Rede von
Rita
Grießhaber
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gerne hätten wir hier eine Debatte über die deutsche Südostasienpolitik gehabt. Die Reisen von Bundeskanzler Kohl und Außenminister Kinkel waren Anlaß genug, über das Verhältnis von Wirtschaftspolitik und dem Stellenwert von Menschenrechten hier im Parlament zu diskutieren.
Sie wissen, wir hatten vor einem Jahr den chinesischen Menschenrechtler Harry Wu zu Besuch, der selbst 19 Jahre lang in chinesischen Straflagern interniert war und sich jetzt in den USA bemüht, Aufklärungsarbeit über das chinesische Straflagersystem zu leisten. Damals war Bundeskanzler Kohl wenige Wochen zuvor in China gewesen. Kaum hatte er das Land verlassen, wurde der Bürgerrechtler Wei Jinsheng verhaftet. Kaum war Außenminister Kinkel jetzt aus Peking abgereist, wurde der Dissident Wang Dan in einem Schnellprozeß zu elf Jahren Haft verurteilt.
China verbittet sich die sogenannte Einmischung in seine inneren Angelegenheiten. Aber der Protest gegen menschenrechtswidrige Praktiken und das Bestehen darauf, daß das geltende Völkerrecht eingehalten wird, sind keine unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten.
Die Kritik an einer Politik diktatorischer Regime ist alles andere als Politik gegen die Interessen der betroffenen Völker. Wer in diesem Zusammenhang von Diktatoren geachtet werden will, provoziert doch nur, daß Demokratie und ihre Spielregeln verachtet werden.
Meine Damen und Herren, China leugnet den Export aus Straflagern. Es gibt aber immer wieder Beweise dafür, daß Ware aus diesen Lagern exportiert wurde. Deutsche Unternehmen wollen sogenannte saubere Ware. Die Händler in Deutschland wollen doch gar keine Waren verkaufen, die in Straflagern hergestellt wurden. Die Wirtschaft braucht die Unter-
Rita Grießhaber
stützung der Politik, damit sich der Handel und die Achtung von Menschenrechten nicht ausschließen.
Wir kritisieren überhaupt nicht generell wirtschaftliches Engagement in China. Investitionen, zum Beispiel im Umweltschutz, wie Entschwefelungsanlagen, können außerordentlich segensreich sein. Wir wollen aber auch, daß die Bundesregierung mit ihrer Politik solche Rahmenbedingungen schafft, daß die Wirtschaft und die Konsumenten hier sicher sein können, daß an diesen importierten Waren kein Blut klebt.
Es ist gut, daß mit dem vorliegenden interfraktionellen Antrag ein erster Schritt zum Handeln getan wird. Wir wollen von der Bundesregierung so schnell wie möglich einen Bericht darüber, wie die Selbstverpflichtung des europäischen Dachverbandes der Spielwarenhersteller eingehalten wird, keine Ware aus Straflagern zu importieren. Wir stehen hier doch total am Anfang. Was nutzt es, wenn die Spielwarenhersteller ihren Kunden versichern: Wir haben eine Selbstverpflichtung, wir importieren gar nichts aus Straflagern. Wir wissen doch überhaupt nicht, ob diese Hersteller kontrollieren können, woher diese Waren überhaupt stammen.
Deshalb ist es ganz dringend notwendig, daß sich die Bundesregierung mit den Importeuren zusammensetzt und klärt, ob und wie eine solche Kontrolle durch die Importeure überhaupt stattfinden kann.
Auch die Zollbehörden sollten prüfen, woher die Waren stammen. Was die USA können, müßte doch bei uns auch möglich sein.
Ich möchte ganz klar und eindeutig sagen: Ich als Konsumentin möchte, wenn ich Spielzeug oder andere Waren einkaufe, wissen, ob Waren aus Straflagern identifizierbar sind. Wenn ich nicht mit Sicherheit ausschließen kann, daß diese Ware aus Straflagern stammt, kaufe ich lieber nichts mehr „Made in China".
Die Beschränkung unseres Antrags auf das Spielzeug ergab sich aus der konkreten Situation des Besuchs von Harry Wu. Er zeigte bei seinem Besuch zwei Beispiele aus der Lagerproduktion, einen Teddybären und ein Plastikspielzeug.
Natürlich müssen entsprechende Regelungen für alle in Frage kommenden Produkte getroffen werden. Es geht wirklich nicht nur um sauberes Spielzeug, sondern um die Bedingungen, unter denen diese Waren in China hergestellt werden. Das heißt, es geht um die Menschen in China, es geht um die Anprangerung des Systems der Straflager.
Politik muß alle Möglichkeiten für die Menschenrechte nutzen. Es ist nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft, daß die deutsche Politik unter Berufung auf wirtschaftliche Interessen dem Dialog über die
Menschenrechte ausweicht. Es ist eine Brüskierung dieses Hauses, wenn sich der deutsche Botschafter in China über die Tibet-Resolution des Bundestages so äußert, wie er es getan hat.
Und wenn der chinesische Staatschef Jiang Zemin beim Besuch des Außenministers in China lächelnd gesagt hat: „Nach dem Regen wurde der Himmel schnell wieder klar", kann ich nur sagen: Das gilt vielleicht für die millionenschweren Wirtschaftsaufträge, die mitgenommen wurden. Über den Menschenrechten aber hängt ein dicke schwarze Wolke. Lassen Sie uns das gemeinsam ändern!
Vielen Dank.