Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung geriert sich ja gern als in allen Fragen nuklearer Sicherheit besonders vorbildlich. Auch der Kollege von der CDU/CSU-Fraktion hat nun wieder versucht, uns davon zu überzeugen. Die Fakten sprechen aber eine andere Sprache.
Wenn man sieht, wie die Bundesregierung in Wien taktiert hat, dann muß man hier einfach konstatieren: Die Bundesrepublik hat sich, als es um die Festlegung der Sicherheitsstandards für Plutoniumflüge ging, als Bremser gezeigt. Sie hat nämlich dazu beigetragen, wie hier schon ausgeführt, daß in den neuesten Richtlinien für die C-Container eine Aufprallgeschwindigkeit von lediglich 320 Stundenkilometern festgelegt wurde.
Nun können Sie sagen - Sie haben das ja auch so ausgeführt -, daß das doch immerhin ein beachtlicher Fortschritt gegenüber der bisherigen Regelung sei, nach der der Typ B-Container nur für eine Aufprallgeschwindigkeit von etwa 48 Stundenkilometern ausgelegt war. Nur, meine Damen und Herren, hier geht es nicht um den Transport von Milchpulver, sondern unter anderem um den Transport von Plutonium, einem der giftigsten Stoffe, den wir überhaupt kennen. Jeder Transport des hochtoxischen Plutoniums birgt eine potentielle Gefahr, ein potentielles Risiko für Mensch und Umwelt. Deshalb müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um die Anforderungen so zu gestalten, daß wir hier wirklich den höchstmöglichen Sicherheitsstandard erreichen.
Unter diesen Kriterien war das Ergebnis von Wien unbefriedigend und enttäuschend. Es trägt den Sicherheitsinteressen der Bevölkerung nicht optimal Rechnung.
Es ist auch nicht richtig, wenn Sie sagen, hier seien keine Abstriche von den US-Standards gemacht worden. Die amerikanische Delegation - so habe ich jedenfalls erfahren - hat diese neue Regelung abgelehnt und für die schärferen US-Standards plädiert, die bei den Containern eine Aufprallgeschwindigkeit von 464 Stundenkilometern vorsehen.
Wolfgang Behrendt
Daß selbst diese Werte nicht völlig risikolos wären, bewies der Absturz des israelischen Fracht-Jumbos, der im Oktober 1992 nahe Amsterdam abstürzte. Seinerzeit bohrte sich die Maschine mit 520 Stundenkilometern in zwei Wohnblöcke, und das Flammenmeer erreichte Temperaturen von über 1000 Grad Celsius, also 200 Grad mehr, als jetzt bei dem Transportcontainer vom Typ C vorgesehen ist. Wenn man das zugrunde legt, scheint hier optimale Sicherheit nicht gewährleistet.
Hinzu kommt, daß wir Veranlassung zu der Annahme haben, daß es wirklich sichere Container, die die gültigen Sicherheitsnormen erfüllen, überhaupt noch nicht gibt. Die Amerikaner haben ja entsprechende Crashtests durchgeführt und dabei festgestellt, daß ihre Container den eigenen Sicherheitsanforderungen nicht genügten. Das heißt also, daß man Plutoniumflüge im Prinzip überhaupt nicht zulassen dürfte.
Folgerichtig hat übrigens auch der Präsident des schon von der Kollegin Schönberger erwähnten Nuclear Control Institutes in Washington, Paul Leventhal, die Entscheidung von Wien als „arglistige Täuschung" qualifiziert und kritisiert, daß die Behälter, in denen das Plutonium transportiert werden soll, keine angemessenen Sicherheitstests aushalten und auch einen Absturz nicht unbeschädigt überstehen würden. Er sagte - dem kann man sich nur anschließen -: Ganz offensichtlich haben ökonomische Interessen der Atomwirtschaft Vorrang vor dem Schutz der Menschen gehabt.
Am Rande möchte ich unterstreichen - auch das wurde schon erwähnt -, daß selbst die Flugschreiber, also die sogenannten Black boxes, besser geschützt sind als die Behälter, die hochgiftiges Plutonium transportieren sollen. Daß das für Deutschland Relevanz hat, denke ich, geht daraus hervor, daß nach den Statistiken der EU die meisten Lufttransporte von Nuklearmaterial in Deutschland durchgeführt worden sind. Das sollen in den Jahren 1993/94 jeweils über 40 Transporte gewesen sein.
Besonders fragwürdig ist die Ausnahmeregelung - das hat schon die Kollegin Schönberger sehr ausführlich dargestellt -, die vorsieht, daß MOX-Brennelemente weiterhin in Behältern des Typs B transportiert werden dürfen, also in Behältern, die eine Aufprallgeschwindigkeit von nur 48 Stundenkilometern aushalten sollen.
Wenn man sich vorstellt, welche Aufregung der Transport entsprechender Brennelemente per Schiff durch die Japaner in der Öffentlichkeit zu Recht verursacht hat, dann kann man sich auch leicht vorstellen, was es bedeutet, wenn die Japaner, die ihr Plutonium in Frankreich und England aufbereiten lassen, per Luft die Brennelemente in Typ-B-Containern über Europa und Rußland hinweg nach Fernost transportieren würden. Wenn man die Bestimmungen zugrunde legt, könnte das schnell Routine werden, eine Routine, denke ich, die man verhindern sollte.
Angesichts all dieser Tatsachen kann die Forderung nur lauten: Der Transport radioaktiver Stoffe und insbesondere von Plutonium in Flugzeugen muß so lange ausgesetzt werden, bis wirklich alle denkbaren Risiken ausgeschlossen werden können. Ich denke, es ist wichtig, daß diese Flüge so lange ausgesetzt bleiben, bis ein wirklich sicheres Transportbehältnis entwickelt worden ist und bis die Standards der Internationalen Atomenergie-Organisation wirklich höchsten Sicherheitsanforderungen gerecht werden. Aus diesem Grunde werden wir dem Antrag der Grünen zustimmen.