Rede von
Jörg-Otto
Spiller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Mir fällt bloß auf, daß es offenbar sehr schwierig ist, Ihren Gedanken zu folgen.
Es mag ja sein, daß man auf vielen Umwegen so wie Sie denken kann. Zur Klarheit in der Politik hat Ihr Beitrag eben aber nicht beigetragen.
Steuergesetze - so habe ich vorhin gesagt - bedürfen normalerweise der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat, weil die Verfassung es so will; das heißt, daß man aufeinander zugehen, Nüchternheit bewahren, auch Respekt vor den anderen wahren und sich im Zweifelsfalle überlegen muß, ob eine Änderung einer Steuergesetzgebung wirklich notwendig ist. Verläßlichkeit ist ein Qualitätsmerkmal von Steuerrecht.
Jörg-Otto Spiller
Deswegen ist es zum Beispiel beunruhigend gewesen, daß noch vor wenigen Monaten der Kompromiß, der vor einem Jahr nach einem mühsamen Entscheidungsprozeß gefunden worden ist, nämlich die Erhöhung des Kindergeldes zum 1. Januar 1997 von 200 auf 220 DM - so steht das im Gesetz -, von der Koalition plötzlich wieder in Frage gestellt wurde. Wir sind froh, daß die Koalition eingesehen hat, daß das mit der SPD nicht zu machen ist.
Es wäre allerdings noch konsequenter, wenn auch der Grundfreibetrag - wie vorgesehen - zum Anfang des neuen Jahres erhöht wird.
- Die Erhöhung des Grundfreibetrages ist ein Griff in die Tasche?
Im Finanzausschuß hat die Koalition in diesem Jahr leider nur wenig Bereitschaft gezeigt, Kompromisse einzugehen. Ein Beispiel ist das Thema hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse. Die Koalition schlägt vor, das sogenannte Dienstmädchenprivileg zu erweitern und den Sonderausgabenabzug von 12 000 auf 24 000 DM zu verdoppeln. Es wird aber nicht davon gesprochen, daß alte Menschen, beispielsweise Rentnerehepaare, von einer solchen Regelung überhaupt nichts hätten.
Es wurde kein Wort darüber verloren, daß so gut wie keine junge Familie von einer solchen Regelung profitieren könnte.
Die konkreten Alternativen, die die SPD in die Diskussion eingebracht hat und die eine sehr viel bessere Wirkung auf die Arbeitsplätze haben als ein Modell, das seit längerem von der Bundesanstalt für Arbeit erprobt wird, haben Sie abgelehnt. Schade! Sie greifen unser Angebot zum Kompromiß nicht auf.
Lassen Sie mich noch etwas zu dem wichtigsten Dissens sagen, den es derzeit gibt, nämlich zu der Zukunft der Vermögensteuer. In der schönen Broschüre „Steuern von A bis Z" Ausgabe 1995 heißt es hierzu:
Die fortlaufende Erhebung einer Vermögensteuer trägt dem Gedanken Rechnung, daß Vermögen als solches eine zusätzliche Besteuerung rechtfertigt, und zwar nicht nur wegen der laufenden Vermögenserträge, sondern weil bereits das Vorhandensein von Vermögen eine eigene
zusätzliche Leistungsfähigkeit begründet. So fördert die Verfügungsgewalt über ein mittleres oder größeres Vermögen wesentlich die Möglichkeit und die Effektivität wirtschaftlicher Betätigung. Insgesamt führt dies zu einer besonderen steuerlichen Leistungsfähigkeit, deren zusätzliche Besteuerung auch aus sozial- und gesellschaftspolitischen Gründen gerechtfertigt und notwendig erscheint.
Diese Broschüre ist von Theo Waigel herausgegeben worden. Wir streiten uns zwar gelegentlich mit diesem Mann, aber wo er recht hat, hat er recht.
Das Problem der Koalition ist nur:
Sie hat eine zu schlechte Meinung von den Deutschen und insbesondere von dem deutschen Bürgertum.
Wo ist denn der große Aufschrei zur Abschaffung der Vermögensteuer? Den gibt es überhaupt nicht. Die Abschaffung wird von den Betroffenen überhaupt nicht verlangt. Das ist eine reine Erfindung der Koalition.
Wurde nicht seit Generationen selbstverständlich hingenommen, daß Besitz auch Pflichten auferlegt? Wurde nicht in den fünfziger Jahren die Sonderabgabe zum Lastenausgleich ohne Murren akzeptiert und geleistet? Hätte der Bundeskanzler 1990 den Mut zur Wahrheit gehabt und nicht so getan, als würde die Wiedervereinigung aus der Portokasse zu bezahlen sein, hätte auch er damals ohne Mühe eine ähnliche Lastenausgleichsabgabe wie in den fünfziger Jahren durchsetzen können.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundestag und dem Bundesrat auferlegt, daß die Vermögensteuer wegen der krassen Ungleichbehandlung von Geld- und Immobilienvermögen nicht so bleiben kann, wie sie ist. Das ist auch einsichtig. Das heißt doch aber nicht, daß die Vermögensteuer deswegen abgeschafft werden muß.
Die Koalition blockiert derzeit jede Kompromißfindung im Vermittlungsverfahren, wenn sie auf diesem unsinnigen Standpunkt beharrt.
Jörg-Otto Spitler
Ich kann nur bitten: Geben Sie Ihre Blockadepolitik auf.
Es ist nun einmal so: Wenn zwei Gremien, die politisch unterschiedlich zusammengesetzt sind,
einem Verfahren oder einem Beschluß zustimmen müssen, dann müssen sich beide bewegen und überlegen, welche Punkte für sie wichtig sind und wo sie nachgeben.
- Herr Möllemann, wenn Sie meinen, daß die Vermögensteuer für das deutsche Bürgertum und die Wählerschaft der F.D.P. ein besonders wichtiger Punkt sei, dann kennen Sie offenbar die Leute, die Sie gewählt haben, schlecht.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch eine Berner-kung zu der Besteuerung der Unternehmen machen. Das Problem, auf das jetzt immer wieder hingewiesen wird, ist die Zukunft der Gewerbekapitalsteuer. Das ist ein Problem, über dessen Lösung man sich sicher bald verständigen kann.
Die Koalition hat aber leider ein ganzes Jahr lang nichts dazu getan, um die offenen Fragen der Lösung ein Stück näherzubringen. Für die Unternehmen insgesamt in Deutschland - auch das muß gesagt werden - ist die Besteuerung ein sehr viel geringeres Problem als die Sozialabgaben.
Herr Möllemann, ich sage Ihnen: Die zusätzlichen 1,1 Prozentpunkte zum Beitrag der Rentenversicherung, die die Bundesregierung gerade beschlossen hat,
bedeuten wesentlich mehr als 2, 3 oder 4 Prozentpunkte bei der Senkung des Solidaritätszuschlags.
Ein Problem bei der Unternehmensbesteuerung ist im übrigen, daß ein immer geringerer Anteil der von deutschen Unternehmen gezahlten Steuern tatsächlich beim deutschen Fiskus ankommt, weil sie sich aussuchen können, wo sie die Steuern zahlen. Wir erwarten, daß die Regierung hier künftig stärker als in der Vergangenheit deutsche Interessen berücksichtigt.
Ansonsten muß ich leider sagen: Die Regierung hat nach 14 Jahren im Amt nichts anderes feststellen können, als daß der Standort Deutschland nun so gut wie am Ende sei. Sie werden nicht müde, dies zu erklären.
Die Kostensenkung - dies wird immer wieder gesagt - sei der eigentliche Punkt. Kostensenkung mag hier und da wichtig sein. Der eigentliche Punkt für uns ist aber etwas anderes. Wir müssen wieder zu einem innovativen Land werden. Wir müssen wettbewerbsfähige Produkte haben,
bei denen nicht nur die Kosten, sondern die Qualität und die Leistung zählen.
Das werden wir nur schaffen, wenn wir in Deutschland einen neuen Aufbruch erreichen.
Diesen erreichen wir nur mit einer neuen Regierung.