Rede von
Bartholomäus
Kalb
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit vielen Jahren wird in den Haushalts-
und Agrardebatten in diesem Hohen Hause die Lage der Landwirtschaft beklagt. Angesichts der Stellung der Landwirtschaft als Teil der stark rückläufigen Urproduktion mit einer stark abnehmenden Zahl selbständiger Existenzen sowie einer damit einhergehenden abnehmenden Zahl der Beschäftigten und einem kontinuierlich sinkenden Anteil am Sozialprodukt gab und gibt es dafür auch stets guten Anlaß.
Diese durch die allgemeine Entwicklung verursachte und schier unausweichliche Situation hat sich in diesem Jahr durch die BSE-Krise - vorher ist mir schon gesagt worden, ich sollte meines Namens wegen nicht über BSE reden - insbesondere für die Rindfleisch- und Milcherzeuger in dramatischer Weise verschärft. Viele landwirtschaftliche Betriebe besonders in den von Natur aus benachteiligten,
Bartholomäus Kalb
aber landschaftlich sehr reizvollen Gebieten sind unverschuldet in eine schwierige Situation geraten.
Leider wurde dem Problem BSE von seiten der EU nicht frühzeitig genug die notwendige Bedeutung beigemessen. Ich kann mich daran erinnern, daß wir schon vor vielen Jahren - Herr Kollege Susset, ich meine, mich recht zu erinnern, daß es in der Sommerpause 1989 war - eine gemeinsame Sitzung des Agrarausschusses und des Gesundheitsausschusses zu diesem Problem hatten. Leider kam man seinerzeit zu keinen weiteren Ergebnissen. Erst als jetzt die Forschungsergebnisse über die mögliche Übertragbarkeit auf den Menschen bekannt wurden, ist es zu einer tiefgreifenden Verunsicherung der Verbraucher und zu einer dramatischen Absatzkrise gekommen.
Die EU versucht zwar derzeit, mit finanziellen Mitteln zu helfen. Wir haben auch national umgesetzt, was wir überhaupt national umsetzen konnten. Ferner wird die Intervention verstärkt, um die Märkte zu entlasten, worunter auch die Frühvermarktungsprämie zu verstehen ist. Aber damit sind natürlich die grundlegenden Probleme nicht zu bewältigen.
Entscheidend ist, das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen. Wir begrüßen deshalb ganz ausdrücklich die Einführung des Herkunftsnachweises sowie alle Maßnahmen der Qualitätssicherung. Der deutsche Verbraucher sollte sich immer vor Augen halten - das gilt nicht nur für die tierischen, sondern auch für die pflanzlichen Produkte -, daß wir in Deutschland für die Erzeugung von Nahrungsmitteln nicht nur sehr strenge Vorschriften haben, sondern auch deren Einhaltung so sorgfältig wie in kaum einem anderen Land überwachen.
Der deutsche Verbraucher sollte wissen, daß er bei der Wahl einheimischer Produkte auf der sicheren Seite ist und sich höchster Qualität sicher sein kann.
Obwohl der Druck zum Sparen ungeheuer groß war und auch der Agraretat nicht unberührt bleiben konnte, haben wir bei den Beratungen zum Einzelplan 10 versucht, die besondere Situation der Landwirtschaft zu berücksichtigen. Es war bisher stets gemeinsames Bemühen von Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert und der Koalition, Einsparungen so vorzunehmen, daß davon nicht unmittelbar einkommenswirksame Maßnahmen für die Landwirtschaft berührt werden.
Ich hoffe, daß dies auch bei der Umsetzung der globalen Minderausgabe weitgehend gelingen kann. Wir Berichterstatter werden die Sache ebenfalls im Auge behalten und mit dem Minister gemeinsam nach konstruktiven und kreativen Lösungen suchen, wobei ich gerne auch an dieser Stelle zugebe, daß es nicht ganz einfach sein wird. Es wird vor allen Dingen auch darauf ankommen, daß wir, wenn es nicht zu vermeiden ist - es ist auch nach meiner
Überzeugung nicht zu vermeiden, daß Eingriffe bei der Gemeinschaftsaufgabe vorgenommen werden -, einen Schnittpunkt finden, so daß die Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete nicht besonders berührt werden und die einzelbetrieblichen Investitionen weitestgehend sichergestellt werden können. Hier müssen wir sicher eine sehr genaue Abwägung vornehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Kollege Diller, ich möchte jetzt nicht die Debatte über den „roten Brenner", der vornehmlich an der Mosel zu finden ist, aufnehmen. Das können wir unter der Rubrik „Forschungseinrichtungen" einordnen. Aber ich möchte natürlich erwähnen, daß dies dem haushaltspolitischen Sprecher der SPD ein besonderes Anliegen ist. Kollegin Janz hat ja hierzu festgestellt, daß die Haushaltsberichterstatter die Neukonzeption der Agrarforschung sehr konstruktiv begleiten werden.
Ich darf auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Agrarsozialausgaben zwischenzeitlich in etwa zwei Drittel des Gesamtetats ausmachen. Nur durch diese enorme Leistung des Bundes ist es vielen bäuerlichen Familien überhaupt möglich, die Bürde der sozialen Absicherung zu tragen. Andererseits darf auch nicht übersehen werden, daß die Leistungen für die landwirtschaftliche Altershilfe in gewisser Weise auch eine Entlastung für die gesetzliche Rentenversicherung bedeuten, weil andernfalls die landwirtschaftliche Altershilfe in den Ausgleich der Rentenversicherungsträger eingebunden werden müßte. Insofern stellt auch der Zuschuß für die landwirtschaftliche Altershilfe gleichzeitig eine Entlastung für die gesetzlichen Rentenversicherungsträger dar.
Für die Landwirtschaft ist aber nicht nur die Agrarpolitik im engeren Sinne von Bedeutung, sondern in immer stärkerem Maße auch die Umweltpolitik und nicht zuletzt die Finanz- bzw. Steuerpolitik. Ich möchte in diesem Zusammenhang ganz besonders Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel und der Kollegin Gerda Hasselfeldt sowie allen Kolleginnen und Kollegen des Finanzausschusses besonders danken. Bereits mit dem Jahressteuergesetz 1996 wurden wichtige Regelungen getroffen und Verbesserungen hinsichtlich der Tilgung von Altschulden, der Behandlung weichender Erben und für die Fälle der Betriebsaufgabe vorgenommen. Mit den Beschlüssen der Koalition zur Neuregelung der Erbschaftsteuer wurde, wie ich meine, den Belangen der Landwirtschaft weitestgehend Rechnung getragen.
Dies ist für die Erhaltung der Existenzen und die Fortführung der Betriebe über die Generationen hinweg von außerordentlicher Bedeutung.
Mit großem Interesse habe ich in der „Süddeutschen Zeitung" vom 7. Oktober 1996 einen Artikel mit der Überschrift „Sozialdemokraten fordern grundlegende Neuorientierung der Agrarsubven-
Bartholomäus Kalb
tionen" gelesen. Die Beihilfen an Bauern, so lese ich, sollen künftig nur noch gewährt werden, wenn sie - ich zitiere - an konkrete ökologische Leistungen gebunden sind.
Das liest sich, lieber Herr Kollege Sielaff, völlig anders als die Rede, die Sie am 12. September in diesem Hohen Hause gehalten haben und in der sie die mittelmäßige Wettbewerbsfähigkeit beklagt haben. Sie sagten wörtlich - ich zitiere aus dem Protokoll -:
Es wäre viel gerechter und zukunftsträchtiger, die zur Verfügung gestellten knappen öffentlichen Mittel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Produktion und Vermarktung zu verwenden.
Dies sagten Sie noch ant 12. September. Aber Sie ändern Ihre Meinung ja relativ schnell.
Ich finde jedenfalls, Herr Kollege Sielaff, im ganzen Artikel keinen Hinweis darauf, welche konkreten Maßnahmen Sie darunter verstehen bzw. was Sie über die bereits bestehenden diesbezüglichen Programme, wie Extensivierungsmaßnahmen, Kulturlandschaftsprogramme und Ausgleichszahlungen in benachteiligten Gebieten hinaus tun wollen.
Statt dessen verweisen Sie laut Bericht sehr allgemein auf - ich zitiere - „viele Beihilfen, die schädliche Umweltwirkungen begünstigen" .
Als Beispiel führen Sie dann die Gasölbetriebsbeihilfe an,
wie es der Kollege Metzger heute auch schon getan hat. Sie verkennen dabei gleich mehrere Punkte:
Erstens. Die zunächst zu zahlende Mineralölsteuer in Höhe von 62 Pfennig je Liter wird nur zu etwa zwei Dritteln zurückerstattet. Dafür, Herr Kollege Sielaff und Herr Kollege Diller, fahren die Schlepper ja auch etwas weniger auf der Straße als beispielsweise Pkw.
Es verbleibt im EU-Vergleich immer noch eine relativ hohe Steuerlast.
Zweitens. Der Dieselverbrauch in der Landwirtschaft ist in den letzten Jahren stark rückläufig gewesen. Ganz offensichtlich ist der Kostendruck größer, als Sie annehmen.