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ID1313300200

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    Plenarprotokoll 13/133 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 133. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 30. Oktober 1996 Inhalt: Tagesordnungspunkt: Antrag der Fraktion der SPD: Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Drucksache 13/5902) . . . 11965 A Rudolf Scharping SPD 11965 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 11968 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11972 C Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 11975 B Dr. Gregor Gysi PDS 11977 C Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 11979 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 11982 B Dr. Peter Struck SPD 11982 D Dr. Christa Luft PDS 11988 A Nächste Sitzung 11988 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 11989* A 133. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 30. Oktober 1996 Beginn: 14.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Barnett, Doris SPD 30. 10.96 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 30. 10. 96 Beer, Angelika BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Berger, Hans SPD 30. 10. 96 Bierstedt, Wolfgang PDS 30. 10. 96 Bindig, Rudolf SPD 30. 10. 96 Dr. Blank, CDU/CSU 30. 10. 96 Joseph-Theodor Blunck, Lilo SPD 30. 10. 96 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 30. 10. 96 Braune, Tilo SPD 30. 10. 96 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Dregger, Alfred CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Graf von Einsiedel, PDS 30. 10. 96 Heinrich Eppelmann, Rainer CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Feldmann, Olaf F.D.P. 30. 10. 96 Follak, Iris SPD 30. 10. 96 Friedrich, Horst F.D.P. 30. 10.96 Fuchs (Verl), Katrin SPD 30. 10. 96 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 30. 10. 96 Genscher, Hans Dietrich F.D.P. 30. 10. 96 Glos, Michael CDU/CSU 30. 10. 96 Gysi, Andrea PDS 30. 10. 96 Hanewinckel, Christel SPD 30. 10. 96 Dr. Haussmann, Helmut F.D.P. 30. 10. 96 Dr. Hellwig, Renate CDU/CSU 30. 10. 96 Hempelmann, Rolf SPD 30. 10. 96 Dr. Hirsch, Burkhard F.D.P. 30. 10. 96 Ilte Wolfgang SPD 30. 10. 96 Imhof, Barbara SPD 30. 10. 96 Dr. Jacob, Willibald PDS 30. 10. 96 Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 30. 10. 96 Jung (Limburg), Michael CDU/CSU 30. 10. 96 Kleinert (Hannover), F.D.P. 30. 10. 96 Detlef Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klose, Hans-Ulrich SPD 30. 10. 96 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 30. 10. 96 Koppelin, Jürgen F.D.P. 30. 10. 96 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 30. 10. 96 Koslowski, Manfred CDU/CSU 30. 10. 96 Krause (Dessau), CDU/CSU 30. 10. 96 Wolfgang Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 30. 10. 96 Lemke, Steffi BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Lengsfeld, Vera BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Limbach, Editha CDU/CSU 30. 10. 96 Lühr, Uwe F.D.P. 30. 10. 96 Lummer, Heinrich CDU/CSU 30. 10. 96 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 30. 10. 96 Erich Marx, Dorle SPD 30. 10. 96 Mascher, Ulrike SPD 30. 10. 96 Dr. Meister, Michael CDU/CSU 30. 10. 96 Metzger, Oswald BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Mosdorf, Siegmar SPD 30. 10. 96 Neuhäuser, Rosel PDS 30. 10. 96 Neumann (Berlin), Kurt SPD 30. 10. 96 Pesch, Hans-Wilhelm CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 30. 10. 96 Pretzlaff, Marlies CDU/CSU 30. 10. 96 Purps, Rudolf SPD 30. 10. 96 Rauen, Peter Harald CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Reinartz, Bertold CDU/CSU 30. 10. 96 Dr. Rexrodt, Günter F.D.P. 30. 10. 96 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 30. 10. 96 Erich Dr. Rochlitz, Jürgen BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Rühe Volker CDU/CSU 30. 10. 96 Saibold, Halo BÜNDNIS 30. 10. 96 90/DIE GRÜNEN Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 30. 10. 96 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Scheelen, Bernd SPD 30. 10. 96 Schenk, Christa PDS 30. 10. 96 Schily, Otto SPD 30. 10. 96 Schmalz, Ulrich CDU/CSU 30. 10. 96 Schmidt (Hitzhofen), BÜNDNIS 30. 10. 96 Albert 90/DIE GRÜNEN Schmitt (Langenfeld), BÜNDNIS 30. 10. 96 Wolfgang 90/DIE GRÜNEN Dr. Schnell, Emil SPD 30. 10. 96 Dr. Schubert, Mathias SPD 30. 10. 96 Dr. Schuster, R. Werner SPD 30. 10. 96 Simm, Erika SPD 30. 10. 96 Singer, Johannes SPD 30. 10. 96 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Terborg, Margitta SPD 30. 10. 96 Teuchner, Jella SPD 30. 10. 96 Titze-Stecher, Uta SPD 30. 10. 96 Vergin, Siegfried SPD 30. 10. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 30. 10. 96 Karsten D. Dr. Westerwelle, F.D.P. 30. 10. 96 Guido Wissmann, Matthias CDU/CSU 30. 10. 96 Wohlleben, SPD 30.10.96 Verena Zierer, Benno CDU/CSU 30. 10. 96 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Rudolf Scharping


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Land befindet sich in einer besonders schwierigen Situation.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Haushalte des Bundes waren 1983, 1988, 1990 und 1993 in dem Sinne verfassungswidrig, daß die Ausgaben für Investitionen unter der Kreditaufnahme lagen. Dies droht auch für das Jahr 1996.
    Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in Deutschland ist gestört. Wir beantragen diese Feststellung vor allen Dingen deshalb, weil schon zum 30. September dieses Jahres die Finanzierungssalden des Bundes mit 64,8 Milliarden DM um rund 5 Milliarden DM stärker negativ ausfallen, als dies im Haushaltsgesetz vorgesehen ist.
    Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht kann nur erreicht werden, wenn endlich etwas gegen die Arbeitslosigkeit getan wird.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Es kann nur erreicht werden, wenn die Investitionen des Bundes auf einem höheren Stand bleiben als die Schuldenaufnahme. Es kann nur erreicht werden, wenn die Steuern gerechter und wirtschaftlich vernünftiger erhoben werden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Es kann nur erreicht werden, wenn die Lohnnebenkosten endlich sinken, anstatt über sie faktisch eine doppelte Besteuerung der Produktion vorzunehmen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Es kann nur erreicht werden, wenn junge Menschen wieder ermutigt werden. Dafür ist die erste Voraussetzung, jedem jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu garantieren.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Christa Luft [PDS])

    Gleichgewicht in Deutschland kann nur erreicht werden, wenn die Situation der Familien und der Kinder wirksam verbessert wird, anstatt sie zur Arabeske der künftigen Entwicklung zu machen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Nach Art. 110 des Grundgesetzes ist die Bundesregierung verpflichtet, alle zu erwartenden und absehbaren Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsplan zu veranschlagen. Das ist mit dem Haushaltsplan 1996 nicht geschehen.
    Nach Art. 115 des Grundgesetzes ist die Bundesregierung verpflichtet, die Schuldenaufnahme unter der Summe der Investitionen zu halten; es sei denn, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist gestört.

    Rudolf Scharping
    Diese Feststellung obliegt ausschließlich dem Deutschen Bundestag. Wir beantragen diese Feststellung deshalb, weil hier entschieden werden muß, daß es angesichts einer verhängnisvollen, die Menschen belastenden Politik endlich zu einer Wende kommen muß.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    In der Bundestagssitzung am 18. Oktober dieses Jahres hat die Koalition jede Debatte über ihre Steuerpolitik verweigert. Angesichts der Zahlen, die Ende September erreicht wurden, wird das erklärbar, aber nicht verständlich. An keinem anderen Ort in Deutschland außer im Deutschen Bundestag kann die Konsequenz aus einer verfehlten Politik gezogen werden. Man kann es auch nicht einem Interviewkrieg der Koalitionäre überlassen, wie die Politik in Deutschland zu gestalten und zu korrigieren ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Nach der Vorlage des Herbstgutachtens der Wirtschaftsinstitute kann man damit rechnen, daß ein geringfügig stärkeres wirtschaftliches Wachstum im Jahre 1997 erreicht wird. Man muß aber gleichzeitig befürchten, daß die Arbeitslosigkeit erneut anwachsen wird. Man muß befürchten, daß im Osten Deutschlands das Wirtschaftswachstum weit hinter den Erfordernissen zurückbleibt. Man muß befürchten, daß Ihre Politik erneut in einen verfassungswidrigen Haushalt führt. Die erschreckend hohe Zahl von arbeitslosen Bürgerinnen und Bürgern, das Chaos Ihrer Finanzpolitik, die Haushalte 1996 und 1997 sind schon heute Symbole einer unmäßigen Belastung der Bevölkerung. Korrigieren Sie endlich diese Politik!

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Statt einer konzeptionell klaren und wirksamen Politik wird uns Chaos geboten, statt Finanzpolitik Buchhaltung, statt Wirtschaftspolitik soziale Demontage, statt eines konzeptionellen Vorgehens interner Streit der Koalition, statt der dringend notwendigen Verläßlichkeit für die sozialen Beziehungen und die investierende Wirtschaft ein rüdes Hin und Her innerhalb der Koalition.
    Die Ausgaben des Bundes lagen am 30. September 1996 bei einem negativen Finanzierungssaldo von 64,8 Milliarden DM. Im Jahre 1996 werden fast 8 Millionen Menschen in Deutschland die Erfahrung der Arbeitslosigkeit machen. Anstatt einer Regierung, die konzeptionell und klar etwas für die Zukunft ihres Landes, seine wirtschaftliche Stärke und seinen sozialen Zusammenhalt tut, haben wir eine Regierung, deren Mitgliedern es nur noch wichtig erscheint, dem anderen per Interviews etwas ins Gesicht zu schlagen, anstatt etwas für die Zukunft des Landes zu tun.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben eine Regierung, in der der Verstoß gegen die Verfassung zur Regel zu werden droht.

    (Peter Hintze [CDU/CSU]: Na! Na!)

    Wir haben eine Regierung, in der das Lügen und das Hinters-Licht-Führen zur Übung geworden ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS Lebhafte Pfuirufe bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben 1990 behauptet, es werde keine Steuererhöhungen geben. Tatsächlich haben Sie jährlich mit erhöhten Steuern in Höhe von 116 Milliarden DM zugelangt. Das war der größte Steuerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie haben 1995 erst nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichtes dafür gesorgt, daß das Existenzminimum steuerfrei gestellt wird, und hatten dafür einen Buckel vorgesehen, der erst durch massive öffentliche und parlamentarische Kritik vermieden werden konnte.
    Sie haben anstatt verläßlicher und klarer Politik 1989 die Quellensteuer abgeschafft und 1992 eine unwirksame Zinsabschlagsteuer eingeführt.
    Sie haben 1991 den Solidaritätszuschlag eingeführt, ihn 1992 abgeschafft, ihn 1995 wieder eingeführt und streiten jetzt darüber, ob er 1998 um 1 oder 2 Prozentpunkte sinken soll.

    (Hans Klein [München] [CDU/CSU]: Sie haben alles blockiert! Sie blockieren seit Jahr und Tag!)

    Sie wollten die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen zur Finanzierung von Gewerbebetrieben durchsetzen und sind erst durch die Opposition im Bundestag daran gehindert worden.
    Sie wollten verhindern, daß die Familien wirksam entlastet werden und haben erst nach starkem öffentlichen und parlamentarischen Druck ein einheitliches Kindergeld mit Abzug von der Steuerschuld ermöglicht.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie haben in der Finanzierung des Wohnungsbaus ein ständiges Hin und Her zu verantworten.
    Sie sind mit der Harmonisierung der Zinsbesteuerung in der Europäischen Union gescheitert.
    Sie haben die Mineralölsteuer zu einem dauerhaften Griff in die Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger mißbraucht, anstatt etwas für die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu tun.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie haben allein die Steuerbelastung bei unverbleitem Benzin von 54,7 auf 112,7 Pfennig gesteigert. Sie

    Rudolf Scharping
    sind mit einer ökologisch verträglichen Reform der Besteuerung von Kraftfahrzeugen gescheitert.

    (Hans Klein [München] [CDU/CSU]: Blödsinn!)

    Sie sind erst durch das Bundesverfassungsgericht gezwungen worden, das Kindergeld an das Existenzminimum der Kinder anzupassen. Sie sind erst durch das Bundesverfassungsgericht gezwungen worden, das Existenzminimum der Bürger von Steuern freizustellen. Sie sind erst durch das Bundesverfassungsgericht gezwungen worden, die Zinseinkünfte und die Einkünfte anderer Art steuerlich gleichzubehandeln.
    Sie stellen eine Regierung, die mit steuerlichem Hin und Her massive Ungerechtigkeiten und zugleich eine erhebliche Verunsicherung der Investoren in Deutschland und damit eine massive Belastung der Arbeitsmärkte und der wirtschaftlichen Entwicklung bewirkt hat. Sie sind eine Koalition des Chaos und des Streites, aber keine Koalition für die Zukunft dieses Landes.

    (Beifall bei der SPD, sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Der Streit, den Sie in den vergangenen Wochen geführt haben, macht es überdeutlich. Wenn es überhaupt eines Zeugen aus den Reihen der Koalition für meine Feststellungen bedarf, könnte ich Ihnen die Aussagen Dutzender aus der letzten Woche zitieren. Ich zitiere sinngemäß nur einen, der forderte, daß Sie endlich beginnen, Haushaltsentwürfe vorzulegen, bei denen man nicht schon bei der Vorlage weiß oder ahnt: Das kann nicht stimmen. Betreiben Sie endlich eine Haushaltspolitik, die mittelfristige Orientierung gibt, anstatt von hektischem Aktionismus geprägt zu sein, eine Politik, die Vertrauen gewinnt, statt es zu verspielen, eine Politik, über die kein Mitglied Ihrer Koalition sagen kann: Das Urteil fällt grausam aus.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Diese Politik liegt ausschließlich in der Verantwortung der Bundesregierung und folglich ausschließlich in der Verantwortung des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland. Wenn das Hauptbuch der Nation gefälscht wird, dann können die privaten Bilanzen weder der Wirtschaftsunternehmen noch der Haushalte in Ordnung bleiben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn der Bundeskanzler angesichts dieser Situation sagt, er stehe nicht unter Erklärungszwang, dann ist das für seine Politik und sein Verständnis vom Parlament bezeichnend. Wenn der Chef des Bundeskanzleramtes die Wahrnehmung parlamentarischer Rechte, die Tatsache, daß ein verfassungswidriger Haushalt konstatiert werden muß und daß eine Wende in der deutschen Politik eingefordert werden muß, und diese parlamentarische Debatte zu einer lächerlichen Schauveranstaltung erklärt,

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    offenbart das etwas vom Verständnis dieser Regierung in bezug auf die parlamentarische Debatte. Daß Sie in der Lage sind, die notwendige Erörterung eines verfassungswidrigen Haushaltes im Deutschen Bundestag auch noch mit Beifall für diese gegenüber dem Parlament ungezogene Bemerkung zu quittieren, offenbart auch Ihr Verständnis vom Parlament.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wo eigentlich, wenn nicht hier im Deutschen Bundestag, soll wenigstens der eine Teil des Vorwurfes ausgeräumt werden? Wo, wenn nicht im Deutschen Bundestag, soll denn debattiert werden, was Ihre Politik in Deutschland anrichtet? Wo, wenn nicht hier, soll denn debattiert werden, wie eine Wende in der Politik Deutschlands aussehen könnte?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    In jeder selbstbewußten parlamentarischen Demokratie würde sich das ganze Parlament gegen eine solche Bemerkung von den Mitgliedern jener Regierung wehren, die einen verfassungswidrigen Haushalt zu verantworten hat.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    In jeder selbstbewußten Demokratie würde eine Koalition, anstatt die Debatte in den Zeitungen auszutragen, wenigstens den Mut haben, dieses Parlament eben nicht zu jener Schauveranstaltung verkommen zu lassen, zu der Sie offenkundig entschlossen sind nach der Methode: Die Politik findet woanders statt. Sie findet aber hier im deutschen Parlament statt. Hier wird auf der Grundlage streitiger Debatten entschieden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Sie haben bei der Haushaltsberatung 1995 die Risiken geleugnet. Sie haben noch bei der Verabschiedung des Haushaltes gesagt, die Äußerungen von Frau Matthäus-Maier, von meinem Kollegen Karl Diller und von vielen anderen seien bloße Kassandrarufe. Heute stellt sich heraus: Die einzigen Realisten in diesem Deutschen Bundestag waren die Vertreter der Opposition, nicht die Vertreter der Regierung und nicht die Vertreter der Regierungskoalition.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Sie haben auf die Täuschbarkeit der Wählerinnen und Wähler gesetzt. Mit dem Solidaritätszuschlag, Ihrer Haushaltspolitik und Ihrer Finanz- und Wirtschaftspolitik setzen Sie erneut auf die Täuschbarkeit der Wählerinnen und Wähler. Das ist einer Demokratie unwürdig. Was Sie tun, ist einer parlamentarischen Demokratie unwürdig.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


    Rudolf Scharping
    Sie haben die Risiken geleugnet. Jetzt steht Herr Waigel als der Blamierte dar, und die F.D.P. besitzt die Frechheit, auf ihn einzuprügeln, damit nur ja nicht deutlich wird, daß die F.D.P. bei dem Desaster die treibende Kraft gewesen ist.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Das alles ist die Politik des Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl. Wo immer er heute, an diesem Tag, in dieser Stunde sein mag:

    (Zurufe von der CDU/CSU: Pfui!)

    Er wird in diesem Bundestag für seine Politik und für das Scheitern einer Politik, die einmal geistig-moralische Wende sein wollte, Rede und Antwort stehen müssen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    So, wie wir es Ihnen im Januar, im Februar, im März und mehrfach danach angeboten haben, so bieten wir Ihnen auch heute an, die wirtschaftliche Kraft unseres Landes zu steigern, Existenzgründer zu ermutigen,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    technischen Fortschritt voranzubringen und das Land durchgreifend zu modernisieren, anstatt sozialen Abbau und schlichte Demontage zu betreiben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wir bieten Ihnen erneut an, Bürokratie abzubauen und dafür einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst zu entwickeln, die Motivation und die Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu nutzen, anstatt so halbherzig an die Modernisierung des Staates und seiner Tätigkeit heranzugehen, wie Sie das tun.
    Wir bieten Ihnen erneut an, das Steuerrecht zum 1. Januar 1998 zu reformieren, damit es in Deutschland wirtschaftlich besser und sozial gerechter zugeht.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Bundesregierung hat mit ihrer Tätigkeit, mit der Vorlage und der Abwicklung des Haushaltes 1996, mit der Vorlage des Haushaltes 1997, durch das ständige Hin und Her in ihrer eigenen Steuerpolitik und die massiven Ungerechtigkeiten im sozialen Bereich jeden Kredit verspielt. Wahrscheinlich ist das die Grundlage dafür, daß Sie immer mehr Kredite aufnehmen müssen, anstatt Vertrauen und Investitionen für die Zukunft unseres Landes anzusammeln.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der SPD Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theodor Waigel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scharping, alles, was Sie heute hier gesagt haben, hätten Sie am nächsten Dienstag oder Mittwoch genauso sagen können, ohne daß Sie in dieser Zeit etwas verändert hätten, und Sie hätten dann nicht heute, am Weltspartag, dem Steuerzahler eine sechsstellige Zahl zumuten müssen, die er für eine überflüssige Sitzung entrichten muß.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Lachen und Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Übrigens, Herr Kollege Scharping, Sie haben zur Abwesenheit des Bundeskanzlers eine unqualifizierte Bemerkung gemacht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie wissen genau, wo er sich aufhält. Sie wissen auch, warum er sich dort aufhält: um dort Aufträge für Arbeitsplätze in Deutschland zu gewinnen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich gehöre diesem Hohen Hause seit 1972 an. Es wäre mir nie eingefallen, bei einer Auslandsreise von Willy Brandt oder von Helmut Schmidt in dieser dümmlichen, unqualifizierten Art und Weise einen Bundeskanzler zu bewerten.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn es stimmt - ich habe das nicht nachgerechnet -, daß Helmut Kohl heute länger im Amt ist als Konrad Adenauer, dann gratulieren wir ihm zu dieser großen Leistung nicht nur der Länge, sondern auch der Qualität seiner Regierungspolitik. Wir sind stolz auf diesen Bundeskanzler.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD)

    - Frau Präsidentin, die Damen und Herren von der Linken sind offensichtlich relativ aufgeregt von ihren Reisen zurückgekommen. Aber das wird uns nicht davon abhalten, an diesem Nachmittag das Notwendige zu sagen. Ich habe ohnehin nicht gewußt, was ich mit diesem Nachmittag sonst anfangen kann, und freue mich, daß ich auf diese Art und Weise zu Ihrer Rolle in der Finanzpolitik etwas sagen kann.
    Es geht Ihnen nicht um die Sache, sonst hätten Sie diese Debatte nächste Woche geführt. Es geht Ihnen um vordergründige Parteitaktik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie mehren damit nicht den Nutzen, vielmehr wird mit dieser Sitzung das Geld des Steuerzahlers zum Fenster hinausgeworfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD)


    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Es ist eine billige Effekthascherei, wie Sie hier mit viel Polemik versuchen, eine Debatte zu inszenieren, für die es faktisch keine neue Grundlage gibt.
    Anstatt sich konstruktiv mit Sachfragen auseinanderzusetzen, bremsen und blockieren Sie weiter. Sie, Herr Scharping, haben nicht einen einzigen konkreten Vorschlag gemacht, wie die Nettokreditaufnahme des nächsten Jahres verringert werden soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben sich den Anweisungen Ihres Parteivorsitzenden, der Sie vor einem Jahr entmachtet hat, gefügt und das Jahressteuergesetz 1997 in wichtigen Teilen blockiert. Sie kritisieren die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und ihre Gegenfinanzierung. Dabei müßten Sie genau wissen, daß im Hearing des Finanzausschusses diese Gegenfinanzierung, auf die wir natürlich auch lieber verzichten würden, von allen, von der Wirtschaft bis hin zum Handwerk, akzeptiert, als richtig empfunden und mitgetragen wird, weil der Wegfall dieser Substanzsteuer für die Betriebe und für die Wirtschaft wichtiger ist als Liquiditätsverschiebungen. Darauf sind Sie nicht eingegangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wenn die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer an Ihnen scheitert, sind Sie nach 1992 wieder dafür verantwortlich, daß eine wichtige Steuerstrukturreform nicht stattfinden kann, daß diese schlechte Steuer im Osten noch eingeführt werden muß und die Betriebe im Osten zusätzlich mit 500 Millionen DM belastet werden, von denen wir nicht wissen, wie wir ihnen das über die Steuer wiedergeben können. Dies ist der falsche Weg, vor dem Sie auch heute wieder falsches Zeugnis abgelegt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Herr Scharping, Sie und die SPD betreiben ein Doppelspiel: Einerseits bekennen Sie sich zu den Kriterien und zum Fahrplan von Maastricht. Andererseits blockieren Sie durch die Bundesratsmehrheit die notwendige Konsolidierung auf der Ausgabenseite. Das wirkt sich nicht nur negativ auf den Bundeshaushalt - sowohl beim Vollzug 1996 als auch für 1997 - aus, sondern Sie blockieren damit auch die Konsolidierung bei Ländern und Kommunen. Das war beim Sozialhilferecht so, und das ist beim Asylbewerberleistungsgesetz so.
    Sie haben auch eine weiß Gott schmerzliche Einsparung im nächsten Jahr verweigert, nämlich die Erhöhung des Kindergeldes um ein Jahr zu verschieben.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Also doch!)

    Sie wissen, daß dies alles andere als schön für uns war. Sie wissen aber auch ganz genau, daß ein Teil der von Ihnen regierten Länder froh darüber gewesen wäre, wenn sie diese Entlastung für ein Jahr gehabt hätten. Nein, Sie beklagen alles, Sie fordern mehr, und Sie haben nicht einen einzigen Sparvorschlag für 1996 oder 1997 angeboten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Gegenteil. Sie sind für ein höheres Defizit beim Vollzug des Haushalts 1996 verantwortlich.

    (Beifall des Abg. Hans Klein [München] [CDU/CSU] Widerspruch bei der SPD)

    Es ist Ihre Schuld, daß die Nettokreditaufnahme nicht gesenkt werden kann und die Investitionen nicht gesteigert werden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dies hat Ihnen auch der letzte Deutschlandbericht der OECD ganz deutlich ins Stammbuch geschrieben: Die OECD appelliert an den Bundesrat, die Konsolidierung nicht länger zu blockieren. Der Sachverständigenrat hat es ähnlich formuliert.
    Wir haben das Konzept der symmetrischen Finanzpolitik, die die Senkung der Staatsquote als Basis für eine Defizitrückführung und die Senkung der Steuer- und Abgabenlast zur Voraussetzung hat. Wir haben unsere Finanzpolitik langfristig angelegt und dies nicht erst seit gestern.

    (Lachen bei der SPD)

    Dazu gehört die finanzpolitische Bewältigung der deutschen Einheit.
    Offensichtlich ist Ihr Gedächtnis so kurz, daß Sie sich nicht einmal an das erinnern können, was in dem Zusammenhang 1994, 1995 und 1996 allein im Bundeshaushalt erfolgt ist.
    Sie wissen, daß die Transferausgaben für die neuen Länder einen Schwerpunkt im Bundeshaushalt bilden.
    1996 gab es Ausgaben von 90 Milliarden DM im Soll, 1997 gibt es Ausgaben von 81 Milliarden DM auf der Basis des Regierungsentwurfs.

    (Zuruf von der SPD: Das sind die „blühenden Landschaften"!)

    Darin sind allein Investitionszuschüsse in Höhe von jährlich 6,6 Milliarden DM enthalten.
    Sie wissen ganz genau, daß der Bund die Hauptlast der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen getragen hat. Die Übernahme der Erblasten kostet den Bundeshaushalt 1996 25,7 Milliarden und 1997 26,5 Milliarden DM. Wir haben auf sieben Umsatzsteuerpunkte verzichtet. Bundesergänzungszuweisungen zugunsten der neuen Länder kosten 1996 35 Milliarden DM und 1997 36 Milliarden DM.

    (Josef Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und deswegen Steuersenkungen!)

    Darüber hinaus beteiligt sich der Bund mit jährlich rund 3 Milliarden DM am Schuldendienst für den Fonds Deutsche Einheit.
    Wir haben im Bundeshaushalt den Kohlepfennig von 8 Milliarden DM und die Finanzierung der zweiten Stufe der Bahnreform übernommen. Wir haben die Länder 1997 in der Größenordnung von 12 Milliarden DM im Rahmen der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs ausgestattet.

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    Meine Damen und Herren, das sind riesige Summen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ja und?)

    Das sind riesige Leistungen, die wir in den letzten Jahren erbracht haben und über die Sie nicht hinweggehen können. Es ist billige, primitive Polemik, die Sie hier betreiben, wenn Sie die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie verweigern sich Reformen im Sozialsystem. Sie sind eine Reformverhinderungspartei. Sie verweigern sich den Notwendigkeiten auf den Arbeitsmärkten, obwohl Ihre ausländischen Freunde Ihnen in anderen Ländern ein anderes Beispiel geben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie haben überhaupt kein Konzept, kein einziges vernünftiges Rezept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorgeschlagen, kein Rezept für mehr Investitionen und nachhaltiges Wachstum. Außer Sprüchen, Herr Scharping, war in Ihrer Rede nichts, aber auch gar nichts enthalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Meine Damen und Herren, die Rahmenbedingungen der Finanzpolitik werden derzeit von deutlich geringeren Steuereinnahmen und höheren Arbeitsmarktausgaben geprägt.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Das war vorhersehbar!)

    Die Ursache dafür ist ein deutlich niedrigeres Wachstum als ursprünglich angenommen. Sie haben die Steuerschätzung vom November vergangenen Jahres nicht bestritten, an der schließlich auch Ihre Länder beteiligt sind.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Alle!)

    An diese Steuerschätzungen haben wir uns zu halten, im Bund genauso wie in den Ländern. Ich lasse mir doch von Ihnen keine Manipulationen an Zahlen vorhalten,

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ja, sicher!)

    wo Ihre eigenen Parteifreunde dabeigewesen sind, nach deren Zahlen wir uns zu richten haben. Das ist doch die Wahrheit bei den Prognosen und bei den Steuerschätzungen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Im Mai dieses Jahres hat der Arbeitskreis Steuerschätzung für den öffentlichen Gesamthaushalt 1997 Steuermindereinnahmen von 66,5 Milliarden DM gegenüber der Schätzung vorn Mai 1995 festgestellt. Auf den Bund entfallen davon rund 30 Milliarden DM.
    Die öffentlichen Haushalte, allen voran der Bund, haben nicht erst 1997 mit Einsparungen auf Zusatzbelastungen im Haushalt reagiert. Seit 1994 haben wir verstärkt disponible Ausgaben im Bundeshaushalt zurückgeführt, 5 Milliarden DM Einsparungen
    durch eine globale Minderausgabe in 1994, vollständige Aufnahme der Mittel für die Kohleverstromung in den Bundeshaushalt in 1996, vollständige Gegenfinanzierung des Familienleistungsausgleichs in der Größenordnung von 6 Milliarden DM in 1996 und weitere 7 Milliarden DM Haushaltseinsparungen im Haushalt 1997 als Teil des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Und steigende Arbeitslosenzahlen!)

    Das Ergebnis allein dieser Einsparungen und Umschichtungen von insgesamt 25 Milliarden DM seit 1994 ist deutlich in den Einzelplänen 1997 abzulesen. Im Regierungsentwurf weisen 15 von 25 Einzelplänen zum Teil deutliche Ausgabenrückgänge gegenüber dem verfügbaren Soll 1996 auf. Nach aktuellem Stand gehen 1997 die Ausgaben um 2,5 Prozent gegenüber dem Plan 1996 zurück.
    Was wollen Sie eigentlich kritisieren? Daß wir sparen oder daß wir an anderer Stelle nicht mehr ausgeben? Wenn Sie mehr ausgeben wollen, dann sagen Sie, wo Sie sparen wollen! Wollen Sie Steuern erhöhen? Wollen Sie Ausgaben senken? Was wollen Sie? Außer Sprüchen ist nichts erkennbar. Das offenbart das ganze Dilemma Ihrer konzeptionslosen Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zwischen 1993 und dem Jahr 2000 beträgt der durchschnittliche Ausgabenzuwachs nur knapp 1 Prozent. Zwischen 1969 und 1982, zur Zeit der SPD-Regierung, betrug diese Rate 8,7 Prozent.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Allein mit unserer symmetrischen Finanzpolitik und einer geringeren Steigerung des öffentlichen Gesamthaushalts im Verhältnis zum nominalen Bruttosozialprodukt entsteht die Chance, Staatsquote, Defizitquote und dann auch Steuern dauerhaft zu senken. Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttosozialprodukt beträgt 12,5 Prozent im Jahre 1997. Das ist ein Tiefstand, den wir zuletzt 1954 hatten.
    Seit 1993 hat die SPD-Mehrheit im Bundesrat ein Entlastungsvolumen des Bundes von rund 6 Milliarden DM, bezogen auf das Jahr 1996, blockiert.
    Schon 1993 wollten wir die Bezugsdauer für Arbeitslosenhilfe auf zwei Jahre begrenzen. Sie haben das blockiert.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Es wäre ja auch falsch gewesen!)

    Allein das macht 4 Milliarden DM aus.
    1995 haben wir das Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz vorgelegt. Statt zum Jahresbeginn 1996 trat es wegen der Blockade der SPD erst zum 1. Juni in Kraft und belastet den Bundeshaushalt mit 1 Milliarde DM.
    Die Mißbrauchsbekämpfung in Form einer stärkeren Vermögenserfassung bei Beziehern von Arbeitslosenhilfe und der Wegfall der originären Arbeitslo-

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    senhilfe hätten den Bundeshaushalt nochmals um 1,3 Milliarden DM entlastet.
    Anstatt beim Sozialhilferecht und beim Asylbewerberleistungsgesetz kooperativ zu sein, um damit Länder und Kommunen zu entlasten, haben Sie auch dies verhindert. Sie sind die Blockierer einer wirksameren Konsolidierung, die wir gern hätten und die wir gegen Sie leider nicht stärker durchsetzen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Zum Haushaltsvollzug 1996: Die Experten hatten im letzten Jahr für 1996 noch ein Wachstum von real plus 2,4 vom Hundert und eine durchschnittliche Arbeitslosenzahl von rund 3,5 Millionen angenommen. Nach ursprünglichen Korrekturen auf nur einen dreiviertel Prozentpunkt Wachstum gehen die Schätzungen derzeit von einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts von real 1 bis 1,5 Prozent aus. Für den Arbeitsmarkt werden jedoch für 1996 im Durchschnitt rund 500 000 Arbeitslose mehr erwartet, als im Herbst 1995 angenommen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das kommt doch nicht vom Himmel, sondern durch ihre Politik!)

    Für den Bund bedeutet diese Entwicklung Steuermindereinnahmen von über 14,5 Milliarden DM und unabweisbare Arbeitsmarktmehrausgaben von 12,5 Milliarden DM.
    Bereits im März, vor den Landtagswahlen, habe ich darauf reagiert und eine Haushaltssperre angeordnet, mit der wir 5 Milliarden DM einsparen. Weitere Entlastungen sind durch die Minderabführungen an die EU mit minus 4 Milliarden DM zu erwarten, weniger Zinsen von etwa minus 2,8 Milliarden DM sowie Gewährleistungen bis zu minus 2 Milliarden DM. Dennoch werden diese Entlastungen nicht ausreichen, die für 1996 vorgesehene Nettokreditaufnahme von 59,9 Milliarden DM einzuhalten.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ach, wer's glaubt!)

    Die Steuerschätzung am 7. und 8. November wird - ohne daß ich ihr vorgreifen wollte - für 1996 zusätzliche Mindereinnahmen für Bund und Länder ergeben. Wir müssen und werden darauf rechtzeitig für den Haushalt reagieren. Eines muß klar sein: Als Eckdatum steht, daß die Neuverschuldung 1997 nicht über die 56,5 Milliarden DM hinausgeht, die wir gemeinsam vereinbart haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Dr. Peter Struck [SPD]: Das möchte ich erleben, ob Sie das einhalten!)

    Die Privatisierungserlöse werden in diesem Jahr das veranschlagte Soll von 9 Milliarden DM nicht erreichen. Nur: Den Vorwurf mangelnder Etatreife lasse ich nicht gelten. Das Bundeskabinett hat am 28. November 1995 den Bericht des Bundesfinanzministers „Verringerung von Beteiligungen des Bundes, Fortschreibung 1995" beraten und den darin
    vorgeschlagenen Maßnahmen zugestimmt. Das gilt für Lufthansa, für Tank & Rast und auch für die Postbank.
    Eines ist klar, meine Damen und Herren: Aus heutiger Sicht wird keine der für 1996 geplanten Privatisierungen scheitern. Lediglich der Abschluß wird sich in einigen Fällen um wenige Monate verzögern. Für die Bruttokreditaufnahme und für die Kapitalsituation in Deutschland ist dies unerheblich.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Und für den Haushalt?)

    Nun noch einmal zu Art. 115 des Grundgesetzes: Das Soll der Nettokreditaufnahme lag mit knapp 60 Milliarden DM unter der Summe der Investitionen von rund 66 Milliarden DM. Bei der Haushaltsaufstellung war die Kreditobergrenze des Art. 115 des Grundgesetzes damit eingehalten. Nach überwiegender Auffassung der Haushaltsrechtsexperten - das wissen Sie ganz genau, Herr Scharping - bezieht sich die Kreditobergrenze des Art. 115 des Grundgesetzes auf die Haushaltsaufstellung, nicht auf den Haushaltsvollzug.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Von einem Verstoß gegen die Verfassung kann somit keine Rede sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Es gibt eine ganz einfache Antwort: Herr Scharping, klagen Sie! Sie brauchen das hier gar nicht lautstark auszusprechen. Gehen Sie vor das Bundesverfassungsgericht, klagen Sie! Wir sind jedenfalls davon überzeugt, daß wir korrekt sowie an Hand der verwertbaren und zur Verfügung stehenden Daten nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. Sie wissen ganz genau: Ihr Antrag entbehrt daher jeder sachlichen Grundlage.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Wir haben mit dem Rechnungsprüfungsausschuß und dem Bundesrechnungshof ein Verfahren vereinbart. Die Bundesregierung nimmt bei der Rechnungslegung zu einer Überschreitung der Kreditobergrenze im Haushaltsvollzug Stellung. Wenn im Rahmen des Haushaltsvollzugs wegen einer wesentlich veränderten wirtschaftlichen Lage die Nettokreditaufnahme die Summe der Investitionen übersteigt, so kann dies gemäß Art. 112 des Grundgesetzes sehr wohl zulässig sein. Danach ist es dem Bundesfinanzminister erlaubt, bei unvorhergesehenem und unabweisbarem Bedarf über- bzw. außerplanmäßige Ausgaben zu leisten.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das war aber vorhersehbar!)

    Bei den Leistungen für den Arbeitsmarkt handelt es sich um die Erfüllung von Rechtsverpflichtungen. Für solche überplanmäßigen Leistungen bedarf es gemäß § 37 der Bundeshaushaltsordnung keines Nachtragshaushalts. Sie müssen mir die Frage beantworten: War es nicht richtig, daß ich das überplanmäßig genehmigt habe? Hätten Sie die Ausgaben nicht

    Bundesminister Dr. Theodor Waigel
    vollziehen wollen, zu denen wir beim Arbeitslosengeld und bei der Arbeitslosenhilfe verpflichtet sind?

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das war aber vorhersehbar! Karl Diller [SPD]: So ein Unfug! Es ist unglaublich!)

    Art. 110 Abs. 4 des Grundgesetzes und § 18 der Bundeshaushaltsordnung lassen es zu, nicht verbrauchte Kreditermächtigungen des Vorjahres zur Deckung von Ausgaben des laufenden Jahres heranzuziehen. Auch dies ist allgemein üblich. Die Haushaltsordnungen der Länder haben entsprechende Regelungen.
    Meine Damen und Herren, die parlamentarischen Beratungen zum Haushalt 1997 stehen im Zeichen verbesserter Wachstumserwartungen für das Jahr 1997. Die Wachstumsannahmen von real 2,3 vom Hundert vom Frühjahr, von denen wir bisher ausgegangen sind, haben sich als realistisch erwiesen. Die gestern vorgelegten Prognosen der Institute untermauern unsere Einschätzung vom Frühjahr und gehen von 2,5 Prozent realem Wachstum aus.
    Diese Dynamik reicht leider nicht aus, um die Arbeitsmarkt- und Steuereinnahmeprobleme zu lösen. Ich habe schon im September in der Haushaltsdebatte auf Risiken für den Haushalt 1997 hingewiesen. Wir müssen uns auf weitere Steuermindereinnahmen für 1997 einstellen.

    (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Das ist alles vorhersehbar!)

    Für den Regierungsentwurf haben wir Einsparungen bei der Bundesanstalt für Arbeit beschlossen, die das ursprünglich geschätzte Defizit von 8 Milliarden DM ausgeglichen haben. Auf Grund der Einschätzung, der Arbeitsmarkt werde weiterhin schwach sein, ist für 1997 jetzt von einem zusätzlichen Bedarf der Bundesanstalt für Arbeit von 6 Milliarden DM auszugehen.

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    Wir haben darauf reagiert und neben den Einsparungen des Wachstumsprogramms zusätzliche Maßnahmen mit dem Ziel einer Begrenzung des Zuschusses für die Bundesanstalt innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Dennoch wird sich 1997 ein begrenzter Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit nicht vermeiden lassen.

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    Die konjunkturell bedingten Zusatzbelastungen werden zum größten Teil durch entlastende Maßnahmen gedeckt.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wie denn?)

    - Durch die Zinsen, durch die Gewährleistungen, durch Grundstückserlöse, durch Reserven bei der BvS, durch Einnahmen bei der Telekommunikation, durch zusätzliche Privatisierungsmaßnahmen und durch Minderabführungen an die Europäische Union.
    Trotz der Zusatzbelastungen bei den Steuern und auf dem Arbeitsmarkt: Es bleibt bei unserer Zielsetzung, die Nettokreditaufnahme von 56,5 Milliarden DM für 1997 nicht zu erhöhen. Die Schätzung der Forschungsinstitute zum Defizitkriterium von Maastricht ist daher unbegründet. Bei ihrer Schätzung von dreieinhalb Prozent gehen die Institute davon aus, daß der Bund seine Eckwerte 1997 nicht halten könne. Sie können aber das, was wir beschließen, nicht in ihre Rechnung aufnehmen. Wir werden in den nächsten 14 Tagen im Gegenteil beweisen, daß wir die Eckwerte halten können. Wenn auch die Länder ihre Eckwerte verteidigen, wovon ich ausgehe, werden wir das Staatsdefizit auf einen Wert unter 3 Prozent begrenzen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diese überflüssige Debatte beenden! Lassen Sie uns endlich zur vernünftigen Arbeit zurückkehren! Tragen Sie Ihren Teil zur Sanierung, zur Beschäftigung und für mehr Investitionen in Deutschland bei! Sie haben sich bisher Ihrer Aufgabe in den Ländern und im Bundestag verweigert. Sie sind die Blockade für die Zukunft Deutschlands.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD)