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ID1313300400

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    Plenarprotokoll 13/133 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 133. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 30. Oktober 1996 Inhalt: Tagesordnungspunkt: Antrag der Fraktion der SPD: Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Drucksache 13/5902) . . . 11965 A Rudolf Scharping SPD 11965 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 11968 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11972 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 11975 B Dr. Gregor Gysi PDS 11977 C Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 11979 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 11982 B Dr. Peter Struck SPD 11982 D Dr. Christa Luft PDS 11988 A Nächste Sitzung 11988 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 11989* A 133. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 30. Oktober 1996 Beginn: 14.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Barnett, Doris SPD 30. 10.96 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 30. 10. 96 Beer, Angelika BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Berger, Hans SPD 30. 10. 96 Bierstedt, Wolfgang PDS 30. 10. 96 Bindig, Rudolf SPD 30. 10. 96 Dr. Blank, CDU/CSU 30. 10. 96 Joseph-Theodor Blunck, Lilo SPD 30. 10. 96 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 30. 10. 96 Braune, Tilo SPD 30. 10. 96 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Graf von Einsiedel, PDS 30. 10. 96 Heinrich Eppelmann, Rainer CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 30. 10. 96 Follak, Iris SPD 30. 10. 96 Friedrich, Horst F.D.P. 30. 10.96 Fuchs (Verl), Katrin SPD 30. 10. 96 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 30. 10. 96 Genscher, Hans Dietrich F.D.P. 30. 10. 96 Glos, Michael CDU/CSU 30. 10. 96 Gysi, Andrea PDS 30. 10. 96 Hanewinckel, Christel SPD 30. 10. 96 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 30. 10. 96 Dr. Hellwig, Renate CDU/CSU 30. 10. 96 Hempelmann, Rolf SPD 30. 10. 96 Dr. Hirsch, Burkhard F.D.P. 30. 10. 96 Ilte Wolfgang SPD 30. 10. 96 Imhof, Barbara SPD 30. 10. 96 Dr. Jacob, Willibald PDS 30. 10. 96 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 30. 10. 96 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 30. 10. 96 Kleinert (Hannover), F.D.P. 30. 10. 96 Detlef Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klose, Hans-Ulrich SPD 30. 10. 96 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 30. 10. 96 Koppelin, Jürgen F.D.P. 30. 10. 96 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 30. 10. 96 Koslowski, Manfred CDU/CSU 30. 10. 96 Krause (Dessau), CDU/CSU 30. 10. 96 Wolfgang Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 30. 10. 96 Lemke, Steffi BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Limbach, Editha CDU/CSU 30. 10. 96 Lühr, Uwe F.D.P. 30. 10. 96 Lummer, Heinrich CDU/CSU 30. 10. 96 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 30. 10. 96 Erich Marx, Dorle SPD 30. 10. 96 Mascher, Ulrike SPD 30. 10. 96 Dr. Meister, Michael CDU/CSU 30. 10. 96 Metzger, Oswald BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Mosdorf, Siegmar SPD 30. 10. 96 Neuhäuser, Rosel PDS 30. 10. 96 Neumann (Berlin), Kurt SPD 30. 10. 96 Pesch, Hans-Wilhelm CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 30. 10. 96 Pretzlaff, Marlies CDU/CSU 30. 10. 96 Purps, Rudolf SPD 30. 10. 96 Rauen, Peter Harald CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Reinartz, Bertold CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Rexrodt, Günter F.D.P. 30. 10. 96 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 30. 10. 96 Erich Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Rühe Volker CDU/CSU 30. 10. 96 Saibold, Halo BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 30. 10. 96 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Scheelen, Bernd SPD 30. 10. 96 Schenk, Christa PDS 30. 10. 96 Schily, Otto SPD 30. 10. 96 Schmalz, Ulrich CDU/CSU 30. 10. 96 Schmidt (Hitzhofen), BÜNDNIS 30. 10. 96 Albert 90/DIE GRÜNEN Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 30. 10. 96 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Dr. Schnell, Emil SPD 30. 10. 96 Dr. Schubert, Mathias SPD 30. 10. 96 Dr. Schuster, R. Werner SPD 30. 10. 96 Simm, Erika SPD 30. 10. 96 Singer, Johannes SPD 30. 10. 96 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Terborg, Margitta SPD 30. 10. 96 Teuchner, Jella SPD 30. 10. 96 Titze-Stecher, Uta SPD 30. 10. 96 Vergin, Siegfried SPD 30. 10. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 30. 10. 96 Karsten D. Dr. Westerwelle, F.D.P. 30. 10. 96 Guido Wissmann, Matthias CDU/CSU 30. 10. 96 Wohlleben, SPD 30.10.96 Verena Zierer, Benno CDU/CSU 30. 10. 96 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scharping, alles, was Sie heute hier gesagt haben, hätten Sie am nächsten Dienstag oder Mittwoch genauso sagen können, ohne daß Sie in dieser Zeit etwas verändert hätten, und Sie hätten dann nicht heute, am Weltspartag, dem Steuerzahler eine sechsstellige Zahl zumuten müssen, die er für eine überflüssige Sitzung entrichten muß.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Lachen und Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Übrigens, Herr Kollege Scharping, Sie haben zur Abwesenheit des Bundeskanzlers eine unqualifizierte Bemerkung gemacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie wissen genau, wo er sich aufhält. Sie wissen auch, warum er sich dort aufhält: um dort Aufträge für Arbeitsplätze in Deutschland zu gewinnen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich gehöre diesem Hohen Hause seit 1972 an. Es wäre mir nie eingefallen, bei einer Auslandsreise von Willy Brandt oder von Helmut Schmidt in dieser dümmlichen, unqualifizierten Art und Weise einen Bundeskanzler zu bewerten.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn es stimmt - ich habe das nicht nachgerechnet -, daß Helmut Kohl heute länger im Amt ist als Konrad Adenauer, dann gratulieren wir ihm zu dieser großen Leistung nicht nur der Länge, sondern auch der Qualität seiner Regierungspolitik. Wir sind stolz auf diesen Bundeskanzler.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD)

    - Frau Präsidentin, die Damen und Herren von der Linken sind offensichtlich relativ aufgeregt von ihren Reisen zurückgekommen. Aber das wird uns nicht davon abhalten, an diesem Nachmittag das Notwendige zu sagen. Ich habe ohnehin nicht gewußt, was ich mit diesem Nachmittag sonst anfangen kann, und freue mich, daß ich auf diese Art und Weise zu Ihrer Rolle in der Finanzpolitik etwas sagen kann.
    Es geht Ihnen nicht um die Sache, sonst hätten Sie diese Debatte nächste Woche geführt. Es geht Ihnen um vordergründige Parteitaktik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie mehren damit nicht den Nutzen, vielmehr wird mit dieser Sitzung das Geld des Steuerzahlers zum Fenster hinausgeworfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Es ist eine billige Effekthascherei, wie Sie hier mit viel Polemik versuchen, eine Debatte zu inszenieren, für die es faktisch keine neue Grundlage gibt.
    Anstatt sich konstruktiv mit Sachfragen auseinanderzusetzen, bremsen und blockieren Sie weiter. Sie, Herr Scharping, haben nicht einen einzigen konkreten Vorschlag gemacht, wie die Nettokreditaufnahme des nächsten Jahres verringert werden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben sich den Anweisungen Ihres Parteivorsitzenden, der Sie vor einem Jahr entmachtet hat, gefügt und das Jahressteuergesetz 1997 in wichtigen Teilen blockiert. Sie kritisieren die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und ihre Gegenfinanzierung. Dabei müßten Sie genau wissen, daß im Hearing des Finanzausschusses diese Gegenfinanzierung, auf die wir natürlich auch lieber verzichten würden, von allen, von der Wirtschaft bis hin zum Handwerk, akzeptiert, als richtig empfunden und mitgetragen wird, weil der Wegfall dieser Substanzsteuer für die Betriebe und für die Wirtschaft wichtiger ist als Liquiditätsverschiebungen. Darauf sind Sie nicht eingegangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer an Ihnen scheitert, sind Sie nach 1992 wieder dafür verantwortlich, daß eine wichtige Steuerstrukturreform nicht stattfinden kann, daß diese schlechte Steuer im Osten noch eingeführt werden muß und die Betriebe im Osten zusätzlich mit 500 Millionen DM belastet werden, von denen wir nicht wissen, wie wir ihnen das über die Steuer wiedergeben können. Dies ist der falsche Weg, vor dem Sie auch heute wieder falsches Zeugnis abgelegt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Scharping, Sie und die SPD betreiben ein Doppelspiel: Einerseits bekennen Sie sich zu den Kriterien und zum Fahrplan von Maastricht. Andererseits blockieren Sie durch die Bundesratsmehrheit die notwendige Konsolidierung auf der Ausgabenseite. Das wirkt sich nicht nur negativ auf den Bundeshaushalt - sowohl beim Vollzug 1996 als auch für 1997 - aus, sondern Sie blockieren damit auch die Konsolidierung bei Ländern und Kommunen. Das war beim Sozialhilferecht so, und das ist beim Asylbewerberleistungsgesetz so.
    Sie haben auch eine weiß Gott schmerzliche Einsparung im nächsten Jahr verweigert, nämlich die Erhöhung des Kindergeldes um ein Jahr zu verschieben.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Also doch!)

    Sie wissen, daß dies alles andere als schön für uns war. Sie wissen aber auch ganz genau, daß ein Teil der von Ihnen regierten Länder froh darüber gewesen wäre, wenn sie diese Entlastung für ein Jahr gehabt hätten. Nein, Sie beklagen alles, Sie fordern mehr, und Sie haben nicht einen einzigen Sparvorschlag für 1996 oder 1997 angeboten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Gegenteil. Sie sind für ein höheres Defizit beim Vollzug des Haushalts 1996 verantwortlich.

    (Beifall des Abg. Hans Klein [München] [CDU/CSU] Widerspruch bei der SPD)

    Es ist Ihre Schuld, daß die Nettokreditaufnahme nicht gesenkt werden kann und die Investitionen nicht gesteigert werden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dies hat Ihnen auch der letzte Deutschlandbericht der OECD ganz deutlich ins Stammbuch geschrieben: Die OECD appelliert an den Bundesrat, die Konsolidierung nicht länger zu blockieren. Der Sachverständigenrat hat es ähnlich formuliert.
    Wir haben das Konzept der symmetrischen Finanzpolitik, die die Senkung der Staatsquote als Basis für eine Defizitrückführung und die Senkung der Steuer- und Abgabenlast zur Voraussetzung hat. Wir haben unsere Finanzpolitik langfristig angelegt und dies nicht erst seit gestern.

    (Lachen bei der SPD)

    Dazu gehört die finanzpolitische Bewältigung der deutschen Einheit.
    Offensichtlich ist Ihr Gedächtnis so kurz, daß Sie sich nicht einmal an das erinnern können, was in dem Zusammenhang 1994, 1995 und 1996 allein im Bundeshaushalt erfolgt ist.
    Sie wissen, daß die Transferausgaben für die neuen Länder einen Schwerpunkt im Bundeshaushalt bilden.
    1996 gab es Ausgaben von 90 Milliarden DM im Soll, 1997 gibt es Ausgaben von 81 Milliarden DM auf der Basis des Regierungsentwurfs.

    (Zuruf von der SPD: Das sind die „blühenden Landschaften"!)

    Darin sind allein Investitionszuschüsse in Höhe von jährlich 6,6 Milliarden DM enthalten.
    Sie wissen ganz genau, daß der Bund die Hauptlast der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen getragen hat. Die Übernahme der Erblasten kostet den Bundeshaushalt 1996 25,7 Milliarden und 1997 26,5 Milliarden DM. Wir haben auf sieben Umsatzsteuerpunkte verzichtet. Bundesergänzungszuweisungen zugunsten der neuen Länder kosten 1996 35 Milliarden DM und 1997 36 Milliarden DM.

    (Josef Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und deswegen Steuersenkungen!)

    Darüber hinaus beteiligt sich der Bund mit jährlich rund 3 Milliarden DM am Schuldendienst für den Fonds Deutsche Einheit.
    Wir haben im Bundeshaushalt den Kohlepfennig von 8 Milliarden DM und die Finanzierung der zweiten Stufe der Bahnreform übernommen. Wir haben die Länder 1997 in der Größenordnung von 12 Milliarden DM im Rahmen der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs ausgestattet.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Meine Damen und Herren, das sind riesige Summen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ja und?)

    Das sind riesige Leistungen, die wir in den letzten Jahren erbracht haben und über die Sie nicht hinweggehen können. Es ist billige, primitive Polemik, die Sie hier betreiben, wenn Sie die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie verweigern sich Reformen im Sozialsystem. Sie sind eine Reformverhinderungspartei. Sie verweigern sich den Notwendigkeiten auf den Arbeitsmärkten, obwohl Ihre ausländischen Freunde Ihnen in anderen Ländern ein anderes Beispiel geben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben überhaupt kein Konzept, kein einziges vernünftiges Rezept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorgeschlagen, kein Rezept für mehr Investitionen und nachhaltiges Wachstum. Außer Sprüchen, Herr Scharping, war in Ihrer Rede nichts, aber auch gar nichts enthalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, die Rahmenbedingungen der Finanzpolitik werden derzeit von deutlich geringeren Steuereinnahmen und höheren Arbeitsmarktausgaben geprägt.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Das war vorhersehbar!)

    Die Ursache dafür ist ein deutlich niedrigeres Wachstum als ursprünglich angenommen. Sie haben die Steuerschätzung vom November vergangenen Jahres nicht bestritten, an der schließlich auch Ihre Länder beteiligt sind.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Alle!)

    An diese Steuerschätzungen haben wir uns zu halten, im Bund genauso wie in den Ländern. Ich lasse mir doch von Ihnen keine Manipulationen an Zahlen vorhalten,

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ja, sicher!)

    wo Ihre eigenen Parteifreunde dabeigewesen sind, nach deren Zahlen wir uns zu richten haben. Das ist doch die Wahrheit bei den Prognosen und bei den Steuerschätzungen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Mai dieses Jahres hat der Arbeitskreis Steuerschätzung für den öffentlichen Gesamthaushalt 1997 Steuermindereinnahmen von 66,5 Milliarden DM gegenüber der Schätzung vorn Mai 1995 festgestellt. Auf den Bund entfallen davon rund 30 Milliarden DM.
    Die öffentlichen Haushalte, allen voran der Bund, haben nicht erst 1997 mit Einsparungen auf Zusatzbelastungen im Haushalt reagiert. Seit 1994 haben wir verstärkt disponible Ausgaben im Bundeshaushalt zurückgeführt, 5 Milliarden DM Einsparungen
    durch eine globale Minderausgabe in 1994, vollständige Aufnahme der Mittel für die Kohleverstromung in den Bundeshaushalt in 1996, vollständige Gegenfinanzierung des Familienleistungsausgleichs in der Größenordnung von 6 Milliarden DM in 1996 und weitere 7 Milliarden DM Haushaltseinsparungen im Haushalt 1997 als Teil des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Und steigende Arbeitslosenzahlen!)

    Das Ergebnis allein dieser Einsparungen und Umschichtungen von insgesamt 25 Milliarden DM seit 1994 ist deutlich in den Einzelplänen 1997 abzulesen. Im Regierungsentwurf weisen 15 von 25 Einzelplänen zum Teil deutliche Ausgabenrückgänge gegenüber dem verfügbaren Soll 1996 auf. Nach aktuellem Stand gehen 1997 die Ausgaben um 2,5 Prozent gegenüber dem Plan 1996 zurück.
    Was wollen Sie eigentlich kritisieren? Daß wir sparen oder daß wir an anderer Stelle nicht mehr ausgeben? Wenn Sie mehr ausgeben wollen, dann sagen Sie, wo Sie sparen wollen! Wollen Sie Steuern erhöhen? Wollen Sie Ausgaben senken? Was wollen Sie? Außer Sprüchen ist nichts erkennbar. Das offenbart das ganze Dilemma Ihrer konzeptionslosen Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zwischen 1993 und dem Jahr 2000 beträgt der durchschnittliche Ausgabenzuwachs nur knapp 1 Prozent. Zwischen 1969 und 1982, zur Zeit der SPD-Regierung, betrug diese Rate 8,7 Prozent.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Allein mit unserer symmetrischen Finanzpolitik und einer geringeren Steigerung des öffentlichen Gesamthaushalts im Verhältnis zum nominalen Bruttosozialprodukt entsteht die Chance, Staatsquote, Defizitquote und dann auch Steuern dauerhaft zu senken. Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttosozialprodukt beträgt 12,5 Prozent im Jahre 1997. Das ist ein Tiefstand, den wir zuletzt 1954 hatten.
    Seit 1993 hat die SPD-Mehrheit im Bundesrat ein Entlastungsvolumen des Bundes von rund 6 Milliarden DM, bezogen auf das Jahr 1996, blockiert.
    Schon 1993 wollten wir die Bezugsdauer für Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre begrenzen. Sie haben das blockiert.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Es wäre ja auch falsch gewesen!)

    Allein das macht 4 Milliarden DM aus.
    1995 haben wir das Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz vorgelegt. Statt zum Jahresbeginn 1996 trat es wegen der Blockade der SPD erst zum 1. Juni in Kraft und belastet den Bundeshaushalt mit 1 Milliarde DM.
    Die Mißbrauchsbekämpfung in Form einer stärkeren Vermögenserfassung bei Beziehern von Arbeitslosenhilfe und der Wegfall der originären Arbeitslo-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    senhilfe hätten den Bundeshaushalt nochmals um 1,3 Milliarden DM entlastet.
    Anstatt beim Sozialhilferecht und beim Asylbewerberleistungsgesetz kooperativ zu sein, um damit Länder und Kommunen zu entlasten, haben Sie auch dies verhindert. Sie sind die Blockierer einer wirksameren Konsolidierung, die wir gern hätten und die wir gegen Sie leider nicht stärker durchsetzen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Zum Haushaltsvollzug 1996: Die Experten hatten im letzten Jahr für 1996 noch ein Wachstum von real plus 2,4 vom Hundert und eine durchschnittliche Arbeitslosenzahl von rund 3,5 Millionen angenommen. Nach ursprünglichen Korrekturen auf nur einen dreiviertel Prozentpunkt Wachstum gehen die Schätzungen derzeit von einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts von real 1 bis 1,5 Prozent aus. Für den Arbeitsmarkt werden jedoch für 1996 im Durchschnitt rund 500 000 Arbeitslose mehr erwartet, als im Herbst 1995 angenommen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das kommt doch nicht vom Himmel, sondern durch ihre Politik!)

    Für den Bund bedeutet diese Entwicklung Steuermindereinnahmen von über 14,5 Milliarden DM und unabweisbare Arbeitsmarktmehrausgaben von 12,5 Milliarden DM.
    Bereits im März, vor den Landtagswahlen, habe ich darauf reagiert und eine Haushaltssperre angeordnet, mit der wir 5 Milliarden DM einsparen. Weitere Entlastungen sind durch die Minderabführungen an die EU mit minus 4 Milliarden DM zu erwarten, weniger Zinsen von etwa minus 2,8 Milliarden DM sowie Gewährleistungen bis zu minus 2 Milliarden DM. Dennoch werden diese Entlastungen nicht ausreichen, die für 1996 vorgesehene Nettokreditaufnahme von 59,9 Milliarden DM einzuhalten.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ach, wer's glaubt!)

    Die Steuerschätzung am 7. und 8. November wird - ohne daß ich ihr vorgreifen wollte - für 1996 zusätzliche Mindereinnahmen für Bund und Länder ergeben. Wir müssen und werden darauf rechtzeitig für den Haushalt reagieren. Eines muß klar sein: Als Eckdatum steht, daß die Neuverschuldung 1997 nicht über die 56,5 Milliarden DM hinausgeht, die wir gemeinsam vereinbart haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Dr. Peter Struck [SPD]: Das möchte ich erleben, ob Sie das einhalten!)

    Die Privatisierungserlöse werden in diesem Jahr das veranschlagte Soll von 9 Milliarden DM nicht erreichen. Nur: Den Vorwurf mangelnder Etatreife lasse ich nicht gelten. Das Bundeskabinett hat am 28. November 1995 den Bericht des Bundesfinanzministers „Verringerung von Beteiligungen des Bundes, Fortschreibung 1995" beraten und den darin
    vorgeschlagenen Maßnahmen zugestimmt. Das gilt für Lufthansa, für Tank & Rast und auch für die Postbank.
    Eines ist klar, meine Damen und Herren: Aus heutiger Sicht wird keine der für 1996 geplanten Privatisierungen scheitern. Lediglich der Abschluß wird sich in einigen Fällen um wenige Monate verzögern. Für die Bruttokreditaufnahme und für die Kapitalsituation in Deutschland ist dies unerheblich.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Und für den Haushalt?)

    Nun noch einmal zu Art. 115 des Grundgesetzes: Das Soll der Nettokreditaufnahme lag mit knapp 60 Milliarden DM unter der Summe der Investitionen von rund 66 Milliarden DM. Bei der Haushaltsaufstellung war die Kreditobergrenze des Art. 115 des Grundgesetzes damit eingehalten. Nach überwiegender Auffassung der Haushaltsrechtsexperten - das wissen Sie ganz genau, Herr Scharping - bezieht sich die Kreditobergrenze des Art. 115 des Grundgesetzes auf die Haushaltsaufstellung, nicht auf den Haushaltsvollzug.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Von einem Verstoß gegen die Verfassung kann somit keine Rede sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Es gibt eine ganz einfache Antwort: Herr Scharping, klagen Sie! Sie brauchen das hier gar nicht lautstark auszusprechen. Gehen Sie vor das Bundesverfassungsgericht, klagen Sie! Wir sind jedenfalls davon überzeugt, daß wir korrekt sowie an Hand der verwertbaren und zur Verfügung stehenden Daten nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. Sie wissen ganz genau: Ihr Antrag entbehrt daher jeder sachlichen Grundlage.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Wir haben mit dem Rechnungsprüfungsausschuß und dem Bundesrechnungshof ein Verfahren vereinbart. Die Bundesregierung nimmt bei der Rechnungslegung zu einer Überschreitung der Kreditobergrenze im Haushaltsvollzug Stellung. Wenn im Rahmen des Haushaltsvollzugs wegen einer wesentlich veränderten wirtschaftlichen Lage die Nettokreditaufnahme die Summe der Investitionen übersteigt, so kann dies gemäß Art. 112 des Grundgesetzes sehr wohl zulässig sein. Danach ist es dem Bundesfinanzminister erlaubt, bei unvorhergesehenem und unabweisbarem Bedarf über- bzw. außerplanmäßige Ausgaben zu leisten.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das war aber vorhersehbar!)

    Bei den Leistungen für den Arbeitsmarkt handelt es sich um die Erfüllung von Rechtsverpflichtungen. Für solche überplanmäßigen Leistungen bedarf es gemäß § 37 der Bundeshaushaltsordnung keines Nachtragshaushalts. Sie müssen mir die Frage beantworten: War es nicht richtig, daß ich das überplanmäßig genehmigt habe? Hätten Sie die Ausgaben nicht

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    vollziehen wollen, zu denen wir beim Arbeitslosengeld und bei der Arbeitslosenhilfe verpflichtet sind?

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das war aber vorhersehbar! Karl Diller [SPD]: So ein Unfug! Es ist unglaublich!)

    Art. 110 Abs. 4 des Grundgesetzes und § 18 der Bundeshaushaltsordnung lassen es zu, nicht verbrauchte Kreditermächtigungen des Vorjahres zur Deckung von Ausgaben des laufenden Jahres heranzuziehen. Auch dies ist allgemein üblich. Die Haushaltsordnungen der Länder haben entsprechende Regelungen.
    Meine Damen und Herren, die parlamentarischen Beratungen zum Haushalt 1997 stehen im Zeichen verbesserter Wachstumserwartungen für das Jahr 1997. Die Wachstumsannahmen von real 2,3 vom Hundert vom Frühjahr, von denen wir bisher ausgegangen sind, haben sich als realistisch erwiesen. Die gestern vorgelegten Prognosen der Institute untermauern unsere Einschätzung vom Frühjahr und gehen von 2,5 Prozent realem Wachstum aus.
    Diese Dynamik reicht leider nicht aus, um die Arbeitsmarkt- und Steuereinnahmeprobleme zu lösen. Ich habe schon im September in der Haushaltsdebatte auf Risiken für den Haushalt 1997 hingewiesen. Wir müssen uns auf weitere Steuermindereinnahmen für 1997 einstellen.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Das ist alles vorhersehbar!)

    Für den Regierungsentwurf haben wir Einsparungen bei der Bundesanstalt für Arbeit beschlossen, die das ursprünglich geschätzte Defizit von 8 Milliarden DM ausgeglichen haben. Auf Grund der Einschätzung, der Arbeitsmarkt werde weiterhin schwach sein, ist für 1997 jetzt von einem zusätzlichen Bedarf der Bundesanstalt für Arbeit von 6 Milliarden DM auszugehen.

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    Wir haben darauf reagiert und neben den Einsparungen des Wachstumsprogramms zusätzliche Maßnahmen mit dem Ziel einer Begrenzung des Zuschusses für die Bundesanstalt innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Dennoch wird sich 1997 ein begrenzter Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit nicht vermeiden lassen.

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    Die konjunkturell bedingten Zusatzbelastungen werden zum größten Teil durch entlastende Maßnahmen gedeckt.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wie denn?)

    - Durch die Zinsen, durch die Gewährleistungen, durch Grundstückserlöse, durch Reserven bei der BvS, durch Einnahmen bei der Telekommunikation, durch zusätzliche Privatisierungsmaßnahmen und durch Minderabführungen an die Europäische Union.
    Trotz der Zusatzbelastungen bei den Steuern und auf dem Arbeitsmarkt: Es bleibt bei unserer Zielsetzung, die Nettokreditaufnahme von 56,5 Milliarden DM für 1997 nicht zu erhöhen. Die Schätzung der Forschungsinstitute zum Defizitkriterium von Maastricht ist daher unbegründet. Bei ihrer Schätzung von dreieinhalb Prozent gehen die Institute davon aus, daß der Bund seine Eckwerte 1997 nicht halten könne. Sie können aber das, was wir beschließen, nicht in ihre Rechnung aufnehmen. Wir werden in den nächsten 14 Tagen im Gegenteil beweisen, daß wir die Eckwerte halten können. Wenn auch die Länder ihre Eckwerte verteidigen, wovon ich ausgehe, werden wir das Staatsdefizit auf einen Wert unter 3 Prozent begrenzen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diese überflüssige Debatte beenden! Lassen Sie uns endlich zur vernünftigen Arbeit zurückkehren! Tragen Sie Ihren Teil zur Sanierung, zur Beschäftigung und für mehr Investitionen in Deutschland bei! Sie haben sich bisher Ihrer Aufgabe in den Ländern und im Bundestag verweigert. Sie sind die Blockade für die Zukunft Deutschlands.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Joseph Fischer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joseph Fischer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Direkt aus dem Urlaub, wie?)

    es war schon ziemlich erbärmlich, was Sie heute vor dem Hause abgeliefert haben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Wissen Sie, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, die Opposition blockiere alles, die Opposition sei schuld, dann freut es die Opposition, daß sie so mächtig ist. - Gerne wären wir so mächtig; aber leider ist es nicht so.
    Herr Bundesfinanzminister, so etwas wie Ihren Auftritt gerade eben nennt man eigentlich Angstbeißen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Aus Ratlosigkeit und aus Hilflosigkeit versuchen Sie, auf die Opposition draufzuschlagen. Dabei wissen Sie ganz genau: Ihr Hauptproblem ist nicht die Opposition, Ihr Hauptproblem ist die Handlungsfähigkeit Ihrer eigenen Koalition.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Wenn Sie sich hier 20 Minuten hinstellen und nicht einen Satz zum Herbstgutachten der Wirtschaftsinsti-

    Joseph Fischer (Frankfurt)

    tute, zu diesem Generalverriß Ihrer Politik sagen, dann sagt das mehr als all Ihre vielen Worte.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)

    Wenn Sie im Herbstgutachten von gestern mitgeteilt bekommen, daß Ihre Finanzpolitik ein schlichtes Stolpern von Haushaltsloch zu Haushaltsloch, von Waigel-Loch zu Waigel-Loch ist und wenn Sie das gleichzeitig als symmetrische Finanzpolitik bezeichnen, müssen Sie offenbar schon im Zustand des Vollrausches oder der völligen Entrückung sein.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Die letzten zwei Wochen haben doch eines Marge- macht: Die Standortkrise in diesem Land, über die viel diskutiert wurde, ist vor allem eine politische Krise - eine politische Krise, die aus der Handlungsunfähigkeit der derzeitigen Koalition entsteht.

    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Das hätten Sie wohl gern!)

    - Ich komme gleich noch zur F.D.P., zur Steuersenkungspartei F.D.P. Gedulden Sie sich noch einen Augenblick!
    Wenn die Lage nicht so ernst wäre, könnte man sich eigentlich schieflachen über das, was Sie in den vergangenen 14 Tagen abgezogen haben. Aber Sie verhindern die notwendigen Reformen und setzen die Zukunftsfähigkeit unseres Landes aufs Spiel.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Christa Luft [PDS])

    Schauen Sie doch nur einmal, wie Sie mit der Frage der Abschaffung der Vermögensteuer umgegangen sind, die sozial ein Skandal ist. Unter dem Gesichtspunkt des strukturellen Erneuerungsbedarfs und des Konsolidierungsbedarfs ist diese Frage eigentlich eine Nebensächlichkeit. Zur Gegenfinanzierung der 9,4 Milliarden DM wollten Sie erst das Kindergeld verfassungswidrig nicht erhöhen. Als dies am Widerstand der Opposition, an der „Blokkade", wie Herr Waigel sie nennt, scheiterte, kamen Sie auf die Idee, die Mineralölsteuer zu erhöhen. Nun sage ich Ihnen als Grüner: Es gibt hundert gute Gründe, die Mineralölsteuer zu erhöhen, aber nicht zur Gegenfinanzierung der Abschaffung der Vermögensteuer. Da haben wir eine klare Position.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Als die Mineralölsteuererhöhung, Kollege Schäuble, an den schlichten Überlebensängsten dieser Truppe, Ihres Koalitionspartners F.D.P., gescheitert war, kam man zum Solidaritätszuschlag. Die sozial skandalöse Abschaffung der Vermögensteuer wird also jetzt durch den Griff in die Finanzen des Aufbaus Ost gegenfinanziert.

    (Widerspruch bei der F.D.P.)

    - Hören Sie, Ihr Generalsekretär, der uns heute leider nicht die Ehre gibt - er wird dafür seine Gründe haben -, hat noch am Donnerstag der letzten Sitzungswoche hier eine Rede gehalten, in der er die F.D.P. als Steuersenkungspartei gepriesen hat. Am Freitag morgen seid ihr umgefallen. Das waren nicht einmal 24 Stunden.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Ich kann mich, verehrter Herr Kollege Gerhardt, sehr gut an die Wahlkämpfe in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein erinnern. Die F.D.P. ist - beim Barte des Solms - wie mit einer Monstranz mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags, die wir immer für unverantwortlich und falsch gehalten haben, herumgelaufen. Ich sage Ihnen: Den Vorwurf, daß es sich dabei um Wahlbetrug und bei Ihnen um Wahlbetrüger handelt, den müssen Sie sich gefallen lassen, seitdem Sie in dieser Frage eingeknickt sind.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Kollege Scharping hat es schon erwähnt: Daß Sie eine Steuersenkungspartei seien, ist nur eine Mär. Seit 1991 sind Steuererhöhungen von insgesamt 100 Milliarden DM eingetreten. Jetzt wurde noch einmal die Grunderwerbsteuer um 3,4 Milliarden DM erhöht. Das ist die Realität.
    Meine Damen und Herren, das ist nur ein Beispiel für die Handlungsunfähigkeit dieser Regierung. Ich meine, gegenwärtig reicht es völlig aus, wenn man konservative Zeitungen liest. Man könnte hier eigentlich eine Rede nur mit Zitaten aus konservativen Zeitungen oder aus Interviews, in denen die lieben Koalitionäre übereinander herziehen, halten. Herr Waigel, wie Graf Lambsdorff und andere Liberale Sie klassifizieren, klassifiziert Sie maximal noch Herr Stoiber, aber kein Grüner und kein Roter. Das muß man doch einmal ganz einfach sagen. So etwas haben wir über Sie noch nicht gesagt.

    (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wie ist der Zustand der Republik auf dem Hintergrund dieser Handlungsunfähigkeit? Was lese ich heute in der „FAZ", dem Zentralorgan von Rot-Grün?

    (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Spitzen Sie jetzt einmal die zarten Öhrchen, Herr Bundesfinanzminister! Dort lese ich:
    Wendezeit
    Die Folgen der Entschlußlosigkeit und des Populismus sind nun zu besichtigen: die Wirtschaft im Westen Deutschlands knickt unter der Last der Ostsanierung zusammen; der Osten entwickelt sich derweil zum teuersten Wirtschaftsdesaster der Nachkriegsära; Deutschland bleibt ein Hochsteuerland mit Massenarbeitslosigkeit und ohne

    Joseph Fischer (Frankfurt)

    Beitrittsberechtigung zur Währungsunion. Man muß nicht Ökonom sein, um zu begreifen, daß hier alles schiefläuft, was irgend schieflaufen kann.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    - Sie dürfen zur „FAZ" ruhig einmal klatschen; sie hat es in diesem Fall verdient.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

    Ich fahre fort:
    Die Feststellung, ausgerechnet diese Koalition biete die schlechteste Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte, ist vom Kanzler hochfahrend mit Fiktionen beantwortet worden: Aufschwung Ost, Währungsunion.
    Das ist die Realität heute in Deutschland, die Sie zu verantworten haben - nicht die Opposition, meine Damen und Herren von der Koalition.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit. Wir bekommen die Überschuldung der Haushalte nicht in den Griff. Auf Grund dessen, daß Sie die deutsche Einheit schuldenfinanziert haben, sitzen wir heute in der Zinsfalle.

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Mit den niedrigsten Zinsen seit Jahren!)

    Auf Grund dessen, daß Sie die deutsche Einheit über eine Belastung der Sozialversicherungsträger finanziert haben, haben wir heute unverantwortlich hohe Lohnnebenkosten, die eine wesentliche Ursache für die Massenarbeitslosigkeit in diesem Lande sind.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Sie sollten jetzt darauf setzen, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Sie sollten ihnen klipp und klar sagen - ich weiß, viele Kolleginnen und Kollegen aus der Union und auch Kollegen aus der Bundesregierung, die der Union angehören, sagen das hinter vorgehaltener Hand ganz genauso -: In der gegenwärtigen Situation gibt es keinen Spielraum für Steuersenkungen. Das ist gegenwärtig nicht drin.
    Wir können allerdings mehr Steuergerechtigkeit herbeiführen,

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)

    und das wird bei einzelnen, oder bei sozial benachteiligten Gruppen dann zu Steuersenkungen führen. Aber volkswirtschaftlich - insgesamt gesehen - gibt es angesichts der Doppelkrise von Globalisierung und deutscher Einheit keine Möglichkeit, die Steuern zu senken, es sei denn, man setzt als kleine Partei die eigenen Überlebensinteressen höher als die Interessen unseres Landes, und das tut die F.D.P.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)

    Meine Damen und Herren, Höhepunkt des Ganzen soll - unter ästhetischen, nicht unter politischen Gesichtspunkten freue ich mich darauf ja schon - die Steuerreform sein. Das wird ein Schlachtfest werden, wenn ihr die Steuerreform anpackt. Ich versuche, mir konkret vorzustellen, wie die Interessen in der Koalition dann zum Tanzen kommen und was dann los ist. Wenn ihr schon bei einer Deckungslücke von 9,4 Milliarden DM solche Probleme miteinander bekommt, dann, Herr Gerhardt, wird die F.D.P. entweder zur Dauerumfalleinrichtung, oder Sie werden - wenn Sie Ihre eigene Position ernst nehmen - diese Koalition am Ende doch noch verlassen müssen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Das werden wir hier noch alles erleben.
    Nein, in diesem Land sind strukturelle Reformen notwendig. Eine dieser strukturellen Reformen ist, daß wir endlich mit einer Steuerreform ernst machen, die soziale Gerechtigkeit, die Transparenz schafft. Ich sage allerdings für uns klipp und klar: Diese soziale Sauerei, daß eine Senkung der Einkommensteuertarife über eine Mehrwertsteuererhöhung gegenfinanziert wird, darf es nicht geben. Wenn Sie das so anpacken, wird Ihnen dieses Thema 1998 um die Ohren fliegen. Das wage ich Ihnen schon heute zu prophezeien.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Wir müssen endlich eine ökologische Steuereform einführen. Nachdem Sie, Herr Waigel, mit dem Bareis-Gutachten solche Probleme hatten und unter dem „Druck der Verhältnisse" zu neuen Erkenntnissen kamen: Begreifen Sie doch endlich einmal, daß eine ökologische Steuerreform nicht nur eine Chance für die Umwelt, sondern - durch das Eröffnen neuer Märkte und die Entlastung bei den Lohnnebenkosten - vor allen Dingen auch für die Schaffung neuer Arbeitsplätze bietet.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

    Hier im Hause haben Sie sofort eine Mehrheit für einen substantiellen Beginn einer ökologischen Steuerreform. Damit werden wir mehr für die Entlastung der Haushalte, mehr für die Entlastung der Arbeitsmärkte tun, als dies bei dem Tohuwabohu, das gegenwärtig bei der Koalition abläuft, der Fall sein wird.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

    Deshalb: Es darf nicht wahr sein, daß die Zukunft dieses Landes an den parteipolitischen Überlebensinteressen der F.D.P. hängt. Das kann nicht sein!

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Dadurch bekommen Sie von der Union ein riesiges Problem. Sie wissen so gut wie ich, daß die Zeit des Nichthandelns zu Ende geht. Die Opposition hat es Ihnen immer wieder prophezeit: Die Stunde in dieser

    Joseph Fischer (Frankfurt)

    Legislaturperiode, mit der das Aussitzen zu Ende geht, naht.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sie ist schon da!)

    Jetzt muß gehandelt werden. In einer Zeit radikal defizitärer Haushalte, in einer Zeit der Notwendigkeit der Beachtung der Maastricht-Kriterien, in einer Zeit von Massenarbeitslosigkeit, von mehr als vier Millionen Arbeitslosen, in einer Zeit allgemeiner Innovationsschwäche setzt diese Einsicht nicht Populismus voraus - nach der Devise: „Wählt uns, wir senken die Steuern! " -, sondern entschlossenes Handeln bei der Umsetzung der Interessen dieses Landes. Das heißt auch, daß man den Menschen sagt, daß auf absehbare Zeit eine Senkung der Steuerlast insgesamt nicht drin sein wird: mehr Steuergerechtigkeit, aber keine Senkung der Steuerlast. Das wissen Sie von der Union ganz genau.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Sie wissen auch, daß Sie jetzt am Barte von Solms oder am Schopf von Gerhardt hängen, weil richtig ist, was Lambsdorff sehr klar gesagt hat: Wenn es Steuererhöhungen gibt, ist die F.D.P. tot. Nur, es darf doch nicht wahr sein, daß die Reformfähigkeit, daß die Veränderungsnotwendigkeit in diesem Land am Schicksal einer kleinen Partei und ihrem Überlebensinteresse als Dauerregierungspartei hängt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

    Herr Kollege Waigel, das ist das eigentliche Problem, mit dem wir es hier zu tun haben. Anstatt entschlossen Reformen anzupacken, was Sie in dieser Koalition nicht mehr hinbekommen, hangeln Sie sich von einer Notlösung zur anderen, von einem Loch zum nächsten; doch die Löcher werden immer tiefer werden.
    Wir brauchen eine ökologische und soziale Erneuerung, mehr Innovation in diesem Land. Wir müssen die Menschen endlich mit der Wahrheit konfrontieren und mit einer Politik Schluß machen, die auf steuerpolitischen Lügen aufgebaut ist.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)