Rede von
Wieland
Sorge
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Natürlich bin ich bereit, das zur Kenntnis zu nehmen. Mein Kollege Dr. Thalheim hat aber bereits ausgeführt, daß wir der Meinung sind, daß denjenigen, die in irgendeiner Form durch Manipulationen, Fälschungen oder was auch immer benachteiligt worden sind, mit den bestehenden Gesetzen, die wir bisher haben, zu ihrem Recht verholfen werden kann.
In weiser Voraussicht warnen Sie vor neuen Verteilungskämpfen zwischen LPG-Nachfolgern und Wiedereinrichtern, die nur zu Lasten der ostdeutschen Landwirtschaft gehen können. Auch Sie befürchten, daß der Frieden in den ostdeutschen Gemeinden durch ein neues Aufrollen erheblich gestört wird. Völlig zu Recht weisen Sie darauf hin, daß es kaum möglich ist, heute mit einem veränderten Preisgefüge Bilanzen aus dem Jahre 1990 zu erstellen.
Allein in Thüringen hat es nach der Wende bei rund 200 000 Anspruchsberechtigten 120 Verfahren gegeben. Was es für die ostdeutsche Landwirtschaft bedeuten würde, wenn all diese Verfahren überprüft werden müßten, läßt sich leicht ausmalen. Kredite würden nicht gewährt, Investitionen könnten nicht getätigt werden, Existenzen wären gefährdet.
Das ist auch anderen CDU-Mitgliedern klar. Der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Martin Brick, hält die Novelle für überflüssig, Ministerpräsident Seite äußert Bedenken. Auch Sachsens Landwirtschaftsminister Rolf Jähnichen ist mit der Novelle nicht einverstanden und fordert Neuverhandlungen zur rückwirkenden Feststellung des Eigenkapitals der früheren LPG. Der Landwirtschaftsminister des Freistaates Thüringen, Herr Dr. Sklenar, gibt an, zu diesem Thema überhaupt nicht gefragt worden zu sein.
Auch der ostdeutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Krüger erklärt, die Novelle sei höchst umstritten.
Wieland Sorge
Den ostdeutschen Abgeordneten, Ministern und Agrarexperten aller Parteien ist klar, daß die Novelle zu Lasten der ostdeutschen Betriebe geht. Nachdem in den Jahren ab 1990 in mühsamen, langwierigen Prozessen Vergleiche getroffen und Lösungen gefunden wurden, ist es einfach widersinnig, die Frage der Vermögensauseinandersetzung sieben Jahre später wieder aufzurollen,
zudem noch mit rechtlich fragwürdigen Regelungen.
Die Stabilität der landwirtschaftlichen Betriebe würde dadurch erheblich gestört.
Es ist unbestritten, daß es schwarze Schafe bei der Umstrukturierung gegeben hat. Keiner von uns will diese Leute schützen, im Gegenteil: Wir wollen, daß sie zur Verantwortung gezogen werden.
Aber dazu reicht die bestehende Rechtslage aus.
Daß die Zweifel an der Novelle durchaus berechtigt sind, zeigen die vielen kritischen Äußerungen aus den Reihen der CDU. Aber wie ist es denn nun zu verstehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn ich so markige Sprüche wie
mit mir wird kein Gesetz novelliert, welches die Interessen der hiesigen Landwirtschaft hinten runterfallen läßt
in der Presse lese? Stehen Sie zu Ihrem Wort, oder beugen Sie sich wieder einmal gegen Ihre eigene Überzeugung der Meinung Ihrer westdeutschen Fraktionskollegen?
Ich finde, wir ostdeutschen Abgeordneten müssen endlich lernen, noch selbstbewußter die Interessen unserer Bürger zu vertreten.
Wir dürfen uns gerade bei einem so offenkundigen Mißverhältnis nicht unterkriegen lassen.
Noch ein Gedanke zum Schluß: Wenn der finanzielle Schaden, der durch die angeblichen Bilanzfälschungen bei der Umwandlung in der Landwirtschaft entstanden ist, so groß ist, daß er eine Novellierung rechtfertigt, wie groß ist denn dann der Novellierungsbedarf des Treuhandgesetzes oder gar des Einigungsvertrages bei der Umwandlung in der Industrie?
Die Verluste, die durch Schlampereien, Veruntreuungen und Betrügereien bei der Vergabe von Fördermitteln und Subventionen entstanden sind, gehen in die Milliarden.
Damit werden sich die Gerichte noch Jahre befassen müssen. Aber deshalb kommt doch niemand auf die Idee, die entsprechenden Gesetze und Verträge dazu in Frage zu stellen.
Warum also ausgerechnet das Landwirtschaftsanpassungsgesetz novellieren, das doch sehr erfolgreich war? Das macht doch alles keinen Sinn, es sei denn, es ist wieder einmal eine starke Lobby am Werk.
Ich danke Ihnen.