Danke, Frau Präsidentin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Daß der Haushalt des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bei den erneuten, rasenmäherartigen Sparmaßnahmen nicht ungeschoren bleiben würde, war uns schon klar. Daß aber nach den Kürzungen in Höhe von 433 Millionen DM im Jahre 1996 und den im Verlauf der Beratungen vorgenommenen Kürzungen von über 20 Millionen DM noch einmal zusätzlich 240 Millionen DM zu kürzen sind, zeigt, daß eine kontinuierliche Politik in diesem wichtigen Feld nicht vorhanden ist.
Insgesamt befindet sich die Agrarpolitik im Widerstreit: auf der einen Seite das gesteigerte gesellschaftliche Bewußtsein für Gefährdungen der Umwelt - der Naturschutz ist bei allen Entscheidungen ein wichtiger Faktor -, auf der anderen Seite der Ruf nach einer umweltschonenden, naturgerechten Landwirtschaft, verstärkt durch die unbefriedigende Verteilung öffentlicher Mittel in der Landwirtschaft und den steigenden Bedarf für die Überschußverwertung.
Der Begriff „nachhaltige Landwirtschaft" macht die Runde. Deshalb steht die europäische Agrarpolitik vor vielen großen und kleinen Entscheidungen bzw. Problemen. Es ergeben sich viele Fragen, zum Beispiel: Wie ,sollte eine europäische Agrarpolitik ausgerichtet sein? Die Landwirtschaft soll unter kostengünstigen, wirtschaftlichen Bedingungen Nahrungsmittel und Rohstoffe erzeugen. Sie soll weitere Leistungen für den Markt, wie zum Beispiel Verarbeitung, aber auch Freizeit und Erholung bringen. Sie soll entsprechend den gesellschaftlichen Bedingungen Ökologie und Ökonomie weiterentwickeln, pflegen und erhalten. Sie hat auch eine arbeitsmarktpolitische Komponente: soziale Sicherheit für die Beschäftigten. Und sie soll einen Beitrag zur Erhaltung der Lebensfähigkeit der Räume und zur Bewahrung des kulturellen Erbes leisten.
Ilse Janz
Dies alles stellt an die Weiterentwicklung der EU- Agrarpolitik besondere Anforderungen, die Sie, Herr Minister Borchert, nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion in Brüssel entsprechend formulieren müssen.
Wir wissen, daß Ansätze durch das EU-Strategiepapier vorhanden sind, auch im Hinblick auf den Beitritt der MOE-Länder. Es muß aber nun endlich ein neues Konzept her. Dafür gibt es aus Sicht der Sozialdemokratie drei Schwerpunkte:
Die EU-Agrarpolitik muß, wie es 1992 entschieden wurde, nicht nur als Übergangsperiode gesehen, sondern als länger tragfähige und legitimierbare Politikstrategie entwickelt werden.
Es gehört dazu ein Konzept zur Verwirklichung einer nachhaltigen Landnutzung/Landwirtschaft analog der Agenda 21 von Rio; wir haben Sie darauf schon mehrfach hingewiesen. Das heißt: Berücksichtigung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekte sowie der dazu gehörenden politischen, aber auch organisatorischen Anforderungen für die praktische Umsetzung.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die schrittweise Gestaltung der Osterweiterung. Hierzu und zu den Bereichen GATT und WTO hatten wir als Bundestagsfraktion bereits im März eine Große Anfrage eingebracht, die allerdings erst im Juli beantwortet wurde.
Was heißt dies aus Sicht der Sozialdemokratie? Die bisherigen Ergebnisse der EU-Agrarreform stellen kein politisches Instrumentarium dar, das mehr als eine Übergangsstrategie ist. Sie hat bisher dazu gedient, Überschußproduktion und steigende Finanzlasten zu regeln. Das ist uns zu wenig.
Sie muß weiterentwickelt werden und die schon von uns skizzierten Aspekte wie ökologische, ökonomische, soziale und globale Orientierung berücksichtigen.
Es hat in bezug auf die Osterweiterung der EU schon viele Beiträge und zahlreiche Informationen über eventuell zu erwartende Probleme gegeben. Nach unserer Auffassung, Herr Minister - wir fordern Sie ebenfalls auf, in Brüssel entsprechend zu agieren -, darf es auf keinen Fall eine Übertragung des agrarpolitischen Marktordnungs- und Transferzahlungssystems heutiger Art auf die östlichen Beitrittsländer geben.
Dadurch würden Produktionsanreize ausgelöst, die alle in der EU wieder vor das Thema Überschußproduktion stellen würden. Außerdem würde eine finanzielle Belastung auf die bisherigen EU-Mitglieder zukommen, die aus unserer Sicht ebenfalls nicht hinnehmbar ist. - Dies alles macht erforderlich, daß vor einem Beitritt die EU-Agrarpolitik entsprechend geändert werden muß.
Zwischenzeitlich ist unseres Erachtens die Beratungshilfe für den Aufbau von Demokratie und Marktwirtschaft, die wir in dem Bundeshaushalt wiederfinden, ein richtiger nationaler Weg. Allerdings sind uns die vorgenommenen Kürzungen völlig unverständlich.
In 1996 waren 20 Millionen DM veranschlagt, die dann im Regierungsentwurf für 1997 auf 10 Millionen DM heruntergekürzt wurden. Eindeutig hat Ihr Haus, Herr Minister, in den Unterlagen der Berichterstatter auf die dadurch entstehende Problematik hingewiesen. Im Haushaltsentschluß wurden dann entsprechend noch 6 Millionen DM mehr beschlossen. Aber in der Bereinigungssitzung wurde noch einmal der Rotstift angesetzt. Die Folge ist, daß nur noch 12,8 Millionen DM zur Verfügung stehen. Dies hilft den Ländern tatsächlich nicht weiter.
Bereits bei den Beratungen zum Haushalt 1995 habe ich auf die schwierige Situation bezüglich der Milchquotenregelung hingewiesen und ein Bundeskonzept gefordert. Die Erzeugerpreisentwicklung hat sich weiterhin ständig verschlechtert. Die Zahlen des Deutschen Bauernverbandes weisen aus, daß sich von 1989 bis jetzt erneut ein Minus von 18 Prozent ergibt. Diese Zahl macht noch einmal deutlich, wie dramatisch die wirtschaftliche Entwicklung in der Milchproduktion ist. Deshalb wäre es bereits 1995 notwendig gewesen, ein Konzept für die Zukunft der Milchgarantiemenge vorzulegen.
Die von der SPD im September durchgeführte Milchkonferenz hat gezeigt, wie schwierig es sein wird, bis zum Auslaufen der jetzigen EU-Regelung im März 2000 eine neue abgestimmte Richtung zu finden. Zu groß ist die Unsicherheit darüber, wie sich der GATT- bzw. der WTO-Abschluß auswirken kann.
Von verschiedenen Seiten wird Kritik daran geübt, daß es das jetzige produktionsbegrenzende Quotensystem nicht vermocht hat, die ursprünglichen Ziele zu erreichen. So gab es bisher eine Stabilisierung weder der Erzeugereinkommen noch der Erzeugerpreise. Viele junge Unternehmer sind sogar gänzlich für die Abschaffung des Quotensystems, weil bei den jetzigen Rahmenbedingungen die Ziele nicht erreicht wurden.
Die vielen unterschiedlichen Auffassungen und die Emotionen, mit der dieses Thema zur Zeit befrachtet ist, machen die Dringlichkeit deutlich. Herr Minister, nun muß Ihre Position endlich auf den Tisch.
Lassen Sie mich noch etwas zu dem leidigen Thema FELEG sagen; leidig deshalb, weil Sie und die Koalitionsfraktionen hier keinem Sachargument zugänglich sind. Das FELEG läuft bekanntlich zum 31. Dezember 1996 aus und sollte nach unseren Vorstellungen um drei Jahre verlängert werden.
Wir haben Ihnen hier mehrfach dargestellt, daß der Strukturwandel in der Landwirtschaft auch sozial abgefedert werden muß; deswegen auch unser Verlän-
Ilse Janz
gerungswille. Zur Zeit erhalten Landwirte eine sogenannte Produktionsaufgaberente von durchschnittlich 950 DM monatlich. Ein Landarbeiter erhält ein Ausgleichsgeld von zirka 1 285 DM monatlich.
Herr Borchert, die Verlängerung würde vielen Landarbeitern helfen. Das Beharren auf dem Wegfall führt viele in eine ungewisse Zukunft und bedeutet gleichzeitig, daß die Bundesanstalt für Arbeit 1997 sofort mit Leistungen eintreten muß. Aber es scheint Ihnen nichts auszumachen, daß dann das Defizit bei der BfA noch größer wird, Hauptsache ist, es wird nicht aus dem Landwirtschaftshaushalt finanziert. Richtiger wird Ihre Politik damit nicht, und Wahrheit und Klarheit bringt das für diesen Haushalt auch nicht.
Lassen Sie mich noch etwas zur Ressortforschung in Ihrem Ministerium sagen. Die Koalitionsfraktionen haben in der Bereinigungssitzung für diesen Bereich eine 3prozentige Personalkürzung vorgesehen. Wir halten die Entwicklung nach wir vor für falsch. Wir haben Sie auch bereits mehrfach darauf aufmerksam gemacht.
Mit einem globalen Wegfall von Stellen sorgen Sie für eine Vergreisung in der Ressortforschung. Aufstiegsmöglichkeiten werden nicht mehr vorhanden sein. Ich will hier die lange Debatte, die wir darüber schon geführt haben, nicht wiederholen. Aber Herr Minister, solange Sie nicht entscheiden, welche Forschung in Zukunft Ressortforschung sein soll, worauf Sie verzichten wollen, solange Sie nur mit schlichten Standortschließungen arbeiten, ohne Alternativen zu haben, solange kein Zukunftskonzept vorliegt, so lange müssen Sie mit unserem Widerstand rechnen.
Ich versichere Ihnen, daß ich die Zahlen sehr genau kontrolliere und überprüfe, inwieweit die Finanzmittel für Forschungsvorhaben außerhalb des Bundes steigen, denn Ihre Entwürfe laufen alle unter dem Motto „Einsparungen".
Bisher wurde auch immer wieder die Wichtigkeit der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" betont; gerade auch von Ihnen, Herr Minister. Sie haben in der Vergangenheit auch sehr dafür geworben, die einzelbetriebliche Förderung zu stärken. Obwohl der Plafond 1996 um 40 Millionen DM gekürzt wurde, gelang es uns gemeinsam doch noch, vorab 100 Millionen DM für die einzelbetriebliche Förderung festzulegen. Jetzt aber legen Sie der GA die Daumenschrauben an.
Die Ihnen vom Finanzminister aufgedrückte globale Minderausgabe von 240 Millionen DM wollen Sie aus der Gemeinschaftsaufgabe herausholen. Dabei beklagen Ihre Mitarbeiter in den uns zur Verfügung gestellten Unterlagen seit Jahren, daß die Summen gekürzt werden und somit nur noch Projekte, die bereits begonnen wurden, durchgeführt werden können. Spielraum für Neues ist so gut wie gar nicht mehr vorhanden; da haben Sie recht. Der größte Teil der Mittel ist festgelegt. Der Planak, also der Planungsausschuß, in dem Bund und Länder gleichberechtigt vertreten sind, hat auch schon für 1997 entschieden. Woher wollen Sie also diese beträchtlichen Summen nehmen? Aus dem Küstenschutz, weil Sie hier zufällig die meisten Kosten, nämlich 70 Prozent, tragen müssen? Wer übernimmt die Verantwortung, wenn etwas passiert? Oder wollen Sie im Agrarbereich bereits begonnene Projekte stoppen?
- Komm doch nicht immer mit Deinen ollen Kamellen!
Alles in allem ist das keine ordentliche Vorlage für einen jetzt um über 264 Millionen DM gekürzten Haushalt, der nun erstmals seit langer Zeit wieder unter ein Volumen von 12 Milliarden DM rutscht.
Was ist mit der Umsatz- bzw. Vorsteuerpauschale für die Landwirte, die das Bundeskabinett - ich nehme doch an, auf Ihren Vorschlag hin - im Sommer beschlossen hat und die Sie dann als große Segnung für die Landwirte draußen verkauft haben? Sie befanden sich ja eine ganze Weile im Streit mit dem Finanzministerium über die Höhe der Mittel. Das Finanzministerium sagt 300 Millionen DM, Sie sagen 125 Millionen DM. Mir ist im Augenblick egal, um wieviel es geht. Aber dieser Betrag ist noch nicht etatisiert und muß im Haushaltsvollzug ebenfalls noch erwirtschaftet werden.
Angesichts dessen, Herr Minister Borchert, wird es Sie nicht wundern, daß bei einer so dubiosen Haushaltspolitik, wie sie uns hier für 1997 vorgeführt worden ist, die SPD-Bundestagsfraktion Ihnen nicht folgen wird. Wir lehnen den Einzelplan 10 ab.