Rede von
Waltraud
Lehn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dank der, wie ich beschreibend sagen möchte, ausführlichen, andererseits - so will ich wertend sagen - weitschweifigen Rede von Herrn Bundesminister Seehofer, der nicht nur das Gesundheitsbudget nicht mehr im Griff hat, sondern dem auch sein Zeitbudget außer Kontrolle geraten ist, möchte ich zu drei Dingen des Haushaltes noch etwas sagen.
Erstens. Wir haben Kürzungen in diesem Haushalt vor allen Dingen in drei Bereichen.
Erstens. Eine Vielzahl von Modellmaßnahmen, insbesondere auf dem Gebiet der Krebsbekämpfung, zur Verbesserung der Versorgung chronisch Erkrankter, auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmißbrauchs sowie in der Psychiatrie, sind von erheblichen Kürzungen betroffen.
Zweitens. Die institutionelle Förderung wird zugunsten der Projektförderung zum Teil massiv zurückgefahren, wobei im Einzelfall die Förderung auf Null gesetzt wird. Das heißt im Klartext, daß es in Zukunft wesentlich leichter sein wird, diese Projekte ganz herauszunehmen, als etwa zum derzeitigen Zeitpunkt die Institutionen plattzumachen.
Drittens. Gravierend sind die Einsparungen im Bereich der Forschung. Hier wird anscheinend nach dem Motto verfahren: Nur nicht genauer hinsehen, dann ergibt sich auch kein Handlungsbedarf!
Zu diesen drei Punkten sage ich Ihnen folgendes: Erstens sind diese drei Punkte innovationshemmend. Nur kein Fortschritt! Das erinnert mich doch sehr an meine Großmutter, die leider Gottes vor 20 Jahren viel zu früh gestorben ist. Sie hat den Arzt nicht aufgesucht nach dem Motto: Wenn ich nicht hingehe, weiß er auch nicht, was ich habe! - Genauso rückschrittlich ist die Politik, die diese Bundesregierung uns hier vorlegt.
Zweitens. Beschäftigungspolitisch feindlicher kann man einen Haushalt wohl überhaupt nicht mehr auflegen. Da wird nicht nur der Bereich der Prävention auf Null gefahren, da wird nicht nur ein bißchen mehr, ein bißchen undurchsichtig, ein bißchen flott und ein bißchen oberflächlich im Bereich der Rehabilitation herumgedoktert, nein, da werden im Haushalt auch im Bereich der gesundheitlichen Aufklärung die Mittel drastisch zurückgefahren. Der Bevölkerung, die ja für sich selber sorgen soll, Frau Limbach, nur nicht genügend Informationen an die Hand geben; denn dann weiß sie auch nicht, was ihr fehlt!
Nur nicht darüber aufklären, was das Rauchen bedeutet! Um bei der Drogenthematik zu bleiben: Nur nicht aufklären, welche Folgen Biertrinken in exzessiver Form hat.
Das trifft im übrigen auch für einige Kolleginnen und Kollegen hier zu. Da wollen wir uns nichts vormachen. Ich konnte neulich miterleben, wie hier jemand stand, der nicht nur angesäuselt war.
Also, über diese Punkte nur nicht informieren, nur nicht aufklären! Das ist ganz wunderbar: Dann können die Leute gar nicht merken, daß sie krank werden.
Für besonders problematisch halte ich die Kürzungen im Bereich der Psychiatrie, also wieder einmal bei Menschen, von denen wir annehmen müssen, daß sie nicht in der Lage sind, sich selber zu helfen.
Deswegen habe ich, Herr Minister Seehofer, mit außerordentlichem Erstaunen einen Briefwechsel zwischen dem Vorsitzenden der Aktion „psychisch Kranke", Ihrem Kollegen Kauder, und Ihnen zur Kenntnis genommen - mit Erstaunen deshalb, weil erstens Herr Kauder, wie ich schon sagte, immerhin Mitglied Ihrer Koalition ist und massiv gegen Ihre Absicht protestiert, die Förderung von Modellprogrammen in der psychiatrischen Versorgung mit Ablauf des Jahres 1999 einzustellen, weil zweitens das Antwortschreiben aus Ihrem Haus und mit Ihrer Unterschrift zu Recht wahre Lobeshymnen über die Modellprogramme enthält und weil Sie drittens in Ihrem Schreiben Herrn Kauder sogar recht geben, daß die Psychiatriereform, die durch die Modellprogramme
Waltraud Lehn
maßgeblich vorangetrieben wird, noch lange nicht zum Abschluß gekommen ist. Herr Seehofer, wie vertragen sich Lobeshymnen einerseits und Einstellung der Förderung andererseits eigentlich miteinander?
Man kann es plakativ an genau diesem Punkt darstellen: Hier werden Dinge angeführt, hier wird geredet, aber nicht zur Sache; vielmehr versucht man allzu billig nach allen Seiten, Schuldige zu finden. Ich fürchte nur, Herr Seehofer, die Zeiten, in denen man Ihnen das in der Öffentlichkeit noch wohlwollend abgenommen hat, sind ein für allemal vorbei.