Rede von
Steffi
Lemke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das noch von der Volkskammer der DDR verabschiedete Landwirtschaftsanpassungsgesetz verfolgte ursprünglich die Ziele der Wiederherstellung des Privateigentums an Grund und Boden und der Personifizierung des LPG-Vermögens sowie die Entwicklung einer vielfältig strukturierten Landwirtschaft verschiedener Eigentums- und Wirtschaftsformen.
Zitat aus dem Kommentar zum Gesetz 1990:
Bei der praktischen Umsetzung der Vorschriften des LAG vor Ort sollte stets ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der einzelnen betroffenen Gruppen herbeigeführt werden.
Seit dieser Zeit hat in der Landwirtschaft der neuen Länder ein gravierender Umstrukturierungsprozeß stattgefunden. In diese schwierige Phase, die unter anderem von einem völligen Verfall der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise und der Vermögenswerte in der Landwirtschaft gekennzeichnet war, fiel auch die Vermögensauseinandersetzung zwischen den LPGen und auscheidenden LPG-Mitgliedern. Bündnis 90/Die Grünen bestreiten nicht, daß es in diesem Prozeß zu Ungerechtigkeiten gekommen ist und daß es Gesetzesverstöße gegeben hat. Fraglich ist unserer Ansicht nach jedoch, in welchem Ausmaß diese stattgefunden haben, inwieweit sie inzwischen durch die Überprüfung seitens der Länder behoben werden konnten und mit welchem Instrumentarium noch bestehende Probleme gelöst werden können.
Im Juni dieses Jahres legten die Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. in einer Eilaktion den Entwurf einer vierten Novelle zum Landwirtschaftsanpassungsgesetz vor. Dieser Entwurf war offensichtlich weder mit den ostdeutschen Landesverbänden von CDU und F.D.P. noch mit den Juristen der Koalitionsfraktionen abgestimmt. Mit seiner Anhäufung von rechtsstaatlich bedenklichen Paragraphen und seiner einseitig gegen die LPG-Nachfolgebetriebe gerichteten Tendenz hat dieser Gesetzentwurf seit seiner Einbringung parteiübergreifend massive Proteste in den neuen Ländern ausgelöst.
Die Kritik an diesem Gesetzentwurf richtet sich in der Hauptsache gegen die Einführung eines Verfahrens zur rückwirkenden Neufeststellung des Eigenkapitals der LPG-Nachfolgebetriebe, da dies eine flächendeckende erneute Überprüfung der Vermögensauseinandersetzung provoziert, die völlig überzogene Erwartungen bei den ausgeschiedenen LPG-Mitgliedern geweckt hat. Die Novelle ist in ihrer vorliegenden Form auch ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die sich seit 1990 bemüht haben und bemühen, den Umstrukturierungsprozeß in der Landwirtschaft konstruktiv zu begleiten, seien es Landwirtschaftsrichter, Wirtschaftsprüfer, die Landwirtschaftsministerien der neuen Länder oder die Betroffenen vor Ort.
Mit den inzwischen von der Regierungskoalition vorgenommenen Korrekturen wurde den aus den neuen Ländern vorgetragenen Bedenken nur teilweise Rechnung getragen. So wurden zwar einige der besonders bedenklichen Punkte zurückgezogen, das rückwirkende Feststellungsverfahren wird im Grundsatz jedoch aufrechterhalten.
Bündnis 90/Die Grünen haben in zwei gemeinsamen Änderungsanträgen zusammen mit der SPD Vorschläge unterbreitet, wie ausgeschiedenen LPG-Mitgliedern die Durchsetzung ihrer Ansprüche dort erleichtert werden kann, wo dies nach sechs Jahren noch erforderlich ist. Unsere Anträge beinhalten die Verlängerung der Verjährungsfrist um drei Jahre, die erleichterte Abberufung von Liquidatoren und die bis zum 31. Dezember 1997 befristete Möglichkeit, das Eigenkapital eines LPG-Nachfolgebetriebs gerichtlich feststellen zu lassen. Um Rechtssicherheit für die Nachfolgebetriebe zu schaffen, wird dabei jedoch klargestellt, daß bei einer Eigenkapitalabweichung unter 25 Prozent die bisherige Festlegung des Eigenkapitals als ordnungsgemäß gilt. Auch das ist
Steffi Lemke
ein Punkt, dessen Regelung von den Regierungsfraktionen versäumt wurde.
Ein Widerrufsrecht wird von Bündnis 90/Die Grünen auch für außergerichtlich getroffene Vereinbarungen abgelehnt. Auch diese Vereinbarungen genießen Rechtsschutz, insbesondere wenn sie auf Hinwirken der Gerichte oder Landesregierungen zustandegekommen sind, wie dies häufig der Fall war. Auch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters wird von uns abgelehnt, da diese Regelung schlicht überflüssig ist und lediglich unnötige Kosten verursachen würde.
Wir haben uns in den Ausschußberatungen darüber hinaus für eine effektivere Rechtsberatung durch den Hilfsfonds Ost und nötigenfalls eine Aufstockung dieses Fonds aus Haushaltsmitteln eingesetzt. Hier kann die Bundesregierung tätig werden und ihren selbst postulierten Anspruch erfüllen, den ausgeschiedenen LPG-Mitgliedern helfen zu wollen.
Bündnis 90/Die Grünen und SPD haben damit Kompromißvorschläge unterbreitet, die auch weiterhin einen Interessenausgleich zwischen ausgeschiedenen LPG-Mitgliedern und den Nachfolgebetrieben ermöglichen, ohne überzogene Hoffnungen auf einen finanziellen Nachschlag, die sich letztendlich nur als Seifenblase entpuppen können, zu schüren oder die LPG-Nachfolgebetriebe in ihrer Existenz zu gefährden.
Auch das von der CDU postulierte Ziel der Herstellung von Waffengleichheit wird damit von uns nicht verfolgt; denn bei der Neuausreichung von Waffen sind Verletzte oder Tote nicht auszuschließen. Dies kann nicht im Interesse der neuen Bundesländer sein und wird meines Erachtens auch keine friedenstiftende Wirkung in den Dörfern entfalten.
Wir sind Ihnen mit unserem Änderungsantrag insbesondere beim Feststellungsverfahren sehr, sehr weit entgegengekommen. Bündnis 90/Die Grünen verbinden damit die Hoffnung, daß Sie unserem Antrag zustimmen, der im übrigen mit den Forderungen der ostdeutschen CDU-Landwirtschaftsminister im wesentlichen übereinstimmt.
Nachdem Sie einen derart lausigen ersten Gesetzentwurf vorgelegt haben, stehen Sie meiner Ansicht nach in der Verpflichtung, nun einen Kompromiß mit den neuen Ländern zu erzielen.
Wir hatten bis zur Vorlage Ihres Gesetzentwurfs im Ausschuß eine fachliche und sachlich ausgewogene Debatte über die Vermögensauseinandersetzungen und die damit im Zusammenhang aufgetretenen Probleme. Sie haben dann in einer Nacht-und-NebelAktion in einem so komplizierten Prozeß einen Gesetzentwurf vorgelegt, der leichtfertig mit den Bedenken der ausgeschiedenen LPG-Mitglieder in den neuen Ländern spielt.
Auch die Bundesregierung ging bisher davon aus, daß gewisse Nachteile bei der praktischen Durchsetzung des Rechts in Kauf genommen werden mußten. So heißt es auch im Text des LAG: Mit den im LAG verfolgten Zielen der Umstrukturierung der LPGen zu wirtschaftsfähigen Unternehmen und der Abfindung der Vermögensansprüche ausscheidender LPG-Mitglieder ist schon ein Zielkonflikt angelegt worden, der völlige Gerechtigkeit in der Vermögensauseinandersetzung unmöglich macht.
Diese Problematik als einen Bestandteil des Einigungsprozesses zwischen DDR und BRD alt zu begreifen und endlich zu akzeptieren, haben verschiedene Interessengruppen offensichtlich noch immer vor sich.