Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Entwurf des Bundeshaushalts 1997 sind für den Agrarbereich Ausgaben in Höhe von rund 12 Milliarden DM vorgesehen. Das sind 0,6 Prozent weniger als im laufenden Jahr. Der Agrarhaushalt ist damit in die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte eingebunden, gibt weiterhin Perspektiven für die bäuerliche Zukunft und nimmt Rücksicht auf die derzeit schwierige landwirtschaftliche Situation.
Während die Betriebe mit Marktfruchtbau, Schweine- und Geflügelmast einigermaßen über die Runden kommen
- dank einer guten Agrarpolitik -
- wo er recht hat, hat er recht -, ist die Situation bei Rindfleisch- und Milchproduzenten extrem schwierig. Deshalb bitte ich um Verständnis dafür, daß ich mich in diesen 15 Minuten nicht mit der ganzen Bandbreite der Agrarpolitik beschäftige, sondern mich im wesentlichen diesen beiden Bereichen widme.
Unsere Rindermäster sind infolge der britischen Rinderseuche BSE völlig unverschuldet in das tiefe Tal der Verbraucherverunsicherung gezogen worden
- unverschuldet, weil Deutschland BSE-frei und unser Rindfleisch absolut in Ordnung ist.
Trotzdem ist die Nachfrage auch bei uns deutlich eingebrochen.
Die Erzeugerpreise für Rindfleisch sind im Keller. Nicht viel besser sieht es auf Grund der Preisdruckpolitik der EU-Kommission bei der Milch aus.
Die Bundesregierung hat beschlossen, die Möglichkeit zur Pauschalierung der Vorsteuer auch für buchführungspflichtige Betriebe bis zum 1. Januar 1999 fortzuführen. Dies ist das entscheidende Datum für die Umsetzung der Ergebnisse der Einkommensteuerneuordnung. Die Bauern bekommen damit nicht mehr Geld, wie fälschlicherweise einige Zeitungen geschrieben haben.
Vielmehr haben sie schlicht und einfach nicht weniger als jetzt. Manche sollen das ja mißverstanden haben, so gern es ihnen leid tat.
Dieses Signal der Bundesregierung ist bei den Bauern sehr wohl verstanden worden. Welche Einsparungen dafür im Einzelplan 10 erbracht werden, sollen die Gespräche in den zuständigen Gremien, vor allem des Parlaments, zeigen.
Die Bundesregierung - auch das wissen die Bauern - kämpft darüber hinaus dafür, daß die Perspektiven bei Rindfleisch und Milch wieder besser werden und daß die günstigen Perspektiven bei Getreide nicht durch gleichzeitige willkürliche Eingriffe zunichte gemacht werden.
Zentrale Frage dabei ist, wie wir das Vertrauen der Verbraucher in den hohen Gesundheitswert unseres einwandfreien Rindfleischs wieder stärken können. Dazu müssen erstens die Handelsverbote gegenüber Großbritannien aufrechterhalten werden,
was um so wichtiger ist, solange Großbritannien den diesem Land auferlegten Verpflichtungen zur BSE-Bekämpfung nicht nahtlos Folge leistet.
Zweitens brauchen wir eine konsequente Herkunftssicherung für unser Rindfleisch, damit es wieder in die heimische Pfanne gelangt.
Diese notwendigen, vertrauensbildenden Maßnahmen greifen allerdings nur langfristig. Kurzfristig hätte ich mir von der EU-Kommission Vorschläge gewünscht, die das Vertrauen in die europäische Agrarpolitik festigen. Das Gegenteil ist der Fall.
So nimmt die Kommission die Rindfleischmisere zum Anlaß, die Agrarreform gerade dort, wo sie eindeutig positive Ergebnisse gebracht hat, in Frage zu stellen. Die Getreidebauern sollen durch Kürzung der Preisausgleichszahlungen und der Stillegungsprämien die Stützungsmaßnahmen auf dem Rind-
Parl. Staatssekretär Wolfgang Gröbl
fleischmarkt finanzieren. Es soll ja auch Kolleginnen und Kollegen hier in diesem Raum geben, die diese Maßnahme begrüßen.
- Auch ich glaube es fast nicht. Aber die werden sich ja noch äußern.
Für die Bundesregierung ist diese Kürzung der Ausgleichszahlungen weder akzeptabel noch in irgendeiner Weise notwendig. Die Finanzmittel der EU sind zwar knapp, aber sie sind ausreichend. Warum will man denn unbedingt den Ackerbauern jetzt etwas wegnehmen? Der Getreidemarkt funktioniert, die Erzeuger kommen mit der Kombination von Preisen und Beihilfen zwischenzeitlich zurecht, und die Marktordnungsausgaben sind stabil.
Beim Sektor Rindfleisch stehen uns harte Beratungen bevor. Was die Kommission zur Rettung dieses Marktes plant, mag für die extensiven Ochsenmäster und auch für die Mutterkuhhaltung gut sein; für unsere Bullenmäster ist es keine Lösung.
Der Vorschlag für die künftige Prämiengestaltung ist im Ansatz richtig, aber halbherzig. Völlig abwegig ist für uns der Vorschlag der Kommission, die Prämienplafonds bei uns in Deutschland abzusenken und in anderen Mitgliedstaaten anzuheben. Das ist eine einseitige Belastung und Knebelung unserer Rindfleischerzeuger. Wir lehnen das entschieden ab.
Da vermisse ich jetzt Ihren Beifall, Herr Sielaff.
- Das nehme ich zur Kenntnis, Sie kriegen Rabatt.
Richtig ist: Wir haben EU-weit zu viele Prämientiere. Wir fordern daher eine gleichmäßige Kürzung in allen Mitgliedstaaten und aller Prämienplafonds, also für Bullen, für Ochsen und für Mutterkühe, für alle Rindviecher.
Ebenso falsch ist das Festhalten der Kommission an der 90-Tier-Grenze und deren Einführung in den neuen Bundesländern. Wir fordern dagegen die Aufhebung der 90-Tier-Grenze für ganz Europa.
Der EU-Vorschlag, die extensive Rindermast noch stärker zu fördern, übersieht, daß auch ein Zuviel an extensiv gemästeten Tieren die Lage auf dem Rindfleischmarkt verschärft. Wir brauchen keine verschärfenden, wir brauchen kurzfristig entlastende Maßnahmen. Vieles, wie die Erhöhung der Exporterstattungen oder die Sonderintervention, haben wir erreicht. Dadurch konnte ein stärkerer Rückgang der Erzeugerpreise verhindert werden. Natürlich wissen wir, daß die Intervention nicht unproblematisch ist. Sie ist teuer; sie löst das Überschußproblem nicht und verschiebt es lediglich auf einen späteren Zeitpunkt.
Damit nun nicht der gesamte Überschuß auf die Intervention zuläuft, fordern wir zusätzliche Marktentlastungsmaßnahmen wie eine Beihilfe zur privaten Lagerhaltung mit Exportauflage und die Einführung einer Frühvermarktungsprämie. Eine solche Prämie greift natürlich nur dann, wenn die Einfuhren von Kälbern und Jungrindern aus anderen Staaten, insbesondere aus Mittel- und Osteuropa, gebremst werden.
Wir fordern daher die Kommission auf, hierfür unverzüglich die Verhandlungen aufzunehmen.
Handeln muß die Kommission jetzt auch bei der Milch. Der Preisdruckpolitik muß endlich ein Ende gesetzt werden. Schließlich haben wir die Quotenregelung eingeführt, weil wir vernünftige Preise wollten. Das hat ja auch ganz leidlich funktioniert, bis vor etwa drei bis vier Jahren, eben bis zu dem Zeitpunkt, als die Kommission begonnen hat, immer wieder die Interventionsbedingungen zu verschärfen, die Verbilligungsmaßnahmen in bezug auf den Binnenmarkt abzubauen und die Exporterstattungen kontinuierlich zu senken. Derartige Maßnahmen schlagen sofort auf die Erzeugerpreise durch.
Deshalb fordern wir die Kommission auf, alle Möglichkeiten zur Marktstützung voll auszuschöpfen. Darüber hinaus fordern wir erneut eine europaweite Kürzung der Milchquoten gegen Ausgleichszahlungen. Denn damit verringern wir das überschüssige Milchangebot, tragen zur Stabilisierung der Milcherzeugerpreise bei und bewirken mittelfristig auch eine Entlastung des Rindfleischmarkts. Man muß diese beiden Bereiche ja im Zusammenhang sehen. Das sind die Fakten; das ist in groben Zügen unsere Verhandlungslinie.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bereits 1999 stehen die WTO-II-Verhandlungen an. Nach der Jahrtausendwende beginnt die schrittweise Osterweiterung der EU. Das alles sind große Herausforderungen für die Landwirtschaft, die es zu meistern gilt.
Dazu braucht die Landwirtschaft unsere Unterstützung. An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders an die Kolleginnen und Kollegen wenden, die nicht so wie wir ständig mit den Problemen der Agrarpolitik konfrontiert sind. Wir brauchen auch ihre Solidarität mit der Landwirtschaft.
Denn unsere Landwirtschaft versorgt unsere Verbraucher nicht nur mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln zu angemessenen Preisen und in einer noch nie dagewesenen Vielfalt; sie erschließt ein riesiges Potential nachwachsender Rohstoffe für die Industrie - inzwischen ist auch Hanf darunter -, und sie pflegt unsere Kultur- und Erholungslandschaft. Der Bauernstand ist ein wichtiger, prägender Kulturträger unserer Gesellschaft. Unsere Landwirtschaft
Parl. Staatssekretär Wolfgang Gröbl
erfüllt vielfältige Aufgaben, auf deren Bewältigung wir alle nicht verzichten wollen.
Deutschland braucht seine „grünen Berufe"; ich meine nicht die in der Mitte unseres Plenums.
Deutschland braucht seine Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft.
Deshalb sparen wir, ohne den Rasenmäher einzusetzen. Deshalb setzen wir Prioritäten bei der Sozialpolitik, weil diese Mittel direkt bei den Bäuerinnen und Bauern ankommen. Deshalb haben wir unsere Ressortforschung so konzipiert, daß sie wirksamer und preiswerter zugleich arbeiten kann. Deshalb führen wir die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe so behutsam zurück, daß es nicht zu spürbaren Einbußen beim Einkommen der Landwirte kommen muß, insbesondere nicht bei der einzelbetrieblichen Investitionsförderung und der Ausgleichszulage.
Die Bäuerinnen und Bauern wissen das. Und Sie, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wissen es spätestens jetzt auch. Deshalb sage ich: Unterstützen Sie uns auf diesem Weg bei den anstehenden Haushaltsberatungen!
Vielen Dank.