Rede:
ID1313300800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. jetzt: 1
    5. Dr.: 1
    6. Gregor: 1
    7. Gysi.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/133 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 133. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 30. Oktober 1996 Inhalt: Tagesordnungspunkt: Antrag der Fraktion der SPD: Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Drucksache 13/5902) . . . 11965 A Rudolf Scharping SPD 11965 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 11968 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11972 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 11975 B Dr. Gregor Gysi PDS 11977 C Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 11979 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 11982 B Dr. Peter Struck SPD 11982 D Dr. Christa Luft PDS 11988 A Nächste Sitzung 11988 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 11989* A 133. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 30. Oktober 1996 Beginn: 14.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Barnett, Doris SPD 30. 10.96 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 30. 10. 96 Beer, Angelika BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Berger, Hans SPD 30. 10. 96 Bierstedt, Wolfgang PDS 30. 10. 96 Bindig, Rudolf SPD 30. 10. 96 Dr. Blank, CDU/CSU 30. 10. 96 Joseph-Theodor Blunck, Lilo SPD 30. 10. 96 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 30. 10. 96 Braune, Tilo SPD 30. 10. 96 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Graf von Einsiedel, PDS 30. 10. 96 Heinrich Eppelmann, Rainer CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 30. 10. 96 Follak, Iris SPD 30. 10. 96 Friedrich, Horst F.D.P. 30. 10.96 Fuchs (Verl), Katrin SPD 30. 10. 96 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 30. 10. 96 Genscher, Hans Dietrich F.D.P. 30. 10. 96 Glos, Michael CDU/CSU 30. 10. 96 Gysi, Andrea PDS 30. 10. 96 Hanewinckel, Christel SPD 30. 10. 96 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 30. 10. 96 Dr. Hellwig, Renate CDU/CSU 30. 10. 96 Hempelmann, Rolf SPD 30. 10. 96 Dr. Hirsch, Burkhard F.D.P. 30. 10. 96 Ilte Wolfgang SPD 30. 10. 96 Imhof, Barbara SPD 30. 10. 96 Dr. Jacob, Willibald PDS 30. 10. 96 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 30. 10. 96 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 30. 10. 96 Kleinert (Hannover), F.D.P. 30. 10. 96 Detlef Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klose, Hans-Ulrich SPD 30. 10. 96 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 30. 10. 96 Koppelin, Jürgen F.D.P. 30. 10. 96 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 30. 10. 96 Koslowski, Manfred CDU/CSU 30. 10. 96 Krause (Dessau), CDU/CSU 30. 10. 96 Wolfgang Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 30. 10. 96 Lemke, Steffi BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Limbach, Editha CDU/CSU 30. 10. 96 Lühr, Uwe F.D.P. 30. 10. 96 Lummer, Heinrich CDU/CSU 30. 10. 96 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 30. 10. 96 Erich Marx, Dorle SPD 30. 10. 96 Mascher, Ulrike SPD 30. 10. 96 Dr. Meister, Michael CDU/CSU 30. 10. 96 Metzger, Oswald BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Mosdorf, Siegmar SPD 30. 10. 96 Neuhäuser, Rosel PDS 30. 10. 96 Neumann (Berlin), Kurt SPD 30. 10. 96 Pesch, Hans-Wilhelm CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 30. 10. 96 Pretzlaff, Marlies CDU/CSU 30. 10. 96 Purps, Rudolf SPD 30. 10. 96 Rauen, Peter Harald CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Reinartz, Bertold CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Rexrodt, Günter F.D.P. 30. 10. 96 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 30. 10. 96 Erich Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Rühe Volker CDU/CSU 30. 10. 96 Saibold, Halo BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 30. 10. 96 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Scheelen, Bernd SPD 30. 10. 96 Schenk, Christa PDS 30. 10. 96 Schily, Otto SPD 30. 10. 96 Schmalz, Ulrich CDU/CSU 30. 10. 96 Schmidt (Hitzhofen), BÜNDNIS 30. 10. 96 Albert 90/DIE GRÜNEN Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 30. 10. 96 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Dr. Schnell, Emil SPD 30. 10. 96 Dr. Schubert, Mathias SPD 30. 10. 96 Dr. Schuster, R. Werner SPD 30. 10. 96 Simm, Erika SPD 30. 10. 96 Singer, Johannes SPD 30. 10. 96 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Terborg, Margitta SPD 30. 10. 96 Teuchner, Jella SPD 30. 10. 96 Titze-Stecher, Uta SPD 30. 10. 96 Vergin, Siegfried SPD 30. 10. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 30. 10. 96 Karsten D. Dr. Westerwelle, F.D.P. 30. 10. 96 Guido Wissmann, Matthias CDU/CSU 30. 10. 96 Wohlleben, SPD 30.10.96 Verena Zierer, Benno CDU/CSU 30. 10. 96 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Gerhardt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Fischer hat recht: Im Kern geht es um die Kursbestimmung der Politik in Deutschland, und nicht nur um eine Haushaltsfrage.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Nein, es geht um das Überleben einer Splitterpartei!)

    Diejenigen, die Reformen in Deutschland heute verhindern, sitzen auf der linken Seite, und diejenigen, die Reformen wollen, sitzen auf der rechten Seite dieses Hauses.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Lachen bei der SPD)

    Es ist so, als drängten sich in diesen Tage alle Verteidiger der alten Wohlstandsgarantien und alle Besitzstandswahrungsdenker in Deutschland zusammen. Jeder holt einen Balken aus seiner Scheune und verhindert beschäftigungsprogrammatische Impulse, die wir beschlossen haben. Jeder stellt sich gegen Reformen und gegen ein Stückchen mehr eigene Selbstverantwortung. Viele wollen Alters- und Sozialsicherungssysteme garantiert haben, die sich aber als Barriere gegen Beschäftigung entwickeln.
    Herr Scharping, was hat denn Ihre Partei dazu beigetragen, um über mehr Deregulierung zu mehr Beschäftigung in Deutschland zu kommen?

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was habt ihr denn gemacht?)

    Das Armutszeugnis, das Sie sich mit der Ladenschlußdiskussion ausgestellt haben, ist noch in guter Erinnerung.
    Wie reagieren denn Sozialdemokraten und Grüne auf kleinste Schritte der Privatisierung, außer sie zu verzögern und zu behindern? Wie lange haben wir denn im Rahmen der großen Privatisierungsdiskussionen warten müssen, bis Sie entscheidungsfähig waren? Wo ist denn Ihr Beitrag zur Reform der Gesundheitssysteme? Wo ist denn Ihr Beitrag, sich vom alten Denken zu verabschieden und ein Stück programmatischer Reformpolitik einzuleiten?
    Sie mobilisieren all diejenigen in der deutschen Öffentlichkeit, die die Veränderungen nicht wahrhaben wollen, die die Globalisierung der Märkte leugnen, die die Arbeitsbeziehungen in aller Welt wegdenken, obwohl sie Realität sind. Dann richten Sie sich an uns und sagen, wir seien die Schuldigen für die Arbeitslosigkeit. Sie verursachen Löcher in dem Haushalt, die wir zu stopfen haben. Das ist die Situation, die benannt werden muß.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist ja lächerlich!)

    Sie beschließen Ausgabenprogramme via Bundesrat, die wirklich im Gegensatz zu dem Antrag stehen, den Sie uns heute hier zur Beschlußfassung vorlegen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist doch in der Bundesrepublik nicht so, daß die Regierung und die Koalition allein die Verantwortung hat; Sie bestimmen in diesem Land mit. Es gibt aber keinen einzigen Einsparungsvorschlag der Sozialdemokratischen Partei. Ich kenne ausschließlich Vorschläge zur Ausgabensteigerung.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Und dann rufen Sie nach einer Gleichgewichtspolizei. Sie sollten nicht sozusagen in den Haushalt einbrechen und hinterher nach der Polizei rufen. Das können wir Ihnen hier nicht durchgehen lassen.

    (Beifall bei der F.D.P.)


    Dr. Wolfgang Gerhardt
    Sie sind zu Kurskorrekturen in der deutschen Politik, die wir dringlichst brauchen, weil die alte Politik der Dienstleistung und auch die alte Politik der Befriedigung von Interessen nicht mehr trägt, nicht in der Lage.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wer regiert hier eigentlich seit 13 Jahren?} Sie sind zu Kurskorrekturen nicht in der Lage, weil Sie Ihre vielseitigen Bindungen sei es im gewerkschaftlichen Milieu, sei es zu Interessengruppen daran hindern, mutige Entscheidungen zu treffen. Die Koalition muß die notwendigen Entscheidungen treffen, weil sie die Verantwortung hat. Sie reibt sich, und es gibt auch Diskussionen. Aber sie ist als einzige Gruppierung in Deutschland dazu in der Lage. Wir wollen diesen Weg fortzusetzen. (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    (Beifall bei der F.D.P.)

    - Wir haben durchaus einen Rückschlag erlitten, Herr Kollege Fischer; das gestehe ich Ihnen zu. Aber nicht diejenigen beschädigen die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland, die eine Steuersenkung verschieben, sondern die, die zu Entscheidungen zur Steuersenkung gar nicht fähig sind und Ausgaben-programme beschließen, die sie kreditfinanzieren, ohne auf die Seriosität der Haushalte zu achten. Die sitzen aber nicht im Regierungslager.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Josef Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer war das denn? Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wen meinen Sie damit?)

    Wir haben Diskussionen über die Notwendigkeit von Reformen bei den sozialen Sicherungssystemen geführt. Sie wissen genausogut wie ich: Wenn wir die sozialen Systeme heute nicht reformieren, werden wir morgen Arbeitsplätze in Deutschland vernichten, statt neue zu schaffen. Sie sind hinsichtlich der sozialen Sicherungssysteme zu keinem Reformvorschlag in der Lage. Sie bestätigen altes Besitzstandswahrungsdenken, ohne daß Sie jährliche Wachstumsraten zur Verfügung haben, wie wir sie früher hatten. Sie sind nicht zu Reformschritten in der Lage und halten an alten Besitzständen fest, über die wir hinweg müssen, wenn dieses Land Zukunft haben will.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Worüber reden Sie eigentlich? Keine Ahnung!)

    Eine Politik, über die Herr Scharping und Sie hier diskutieren, die sich darauf beschränkt, in der Öffentlichkeit all diejenigen zu mobilisieren, die nicht bereit sind, die Wahrheit und die wirkliche Lage zur Kenntnis zu nehmen, ist in Wahrheit Populismus.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Die F.D.P. und die Wahrheit! Oje!)

    Das muß ich Ihnen vorhalten. Das ist ein Stück Populismus, der den Menschen die Zukunft verbaut.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie haben uns bei allen großen politischen Entscheidungen in der Bundesrepublik Deutschland - auch bei denjenigen, die schwierig und zur Aufstellung von Haushalten notwendig waren - nie gestützt. Sie haben alle schwierigen Entscheidungen, bei denen Sie wußten, wir müssen den Menschen etwas zumuten, konterkariert, uns kritisiert und beschimpft. Sie haben via Bundesrat keinen Beitrag zur Haushaltsstabilisierung geleistet und dürfen deshalb aus dieser Diskussion mit der Position, die Sie hier vortragen, nicht glaubwürdig entlassen werden. Das kann nicht nur im Interesse des Parlaments, sondern auch im Interesse der deutschen Öffentlichkeit so nicht hingenommen werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wenn Sie Haushalte konsolidieren und über das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht sprechen wollen, dann treten Sie bitte hier an dieses Rednerpult und sagen Sie hinsichtlich der großen Subventionsbereiche, ob, wie schnell und mit welcher Zielsetzung Sie sie abbauen wollen. Sagen Sie bei der deutschen Steinkohle bitte ganz klar, mit welcher Zielsetzung Sie bis zum Jahre 2005 welche Absenkung anstreben und wann Sie beginnen wollen. Sagen Sie das nicht nicht nur hier; sagen Sie das auch im Ruhrgebiet - beschimpfen Sie uns nicht dort -, wo wir dann beschimpft werden, weil wir ein Stück alte Struktur verändern wollen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wir können weitere Bereiche diskutieren. Wir entlassen die junge Generation zu spät in das Berufsleben. Das Rentensystem trägt nicht mehr, wenn Arbeitnehmer früher als mit 65 Jahren aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Sagen Sie, was Ihre Alternative ist, wenn Sie uns kritisieren, daß wir eingestehen, die Rente erst wieder mit 65 Jahren in seriöser Weise bezahlen zu können. Treffen Sie in den Ländern bildungspolitische Entscheidungen, die die jungen Menschen früher in die berufliche Wirklichkeit entlassen, statt sie zu lange im Schulsystem festzuhalten. Sie haben dazu nicht den Mut. Das muß hier angesprochen werden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Ich erinnere mich noch daran, wie Sie uns Vorwürfe gemacht haben, als wir seriöserweise feststellen mußten, daß das Rentensystem es jedenfalls nicht mehr finanzieren kann,

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Man hat es euch seit Jahren prophezeit!)

    daß jemand heute so spät in das Berufsleben eintritt und im Alter von 60 Jahren dann die früher gewohnte Rente - die man nun ab 65 erhält - je ausgezahlt bekommt. Sie haben uns deswegen beschimpft.
    Sie haben eher Kosten und Probleme verursacht, als einen mutigen Reformschritt getan. Ihr Vorwurf hinsichtlich des Gesundheitswesens ist die pure Un-

    Dr. Wolfgang Gerhardt
    fähigkeit, bei diesen kollektiven Systemen Entscheidungen zu treffen, damit den Menschen überhaupt transparent wird, was ihnen auf dem Konto abgebucht wird.
    Sie beklagen die geringen Nettolöhne. Sie fordern die Gewerkschaften zu hohen Tarifabschlüssen auf.

    (Zuruf von der SPD: Abkassierer!)

    Sie spreizen zwischen Lohn und Produktivität 20 Prozent. Dann kritisieren Sie uns bei unserer Haushaltskonsolidierung und Politik.

    (Widerspruch bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)

    Nein, Sie haben keine politische Richtung außer der des Festhaltens an Besitzständen und liebgewonnenen Gewohnheiten der Vergangenheit.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir müssen in diesem Herbst bei einer schwierigen finanziellen und wirtschaftlichen Situation ein Stück Kurskorrektur in der Politik in der Bundesrepublik Deutschland vornehmen. Wir geraten an schwierige Stellen. Es wird aber entscheidend darauf ankommen, ob wir die Kraft haben, das durchzustehen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Was denn?)

    - Wenn wir das jetzt aufgeben, werden wir verlieren. Wenn wir jetzt durchhalten, können wir gewinnen.
    Deshalb, Herr Fischer, ist Steuersenkung nichts Beliebiges. In einem Land, das Beschäftigung sichern will, ist die Senkung von Steuern notwendig, um internationale Signale für Investitionen in Deutschland zu senden.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das sagen Sie seit 13 Jahren!)

    Darum geht es. Es geht um Steuersenkung für die Sicherung von Beschäftigung in Deutschland.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Koalition muß mit seriösen Deckungsvorschlägen alles daransetzen, die Steuern so früh wie möglich zu senken - nicht weil es um den Koalitionspartner F.D.P. geht, sondern weil es um Beschäftigung in Deutschland geht. Das ist unser Ziel. Deshalb vertreten wir diese Position.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie wissen genauso wie ich, daß Kapital international mobil ist und daß Arbeit weltweit handelbar ist. Wenn wir darauf nicht mit steuerlichen Instrumenten reagieren, wird diese Mobilität an uns vorbeigehen und zwar zu Lasten der Zukunftschancen der jungen Generation in Deutschland.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Deshalb sage ich zum Abschluß: Im Gegensatz zu Ihnen vertreten wir eine Politik, die die Fähigkeit zu Reformen, auch die Fähigkeit zu Kurskorrekturen und damit ein Stück notwendige Neuorientierung der Politik in Deutschland beinhaltet. Sie befindet sich jetzt in einer schwierigen Situation, aber wir
    müssen es durchstehen, wenn wir der Bundesrepublik Deutschland eine stabile Zukunft geben wollen.

    (Anhaltender Beifall bei der F.D.P. Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat jetzt Dr. Gregor Gysi.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Andrea Lederer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gerhardt, Sie haben soeben verkündet, daß Ihre Fraktion, daß die Koalition für die Reform und den Umbau des Sozialstaates steht. Warum nennen Sie es denn eigentlich nicht beim Namen: Sie stehen für Sozialabbau, nicht für Umbau, sondern für klaren Abbau.

    (Beifall bei der PDS)

    Sie sagen, die Opposition stünde für Besitzstandswahrung, während Sie dagegen vorgehen würden. Ich frage Sie, Herr Gerhardt: Welche Besitzstände meinen Sie denn? Die der Reichen und Vermögenden verändern Sie doch nur zu deren Gunsten. Dort findet doch die Besitzstandswahrung statt, nicht bei den Lohnabhängigen und den sozial Schwachen, denen Sie ständig in die Taschen greifen.

    (Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Indem Sie die Vermögensteuer abschaffen, bedienen Sie sie noch zusätzlich.
    Im übrigen: Steuersenkungen für große Konzerne und für die Reichen haben Sie doch seit 13 Jahren durchgeführt. Wo sind denn die Arbeitsplätze, die dadurch angeblich entstehen? Sie sind nicht entstanden, ganz im Gegenteil.

    (Beifall bei der PDS)

    Wenn Sie sagen, die Jugend komme zu spät auf den Arbeitsmarkt, dann sagen Sie ihr doch erst einmal, woher sie dort einen Arbeitsplatz bekommen soll, wenn Sie die Bildungszeiten verkürzen wollen. Auch auf diese Frage geben Sie keine Antwort.
    Ich denke, daß alle drei Sondersitzungen, die wir erlebt haben, in diesem Sinne einschließlich ihrer Kosten nicht nötig waren. Ich bin auch der Auffassung, daß wir das nächste Woche hätten besprechen können. Vor allen Dingen kann ich kein klares Konzept der SPD als Ziel dieser Debatte erkennen.
    Zum Schluß, Herr Scharping, boten Sie der Regierung lauter Hilfestellungen an, wie man über die Schwierigkeiten hinwegkommen kann. Ich sage, dieser Regierung ist nicht mehr zu helfen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Wir sind für die Menschen da und nicht für die Partei!)

    Sie sollten für einen Wechsel der Regierung kämpfen.

    (Beifall bei der PDS)

    Ich finde allerdings, daß die Koalition heute aufgerufen wäre, doch einmal eine klare Antwort darauf zu geben, wann sie gelogen hat. Am 28. Januar 1996 hat diese Koalition die Kürzung des Solidaritätszuschlages beschlossen, aber nicht gesagt, daß als

    Dr. Gregor Gysi
    Kompensation an die Reduzierung oder, besser gesagt, an die Nichterhöhung des Kindergeldes per 1. Januar 1997 gedacht war. Erst nach dem Wahlkampf am 24. April kam Ihr diesbezüglicher Vorschlag.
    Deshalb gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder lügen Sie jetzt, wenn Sie erklären, wegen der Erhöhung des Kindergeldes muß die Reduzierung des Solidaritätszuschlages entfallen, oder Sie haben am 28. Januar gelogen, indem Sie nicht gleich ehrlich gesagt haben, daß das damit verbunden ist. Sie haben damit Wahlbetrug bei den drei Landtagswahlen begangen.

    (Beifall bei der PDS)

    Natürlich ist der Haushalt 1996, Herr Bundesfinanzminister, verfassungswidrig. Natürlich ist auch der Haushalt 1997 verfassungswidrig. Sie operieren mit Einnahmen durch die Privatisierung der Lufthansa und den Verkauf bundeseigener Wohnungen, obwohl Sie genau wissen, daß sie nicht kommen. Sie lassen Ausgaben aus, von denen Sie genausogut wissen, daß sie kommen werden, nämlich die Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit. Wer das vorher weiß, handelt klar verfassungswidrig. Daher sind beide Haushalte verfassungswidrig.

    (Beifall bei der PDS)

    Deshalb sage ich, weil ja auch Sie dafür sind, daß sich das Bundesamt für Verfassungsschutz um uns kümmert: Wenn dieses Bundesamt seine Aufgabe ernst nähme, würde es endlich anfangen, sich um diese Bundesregierung und die sie tragende Koalition zu kümmern.

    (Beifall bei der PDS)

    Diese Bundesregierung ist erstens nicht mehr in der Lage, einen grundgesetzgemäßen Haushalt vorzulegen. Sie gefährdet zweitens den sozialen Frieden und beginnt, ihn zu zerstören. Sie vertieft drittens die soziale Spaltung, indem sie die sozial Schwachen und Lohnabhängigen immer stärker mit Kürzungen belastet, während die Oberschicht dieser Gesellschaft immer besser bedient wird. Sie gefährdet viertens die soziale und demokratische Verfaßtheit der Bundesrepublik Deutschland, die Rechte der Gewerkschaften und die Tarifautonomie.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Sie ist fünftens außerstande, wirksam gegen Massenarbeitslosigkeit vorzugehen. Sie ist sechstens außerstande, Steuergerechtigkeit herzustellen. Sie ist unfähig, mit dem ökologischen Umbau zu beginnen. Sie ist keine Regierung der Einheit mehr, denn sie vertieft die Spaltung zwischen Ost und West.

    (Beifall bei der PDS)

    Bei alledem verheddert sie sich nun selbst in ihrer Lobbyistenpolitik. Nein, diese Regierung ist am Ende, und dieses Ende sollte man nicht verzögern.

    (Beifall bei der PDS)

    Es war der Bundeskanzler, der nach seiner erfolgreichen Wahl am 25. Mai 1983 folgendes gesagt hat: „Wir dürfen uns nicht an diese Macht gewöhnen. Wir dürfen sie nicht als Privat- oder Parteibesitz behandeln. Wir dürfen schon gar nicht auf dieser Macht ausruhen wollen. "
    Hören Sie auf damit, darauf auszuruhen! Wachen Sie auf, und gehen Sie in die Opposition!

    (Beifall bei der PDS)

    Das erneuert, wie ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen kann.
    Wenn Sie das Ende der Bundesregierung immer weiter verzögern, dann verletzen auch alle diese Bundesminister ihren Amtseid. Sie haben geschworen, Schaden von diesem Volk abzuwenden, organisieren aber ständig neuen Schaden.
    Wenn der Bundeskanzler von seiner Auslandsreise zurückkehrt, wenn er in Indonesien und anderswo aus seiner Sicht genügend Waffen verkauft hat

    (Walter Hirche [F.D.P.]: Eine Frechheit ist das!)

    - da stimme ich Ihnen ausnahmsweise einmal zu: Waffenverkäufe nach Indonesien sind wirklich eine Frechheit -,

    (Beifall bei der PDS)

    dann müßten wir uns schon mit der Frage beschäftigen, wie es in diesem Lande weitergeht.
    Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Sie haben den sozialen Frieden in dieser Gesellschaft gefährdet. Sie haben einen einzigartigen Tarifkonflikt heraufbeschworen. Sie haben die Arbeitgeber dazu verführt, Tarifvertragsbruch in einem Umfange zu begehen, wie er bis dahin in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht bekannt war.

    (Beifall bei der PDS)

    Sie haben die Axt an die Rechte der Gewerkschaften angelegt. Sie wollen eine andere Bundesrepublik Deutschland, eine, in der die Rahmenbedingungen des Grundgesetzes des Jahres 1949 nicht mehr gelten.

    (Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    - Da brauchen Sie gar nicht aufzukreischen. - Wir sind dem Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beigetreten. Jetzt sorgen Sie dafür, daß es nicht mehr gilt und daß die Rahmenbedingungen verletzt werden.

    (Beifall bei der PDS Ingrid MatthäusMaier [SPD]: Ausgerechnet Sie sagen das!)

    Deshalb sage ich Ihnen: Wenn der Bundeskanzler zurückkommt, dann soll er in diesem Parlament die Vertrauensfrage stellen. Wenn Sie noch nach Ihrem Gewissen entscheiden, dann wird er keine Kanzlermehrheit mehr bekommen. Dann ist der Tag gekommen, an dem der Bundespräsident diesen Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzuordnen hat.

    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Das ist ja lächerlich, was Sie erzählen!)

    Das wird sogar höchste Zeit. Sie sind am Ende, und Sie wissen das auch. Ich kenne Regierungen, die nicht wahrhaben wollten, daß sie am Ende sind. Das

    Dr. Gregor Gysi
    wird immer nur schlimmer; das kann ich Ihnen sagen.

    (Beifall bei der PDS)

    Allerdings muß die Opposition dann die Arbeit leisten, eine wirkliche Alternative vorzulegen.

    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Welche Opposition?)

    Sie muß auch die Kraft haben, den Umgang miteinander souverän zu bestimmen und sich nicht von Herrn Hintze bestimmen zu lassen.
    Dann haben wir, glaube ich, eine Alternative, die in dieser Bevölkerung mehrheitsfähig ist. Dann kann mit einer anderen Politik, der Politik des ökologischen Umbaus, der Politik der Gleichstellung, der Politik einer anderen Behandlung von Flüchtlingen und vor allem der Politik der sozialen Gerechtigkeit und der Steuergerechtigkeit in dieser Gesellschaft, begonnen werden.

    (Beifall bei der PDS)