie wird nach Auslaufen bestehender Verträge zu Einnahmeverlusten bei den Gemeinden führen, die momentan ohnehin schon gebeutelt sind und durch Ihre Politik immer mehr gebeutelt werden.
Außerdem werden der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Klimaschutz in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht berücksichtigt. Die umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung wird durch das Herausbrechen einzelner Großkunden möglicherweise sogar gefährdet. Auch andere umweltfreundliche Varianten der Energieerzeugung werden durch den künftig vorgesehenen Wettbewerb stark behindert.
Fazit: Es wird vor allem einen Verdrängungswettbewerb gegen die Stadtwerke geben. Darüber hinaus passiert noch etwas ganz anderes, Herr Rexrodt: Dadurch, daß Sie in Ihrem Gesetzentwurf keinerlei Regelung dafür getroffen haben, wie denn die Durchleitung erfolgen soll, haben Sie automatisch dafür gesorgt, daß sich die drei großen Konzerne, die kapitalmäßig ohnehin schon miteinander verflochten sind, jetzt auch noch zusammensetzen müssen, daß sie sozusagen betriebswirtschaftlich und technisch kooperieren müssen. Damit werden Sie die Kapitalkonzentration weiter erhöhen. Das wird möglicherweise darauf hinauslaufen, daß diese drei großen Stromkonzerne am Ende fusionieren. Das genau ist das Ergebnis. Es geht also nicht um den Kampf gegen die Monopole, sondern es geht darum, Möglichkeiten für eine neue Konzentration im Energiebereich zu schaffen. Das ist das, was dieser Entwurf beabsichtigt.
Aus unserer Sicht müßte eine Neuordnung der Elektrizitätswirtschaft folgende Eckpunkte umfassen: Erstens ist Energieversorgung eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Nach Art. 28 Grundgesetz obliegt das den kommunalen Gebietskörperschaften.
Zweitens. Die ökonomische Macht der Energiekonzerne muß durch eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse und eine konsequente Trennung von Erzeugung, Transport und Verteilung gebrochen werden. Die Übertragungsnetze als natürliche Monopole sind dabei besonderer gesellschaftlicher Kontrolle zu unterwerfen. Das gebietet schon Art. 14 des Grundgesetzes, nach dem das Eigentum dem Gemeinwohl verpflichtet ist.
Drittens muß auch übergeordnet ein Vorrang für regenerative Energieträger und Kraft-Wärme-Kopplung festgeschrieben werden. Die derzeitigen Regelungen im Stromeinspeisungsgesetz müssen beibehalten und um weitere Maßnahmen zur Förderung von Kraft-Wärme-Kopplung und Photovoltaik erweitert werden. Das wäre eine echte Alternative zur Monopolwirtschaft.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.