Rede von
Gunnar
Uldall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Wesentliches Ziel der Politik der Bundesregierung und der Koalition ist es, die Rahmenbedingungen für unsere Volkswirtschaft zu verbessern. Unsere Vorstellungen haben wir im „Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung" zusammengefaßt, und die Liberalisierung der Energiemärkte in Deutschland ist ein wesentlicher Teil dieses Programms.
Wir brauchen durchgreifende Änderungen in Wirtschaft und Gesellschaft, um die Zukunft Deutschlands zu sichern, um aus Arbeitslosen Beschäftigte zu machen und um den Menschen in diesem Lande eine gute Perspektive für die Zukunft zu geben.
In den vergangenen Jahren haben wir die Monopole und Marktbarrieren bei der Bahn, bei der Post, im Bereich der Telekommunikation und im Versicherungswesen erfolgreich abgeschafft.
Die Beseitigung dieser monopolistischen Strukturen hat sich für die Kunden positiv ausgewirkt, zum Beispiel durch niedrigere Gebühren und besseren Service. Sie hat sich aber auch auf die Volkswirtschaft insgesamt positiv ausgewirkt, zum Beispiel durch größere Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen gegenüber ausländischen Konkurrenten.
Jetzt gilt es, den letzten großen Monopolbereich bei uns in Deutschland dem Wettbewerb zu öffnen. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt, daß sich das Aufheben von Monopolen für die beteiligten Menschen immer positiv ausgewirkt hat.
Nicht umsonst heißt es in einem Sprichwort: Konkurrenz belebt das Geschäft. Deswegen können wir davon ausgehen: Die Liberalisierung der Energiemärkte wird sich zum Guten der Menschen bei uns auswirken.
In den vergangenen Jahren hat es bereits eine Reihe von Vorstößen gegeben, um eine Änderung des Energiewirtschaftsrechts zu erreichen. Leider sind diese nicht erfolgreich gewesen. Angesichts der derzeitigen globalen Änderungen können wir uns ein erneutes Steckenbleiben aber nicht erlauben.
Wir müssen erfolgreich sein, Herr Kollege Jung. Deswegen freue ich mich, daß Sie Ihre Rede mit dem Hinweis beendet haben, Sie seien bereit für eine Kooperation. Ein Scheitern kann sich keiner mehr erlauben. Ihre Andeutung einer Kooperationsbereitschaft paßt aber überhaupt nicht mit einem pauschalen Rundumschlag gegen den Wirtschaftsminister zusammen.
Wir weisen diesen ausdrücklich und nachdrücklich zurück.
Ich begrüße es, daß die Bundesregierung trotz des enormen Drucks der Interessenverbände - dies war bisher bei allen Abschaffungen von Monopolen das gleiche - an ihrem klaren Deregulierungs- und Wettbewerbskurs festgehalten hat.
Der Nationalökonom Schumpeter hat schon vor über hundert Jahren dem Sinne nach gesagt: Wenn man den Monopolisten das Monopol wegnehmen will, dann gehen denen die Argumente nie aus. Dieser Spruch gilt auch am Ende dieses Jahrhunderts noch.
Der Produktionsfaktor Energie entscheidet mit über die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer deutschen Produkte. Eine Mehrbelastung in der Größenordnung von etwa 6 Milliarden DM, die die deutsche Volkswirtschaft im Vergleich mit den Franzosen zu tragen hat, kann auf Dauer nicht mehr verkraftet werden.
Wenn ich einen Vergleich der Strompreise innerhalb der EU vornehme, dann stelle ich fest, daß Deutschland hierbei nicht gut abschneidet. Ich habe Vergleichsrechnungen für zwei Modellbetriebe, die ich hier vortragen möchte.
Im ersten Beispiel geht es um ein mittelgroßes Unternehmen, das im Drei-Schicht-Betrieb arbeitet, 24 Millionen Kilowattstunden Jahresverbrauch hat, aus dem Chemiebereich ist und zirka 400 Mitarbeiter
Gunnar Uldall
hat. Dieser Modellbetrieb würde in Deutschland 2,9 Millionen DM Stromkosten haben. In Frankreich hätte dieses Unternehmen 2,6 Millionen DM Stromkosten, in den Niederlanden 2,3 Millionen DM und in England 2,1 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, das französische Unternehmen hat gegenüber dem deutschen Unternehmen einen Vorteil von 10 Prozent. Das niederländische Unternehmen hat gegenüber dem deutschen Unternehmen einen Vorteil von 20 Prozent. Das englische Unternehmen hat einen Vorsprung von 25 Prozent.
Für einen Betrieb, wie ich ihn eben beschrieben habe, heißt das in absoluten Zahlen: Das Unternehmen in England muß 800 000 DM weniger aufwenden. Das sind die Kosten für zehn Arbeitskräfte. Zehn Arbeitskräfte verbergen sich hinter den Prozentzahlen, die ich genannt habe.
Wir beklagen, daß unsere Unternehmen einen zu starken Personalabbau betreiben. Deswegen müssen wir sehen, daß wir die Betriebe auch im Nichtpersonalkostenbereich entlasten. Wir müssen dafür sorgen, daß die Unternehmen in Deutschland auch im Energiekostenbereich entlastet werden.
Je länger wir mit dem Wettbewerb warten, desto größer werden die Strompreisnachteile gegenüber unseren europäischen Konkurrenten. Können wir uns das angesichts der schwierigen Beschäftigungssituation in Deutschland wirklich noch länger erlauben? Können wir uns das wirklich auf Dauer erlauben?
Ich möchte einen zweiten Vergleich, für einen kleineren Betrieb, anstellen: Ein Betrieb mit 30 Mitarbeitern, zum Beispiel ein Sägewerk, arbeitet in zwei Schichten und hat einen Jahresverbrauch an Energie von 2 Millionen Kilowattstunden. In Deutschland muß dieses Unternehmen dafür 347 000 DM aufwenden; in den Niederlanden wären es 261 000 DM, 25 Prozent weniger; in Frankreich wären es 247 000 DM, also 30 Prozent weniger; in England wären es 189 000 DM, 45 Prozent weniger. Das heißt, bei einem solch kleinen Betrieb wirken sich die Energiekosten in Deutschland noch negativer aus als - wie in dem eben genannten Beispiel - bei einem großen Betrieb.
Meine Damen und Herren, dies geht auf Dauer nicht, wenn wir unsere Betriebe im gesamteuropäischen Markt wettbewerbsfähig halten wollen.
Aber es betrifft nicht nur die kleineren Betriebe, es betrifft nicht nur den Mittelstand; es betrifft auch die Großunternehmen. Fachleute haben mir erklärt, daß ein in Deutschland produziertes Mittelklasseauto auf Grund der überhöhten Energiepreise um 300 DM
teurer ist. Es könnte um diesen Betrag billiger hergestellt werden, wenn man den Strom aus dem Ausland, zum Beispiel von EdF auf der anderen Rheinseite, beziehen würde.
Wir kämpfen in Deutschland derzeit um eine Senkung der Lohnstückkosten. Da dürfen wir doch nicht die Augen verschließen vor den gewaltigen Möglichkeiten zur Senkung der Stückkosten bei uns in Deutschland, die wir durch eine Rationalisierung im Energiebereich erreichen können.
Der DIHT-Präsident, Stihl, hat am 10. April in Stuttgart erklärt, daß die Produktion des „Smart"Autos im wesentlichen deshalb nicht in Deutschland, sondern in Frankreich stattfindet, weil die Energiekosten in Frankreich um 30 Prozent niedriger sind. Meine Damen und Herren, hier müssen wir aufwachen, können wir nicht so tun, als dürfte es so weitergehen.
Ich könnte weitere Beispiele nennen, etwa aus der Chemieindustrie. Überall zeigt sich das gleiche Bild: Unsere Energiekosten liegen zu hoch. Deswegen, so zeigt auch eine aktuelle Befragung deutscher Industrieunternehmen, gehen drei Viertel der Unternehmen von einer deutlichen Senkung der Stromrechnung aus, wenn der Strommarkt bei uns liberalisiert wird. Die Stromkosten sind ein wichtiger Entscheidungsfaktor in der Frage, ob sich ein Unternehmen in Deutschland ansiedelt oder nicht. Wettbewerb bei der Energieversorgung steigert die Attraktivität des Standortes Deutschland.
Um die Kostenstruktur unserer Wirtschaft zu verbessern, wird immer wieder an den Personalkosten herumgequetscht. Hier haben wir die Chance, einmal etwas außerhalb des Personalkostensektors zu tun. Ich sage allen, gerade aber auch Ihnen, Herr Jung, die Sie sich gewerkschaftlich engagieren: Nutzen wir gemeinsam diese Chance!
Auch bei uns in Deutschland gibt es ganz gewaltige Strompreisunterschiede. Eine Untersuchung des Instituts für Energetik und Umwelt in Leipzig hat ergeben, daß der Strompreis für Gewerbekunden bei uns in Deutschland zwischen 22,8 Pfennig und 40,7 Pfennig schwankt.
Die Stromerzeuger in Deutschland haben die gleichen Abschlüsse mit den Gewerkschaften. Sie müssen die gleichen Steuern zahlen. Sie haben die gleichen Zinssätze zu entrichten, wenn sie Kredite aufnehmen. Und trotzdem haben sie solche gewaltigen Unterschiede bei den Strompreisen. Das zeigt doch, daß es bei uns in Deutschland enorme Effizienzunterschiede unter den einzelnen Stromlieferanten geben muß. Diese Effizienzunterschiede werden durch den Wettbewerb gnadenlos aufgedeckt. Genau das wollen wir von der Koalition, Herr Jung.
Gunnar Uldall
In der Gegenäußerung auf die Stellungnahme des Bundesrates macht die Bundesregierung deutlich, daß es eine Reihe von Einwänden gibt, die man berücksichtigen will. Die gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf vorgenommenen Korrekturen zur Berücksichtigung ökologischer und kommunaler Belange sind beachtlich. Auch die besondere Situation der ostdeutschen Braunkohle wird jetzt berücksichtigt, und das halte ich für sachgerecht.
Ich möchte dennoch auf einige Einzelfragen eingehen. Ich bin sehr dafür, die berechtigten Interessen der Kommunen zu wahren, aber ein generelles Nein zum Wettbewerb, wie man es bisweilen aus den Kreisen der Kommunen hören kann, wird es nicht geben.
- Die begeisterte Zustimmung von Herrn Jung erfreut und motiviert mich, auch weiterhin für ein gutes Gesetz zu kämpfen.
Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Stadtwerke ist ein Anliegen der Koalition. Aber warum sind die kommunalen Versorgungsunternehmen so wenig selbstbewußt?
Ich bin sicher, daß sich diese Unternehmen schnell und erfolgreich auf die neue Situation einstellen können.
Einiges wurde hinsichtlich der Konzessionsabgabe geändert. Die Gemeinden können in Zukunft den Abschluß von Verträgen mit Energieversorgungsunternehmen ablehnen, wenn sich diese nicht zur Zahlung der Konzessionsabgabe verpflichten. Ich gehe davon aus, daß die Bedenken der Kommunen in diesem Punkt damit weitestgehend ausgeräumt sind.
Das sogenannte kommunale Alleinkäufermodell, wonach die Kommune allein entscheidet, wer die Stromkunden in der Gemeinde versorgt, ist mit dem Wettbewerbsprinzip nicht vereinbar. Denkbar wäre aber eine Lösung, wonach der Kunde, der einen Liefervertrag kündigen will, der Kommune die Gelegenheit gibt, ein Angebot abzugeben. Die Entscheidung darüber, wer den Strom liefert, müßte aber allein der Kunde treffen. Ich glaube, daß das ein Weg ist, auf dem man mit den Kommunen zu einer Einigung kommen kann.
Meine Damen und Herren, der Bundesrat begrüßt in seiner Stellungnahme die Zielsetzung des Gesetzentwurfs ausdrücklich. Auch der Bundesrat will durch den Wettbewerb in der Energiewirtschaft einen Beitrag zur Verbesserung der Standortbedingungen leisten. Trotz Ablehnung des Gesetzes im ersten Durchgang sehe ich daher durchaus Chancen, dieses Gesetz in vernünftiger Form gemeinsam über die Bühne zu bringen.
Ich sage allerdings auch, daß die Vorschläge der SPD nicht akzeptabel sind, da so das Monopol der 900 Stadtwerke zementiert wird. Es gibt weiterhin 900 Anbieter, von denen jeder seinen festen Kundenkreis hat, der ihm nicht gegen seinen Willen weggenommen werden kann, Herr Jung.
Allerdings können die Kommunen nach Ihren Vorschlägen freiwillig auf ihr Monopol verzichten. Ich kenne jedoch in der ganzen Wirtschaftsgeschichte keinen einzigen Monopolisten, der jemals freiwillig auf sein Monopol verzichtet hat. Das wird auch hier nicht der Fall sein.
Wir wollen mit diesem Gesetz nicht mehr, wir wollen weniger Bürokratie. Im Detail wird man über einzelne Punkte weiterringen. Gerade gegenüber den Kommunen haben wir uns um eine faire Lösung bemüht. Wir werden uns weiter um den Konsens bemühen; gleiches gilt für die Sondersituation der neuen Bundesländer.
Auch in der Energiepolitik müssen wir in Zukunft zwischen mehr Markt oder neuem Dirigismus wählen. Zum Wohle unserer Bürger und unserer Wirtschaft wählen wir den Markt.
Vielen Dank.