Rede von
Dr.
Günter
Rexrodt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Reform des Energierechts geht es mir nicht um ordnungspolitische Rechthaberei.
Es geht vielmehr um eine effiziente und wettbewerbsfähige Energieversorgung in Deutschland. Es
geht um preisgünstige und umweltfreundliche Energie. Letztlich geht es um Arbeitsplätze in diesem Land.
Eines ist klar: Diese Ziele werden wir nicht erreichen, wenn wir das alte, das gegenwärtige System fortbestehen lassen.
Die heutigen Monopolstrukturen, verankert im System der geschlossenen Versorgungsgebiete, sind ein schwerwiegender Nachteil für unsere Wirtschaft. Sie bieten wenig Anreiz für Innovationen und Kostensenkungen; sie bieten weniger, als es unter dem Druck des Wettbewerbs in anderen Branchen der Fall ist. Die Monopolstrukturen sind in der Form, wie sie existieren, ein Standortnachteil für Deutschland geworden.
Wir haben im gewerblichen Bereich Strompreise, die durchschnittlich 20 bis 30 Prozent über denen benachbarter Staaten liegen. Der Mangel an Wettbewerbserfahrung schwächt die internationale Position der deutschen Energiewirtschaft, wenn es darum geht, bei der Privatisierung in anderen Ländern beteiligt zu sein oder Betreibermodelle anzugehen. Eine Reform des Energiewirtschaftsrechts ist unausweichlich.
Ein unverzichtbares Kernelement dieser Reform muß es sein, die geschlossenen Versorgungsgebiete bei Strom und Gäs aufzuheben. Nur dadurch wird Wettbewerb möglich, und nur dadurch werden die enormen Rationalisierungsreserven, die in der Energiewirtschaft bestehen, aufgedeckt - Reserven, die in der Technik und in der Organisation der Betriebe existieren. Der Wettbewerb, der nun entsteht, wird innovative Unternehmen hervorbringen, die mit einer schlankeren Organisation, modernster Technik und - anders als bisher - mit intelligenten Dienstleistungen an den Markt gehen.
Meine Damen und Herren, durch Rationalisierung und Kostendruck werden die Preise insgesamt sinken. Es gibt Schätzungen, wonach das preiswirksame Einsparpotential in der deutschen Stromwirtschaft bei 25 Prozent liegt. Die staatliche Aufsicht über die Stromtarife, die erhalten bleibt, soll gewährleisten, daß alle Abnehmer davon profitieren.
Abgesehen davon liegt es im wirtschaftlichen Interesse der Versorgungsunternehmen, daß nicht nur, wie immer behauptet wird, einige wenige Großkunden, sondern alle Abnehmer an der besseren Preissituation partizipieren werden. Nur so können die Versorger ihre Marktposition langfristig sichern. Sie können keine Selektion zu Lasten der kleinen Verbraucher betreiben.
In einer Umfrage von Arthur D. Little rechneten auch diejenigen Unternehmen, die einen Energieverbrauch von weniger als 5 Megawatt pro Jahr haben - das sind mittlere Unternehmen -, mit deutlich niedrigeren Strompreisen. Alles andere, was von der Opposition behauptet wird, ist Legende.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Mit dieser Reform wird es im übrigen zu keinem übermäßigen Konzentrationsprozeß in der Strom- und Gaswirtschaft kommen. Im Gegenteil: Es werden zusätzliche Anbieter in die Strom- und Gasmärkte vorstoßen. Zugleich wollen wir durch diesen Gesetzentwurf mehr Transparenz bei den Unternehmen erreichen, indem wir eine Trennung der Rechnungslegung für die Bereiche Erzeugung, Übertragung und Verteilung gesetzlich festlegen. Das sogenannte Unbundling wird in Deutschland durch die Umsetzung dieses Gesetzes herbeigeführt.
Nun gibt es auch solche, die behaupten, daß die kommunalen Versorger künftig im Wettbewerb keine Chance hätten. Wer das meint, der unterschätzt offensichtlich die Leistungsfähigkeit vieler Stadtwerke und übersieht auch, daß sich viele Stadtwerke - das sind nicht unbedingt diejenigen, die laut auf sich aufmerksam machen; aber es sind viele - auf den Wettbewerb, der ins Haus steht, freuen und darauf, daß sie die Synergieeffekte geltend machen können, die auf Grund des Wettbewerbs entstehen.
Die Stadtwerke können umfassende Dienstleistungen anbieten. Sie befinden sich nach wie vor nahe am Kunden. Sie sind starke Konkurrenten auf Grund der gewachsenen Strukturen, zumal sie nach der Reform nicht mehr an einen einzelnen und möglicherweise sogar teuren Energielieferanten gebunden sind. Sie haben die Freiheit, Energie auch von anderer Stelle zu beziehen.
Den spezifischen Problemen in den neuen Bundesländern trägt diese Reform ebenfalls Rechnung. Die Absatzinteressen und die erheblichen Strukturinvestitionen der ostdeutschen Braunkohleunternehmen sollen soweit wie möglich berücksichtigt werden. Ich warne aber vor der Forderung, die Energieunternehmen in den neuen Bundesländern für mehrere Jahre vom Wettbewerb generell auszunehmen. Dies würde am Ende in den neuen Ländern zu dauerhaften Preisnachteilen bei Strom und Gas führen und wäre damit schädlich für den weiteren Aufbau Ost.
Diese Reform wird nicht nur die Energiepreise senken; sie wird unsere Energie darüber hinaus auch umweltfreundlicher machen.
- Das paßt nicht in Ihr Klischee - meine Aussage ist aber richtig -, wie all das nicht in Ihr Klischee paßt, was auf Wettbewerb abzielt und auf die Tatsache, daß Wettbewerb auch im Umweltschutz mehr Kräfte freisetzen und mehr erreichen kann als die staatlichen Regulierungswerke, die Sie über alles stülpen wollen.
Kraft-Wärme-Koppelung und erneuerbare Energien erhalten zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit einen besonderen gesetzlichen Schutz. Im Einzelfall kann dies bedeuten, daß ein Abnehmer höhere Kosten für Energie in Kauf nehmen muß, wenn der Wechsel zum günstigeren Angebot die KraftWärme-Koppelung und die erneuerbaren Energien
gefährdet. Ich bitte, dies zu beachten, wenn Sie den Gesetzentwurf würdigen. Das ist in diesem Gesetzentwurf vorgesehen.
Im übrigen wird das Stromeinspeisungsgesetz durch diese Reform nicht unmittelbar angetastet. Ich werde dazu in Kürze eine Novellierung vorlegen, die den Bedingungen in diesem Bereich Rechnung trägt.
Die Abnahmepflicht und die erhöhte Vergütung für regenerative Energien werden erhalten bleiben. Aber, meine Damen und Herren, Sie können von mir keine gigantischen Förderprogramme für regenerative Energien erwarten.
Es kommt darauf an, daß wir die Energieversorgungsunternehmen ins Boot nehmen. Sie und nicht die staatlichen Ausgabeprogramme müssen einen zusätzlichen Beitrag dazu leisten, daß wir bei den regenerativen Energien vorankommen.
- Sie müssen sich einmal mit dem Gesetz auseinandersetzen und sollten nicht Ihre Klischees und Vorbehalte pflegen. Ihre Zwischenrufe zeugen davon, daß Sie sich den Gesetzentwurf überhaupt nicht angeguckt haben. Sie wissen überhaupt nicht, worum es geht.
Sie denken in Ihren Kategorien: Wir wollen die Stadtwerke so, wie sie sind - gewachsene Strukturen, 100 Jahre alt -, erhalten; da sitzen wir alle mit unseren Freunden und sehen, daß das in der Vergangenheit schön gegangen ist, so soll es auch in der Zukunft weitergehen. Aber Wettbewerb ist im Sinne der Arbeitsplätze angesagt.
Sie können auch nicht erwarten, daß ich die zahlreichen Ausnahmeregelungen in den Gesetzentwürfen der Opposition gutheiße, die wiederum nur ein Ziel haben: den Wettbewerb auszuhebeln.
Sie von der SPD wollen einen generellen Vorrang der Kraft-Wärme-Koppelung ohne jegliche Größenbegrenzung. Was heißt das im Klartext? Das heißt, es können unabhängig vom Energiebedarf, unabhängig von bestehenden Versorgungskapazitäten beliebig viele und beliebig große Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen geschaffen werden. Wollen wir das, und was kommt noch hinzu?
Die Anlagen sind - das wissen Sie genau, wenn Sie sich mit den Dingen befaßt haben - häufig am Markt vorbei gebaut worden, was den Wärmebedarf angeht. Es kommt niemand daran vorbei, das zuzugeben. Einen Bestandsschutz mit Absatz- und Vergütungsgarantie hat kein Betreiber einer solchen Anlage. Und wenn er einen solchen hätte, so gäbe es keinerlei Anreiz zur Innovation. Wir würden in Deutschland ein Museum für Umwelttechnologie in diesem Bereich entstehen lassen.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Wir brauchen Wettbewerb, wir brauchen unternehmerische Initiative, wir brauchen Innovationsbereitschaft auch für mehr Umweltschutz. Der technische Fortschritt, den wir durch den Wettbewerb in der Energiewirtschaft anregen, wird dem Umweltschutz einen größeren Dienst erweisen als jedes staatliche Subventionsprogramm.
Weniger Staat und weniger Regulierung, das muß für die Energiereform insgesamt gelten. Deswegen haben wir uns bewußt gegen detaillierte Spezialregeln für den Nutzungszugang entschieden. Wir würden anderenfalls einen Wust von Regulierungen entstehen lassen und damit den Wettbewerb auf Jahre behindern. Wesentlich effektiver ist, so meine ich, wenn die beteiligten Verbände die Detailfragen, insbesondere die Frage des Durchleitungsentgelts, in einer Vereinbarung untereinander klären. Die Verhandlungen zu solchen Verbändevereinbarungen laufen im übrigen; sie sind auf gutem Weg.
Meine Damen und Herren, die Auswirkungen der Reform auf Gemeinden und Stadtwerke habe ich wiederholt mit den kommunalen Spitzenverbänden diskutiert. Die Belange der Kommunen finden, wie ich meine, ihren Niederschlag im Referentenentwurf. Das kommunale Wegerecht und der kommunale Anspruch auf Konzessionsabgaben in voller Höhe werden nicht angetastet, sondern erhalten sogar einen zusätzlichen Schutz.
Darüber hinaus können die Gemeinden weiterhin Gewinne aus der Energieversorgung vor Steuern mit Verlusten aus anderen Sparten ihres Betätigungsfeldes verrechnen. Das heißt, Gewinne können nach wie vor zur Finanzierung von Straßenbahnen, Stadtbibliotheken oder Hallenbädern herangezogen werden. Aber diese Gewinne müssen anders als bisher im Wettbewerb erwirtschaftet werden, und das wollen wir. Dann ist die Quersubventionierung möglich und nicht vorher. Wir können nicht von einer Liberalisierung im Energierecht sprechen und dabei die wichtigste Stufe, den Wettbewerb um den Endabnehmer, von vornherein außer acht lassen.
Entsprechend problematisch ist dann auch die kommunale Forderung nach dem sogenannten Alleinabnehmersystem. Die Beziehungen zwischen den Stromkunden und den Stromlieferanten dürfen nicht durch einen Dritten, in diesem Fall das bestehende Versorgungsunternehmen, dominiert werden. Das bestehende Versorgungsunternehmen wird immer mitsprechen 'können und mitsprechen müssen, weil es auch Besitzer bzw. Eigentümer des Netzes ist; das ist gar keine Frage. Aber die Beziehungen zwischen dem Stromkunden im klassischen Versorgungsgebiet und dem Versorgungsunternehmen klassischer Provenienz dürfen nicht dominant sein, sondern wichtig sind die Beziehungen zwischen dem Endabnehmer und möglicherweise dem neuen Stromablieferer. Darauf kommt es an; das ist der Wettbewerb, und darauf stellen wir ab. Deshalb haben wir das sogenannte Alleinabnehmermodell nicht ins Gesetz geschrieben. Auch wenn dieser Begriff, im übrigen in ganz anderem Zusammenhang, in der Binnenmarktrichtlinie Strom auftaucht, heißt das nicht, daß wir dieses System in Deutschland für praktikabel halten. Gedacht war dabei an Frankreich mit im wesentlichen nur einem Unternehmen und nicht an Deutschland, wo wir 900 Stadtwerke haben.
Wir wollen mehr Transparenz ohne überzogene Bürokratie schaffen und für Wettbewerbsgerechtigkeit sorgen. Wir brauchen den Wettbewerb um den Kunden. Auch die Kommunen brauchen diesen Wettbewerb als Standortfaktor für eine Industrie- und Gewerbeansiedlung in der eigenen Region.
Meine Damen und Herren, die Reform des Energiewirtschaftsrechts ist im übrigen nicht nur eine deutsche Angelegenheit; sie ist europäische Aufgabe. Der Fahrplan zum einheitlichen europäischen Binnenmarkt Strom steht. Deshalb müssen wir jetzt die Reform des nationalen Energierechts zügig umsetzen.
Aber selbst mit Blick allein auf den Standort Deutschland haben wir gute Gründe zum schnellen Handeln, zur zügigen Umsetzung. Die Reform wird die Unternehmen von Kosten entlasten. Die Rationalisierungspotentiale in den Unternehmen, die Sie alle kennen - das müssen Sie zugeben, wenn Sie fair sind -, müssen aufgelöst werden; sie müssen weitergegeben werden an den Kunden. Damit sorgen wir für Wettbewerbsfähigkeit bei den deutschen Energieversorgern, die sie im internationalen Zusammenhang auch brauchen, heute aber nicht wahrnehmen können, weil sie keine Erfahrungen haben. Die Engländer, die Franzosen und auch die Italiener beteiligen sich weltweit an der Privatisierung und machen Betreibermodelle. Kaum jemand von uns macht das, auch weil die Erfahrungen in bezug auf den Wettbewerb um den Kunden fehlen.
Wir wollen Investitionen anregen und Arbeitsplätze in Deutschland sichern; darauf kommt es uns an. Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie um Zustimmung zum Reformentwurf der Bundesregierung.
Schönen Dank.