Rede von
Dr.
Theodor
Waigel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wäre dem Tag natürlich angemessen gewesen, lieber Kollege Genscher, wenn man ihn mit einer großen außenpolitischen Debatte begonnen hätte. Nun müssen Sie mit dem einfachen Gewerbe der Steuerpolitik vorlieb nehmen. Auch ich möchte Ihnen von dieser Stelle aus meinen herzlichen Glückwunsch aussprechen. Ich denke gerne an die großartigen Stunden, die wir miteinander verbracht haben. Alles Gute.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir sind auf dem Weg in das 21. Jahrhundert. Wir müssen uns in allen Bereichen der Politik darauf vorbereiten. Westeuropa und die „alten Industrieländer" der westlichen Welt haben immer noch Standortvorteile. In Mittel- und Osteuropa beginnt aber im Zeichen der Marktwirtschaft der Aufholprozeß hin zum Standard der Weltmärkte. Wir haben das nicht zu beklagen; wir haben das gewollt. Wir haben gewollt, daß diese Länder wieder in die Mitte Europas zurückkehren, wozu sie immer gehört haben und wovon sie durch den Eisernen Vorhang getrennt waren. Sie nehmen jetzt die gleiche Chance wahr, wie
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
wir sie in der Zeit von 1946 bis 1949 wahrgenommen haben, um wieder geistig, demokratisch und ökonomisch am Wettbewerb der Welt teilzunehmen.
Auch die Schwellenländer im asiatischen Raum werden immer bedeutsamer. Ihr Anteil am Welthandel nimmt rasch zu.
Die Luft auf den Weltmärkten wird dünner. Auch wenn viele Märkte erst noch erschlossen werden, so wächst der Welthandel insgesamt weiter. Die Zahl der Volkswirtschaften, die technologisch hochwertige Güter in vergleichbarer Qualität herstellen können, hat sich drastisch erhöht.
Alle westlichen Volkswirtschaften haben die Zeichen der Zeit erkannt. Bei nahezu allen unseren Partnern ist ein Anpassungsprozeß der Marktwirtschaft an die neuen Herausforderungen in vollem Gang: in den Niederlanden, in Österreich, in den USA und in Skandinavien.
Deutschland ist kein Naturschutzreservat im globalen Wettbewerb. Wir müssen uns diesen Veränderungen stellen. Wir müssen eine eigene Antwort finden. Die soziale Marktwirtschaft bleibt unser Modell. Sie muß aber den Bedingungen der neuen Zeit angepaßt werden. Um den Erfolg des ordnungspolitischen Modells Ludwig Erhards und seine Kontinuität zu sichern, sind Veränderungen nötig: in der Wirtschaft, in der Politik und für jeden Bürger in unserem Land.
Deutschland hat noch viele Standortvorteile: beim Human capital, bei der Infrastruktur, bei Forschung und Entwicklung. Aber Defizite bestehen bei den Steuern, den Lohnnebenkosten und einer zu starken Einschränkung der Handlungsspielräume der Unternehmen durch ein Übermaß an Regulierung.
Das wirkt sich insbesondere bei der industriellen Herstellung vieler in Deutschland entwickelter Produkte aus. Deutschland wird kein Billiglohnland; aber als Blaupausenlieferant wird Deutschland niemals genug Arbeitsplätze anbieten können. Ein starker industrieller Sektor bleibt neben der Entwicklung des Dienstleistungssektors für uns unverzichtbar.
Die Bundesregierung stellt sich dieser Herausforderung. Wir haben ein umfassendes Konzept für den Standort Deutschland, ein Konzept zur Schaffung von zukunftssicheren Arbeitsplätzen. Der Schlüssel für mehr Arbeit sind Innovationen, Investitionen und ein ausreichendes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Das bedeutet die weitere Konsolidierung der öffentlichen Finanzen, die Abschaffung von investitionsfeindlichen Substanzsteuern, die Senkung von Steuersätzen sowie Lohnnebenkosten.
Dazu müssen Strukturreformen und der Abbau von Überregulierungen kommen.
Über das, was jetzt in Deutschland notwendig ist, geben alle internationalen und nationalen Institute und Ökonomen, der Internationale Währungsfonds, die OECD, der Sachverständigenrat und die Forschungsinstitute nahezu gleichlautende Empfehlungen.
- Frau Präsidentin, da sitzt ein Papagei. Da ruft einer immer dasselbe.