Rede von
Dr.
Gerald
Thalheim
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der 4. Novelle des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes geht der Streit um das Vermögen der ehemaligen LPGs und dessen Verteilung in eine neue Runde. Kaum ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ist auf so massiven Widerstand in den neuen Ländern gestoßen.
In unzähligen Demonstrationen, Resolutionen und Briefen haben sich - das betone ich - parteiübergreifend die Betroffenen mit Recht gegen diese Novelle gewandt.
- Herr Ausschußvorsitzender, ich werde in meiner Rede darauf noch zurückkommen.
Kaum ein Gesetzesvorhaben der Koalition wies soviel Zündstoff auf, war so oberflächlich erarbeitet und löste soviel juristische, ja verfassungsrechtliche Bedenken aus. Die Novelle ist geeignet, Zündstoff im Ost-West-Konflikt zu liefern. Sie ist geeignet, neue Gräben aufzureißen.
Wenn man den Aussagen vieler Ost-Abgeordneter der CDU glaubt, war es ein Gesetz von Westpolitikern für die Ostlandwirtschaft für Westinteressenten.
- Aber es sind Ihre eigenen Kollegen gewesen, Herr Hornung, die das im Osten verkündet haben. Wir werden heute noch Gelegenheit haben, mehrere Zitate in dieser Richtung zu präsentieren. Ich möchte gleich damit anfangen.
Dr. Gerald Thalheim
Der Abgeordnete Kriedner ist so weit gegangen, den Gesetzentwurf der Bundesregierung, der immerhin mit der Unterschrift Ihres Fraktionsvorsitzenden versehen ist, als eine Art Arbeitspapier zu bezeichnen, das versehentlich in die Öffentlichkeit gelangt ist.
- So, Herr von Stetten, wird Politik draußen gemacht. Im Osten wird etwas ganz anderes erzählt, als der gleiche Kollege in Ihrer Fraktion mitbeschlossen hat. So kann man Politik einfach nicht betreiben.
Im übrigen wirft das ein Licht darauf, wie dieses Gesetz zustande gekommen ist. Die Diskussion - so muß man einschätzen - wird täglich grotesker. Die Autoren des Gesetzes berufen sich zum Beispiel auf den sächsischen Landwirtschaftsminister. Der ließ vor wenigen Tagen wissen: Ich bin für eine Gesetzesnovelle, aber bitte schön nur zur Abberufung der Liquidatoren und zu einer Verlängerung der Verjährungsfristen, alles übrige sollte weg.
Herr Junghanns, Sie haben soeben genau das Gegenteil verkündet. Ich habe den Eindruck, bei dem Gesetz stimmt Ihr politisches Koordinatensystem nicht mehr.
- Ja, Herr von Stetten, es wird gegen die goldene Regel der CDU-Agrarpolitik verstoßen, die lautet, nichts zu beschließen, dem der Deutsche Bauernverband nicht seinen Segen gegeben hat. Wenn es nach dem Deutschen Bauernverband ginge, wäre dieses Gesetz längst verschwunden, zumindest wären der gesetzliche Vertreter und das Widerrufsrecht herausgenommen.
Herr Junghanns, Sie haben hier von Drohungen gesprochen. Ich denke, die schlimmste Drohung hat Landwirtschaftsminister Brick ausgesprochen. Er hat seinen Ost-Abgeordneten angedroht: Wenn sie dem Gesetz zustimmen - man höre und staune -, dann sollen sie sich in Mecklenburg-Vorpommern nicht wieder blicken lassen.
Herr Kriedner, Herr Krüger kommt heute in einen schweren Gewissenskonflikt, ob er nun in Niedersachsen Asyl beantragen soll oder nicht. Das ist für ihn heute das große Problem.
- Peter Harry Carstensen, du hast die Pointe begriffen. Wo sonst soll er Asyl beantragen, wenn nicht in Niedersachsen!
Die Empörung der Betroffenen ist um so verständlicher, wenn man sich einmal die Begleitmusik vergegenwärtigt, die um den Gesetzentwurf herum gemacht wird. Da hat zum Beispiel der Geschäftsführer des Deutschen Landbundes die Einschätzung gegeben, daß dieses Gesetz eine Kampfansage an die alten und neuen Seilschaften mit dem Ziel ist, den sicher geglaubten späteren Flächenerwerb den „Agrarindustriellen zu verhageln" . Es geht also in Wirklichkeit um das Land, und diese Botschaft ist in den neuen Ländern angekommen.
So etwas muß zwangsläufig Ängste schüren und das Vertrauen in die Politik erschüttern, zumal anläßlich der Verabschiedung der ersten Novelle ganz andere Aussagen getroffen worden sind. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die Reden von damals nachzulesen. Da hat zum Beispiel der Kollege Heinrich von diesem Pult aus ausgeführt:
Es wäre geradezu unverantwortlich, wenn wir, aus welchen Gründen auch immer, eine Zerschlagung der vorhandenen Strukturen in Kleinbetriebe vornehmen würden.
Genau das ist die Gefahr, die gesehen wird.