Rede von
Gerhard
Rübenkönig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Schluß des heutigen Tages wird über den Posthaushalt debattiert. Dies ist für uns alle ein historischer Moment, da das Postministerium Ende 1997 aufgelöst wird und es dann keinen separaten Haushalt mehr für Post und Telekommunikation geben wird.
Aus diesem Grunde möchte ich mich vorab für die insgesamt gute Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Bötsch, und Ihren Mitarbeitern herzlich bedanken. Das heißt aber nicht, daß ich Sie von der Kritik am Bundeshaushalt 1997 ausnehmen kann.
Denn der Einzelplan 13, der Posthaushalt, ist genauso zu betrachten wie der Bundeshaushalt 1997: Er ist mit vielen Risiken behaftet. Das hängt damit zusammen - das betone ich hier noch einmal -, daß diese Bundesregierung unfähig ist, die millionenfache Arbeitslosigkeit mit einer wirksamen Wachstums- und Beschäftigungspolitik zu bekämpfen. So werden Haushaltsrisiken nicht beseitigt.
Die einzige Lösung der Bundesregierung war und ist, das 3-Milliarden-Haushaltsloch über eine globale Minderausgabe in den Einzelhaushalten einzusparen. Hiervon ist auch Ihr Haushalt, Herr Minister Bötsch, mit 7 Millionen DM betroffen, wobei Sie bis heute keine Aussage darüber treffen, bei welchen Titeln Sie diese Summe einsparen wollen.
Zur großen Überraschung der Mitglieder des Haushaltsausschusses haben Sie kurz vor der Bereinigungssitzung eine zusätzliche Einnahme von 1,542 Milliarden DM durch Vergabe von Lizenzen in den Posthaushalt eingestellt. Die Höhe dieser Summe ist äußerst fragwürdig und läßt durchaus den Schluß zu, daß es sich hier - aus welchen Gründen auch immer - möglicherweise doch um finanzpolitische Spielereien handeln könnte.
Nach § 16 und § 48 des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 entwerfen Sie, Herr Minister, im Einvernehmen mit den Ministern des Innern, der Finanzen, der Justiz und der Wirtschaft eine Lizenz- und Frequenzgebührenverordnung. Diese noch nicht verabschiedete Gebührenordnung nehmen Sie zum Anlaß, haushaltspolitisch von einer Einnahme in Höhe der oben genannten Summe auszugehen.
Erst am 13. November 1996 wird dieser Entwurf im Postausschuß vorgelegt. Die Mitglieder des Postausschusses bezeichneten diese Verordnung als mittelstandsfeindlich und baten darum, darüber auf der
Gerhard Rübenkönig
nächsten Sitzung doch noch einmal zu debattieren. Ich habe meine Zweifel, ob diese Summe so auch im Haushalt eingestellt werden kann, und setze dahinter ein großes Fragezeichen.
In Ihrem Haushaltsentwurf, Herr Minister Bötsch, gehen Sie von Einnahmen in Höhe von rund 1,065 Milliarden DM aus, wobei der größte Teil, nämlich zirka 800 Millionen DM, unter anderem auch als Reserve für die Unterstützungskassen verwendet werden soll. Auf dieses Thema komme ich gleich noch einmal zurück.
Im Berichterstattergespräch konnten wir einvernehmlich die vom Bundesrechnungshof vorgegebenen Reduzierungen vornehmen. Insbesondere die überhöhten Ansätze für Telefongebühren, Porto und Reisekostenvergütungen im In- und Ausland konnten gekürzt werden. Im Vergleich - das merke ich hier kritisch an - mit anderen Ressorts ist dieses jedoch noch sehr hoch angesetzt.
Es konnten somit zirka 7 Millionen DM eingespart werden. Dies zeigt, daß auch in Ihrem Haushalt noch sehr viel Luft vorhanden war.
Da, Herr Minister Bötsch, setzt meine Kritik in der Haushaltsführung Ihres Hauses an: Hier war kein vorsorgender und zielorientierter Einsparungswille zu erkennen, oder die Ansätze beruhten oftmals nicht auf ermittelten Größen.
Positiv zu werten ist, meine Damen und Herren, daß auf Initiative der SPD einvernehmlich beschlossen wurde, daß die Arbeit des Wissenschaftlichen Institutes für Kommunikationsdienste - Abkürzung WIK - auch noch nach 1998 weitergeht. Damit ist die Existenz dieses Instituts gesichert. Wir, die SPD, halten eine wissenschaftliche Beratung der künftigen Regulierungsbehörde für zwingend erforderlich. Außerdem konnten damit Arbeitsplätze langfristig gesichert werden. - So weit, Herr Minister Bötsch, zu den direkten finanzpolitischen Seiten Ihres Haushaltes.
Darüber hinaus gibt es aber noch zwei wichtige Problembereiche, die Ihren Haushalt betreffen: erstens den Kooperationsvertrag zwischen Post und Postbank und zweitens die zukünftige finanzielle Sicherstellung der Unterstützungskassen von Post, Postbank und Telekom.
Zu eins: Der Kooperationsvertrag zwischen der Post AG und der Postbank AG ist zwingend notwendig, um a) die Postbank AG zu privatisieren - denn Sie wissen ja, daß der Finanzminister, Ihr Kollege Waigel, 3,1 Milliarden DM als Einnahmen aus dem Verkauf schon in den Haushalt 1996 eingestellt hatte -
und b) den Infrastrukturauftrag zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen, flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen zu erfüllen.
Aber nach dem von Ihnen, Herr Minister Bötsch, vorgestellten Kooperationsvertrag zwischen Post und
Postbank soll in den nächsten Jahren jede zweite posteigene Filiale geschlossen werden. Dieser Kahlschlag führt zu einem drastischen Abbau von Arbeitsplätzen bei der Post und zu einer nachhaltigen Verschlechterung der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Postdienstleistungen. Eine solche Politik ist mit der SPD nicht zu machen.
Postgewerkschafter und Betriebsräte protestieren bundesweit gegen eine solche Politik. Als Beispiel nenne ich die Region Nord- und Osthessen, aus der ich selber komme. Nach Aussage der Postgewerkschaft liegen hier konkrete Schließungspläne vor. So sollen von 422 eigenbetriebenen Postfilialen 127 ersatzlos geschlossen werden. Das sind Schalter mit bis zu 270 Kunden pro Woche. Weitere 124 Postfilialen mit bis zu 500 Kunden pro Woche sollen in Agenturen umgewandelt oder, falls man keine Agenturnehmer findet, ebenfalls ersatzlos gestrichen werden.
Dieses Beispiel zeigt auch hier wie in allen anderen Haushalten wegen des Verlustes von Arbeitsplätzen deutlich den kontraproduktiven Ansatz Ihres sogenannten Wachstums- und Beschäftigungsprogramms. Herr Minister Bötsch, ich fordere Sie daher auf, schnellstens ein mit allen Beteiligten abgestimmtes Konzept für eine qualitativ hochwertige, flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen vorzulegen.
Zu zwei: Im Berichterstattergespräch und in der Bereinigungssitzung wurde von mir nochmals die Problematik der Unterstützungskassen von Post, Postbank und Telekom angesprochen. Presseberichten zufolge, nach zuverlässigen Berechnungen des Bundesrechnungshofes wie auch nach Erkenntnissen in Ihrem eigenen Hause werden Sie bis 1999 mit einem Defizit von zirka 7 Milliarden DM
und ab dem Jahr 2000 sogar mit mehr als 10 Milliarden DM rechnen müssen.
Laut Gesetzeslage der Postreform II müssen diese Fehlbeträge über die Bundesfinanzen ausgeglichen werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß jährlich 800 Millionen DM von der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation abgeführt werden. So wird dieses Problem nicht gelöst.
Im Berichterstattergespräch und in der Bereinigungssitzung stellten Sie, Herr Minister, Überlegungen zur Deckung der Finanzlücken der Unterstützungskassen an. Sie wollen Verhandlungen mit dem Ziel aufnehmen, die Finanzen der Unterstützungskassen durch neue Vereinbarungen und entsprechende Gesetzesänderungen sicherzustellen. Ich halte es im Interesse der Unterstützungskassen und der von dieser Problematik betroffenen Menschen für unbedingt erforderlich, daß hier umgehend eine entsprechende Vereinbarung getroffen wird.
Gerhard Rübenkönig
Herr Minister Bötsch, sowohl das Thema Kooperationsvertrag als auch die Problematik der finanziellen Sicherstellung der Unterstützungskassen sind ureigene, von Ihnen zu lösende Aufgaben. Ich fordere Sie daher auf, diese Aufgaben schnellstens zu erledigen und die entsprechenden Verträge und Vereinbarungen mit den beteiligten Unternehmen zu erarbeiten und abzuschließen. Denn eines kann ich Ihnen jetzt schon versichern: Ohne diese vorgenannten Probleme gelöst zu haben, können Sie sich als Postminister nicht so ohne weiteres verabschieden.
Zum Schluß stelle ich fest: Ihr Haushalt ist mit erheblichen Haushaltsrisiken behaftet und somit unsolide und unglaubwürdig. Der von Ihnen vorgelegte Kooperationsvertrag ist so nicht zu akzeptieren, weil er die Aufgaben des Infrastrukturauftrages nicht erfüllt. Die Unterstützungskassen sind auf Dauer nicht in der Lage, die Zahlungen an die Betroffenen zu leisten.
Aus diesem Grunde, Herr Minister Bötsch, lehnen wir Ihren Haushalt 1997 ab.
Danke schön.