Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über den Bundeshaushalt 1997 richtet sich wiederum an der Zielsetzung aus, die Neuverschuldung in Grenzen zu halten und damit die Manövrierfähigkeit des Staates zu bewahren. Das ist schwierig, aber es ist notwendig. Als Gesundheitspolitiker könnte ich mir sehr gut vorstellen, in dem einen oder anderen Bereich mehr zu tun. Aber in Zeiten knapper Kassen sind nicht alle wünschenswerten Projekte finanzierbar.
Der Staat hat allerdings eine entschieden größere Verantwortung im Hinblick auf die Gesamtentwicklung. Wenn wir dieser Verantwortung gerecht werden wollen, müssen wir die Anspruchsmentalität an den Staat zurückdrängen.
Wer die Währungsunion wegen der damit verbundenen Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten auch für die eigene Wirtschaft und für die Arbeitsplätze bejaht, der muß alle Anstrengungen unternehmen, die hierfür erforderlichen Kriterien zu erfüllen.
Die globalen Minderausgaben, die im Haushalt für alle Ansätze vorgesehen sind, sind deshalb unumgänglich. Dazu hat auch der Etat des Bundesgesundheitsministers seinen Beitrag zu leisten, so schwer die Kürzung bei den einzelnen Projekten auch fällt. Glauben Sie nicht, daß es mir als Gesundheitspolitiker leichtfällt, Kürzungen im Bereich der Aidsaufklärung oder der Drogenbekämpfung in Kauf zu nehmen. Ich hoffe sehr, daß diese Kürzungen nur vorübergehend gelten.
Leider gibt der Gesundheitshaushalt wegen der geringen Manövriermöglichkeiten der Mittel kurzfristig zuwenig Umgestaltungsspielräume. Zur Zeit können leider auch keine Zuwächse verteilt werden. Vielmehr muß der Weg für mehr Verantwortung, Perspektiven und Ideen durch Beschränkung der Staatsquote frei gemacht werden. Ein Umsteuern ist, unabhängig von der europäischen Komponente, notwendig. Eigenverantwortung, Eigeninitiative und Subsidiarität müssen im Vordergrund stehen.
Ich würde jedem in diesem Parlament empfehlen, den Aufsatz von Dr. Schäuble in der heutigen Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu
Dr. Dieter Thomae
lesen. Er zeigt wirklich Durchblick, wie der Staat in Zukunft Verantwortung zurücknehmen muß.
Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt spiegelt gerade in der Gesundheitspolitik nur einen geringen Teil des Gesamtgeschehens wider. Aber es wird hier immer kritisiert: Im Bundeshaushalt steht kein Geld für Forschungsprojekte zur Verfügung. Schauen Sie bitte auch einmal im Etat des Forschungsministers nach. Es werden Projekte im Gesundheitsbereich, im Drogenbereich, im Krebsbereich finanziert, um neue Erkenntnisse zu finden. Dabei handelt es sich noch um recht beachtliche Posten. Auch dies wird von Ihnen sehr häufig übersehen.
Einen entscheidenden Aspekt finden wir in der GKV wieder. Dies ist im Grunde genommen der große Bereich. Ich möchte auf sieben Punkte eingehen, die geeignet sind, die GKV nicht mit Budgetierung, sondern endlich mit anderen, mit freiheitlichen Überlegungen besser in den Griff zu bekommen.
Erstens. Wir müssen uns wirklich auf die solidarische Finanzierung in den Bereichen konzentrieren, wo existentielle Notwendigkeit dazu besteht. Dies macht die Koalition. Das ist gelebte Subsidiarität.
Zweitens. Die Krankenkassen, die in den Wettbewerb gehen, müssen die Möglichkeit haben, ihre Ideen durchzusetzen, ohne daß andere Krankenkassen davon überzeugt werden müssen. Wer gut verhandelt, der muß den Versicherten in Form von niedrigen Beiträgen, besserer Qualität, besseren Versorgungsstrukturen vernünftige Angebote machen.
Wir müssen den Krankenkassen neben der Wahlfreiheit auch Gestaltungsspielräume, auch Differenzierungsmöglichkeiten anbieten. Das heißt nicht Ausgrenzung von Leistungen; denn auch in Zukunft wird der Beitragssatz das entscheidende Kriterium für den Wettbewerb sein. Daneben sollte es aber Differenzierungsmöglichkeiten geben.
Drittens. Aber auch die Versicherten müssen die Möglichkeit erhalten, ihr Leistungspaket individueller zu gestalten.
Viertens. Nicht nur im Leistungsbereich muß Flexibilität erkennbar sein, sondern auch auf der Finanzierungsseite. Ich nenne nur die Stichworte Selbstbeteiligung, Selbstbehalt und Beitragsrückgewähr.
Hierzu können wir ebenfalls flexible Lösungen anbieten.
Fünftens. Zu den erforderlichen flexibleren Regelungen im Gesundheitsbereich gehört auch die Schaffung von mehr Raum für Kostenerstattung. Das ist ebenfalls ein Bereich, in dem Freiheitsräume geschaffen werden.
Sechstens. Wir müssen die Gesundheitsstrukturen optimieren.
Siebtens - ich denke, da sind wir uns in der Koalition einig; leider macht die Opposition hierbei nicht mit -:
Die starre Trennung zwischen den einzelnen Sektoren muß aufgehoben werden.
- Ja, meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben sich bei dem letzten Gesetzentwurf verweigert.
Wir müssen die Verzahnung zwischen dem ambulanten und stationären Bereich wirklich verbessern. Das wollen wir durch unseren Gesetzentwurf, durch Modellversuche erreichen. Wir fördern die kombinierten Budgets. Wir fördern vernetzte Praxen. Wir fördern das Hausarztabo. Dann haben wir Chancen, daß zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich umgestaltet wird. Dazu gehören natürlich auch intelligente Vergütungsvereinbarungen bezüglich der Großgeräte im medizinisch-technischen Bereich. Wir müssen die Möglichkeit schaffen, daß niedergelassene Ärzte Großgeräte in OP-Räumen nutzen. Auch dies wäre eine Einsparmöglichkeit.
Die Koalition hat für das Krankenhaus Entscheidendes realisiert.
Im Gegensatz zu Ihren Budgetierungsregelungen im Krankenhausbereich werden durch die Finanzierungsregelungen, die wir auf den Weg gebracht haben, die Leistungspakete der einzelnen Krankenhäuser wieder stärker berücksichtigt. Wir gehen in Zukunft also individueller auf die Struktur der einzelnen Krankenhäuser ein. Das ist ein Vorteil und führt dazu, Gelder zu sparen und sie umlenken zu können.
Die Koalition sieht Reformbedarf. Aber die Reform im Gesundheitswesen ist ein stetiger Prozeß. Veränderung der Altersstruktur und technische Entwicklung - Herr Sauer hat schon darauf hingewiesen - führen dazu, daß wir einem permanenten Anpassungsprozeß Rechnung tragen müssen. Deshalb müssen wir folgendes festhalten:
Erstens. Wir müssen die langfristige Finanzierung innerhalb dieses Systems sichern.
Zweitens. Wir müssen das System endlich von bürokratischen Regeln befreien. Das haben wir in einem großen Komplex, beim Zahnersatz, getan. Aber auch in anderen Bereichen ist dies notwendig; ich nenne nur das Stichwort Budgetierung.
Drittens. Die Lohnzusatzkosten - deshalb führen wir die ganze Operation überhaupt durch - dürfen nicht steigen.
Viertens. Die Eigenverantwortung muß zunehmen. Wenn wir diesem Ziel Rechnung tragen wollen, hat die Koalition aber die Verpflichtung, bald eine Steuer-
Dr. Dieter Thomae
reform zu realisieren, damit die Bürger auch die finanziellen Mittel bekommen, sich über Eigenbeteiligungen besser abzusichern.
Vielen Dank.