Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vor meiner Rede bin ich als Berichterstatter veranlaßt, Ihnen, meine Damen und Herren, und damit zu Protokoll einen technischen Hinweis zu geben. Ich bitte, das ohne Zeitanrechnung zu gestatten.
Dieser technische Hinweis betrifft die im Ausschußbericht, Drucksache 13/5942, dargestellte Synopse zum Gesetzestext. Auf der Seite 10 muß in der Spalte „Beschlüsse des 10. Ausschusses" § 64 i Abs. 2 wie folgt lauten:
Der Widerruf bedarf der Schriftform. Er muß spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Rechtskraft der Feststellung erklärt werden. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung.
Da ist ein Satz, der aus der ersten Fassung erhalten werden soll, nicht mit in die Spalte der Beschlußfassung übernommen worden. Ich bitte dafür um Verständnis.
Ich möchte jetzt mit meinem Beitrag beginnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen bringen heute das Vierte Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes in zweiter und dritter Lesung ein. Es sieht drei Änderungen vor: Erstens. Zukünftig sollen schon 5 Prozent oder 5 Mitglieder der LPG in Liquidation die gerichtliche Abberufung des Liquidators aus wichtigem Grund beantragen können. Zweitens. Die Verjährungsfrist für Abfindungsansprüche soll um fünf Jahre verlängert werden. Drittens. Die Durchsetzung bestehender Abfindungsansprüche wird verfahrensmäßig durch die Bündelung von Einzelrechtsstreiten in einem sogenannten Sammelverfahren erleichtert.
Ich meine, zu Recht hat dieses Gesetz eine sehr intensive und naturgemäß kontroverse Diskussion unter allen Betroffenen erfahren. Zu Recht sind nach sehr gründlichen Beratungen im Parlament mit Sachverständigen und Praktikern gegenüber dem Entwurf gravierende Änderungen vorgenommen worden. Jedoch zu Unrecht und unangemessen hat diese Debatte Lautstärken, Konfrontationen, ja Drohungen zutage treten lassen, die dieser komplizierten Materie in keiner Weise entsprechen.
Wortführer beider Parteien, die an der Vermögensauseinandersetzung beteiligt sind, haben sich in den Worten vergriffen. Ich verzichte auf Beispiele. Es lohnt sich hinzuschauen, wer da fernab von jeder Sachlichkeit solche Feuer schürt. Das Sprichwort
Ulrich Junghanns
„Getroffene Hunde bellen" zwingt sich einem da regelrecht auf.
Vor diesem Hintergrund teils böswilliger Unterstellungen und Behauptungen möchte ich für unsere CDU/CSU-Fraktion festhalten: Nicht das Gesetz an sich, wie die Gegner der 4. Novelle es landauf, landab glaubhaft machen wollen, stört den dörflichen Frieden. Da verkehrt man, meine ich, vielleicht ganz bewußt Ursache und Wirkung.
Wir hegen - das möchte ich betonen - kein pauschales Mißtrauen gegenüber bisherigen Vermögensauseinandersetzungen; die Rahmenbedingungen waren und sind schwer genug. Aber jeder, der nur etwas mit dieser Materie konfrontiert ist, kann nicht verleugnen, daß genügend, eigentlich zu viele Vorwürfe und Belege für fragwürdige Praktiken in der Vermögensauseinandersetzung nie abgerissen sind. Vielleicht sind sie leiser geworden. Wer dieses als Indiz für Zufriedenheit wertet, der irrt. Es sind zu oft Indizien für Resignation.
Absicht ist deshalb, erstens die Position der Anspruchsberechtigten ausschließlich verfahrensrechtlich, insbesondere durch Fristverlängerung und Verfahrensbündelung, zu stärken. Logisch ist, daß allein mit einer Fristverlängerung die Stimmen lauter werden, die Unrecht sehen oder erleben. Wer dieses Verlangen nach Rechtsstaatlichkeit auf der Seite der gesetzlich Anspruchsberechtigten als Angriff auf den dörflichen Frieden wertet, der muß einmal sagen, was er eigentlich will.
Zweitens. Eine Seite redet vom Schüren unerfüllbarer Erwartungen durch dieses Gesetz, weil eher überbilanziert worden sei; die andere Seite spricht von dreistelligen Millionenbeträgen, deren Ausschüttung nun erzwungen werden könnte. Ich sage voraus, meine Damen und Herren, daß in dieser Generalität keiner recht haben und behalten wird. Mit der 4. Novelle wird keinem Anspruchsberechtigten eine Mark mehr als der ihm gesetzlich zustehende Anspruch am Eigenkapital versprochen.
Dieser ist nur betriebskonkret zu ermitteln und kann mehr oder weniger sein.
Kurz gesagt: An den materiellen Rechten nach dem LAG wird nichts geändert, Herr Sielaff. Wie bisher, so gilt auch weiterhin, daß nur so viel als Anspruch oder auf der Seite der Anteilseigner als Anteil bestimmt werden kann, wie das Eigenkapital hergibt. Diejenigen, die sich im gerichtlichen Streit gegenüberstehen, bedingen einander auch. Wenn überhaupt, dann können Ansprüche nur gegenüber wirtschaftlichen Unternehmen durchgesetzt werden; bei Konkurs verlieren beide Parteien.
Damit verbunden - ich muß darauf eingehen - wurde schließlich im Stile eines herbeigeredeten Ost-West-Konfliktes intensiv gemutmaßt, die Koalitionsfraktionen unternähmen nun den letzten Versuch, die ohnehin ungeliebten ostdeutschen Agrarstrukturen zu zerstören.
Eigentlich ist das so absurd und so billig, daß man nur mit dem Kopf schütteln kann.
Wenn es stimmt, meine Damen und Herren, was wir fraktionsübergreifend in diesem Haus feststellen, daß die ostdeutsche Landwirtschaft, die sich noch im schweren Wandel von plan- zu marktwirtschaftlichen Strukturen befindet, eine vergleichbar erfolgreiche Entwicklung nimmt,
dann ist das in erster Linie dem Können und dem Engagement der Landwirte zu verdanken, die die Arbeit leisten
und die unternehmerischen Risiken schultern.
Wir wissen das zu würdigen. Gleichwohl ist das aber auch Bestätigung für die Agrarpolitik der Koalition und der Bundesregierung für unsere jungen Bundesländer.
Unsere Bundeslandwirtschaftsminister, vornehmlich Jochen Borchert, und die Koalition haben - erinnern Sie sich! - mit den Ländern und mit der Europäischen Union günstige Übergangskonditionen ausgehandelt. Dabei muß aber klar sein: Verantwortung und Hilfe für die Strukturen in den neuen Bundesländern, ob als juristische Personen oder als Familienbetriebe, und eine ordnungsgemäße Vermögensauseinandersetzung sind für uns zwei Seiten einer Medaille. Das muß klargestellt sein.
Die jüngst wiederum in Brüssel erreichte Verlängerung der Übergangsregelung bezüglich der Milchquoten und der Rinderprämien und hinsichtlich der Verschiebung der Flächenabsenkung aus früheren Überziehungen strafen alle diese Vernichtungsvorwürfe Lügen. Es ist verlogen, wenn das so geschildert wird.
Meine Damen und Herren, wir als Gesetzgeber sind und werden in einer Vermögensauseinandersetzung nicht Sachwalter einer Streitpartei sein können oder wollen. Entgegen allen konfrontationsgestylten öffentlichen Darstellungen gibt es Einvernehmen zwischen Koalition und Opposition, den neuen Bundesländern und den Bauernverbänden zur Absenkung des Quorums in der Liquidatorenfrage. Alle wollen eine Fristverlängerung. Vor Ort brauchen die Beteiligten Zeit. Hinzu kommt, daß die gerichtliche Klärung der Bemessungsgrundlage bis 1995 dauerte, was die Wahrnehmung der Rechte beeinträchtigt hat.
Ulrich Junghanns
Erst an diesem Punkt gehen die Unterschiede los. Die Opposition will eine Fristverlängerung von drei Jahren, wir wollen eine von fünf Jahren. Unsere Fraktionen folgen in diesem Punkt dem einvernehmlichen Votum zweier Sachverständiger, der Richter Wenzel und Sell. Des weiteren wird bezüglich des Sammelverfahrens ein Zwischentermin nach zwei Jahren eingezogen.
Damit bin ich beim Hauptknackpunkt, dem Sammelverfahren. Bis vorgestern glaubte ich, daran scheiden sich die Geister. SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten, wie im Ausschußbericht nachlesbar, dieses Verfahren kategorisch abgelehnt. Heute sehe ich in einem neuen Antrag, daß das gar nicht mehr so ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine, dieses Taktieren, das nach der Devise abläuft, das zum eigenen Antragspunkt zu machen, was in der Koalition einmal streitig war, ist überhaupt nicht erfolgversprechend. Wir können das nur zurückweisen; denn diese Leimspur werden wir nicht betreten. Vielmehr bin ich zuversichtlich, daß Sie nach dieser ersten Lernphase auch zu der Überzeugung kommen, zu der wir gekommen sind und was auch in Ihren Kreisen diskutiert wird: Was auf dem Tisch liegt, ist akzeptabel.
Als Hilfestellung für alle möchte ich kurz skizzieren, was mit dem Sammelverfahren beabsichtigt wird. Was bislang Kann-Vorschrift war, soll nun SollVorschrift sein: die Bündelung des Verfahrens. Wenn Klageführer das Verfahren beantragt haben, können bis zum letzten Tag der mündlichen Verhandlung weitere Anspruchsberechtigte beitreten. Kostenrisiken, die bis dato das größte Hemmnis bei der Rechtswahrnehmung waren, werden so minimiert. Auch wird durch das Sammelverfahren erreicht, daß auf Grund der geringeren Zahl der Einzelverfahren die Unternehmen weniger belastet werden. Auf der Grundlage des festgestellten Kapitals wird die Durchsetzung des Einzelanspruchs erleichtert, und es sind keine weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen zwingend.
Meine Damen und Herren, alles in allem sind damit auch Widerrufsregelungen klar geregelt, die uns und allen Beteiligten die Gelegenheit geben, im Vorfeld den gerichtlichen Weg zu umgehen. Roß und Reiter müssen benannt werden. Eine unzufriedene Minderheit kann keine zufriedene Mehrheit in ein ungewolltes Verfahren hineinziehen. Damit ist die Sorge der Grünen ausgeräumt.
Kurzum, dieses Sammelverfahren ist ein Instrument, das, wenn man eine Fristverlängerung beabsichtigt, prozeßökonomisch nur sinnvoll erscheint. Es ist kein Instrument für böswillige oder querulatorische Prozeßanzetteleien, vor denen ich nur warnen kann. Es ist ein Instrument, das dann greift, wenn trotz offenkundiger Mängel der normale außergerichtliche Weg zu keiner Heilung einer falschen Vermögensauseinandersetzung führt.
Ich möchte auch noch einmal darauf eingehen, daß es aus verschiedenen Verbandskreisen andere Vorstellungen gab. Es wurde vorgeschlagen, Aufsichtsräte einzuziehen oder neue Schiedsgremien einzurichten. All diese Vorschläge wurden gründlich erörtert, aber auch verworfen; denn im Streitfall kann der Gerichtsweg nicht ausgeschlossen werden. Alle bisherigen Erfahrungen bestätigen, daß einzig die Gerichte die Autorität verkörpern, die letztendlich Akzeptanz findet.
Mir bleibt abschließend, namens der Koalitionsfraktionen hier noch einmal an die Verantwortlichen zu appellieren, die Mittel aus dem Hilfsfonds Ost einzig und noch wirksamer dafür einzusetzen, daß das grundlegende Problem der Vermögensauseinandersetzung Schritt um Schritt zum auftragsgemäßen Abschluß des LAG geführt wird.
Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören.