Konsolidierung sei nur bei Wachstum möglich, also jetzt nicht. Das, meine Damen und Herren, ist schon faktisch falsch. Wir haben ja wieder Wachstum - schon in diesem Jahr höher, als wir zunächst erwartet hatten. Ich weiß auch nicht, welche Studie des IWF Herr Lafontaine anspricht. In einer Studie vom Juli 1996 steht jedenfalls, daß Konsolidierung expansiv, also wachstumsanregend, wirke. Es heißt also nicht: Konsolidierung oder Wachstum. Die richtige Formel lautet: Konsolidierung bringt Wachstum. Ohne Konsolidierung findet dauerhaftes, inflationsfreies Wachstum nicht statt.
In dieser Studie steht aber noch etwas anderes: Jede Konsolidierung, die sich nicht mit den Problemen der Sozialsysteme auseinandersetzt, ist zum Scheitern verurteilt.
Ihr falscher Ansatz führt übrigens auch in der Europadiskussion in die Irre. Wer einen europäischen Stabilitätspakt für weniger wichtig als einen europäischen Beschäftigungspakt hält, geht einen ganz gefährlichen Weg.
Der europäische Stabilitätspakt sichert die Stabilität des Euro. Nur eine stabile Währungsunion schafft Wachstum und Beschäftigung in Deutschland und Europa. Dazu gehören auch die Maastricht-Kriterien. Sie sind klar festgelegt und stehen nicht zur Disposition.
Wachstum und Beschäftigung können auch nicht durch eine gezielte Wechselkurspolitik erreicht werden, wie es da und dort gefordert wird. Wechselkurse werden letztlich durch die Märkte auf der Basis von wirtschaftlichen Fundamentaldaten bestimmt, Für
Bundesminister Dr. Theodor Waigel
günstige Fundamentaldaten sorgt insbesondere eine glaubwürdige und stabilitätsorientierte Geld-, Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Wir stehen zu der Finanzpolitik, wie die Bundesregierung und die Koalition sie konzipieren, und wir stehen zur Geld- und Währungspolitik, wie die Bundesbank sie konzipiert. Wenn eines von beidem im Inland oder im Ausland angegriffen wird, kann dies unsere Zustimmung nicht finden. Wir weisen auch die Kritik im Inland und im Ausland an der Deutschen Bundesbank zurück. Wir stehen zu dieser Politik.
Meine Damen und Herren, Fordern ist leicht. Sie fordern Mehrausgaben. Über einzelne Punkte könnte man reden: bei der Bildung, bei der Forschung. Wir haben selbst trotz größter Knappheit hier Prioritäten gesetzt und dafür an anderer Stelle Mittel eingespart. Wir haben seit 1982 die familienpolitischen Leistungen mehr als verdoppelt. Mehrausgaben fordern, bei Einsparungen aber bremsen und blockieren, das macht die unseriöse Doppelstrategie der Opposition komplett.
Eine höhere Verschuldung - das wissen wir alle - ist ausgeschlossen. Die Zinslasten im Bundeshaushalt sind hoch und müssen begrenzt werden.
Ich habe alle Sonderbelastungen für den Bundeshaushalt seit 1991 zusammenstellen lassen. Sie ergeben sich aus der Wiedervereinigung Deutschlands, der gewachsenen weltpolitischen Verantwortung Deutschlands und aus finanzpolitischen Entscheidungen für den Standort Deutschland. An Schulden haben wir 520 Milliarden DM übernommen. Die Haushaltsbelastungen - Zinsen und Tilgung dieser Schulden, Nettotransfer für die neuen Länder, Zahlungen für die Bahnreform, Kohlepfennig etc. - betrugen rund 710 Milliarden DM. Dazu kommen Hilfen und Bürgschaften für die GUS und für die mittel- und osteuropäischen Staaten in Höhe von 160 Milliarden DM. Allein die vom Bund übernommenen Sonderlasten sind damit doppelt so hoch wie die Nettokreditaufnahme des Bundes von 1991 bis 1997.
Das beweist deutlich, daß wir mit einem vernünftigen policy mix, mit einer Mischung aus Einsparungen, vertretbarer Verschuldung und notwendiger Steuererhöhung die Probleme gelöst haben,
daß aber an erster Stelle dauerhafte Einsparungen standen, um die Finanzkennziffern zu erreichen, über die wir heute verfügen und die weiter verbessert werden müssen.
Die Substanz unseres Sozialstaates bleibt voll erhalten; darauf haben die Redner der Koalition in dieser Woche schon hingewiesen. Gerade um diese Substanz zu erhalten, muß der Sozialstaat umgebaut werden. Die Eigenverantwortung kann und muß gestärkt werden. Im Spannungsfeld zweier einander zugeordneter Prinzipien, Solidarität und Subsidiarität, muß der Eigenverantwortung, muß dem einzelnen, muß der kleineren Gemeinschaft künftig eine stärkere Rolle zugewiesen werden. Anders ist Solidarität auf Dauer nicht mehr finanzierbar. Das resultiert aus der katholischen Soziallehre und aus der protestantischen Ethik und ist notwendig, um das Gemeinwohl auf Dauer finanzieren und gewährleisten zu können.
Wer den Menschen wie Sie, Herr Wagner, vorgaukelt,
hier müsse sich nichts ändern, solange es noch ein paar Reiche gebe, denen man das fehlende Geld abknöpfen könne, der betrügt die Menschen in unserem Land.
So wie Sie hier geredet haben, genauso wird Politik im Saarland betrieben. Dann kommt man zum Bund, bittet um einen Scheck - es sind mehr als 2 Milliarden DM pro Jahr - und beschimpft anschließend diejenigen, die dem Saarland die Finanzierung von 40 Prozent seines Haushalts überhaupt erst ermöglichen. Das ist schon eine Unverfrorenheit.
Warum eigentlich, Herr Wagner, stellen Sie Ihre Rezepte nicht Ihrem Ministerpräsidenten und Ihrer Finanzministerin zur Verfügung? Sprechen Sie doch einmal mit denen! Es wäre sicher von Vorteil, wenn Sie Ihre ökonomischen Kenntnisse in diesem Zusammenhang einbringen könnten.
Uns würde das viel Geld ersparen.
Meine Damen und Herren, der Sozialneid, den Sie, Herr Wagner, geschürt haben, schafft nicht einen einzigen neuen Arbeitsplatz, sondern vernichtet weitere Hunderttausende.
Wir werden den Konsolidierungsweg auch nach 1997 weiter beschreiten. Der Finanzplan reicht bis in das Jahr 2000, unsere mittelfristige Perspektivplanung bis in das Jahr 2005. Der Anstieg der Bundesausgaben liegt bis zum Jahr 2000 durchschnittlich bei unter 1 Prozent pro Jahr, bei einem jährlichen Wachstum von im Schnitt 4 Prozent. Allein das senkt Jahr für Jahr die Staatsquote.
- Sie, Herr Diller, haben bisher keinen einzigen Vorschlag gemacht, wie die Staatsquote sinken soll. Nur wenn die Staatsquote sinkt, können Neuverschuldung und Steuern und Abgaben sinken. Sie haben bisher nichts dazu beigetragen. Folglich sind Sie gar nicht in der Lage, die finanzpolitischen Kennziffern
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zu verändern. Sie legen nämlich immer nur drauf und senken nicht ab.
Jedes Prozent weniger Staatsquote bedeutet Minderausgaben für den öffentlichen Gesamthaushalt in Höhe von 35 bis 40 Milliarden DM. Dafür wird in den nächsten Jahren noch viel Arbeit zu leisten sein. Sie ist aber notwendig, wenn wir im 21. Jahrhundert vor den großen Herausforderungen bestehen wollen.
Das Jahressteuergesetz 1997 - damit auch die Einnahmen der Länder - liegt nun in der Hand des Vermittlungsausschusses. Die Vermögensteuer kann ab Januar nicht mehr erhoben werden.
Fakt ist: Mit dem Wegfall der Vermögensteuer gibt es kein Steuergeschenk für die Reichen. Wer dieses Argument benutzt, hat weder das Jahressteuergesetz 1997 noch die Analysen von OECD, IWF und Europäischer Union gelesen. Für den Wegfall der privaten Vermögensteuer wird die Erbschaftsteuer erhöht. Substanzsteuern sind Arbeitsplatz- und Eigenkapitalvernichtungssteuern.
Die verschiedentlich von Herrn Scharping bemühte OECD-Statistik läßt übrigens keinesfalls den Schluß zu, die deutsche Vermögensteuer sei im internationalen Vergleich zu niedrig. Die von der OECD verwendete Bezeichnung „taxes on property '' umfaßt alle Steuern auf Vermögensbesitz und Vermögensverkehr: neben der Vermögensteuer auf das private und betriebliche Vermögen im deutschen Sinne alle Grund-, Gewerbekapital-, Grunderwerb-, Börsenumsatz-, Wechsel-, Gesellschaft-, Kapital-, Erbschaft- und Schenkungsteuern im weitesten Sinne. Die OECD-Statistik weist aus: Eine Vermögensteuer im deutschen Sinne wird in den meisten Ländern nicht erhoben.
Folgten wir jetzt der SPD, müßten wir die verwaltungs- und kostenintensive Vermögensteuer unmittelbar in den neuen Bundesländern einführen.
Mit dem von der SPD noch nicht aufgelösten Junktim, sich bei einem vollständigen Wegfall der Vermögensteuer der Fortsetzung der Unternehmensteuerreform zu versagen, schaden Sie dem Standort Deutschland.
Dann nämlich muß die Gewerbekapitalsteuer am 1. Januar nächsten Jahres in den neuen Ländern eingeführt werden - mit allen negativen Konsequenzen für den Aufholprozeß der Wirtschaft.
Meine Damen und Herren, man stelle sich einmal vor: Dies würde die Unternehmen in den neuen Bundesländern 400 bis 500 Millionen DM kosten, und gerade die größeren Betriebe haben natürlich noch große Wettbewerbs- und Strukturprobleme. Einerseits über die BvS und über Programme zu versuchen, die Betriebe wettbewerbsfähig und am Markt zu halten - das tun wir -, ihnen andererseits aber im gleichen Zuge etwas wegzunehmen in der Hoffnung,
der Bund werde das auf andere Art und Weise wieder ausgleichen, ist volks- und betriebswirtschaftlich Unfug. Es ist höchste Zeit, daß Sie auch im Interesse der Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern von dieser falschen Politik Abschied nehmen.
Die Arbeit an der Steuerreform kommt zügig voran.
- Auf jeden Fall werden wir früher als Sie die Eckwerte eines solchen Konzepts vorlegen. Dann bin ich gespannt,
ob Ihren Worten auch Taten folgen und ob Sie dazu in der Lage sind. Bisher haben Sie immer nur große Sprüche geklopft; aber wenn es darauf ankam, war nichts dahinter. Wer nicht einmal in der Lage ist, die Gewerbekapitalsteuer für den Osten zu verhindern, von dem ist steuerpolitisch in den nächsten Jahren doch nichts zu erwarten.
Mit unserer mittelfristigen Konzeption der Finanz- und Steuerpolitik, dem Jahressteuergesetz 1997, dem Bundeshaushalt 1997 und dem Finanzplan verfolgen wir die richtige Strategie. Wir bestätigen das Vertrauen der Märkte in die stabilitätsorientierte deutsche Finanzpolitik. Wir schaffen die Grundlage für die Meisterung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angesichts der zunehmenden Integration und Globalisierung der Weltwirtschaft. Wir sichern den Standort Deutschland, stärken unsere Wirtschaft in der immer härter werdenden internationalen Konkurrenz. Wir sichern die langfristigen Grundlagen unseres Sozialstaates, schaffen Spielräume für eine staatliche Zukunftspolitik. Unsere Politik bringt Impulse für den Aufschwung. Sie stellt die Weichen für Investitionen, Wachstum, steigende Einkommen und vor allem für zukunftssichere Arbeitsplätze.
Dazu kommen günstige ökonomische Daten: niedrige Zinsen, eine stabile D-Mark, moderate Lohnabschlüsse, anhaltende Preisstabilität mit einer Inflationsrate von 1,5 Prozent, eine positive Entwicklung des Welthandels und der Weltkonjunktur, aufwärts zeigende Konjunkturindikatoren und eine steigende Produktion.
Seit dem 2. Quartal 1996 liegen wir wieder auf Wachstumskurs. Die Investitionsbedingungen sind gut. Jetzt müssen die Unternehmer und die Gewerkschaften dafür sorgen, daß neue Arbeitsplätze entstehen.
Meine Damen und Herren, in wenigen Jahren geht das Jahrhundert zu Ende. Die Jahrtausendwende liegt vor uns. Eine solche Zeitenwende bringt Gelegenheit, zurückzuschauen und vorwärts zu blicken. Nach der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts - zwei
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Weltkriegen, der Teilung unseres Vaterlandes, einer Weltwirtschaftskrise und zwei Währungsreformen - steht die zweite Hälfte im Zeichen des Aufbaus. Wir haben zunächst den Westteil unseres Landes erfolgreich aufbauen können. Nach der Vereinigung sind wir jetzt in den neuen Ländern dabei, dies mit dem Einsatz aller verfügbaren Kräfte zu tun. Mit unserer Finanzpolitik sind wir auf dem richtigen Weg.
In Deutschland sichern wir die Arbeitsplätze auch nach der Jahrtausendwende. Wir schaffen die Basis für eine leistungsfähige Wirtschaft und eine gestaltende Politik.
In Europa vollenden wir den Binnenmarkt mit einer dauerhaft stabilen Währungsunion. So entsteht ein großer dynamischer Wirtschaftsraum, der Wachstum und Wohlstand für alle Länder bringt. Wir sichern mit unseren Partnern in der G 7 und im Internationalen Währungsfonds die störungsfreie Entwicklung der Weltwirtschaft.
Wir fördern inflationsfreies Wachstum sowie durch Konsolidierung und Strukturreformen ein ausreichendes Kapitalangebot zu günstigen Konditionen. Damit werden wir unserer Verantwortung in Deutschland, in Europa und weltweit gerecht.
Ich danke Ihnen.