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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 13/122 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 122. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. September 1996 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Bundeswirtschaftsministers Dr. Günter Rexrodt 10931 B Begrüßung des Präsidenten der Handwerkskammer Budapest und des stellvertretenden Fraktionsführers der sozialistischen Partei im ungarischen Parlament 11008 B Tagesordnungspunkt 1: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/5200) . . 10931 A b) Fortsetzung der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 (Drucksache 13/5201) 10931 A Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 10931 B Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . . . . 10932 D Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . 10933 A Ernst Schwanhold SPD . . . . 10934B, 10958 C Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 10937 D Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10939 D Dr. Otto Graf Lambsdorff F.D.P. . 10942B, 109558 Rolf Kutzmutz PDS 10944 B Dr.-Ing. Paul Krüger CDU/CSU . 10945D, 10949A, 10950B Eckart Kuhlwein SPD 10947 D Rolf Schwanitz SPD 10948 C Dr. Christa Luft PDS 10949D Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . 10951A, 10956B Ulrich Petzold CDU/CSU 10953 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 10953D, 10954 B Friedhelm Ost CDU/CSU . . . 10956D, 10959A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 10959 D Ingrid Matthäus-Maier SPD . 10960D, 10981A Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10961C Ulrike Mascher SPD 10963 A Ottmar Schreiner SPD 10964 C Dr. Gisela Babel F.D.P 10965 C Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 10967 D Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10970B Dr. Barbara Hendricks SPD . 10970D, 10983 B Dr. Barbara Höll PDS 10971 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10971 C Dr. Gisela Babel F.D.P 10973C, 10976A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10975 D Petra Bläss PDS 10976 B Dr. Konstanze Wegner SPD 10978 B Karl-Josef Laumann CDU/CSU 10979 D Ottmar Schreiner SPD . . . . 10980C, 10982 B Volker Kauder CDU/CSU 10982 B Leyla Onur SPD 10984 B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF 10986A Edelgard Bulmahn SPD . . . 10987C, 11006C Edelgard Bulmahn SPD 10990 B Steffen Kampeter CDU/CSU 10993 D Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10996 B Franz Thönnes SPD 10996 D Simone Probst BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10997 C Jürgen Koppelin F.D.P 10998 D Dr. Ludwig Elm PDS 11001A Günter Rixe SPD 11002 C Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 11003D, 11004A Werner Lensing CDU/CSU 11004 B Dr. Gerhard Friedrich CDU/CSU . . . 11006A Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11008 C Jörg Tauss SPD 11009D Jürgen Koppelin F.D.P 11010B Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 11011D Heidemarie Lüth PDS 11013A Christel Hanewinckel SPD 11014 D Johannes Singhammer CDU/CSU . 11015C Peter Jacoby CDU/CSU 11017A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 11018C Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P 11020A, 11021C Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11021B Rosel Neuhäuser PDS 11021 D Maria Eichhorn CDU/CSU 11022 D Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11023 C Siegrun Klemmer SPD 11024 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG . 11026C Klaus Kirschner SPD 11030 D Horst Seehofer CDU/CSU . . 11033A, 11033 C Hubert Hüppe CDU/CSU . . . 11036B, 11038D Waltraud Lehn SPD 11036 C Dr. Wolfgang Wodarg SPD 11037 A Editha Limbach CDU/CSU 11037 C Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11038B Marina Steindor BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11039A Dr. Dieter Thomae F.D.P 11040C Klaus Kirschner SPD . . . . 11041D, 11044 D Dr. Ruth Fuchs PDS 11042 B Editha Limbach CDU/CSU 11043A Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11043C Waltraud Lehn SPD 11045 B Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär BML 11046A Horst Sielaff SPD 11048 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU 11050 D Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 11051B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 11053D Wolfgang Gröbl CDU/CSU 11054 D Ulrich Heinrich F D P. 11055 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . 11056B Dr. Günther Maleuda PDS 11056 D Ilse Janz SPD 11057 D Peter Harry Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 11059B Nächste Sitzung 11059 D Berichtigung 11059 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 11060 * A 122. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. September 1996 Beginn: 9.02 Uhr
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    Berichtigung 121. Sitzung, Seite 10886D, vorletzter Absatz, Zeile 9: Das Wort „nicht" ist durch das Wort „doch" zu ersetzen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 12. 9. 96 Beck (Bremen), BÜNDNIS 12. 9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Borchert, Jochen CDU/CSU 12. 9. 96 Graf von Einsiedel, PDS 12. 9. 96 Heinrich Glos, Michael CDU/CSU 12. 9. 96 Dr. Jacob, Willibald PDS 12. 9. 96 Kurzhals, Christine SPD 12. 9. 96 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 12. 9. 96 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nitsch (Rendsburg), BÜNDNIS 12. 9. 96 Egbert 90/DIE GRÜNEN Regenspurger, Otto CDU/CSU 12. 9. 96 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 12. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Schütz (Oldenburg), SPD 12. 9. 96 Dietmar Thieser, Dietmar SPD 12. 9. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 12. 9. 96 Karsten D. Dr. Zöpel, Christoph SPD 12. 9. 96
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Siegrun Klemmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, ich mußte einen Schluck trinken; denn mir ist wirklich - das muß ich zu Beginn sagen - die Spucke weggeblieben nach dem, was ich zu diesem Haushalt hier eben von Ihnen gehört habe.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Sie haben doch sicherlich so wie ich - Frau Ministerin, von Ihnen weiß ich das, auch von Ihnen, Herr Jacoby, und von den Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachausschuß nehme ich es an - in den letzten Wochen Gespräche geführt und gehört, was die Betroffenen, die in diesem Haushalt untergebracht sind, zu diesem Entwurf zu sagen haben. Sie reden so, als hätten Sie diese Gespräche nicht geführt, als hätten Sie Ihre Büros nicht verlassen. Sie reden so, als hätte hier nicht ein wahnsinniger Kahlschlag stattgefunden.
    Gott sei Dank wird hier heute zugehört, auch draußen. Ich weiß das, weil ich eben, bevor ich bierhergekommen bin, noch einmal ein Gespräch mit den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege hatte, die aufs höchste alarmiert sind. Ich weiß nicht, woher Sie die Unverfrorenheit nehmen, hier so zu tun, als wenn in diesem Haushalt alles zum besten stünde.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Die Frau Kollegin von der F.D.P. macht eigentlich etwas Richtiges: Sie geht gar nicht auf den Haushalt ein und erwähnt zur Sicherheit gar keine Zahlen. Frau Eichhorn - das habe ich fast auch nicht anders erwartet - sagt, wir müßten uns um die Werte kümmern, und lenkt ab auf ein zwar schlimmes, aber Gott sei Dank doch Randproblem in den Familien, nämlich den Mißbrauch von Kindern.
    Familien-, Senioren-, Frauen- und Jugendpolitik sind zentrale Bereiche einer modernen Gesellschaftspolitik. Sie tragen in vielfältiger Form dazu bei, den Prozeß des Wandels in unserer Gesellschaft zu bewältigen und die innere Einheit unseres Landes zu vollenden.
    Wer wollte dem widersprechen? Mit diesen Worten hat die Frau Ministerin jüngst die Aufgaben ihres Hauses umrissen.
    Der Regierungsentwurf für den Einzelplan 17 leistet allerdings das exakte Gegenteil. Er steht für unmoderne Gesellschaftspolitik, er verschärft den so-

    Siegrun Klemmer
    zialen Wandel, und er treibt die innere Spaltung unseres Landes voran.
    Frau Ministerin, ich muß es leider sagen: Wer bunte Broschüren druckt und sonntags gerne redet, aber die Politik seines Hauses vom Finanzminister miterledigen läßt, der hat sich doch wohl als verantwortliche Fürsprecherin wichtiger gesellschaftlicher Gruppen von der politischen Bühne verabschiedet.

    (Beifall bei der SPD und der PDS)

    Das war ein typisches Bild: Sie haben vor zehn Minuten hier Unterstützung von Ihrem Kollegen Herrn Seehofer bekommen. Sie haben hier alleine gesessen. Die Aufpasserin, die ehrenwerte Frau Kollegin Karwatzki als Staatssekretärin des Finanzministeriums, saß dabei. So stelle ich mir auch das Bild im Kabinett vor. Was haben Sie eigentlich gegen diesen katastrophalen Entwurf Laut gegeben? Was hat man von Ihnen gehört? Der Herr Kollege Rühe hat wenigstens laut geschimpft. Das haben die Verbände und die Betroffenen auch von Ihnen erwartet, aber da war null Meldung zu geben.
    Das, was Sie hier über den Haushalt vorgetragen haben, bedarf doch einiger Richtigstellungen; denn Sie haben ihn sich schöngeredet. Um 6,4 Prozent soll das Volumen dieses Einzeletats gegenüber 1996 zurückgehen. Läßt man hier noch den Einwand gelten, daß dies auch auf Nachwehen der Systemumstellung beim Kindergeld zurückzuführen ist, so zieht dieses Argument dann nicht mehr, wenn man sich die allgemeinen Bewilligungen vor Augen führt. Von diesen einzigen freien Mitteln, die sonst an keiner Stelle im Haushalt zu finden sind, die nicht auf Grund von Leistungsgesetzen verausgabt werden, sondern für Politikgestaltung zur Verfügung stehen, sind sage und schreibe 70 Millionen DM - das wurde schon erwähnt - und damit 8,1 Prozent weniger als im Vorjahr veranschlagt.
    Der Finanzminister Waigel nennt das technokratisch Durchbrechen des Wagnerschen Gesetzes von den wachsenden Staatsausgaben. Aber damit wird für dieses Ministerium der inhaltliche und finanzielle Bankrott des „Hauses der Generationen", wie Sie es so gerne nennen, eingeläutet.
    Wie groß der tatsächliche Gegensatz von Worten und politischen Taten ist, muß man hier vor allen Dingen noch einmal gegenüber dem, was Sie, Frau Ministerin, hier vorgetragen haben, deutlich machen. Ich möchte das gerne an Hand der vier Schwerpunkte Ihres Ministeriums richtigstellen.
    Erstens. Im Jahresbericht der Bundesregierung steht:
    Aufgabe der Politik ist es, ein lebenszugewandtes Altern zu ermöglichen ... Der Bundesaltenplan ist ein innovatives Förderinstrument für die Altenpolitik des Bundes.
    Realität ist: Der Bundesaltenplan soll um 13,3 Prozent zurückgeschraubt werden. Die Mittel für Seniorenpolitik sollen insgesamt um 17 Prozent zurückgehen.
    Zweitens. Seit September 1994 gilt das Zweite Gleichberechtigungsgesetz mit den Schwerpunkten
    Verbesserung der Frauenförderung, Durchsetzung und Gleichbehandlungsgebot. Realität ist: Der entsprechende Titel im Haushalt sinkt um 12,5 Prozent.
    Drittens. Im Bericht der Bundesregierung für 1995 zitiert das Ministerium eine Studie, nach der die Nachfrage junger Menschen nach öffentlicher Unterstützung in Ostdeutschland wesentlich höher ist als im Westen. Auch dort macht sich allerdings angesichts von Lehrstellenmisere und Arbeitslosigkeit Zukunftsangst breit. Jugend als Zukunftsfaktor - von dem doch so häufig die Rede bei Ihnen ist - wird aus der von der Bundesregierung geführten Standortdiskussion völlig ausgeblendet. Denn Realität ist: Der Kinder- und Jugendplan erleidet einen nie gekannten Kahlschlag um 12 Prozent; die gerade für die Bewältigung des gesellschaftlichen Bruchs im Osten geschaffenen Aktionsprogramme fallen ab 1997 ersatzlos aus.
    Viertens. Nicht zuletzt läßt die Bundesregierung keine Gelegenheit aus, die zentrale Rolle der Familienpolitik zu betonen. Das hört sich im Jahresbericht der Bundesregierung so an:
    Die Familienpolitik der Bundesregierung hat zum Ziel, gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die es jungen Menschen erleichtern, sich für Kinder zu entscheiden, sie zum Leben in der Familie zu ermutigen und die Solidarität der Generationen zu stärken.
    Realität ist hier: Die bereits beschlossene Kindergelderhöhung - auch davon war schon die Rede - soll verfassungswidrig verschoben werden. Die völlig überholten Einkommensgrenzen beim Erziehungsgeld führen dazu, daß sich diese Leistungen praktisch von selbst abschaffen.
    Der Gipfelpunkt ist, daß Maßnahmen der Familienpolitik in diesem Haushalt zusätzlich um 17 Prozent gekürzt wurden. So sieht es aus, Frau Nolte, und nicht so, wie Sie es vorhin hier vorgestellt haben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Nicht nur als Haushaltspolitikerin muß ich leider sagen: Im Kern ist dieser Haushalt eigentlich gar nicht beratungsfähig. Er überdreht die Sparschraube nämlich nach quälenden Minusrunden schon in den letzten Jahren nun endgültig.

    (Wolfgang Dehnel [CDU/CSU]: Können Sie auch einmal einen Vorschlag machen?)

    - Wir haben keine Vorschläge gemacht? Wo waren Sie denn die letzten Tage, Herr Kollege? Haben Sie hier nicht aufgepaßt, was die Opposition zu sagen hat?

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Dabei wird allerdings eine prinzipiell neue Qualität erreicht, Frau Nolte. Bislang sollte mit nominalen Einschnitten um 3 bis 5 Prozent der Eindruck von Kontinuität und Bewahrung erweckt werden. Stagnation wurde dann schon als Erfolg gefeiert. Dies war allerdings ein Winkelzug der Salamitaktik der Bundesregierung, mit selektiven Kürzungen und

    Siegrun Klemmer
    politischen Affinitäten - die kennen wir ja - eine Solidarität der Zuwendungsempfänger gar nicht erst aufkommen zu lassen. Wer die verbandlichen Befindlichkeiten kennt, wird sich über den zeitweisen Erfolg dieser Taktik nicht wundern. Mittlerweile sind aber sämtliche Gestaltungsspielräume der freien Träger derart zusammengeschmolzen, daß inhaltliche Schwerpunktsetzung und Innovation von außen im Keim erstickt werden.
    In nie gekannter Eintracht - das hätte Ihnen doch auch in den letzten Wochen gewahr werden müssen - setzen sich die Verbände nun gemeinsam und völlig zu Recht gegen diese Einschnitte zur Wehr. Kürzungen in einzelnen Programmen des Kinder- und Jugendplans von deutlich über 30 Prozent - ich weiß nicht, was den Familienpolitikern unter Ihnen dazu noch einfällt - stellen die Arbeit nicht weniger Verbände mitsamt ihren Strukturen existentiell in Frage. Für Umschichtungen innerhalb der Kapitel finden selbst ausgefuchste Fachleute in diesem Jahr nun wirklich keine nennenswerte Verfügungsmasse mehr. Es ist endgültig auch mit der Möglichkeit umzuschichten Schluß.
    Uns Haushaltsberichterstatterinnen der Opposition - lassen Sie mir dieses Wort noch gestattet sein - wird für 1997 eine Herkulesaufgabe zugemutet. Mit einer Rohrzange stehen wir sozusagen vor der berstenden Staumauer.
    Die perfide Logik unserer Situation besteht darin, mit jedem Änderungsantrag einem verantwortungslosen Kahlschlagprogramm innerhalb eines unseriösen Haushaltspaketes quasi die Etatreife zu bescheinigen. Was ist die Alternative? Wahlweise können wir uns dem Verweigerungsvorwurf aussetzen und selbst auf kleinste Verbesserungen zugunsten der Menschen verzichten.
    Zum Thema Erziehungsgeld hat die Kollegin Hanewinckel das Notwendige gesagt. Frau Ministerin, hier geht Ihr familienpolitisches Paradepferd nun wirklich nach Null.
    Ihre Reaktion auf den Haushalt und die mittlerweile chronische Misere ist hilflos, unverantwortlich und geht an den gesellschaftlichen Notwendigkeiten völlig vorbei.

    (Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Mit Lobpreisungen des Ehrenamtes, der Verschonung der freiwilligen sozialen Dienste von allen Kürzungen - auch das muß man aus dem Haushalt herauslesen - sowie dem lauten Nachdenken über allgemeine Dienstpflicht zeigen Sie eigentlich recht deutlich auf, wohin die Reise gehen soll, wer nämlich das Staatsversagen bei der Bereitstellung öffentlicher Güter in Zukunft aufzufangen und wer zu leisten hat.
    Frau Nolte, Sie bleiben die Antwort auf folgende wichtige Frage schuldig, die gleichzeitig als Vorwurf an Sie gerichtet ist: Wie lange eigentlich wird der ständige Verweis auf das Subsidiaritätsprinzip, das von den freien Trägern zunehmend schwerer ausgefüllt werden kann - auch Sie wissen das -, als dauerhafte Fluchtmöglichkeit aus der Sozialstaatlichkeit von Ihnen noch mißbraucht?
    Dieser Haushalt ist hinsichtlich seiner unmittelbaren Folgen und Signalwirkungen fatal. Ich fordere Sie sehr eindringlich auf, in den nächsten Wochen im Interesse der Familien, der Frauen sowie der jungen und älteren Generation nachzubessern. Wir sind - natürlich unter veränderten Bedingungen, allerdings nicht, um neue Kampagnen zu starten - dazu bereit. Dieses rüde Kahlschlagprogramm wird allerdings nicht die Zustimmung der SPD-Bundestagsfraktion finden.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von Dr. Antje Vollmer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereich liegen nicht vor.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Das ist der Einzelplan 15. Das Wort hat zunächst der Herr Bundesminister für Gesundheit, Horst Seehofer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Horst Seehofer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums schrumpft im Jahre 1997, also im nächsten Haushaltsjahr, von 789 Millionen auf 751 Millionen DM. Das ist ein Ausgabenrückgang von 4,8 Prozent, für den ich dankbar bin, weil er den Minister und seine Mitarbeiter dazu zwingt, die Effizienz zu erhöhen und richtige Prioritäten zu setzen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Auch mit dem reduzierten Ausgabevolumen ist es möglich, alle notwendigen und wichtigen Maßnahmen der deutschen Gesundheitspolitik zu realisieren. Ich bin dankbar, daß bei dieser Prioritätensetzung die Mittel für die Aufklärungsmaßnahmen bei der Aids-Bekämpfung im Verhältnis zu dem laufenden Haushaltsjahr unverändert geblieben sind. Das ist ein gutes Beispiel dafür, daß man auch unter Sparzwang richtige Schwerpunkte und Prioritäten setzen kann.
    Insgesamt beträgt der Etat des Bundesgesundheitsministeriums ohnehin nur 0,17 Prozent des Gesamtvolumens des Bundeshaushaltes, weil sich die Finanzströme für die wichtigen Aufgaben Sozialhilfe und Gesundheit außerhalb des Bundeshaushaltes realisieren, beispielsweise bei den Kommunen und in der gesetzlichen Krankenversicherung.
    Aus diesem Grunde möchte ich nach vielem Gerede und vielen Kommentierungen über die Lage des deutschen Gesundheitswesens einiges Grundsätzliches zur tatsächlichen Realität sagen.
    Ich möchte mich dem Thema aus der Sicht eines Menschen, der krank ist, nähern und mit der Frage: Was erwartet eigentlich ein Mensch, der krank ist, von unserem deutschen Gesundheitswesen? Er erwartet in allererster Linie Hilfe. Er erwartet medizini-

    Bundesminister Horst Seehofer
    sehe Betreuung, auch menschlichen Zuspruch und vor allem Heilung.
    Wenn man an dieser Erwartungshaltung das deutsche Gesundheitswesen mißt, dann kann man ohne Zweifel feststellen, daß bei der Versorgungssicherheit unserer Bevölkerung und bei der Versorgungsqualität das deutsche Gesundheitswesen weltweit in der Spitzengruppe liegt, wenn nicht gar weltweit Spitze ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es braucht keinen Vergleich zu scheuen.
    Meine Damen und Herren, das ist nicht das Verdienst der Politiker,

    (Dr. Wolfgang Wodarg [SPDI: Das kann man wohl sagen!)

    sondern es ist das Verdienst derer, die als Mediziner, Schwestern und Pfleger tagtäglich Dienstleistungen für Menschen erbringen. Ihnen verdanken wir diese Qualität des deutschen Gesundheitswesens. Das möchte ich heute auch einmal aussprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das deutsche Gesundheitswesen genießt bei der Bevölkerung höchste Wertschätzung. In allen Umfragen liegt die Leistungsfähigkeit der Mediziner, unserer Arztpraxen, der Apotheken, der Krankenhäuser ganz oben. Aber ich brauche keine Umfragen, ich brauche nur die Reaktion der Menschen. Was geschieht denn, wenn sie im Ausland erkranken? Der erste Wunsch dieser Menschen ist, daß sie in die Obhut des deutschen Gesundheitswesens zurückkommen. Das muß so bleiben, meine Damen und Herren, und das ist das Wichtigste.
    Ich möchte heute auch einmal mit dem Vorurteil aufräumen, daß dieses Gesundheitswesen immer mehr in eine Apparatemedizin abgeglitten sei. Nein, meine Damen und Herren, neben dieser medizinischen und pflegerischen Qualität erwarten die kranken Menschen auch menschliche Fürsorge und Zuspruch.
    Nach meinen vielen Besuchen in Krankenhäusern und Diskussionen mit kranken Menschen möchte ich heute sagen, daß unser Gesundheitswesen nicht kälter geworden ist, nicht in die Apparatemedizin abgeglitten ist, sondern daß jeden Tag viele Beschäftigte im deutschen Gesundheitswesen diesen Zuspruch, diese Barmherzigkeit und diesen Gedanken des Samaritertums bei der Betreuung der Patienten einbringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Natürlich erwarten die Menschen auch das, weshalb die gesetzliche Krankenversicherung vor 150 Jahren einmal gegründet wurde. Sie ist gegründet worden als Selbsthilfeeinrichtung der Menschen zum Schutz vor den finanziellen Risiken bei Krankheit.
    Auch wenn man diese zweite Säule abprüft: Ist diese soziale Absicherung der finanziellen Risiken im Falle der Krankheit gegeben?, kann ich nach intensivem Studium aller Gesundheitssysteme weltweit feststellen: Es gibt auf dieser Erde kein Land, das im
    Falle der Krankheit die finanziellen Risiken so umfassend absichert wie die Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb sind all die Kommentare der letzten Tage und Wochen, dieses deutsche Gesundheitswesen sei krank, es sei aus dem Ruder gelaufen, und was wir jetzt alles gleich hören werden, nicht zutreffend. Es funktioniert. Es ist hochleistungsfähig. Es ist unser Auftrag, durch rechtzeitige Reformen dafür zu sorgen, daß das, was gut ist, auch gut bleibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zu dieser Analyse steht überhaupt nicht im Widerspruch, wenn wir im ersten Halbjahr dieses Jahres ein finanzielles Defizit von 7,3 Milliarden DM haben. Dieses Defizit wäre vermeidbar gewesen, wenn man die vorhandenen Instrumente zu mehr Wirtschaftlichkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung angewendet hätte.
    Niemand kann mir erzählen, meine Damen und Herren, daß ein zusätzlicher Arzneimittelverbrauch von 8 Prozent, daß zusätzliche Massagen und Krankengymnastik von 8 Prozent, daß Kurzunahmen von 5 Prozent, bei einzelnen Krankenkassen sogar von 10 Prozent, daß die Steigerung der Ausgaben für Gesundheits-Marketing - wo hinter dem sich nichts anderes als Werbemaßnahmen der Krankenkassen verbergen - von 17 Prozent in einem halben Jahr und daß die Zunahme der Verwaltungskosten bei den Krankenkassen von annähernd 6 Prozent - wo doch die ganze Republik bei den Verwaltungsausgaben spart -, daß dies alles notwendig ist oder gar medizinisch indiziert wäre. Nein, meine Damen und Herren, diese Unwirtschaftlichkeiten müssen herausgeschnitten werden, damit diese Gelder den kranken Menschen zur Verfügung stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Krankenkassen dürfen nicht erwarten, daß wir dafür neue Instrumente zur Verfügung stellen. Meine Damen und Herren, ein Nichthandeln von Körperschaften des öffentlichen Rechts - dazu gehören die Krankenkassen - kann nicht dadurch beantwortet werden, daß der Gesetzgeber immer wieder neue Paragraphen verabschiedet. Es sollen die vorhandenen Instrumente eingesetzt werden.
    Da bestünde das Arzneimittelbudget zur Vermeidung von überproportionalen Arzneimittelausgaben, es bestünden die Wirtschaftlichkeitsprüfungen, und es bestünde die Möglichkeit, alle disponiblen Ausgaben der Krankenkassen, die immerhin 6 Milliarden DM jährlich betragen, ab morgen auf Null zu stellen. Dann wären die Krankenkassen auch finanziell ausgeglichen.
    Ich werde noch in dieser Woche nach der Verabschiedung des Beitragsentlastungsgesetzes dafür sorgen - jedenfalls dort, wo wir auf Bundesebene die Aufsicht über die Krankenkassen haben -, daß diese ab sofort ihre freiwilligen Leistungen zurückfahren, daß sie ihre Verwaltungskostensteigerungen auf Null zurückfahren, daß sie manche rechtswidrigen Anwendungen und rechtswidrigen Ausgaben beenden und daß sie dort, wo sie Instrumente zur Verfügung

    Bundesminister Horst Seehofer
    haben, um unwirtschaftliche Ausgaben zu verhindern, diese auch einsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden gleich hören: Zu dieser Ausgabensteigerung hat die Bundesregierung beigetragen. Ich möchte Sie, Herr Kirschner, vorsichtshalber darauf hinweisen, daß heute vormittag im Bundesrat drei SPD-Ministerpräsidenten ein Gesetz, das Sie hier vehement bekämpft haben,

    (Klaus Kirschner [SPD]: Das Sie vorgelegt haben! Das von Ihnen stammt!)

    das Sie als Kniefall vor der Pharmaindustrie eingestuft haben - nämlich den Wegfall des Festbetrages bei patentgeschützten Arzneimitteln und den Wegfall des Reimportgebotes bei Arzneimitteln -, unterstützt haben. Einer davon hat erklärt: Dieses Gesetz wird mitgetragen, weil es vernünftig ist. Jetzt hat dieser „Kniefall", den ich monatelang von der SPD vorgeworfen bekam, mit voller Unterstützung der SPD im Bundesrat stattgefunden. Das Gesetz tritt in Kraft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß Sie bei der Abschaffung der Positivliste nicht einmal die Mehrheit im Bundesrat zusammenbrachten, um den Vermittlungsausschuß anzurufen. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Arzthonorare für die Hausärzte und für die Ostärzte mit Zustimmung der SPD-Bundesländer in der konzertierten Aktion beschlossen worden sind. - Wir werden hier nämlich gleich hören, daß dies ein Kniefall vor den Ärzten war und daß wir den Ärzten das Geld nachgeschmissen hätten. - Die 16 Bundesländer waren in der konzertierten Aktion anwesend. Wenn in der konzertierten Aktion nur ein Land dagegengestimmt hätte, wäre diese Empfehlung an den Bundesgesundheitsminister und an den Gesetzgeber nicht zustande gekommen. Ich sage das nur, weil wir gleich das Gegenteil hören werden.
    Erzählen Sie mir bitte auch nicht, daß eine Positivliste bei Arzneimitteln vermieden hätte, daß die Arzneimittelausgaben in dieser Höhe entstehen. Die These, wenn ein Gesetzgeber weniger Arzneimittel zulasse, gebe es weniger Arzneimittelausgaben, habe ich immer schon bestritten. Aber sie ist auch hoffnungslos falsch. Denn, meine Damen und Herren, vor zehn Jahren, im August 1986, hatten wir in der Bundesrepublik Deutschland 134 500 verkehrsfähige Humanarzneimittel. Zehn Jahre später, im August 1996, ist diese Zahl auf 48 500 zurückgegangen. Nach der These von Planwirtschaftlern, hätten die Ausgaben für Arzneimittel proportional zurückgehen müssen. Tatsächlich sind sie massiv gestiegen. Beerdigen Sie einmal die Theorie, daß man mit Planwirtschaft und Listenmedizin Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung vermeiden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden morgen das Beitragsentlastungsgesetz verabschieden und damit erstmals seit langer Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1. Januar die Beiträge um 0,4 Beitragspunkte senken. Das entlastet die Beitragszahler um 7,5 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, dies ist deshalb gerechtfertigt, weil wir auch das dafür notwendige Sparvolumen in der gesetzlichen Krankenversicherung morgen mit verabschieden.
    Wir zwingen die Krankenkassen nicht zur Beitragssenkung und sagen auch nicht „Schaut, wo ihr das einspart" , sondern wir bringen den politischen Mut auf und kürzen Leistungen in dieser Größenordnung, um die Beitragssenkung zu ermöglichen. Ich finde es gut, daß eine Beitragssenkung in einer Sozialversicherung stattfindet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch ist es nicht neu, daß die dritte Stufe der Gesundheitsreform trotz des Beitragsentlastungsgesetzes notwendig ist. Wir sagen dies seit 1992 für Mitte der 90er Jahre vorher. Den Zeitpunkt haben wir erreicht.
    Wir wollten mit Ihnen darüber verhandeln.

    (Waltraud Lehn [SPD]: Sie?)

    Sie haben viele Geschichten in die Welt gesetzt.

    (Waltraud Lehn [SPD]: Wann?)

    Tatsächlich sind die Verhandlungen nach zwei Stunden aus einem einzigen Grund abgebrochen worden, nämlich weil uns die SPD aufgefordert hat, bestimmte Bedingungen zu erfüllen. Eine Bedingung war, das morgen zu verabschiedende Beitragsentlastungsgesetz vom Tisch zu nehmen.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Das war auch vernünftig!)

    Wenn man wirklich einen Konsens will, dann kann man Gespräche nicht damit beginnen, daß man dem Gesprächspartner Bedingungen setzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Deshalb werden wir die dritte Stufe der Gesundheitsreform zustimmungsfrei aus eigener Kraft realisieren. Wir werden das sehr zügig tun. Ich kann Ihnen von der Opposition nur raten: Glauben Sie jetzt nicht, daß Sie nach der morgigen Verabschiedung des Gesetzes und der Sparprogramme viel Zeit zum Luftholen haben. Wir werden innerhalb kürzester Zeit, innerhalb der nächsten 14 Tage oder drei Wochen, die dritte Stufe der Gesundheitsreform vorlegen. Die Verhandlungen laufen in der Koalition sehr gut. Im Grunde steht das Konzept. Wir werden es realisieren.
    Das Konzept hat drei Grundsätze. Das erste ist das Organisationsprinzip. Wir halten daran fest: Wir wollen keine Privatisierung des Krankheitsrisikos. Wir wollen aber auch keine Verstaatlichung des Gesundheitssystems. Wir bleiben bei dem bewährten Partnerschaftsmodell, wonach die Selbstverwaltung innerhalb der Rahmenbedingungen, die der Gesetzgeber setzt, das Gesundheitswesen entwickelt und umsetzt. Es ist immer besser, einer kleineren Einheit, in diesem Fall den Krankenkassen, den Ärzten, den Krankenhäusern, den Apothekern, die Erfüllung einer Aufgabe zu übertragen. Ein alter Grundsatz: Man soll einer größeren Einheit, nämlich dem Bund,

    Bundesminister Horst Seehofer
    nichts übertragen, was eine kleinere genauso gut erledigen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU Waltraud Lehn [SPD]: Aber genau das Gegenteil machen Sie doch!)

    Es spricht nichts dagegen, wenn man die Krankenkassen durch den Gesetzgeber zwingt, jetzt Beiträge zu senken.

    (Zuruf von der SPD: Na sicher spricht etwas dagegen! Das ist staatlicher Dirigismus!)

    Denn es ist geradezu eine Pflicht, daß wir, wenn wir auf der Leistungsseite 7,5 Milliarden sparen, dann dafür Sorge tragen, daß das Sparvolumen an jene weitergegeben wird, die Beiträge zahlen, an die Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir halten an diesem Partnerschaftsmodell fest. Wir werden die Freiräume für die Selbstverwaltung erweitern,

    (Klaus Kirschner [SPD]: Durch Beitragssenkung staatlicherseits?)

    das heißt, wir werden in bestimmten Feldern der Selbstverwaltung die Möglichkeit einräumen, durch Satzung den Leistungskatalog zu verändern und zu variieren. Wir werden ihr die Möglichkeit einräumen, auch auf der Beitragsseite mit Beitragsrückgewähr, Selbstbehalten und ähnlichem Variationen in die gesetzliche Krankenversicherung zu bringen.
    Ich frage mich: Was spricht dagegen, wenn wir auch die Stellung des Versicherten, des Patienten, stärken, damit nicht Funktionäre über seinen Kopf hinweg entscheiden, indem wir sagen: „Ein Patient bekommt künftig eine Rechnung, damit er Kostentransparenz hat, was und in welcher Höhe bei ihm abgerechnet wurde"

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    und indem wir dem Patienten sagen: „Wenn du nicht Sachleistung willst, kannst du dich aus freien Stükken für die Kostenerstattung entscheiden. " Glauben wir doch nicht immer, daß wir die Menschen bevormunden müssen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Tatsache, daß vielleicht da und dort die Selbstverwaltung nicht immer so perfekt funktioniert, ist noch lange kein Grund, sie als solche in Frage zu stellen. Wir schaffen auch nicht die soziale Marktwirtschaft ab, wenn es unlauteren Wettbewerb gibt. Dann müssen wir die Fehlentwicklungen abschaffen und nicht die Marktwirtschaft.
    Die Selbstverwaltung ist nicht ein Systemfehler, wenn sie Defizite macht, sondern dort liegen Managementfehler vor. Wir müssen dafür sorgen, daß die Managementfehler abgestellt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zweitens. Nach welchem Gesellschaftsbild organisieren wir eine Krankenversicherung? Wir bleiben dabei, daß wir eine freie Arztwahl wollen. Wir wollen nicht das, was manche Planfunktionäre wollen, nämlich daß Funktionäre bestimmen, wohin der Patient gehen kann. Der Patient wird in Deutschland seine freie Arztwahl behalten.

    (Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/ CSU])

    Wir wollen die Therapievielfalt. Wir wollen die Therapiefreiheit des Arztes. Zur Therapiefreiheit gehört, daß man nicht Listenmedizin betreibt,

    (Klaus Kirschner [SPD]: Was soll denn das? Bauen Sie hier doch keinen Buhmann auf!)

    innerhalb deren sich der Arzt bewegt. Zur Therapievielfalt gehört, daß wir die Schulmedizin genauso unterstützen wie die besonderen Therapierichtungen; denn auch diese können im Einzelfall segensreich wirken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Da gibt es kein Entweder-oder, sondern ein SowohlAls-auch.
    Wir wollen eine Pluralität des Angebotes, meine Damen und Herren. Es wird mit uns keine staatlichen Gesundheitszentren geben, auf die der Patient angewiesen ist. Er muß wählen können zwischen verschiedenen Krankenhäusern, zwischen verschiedenen Ärzten, zwischen verschiedenen Masseuren und zwischen verschiedenen Krankengymnasten. Schminken Sie sich ab, daß Funktionäre bestimmen, zu welchem Arzt und in welches Krankenhaus ein Patient gehen darf!

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Dieter Thomae [F.D.P.] Klaus Kirschner [SPD]: Wer will denn das?)

    Drittens. Wir bleiben bei einer sozialen Krankenversicherung, einer Krankenversicherung, die jene Risiken absichert, die gemeinschaftlich getragen werden müssen. Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Das werden wir auf Dauer mit Spitzenmedizin, mit medizinischem Fortschritt und bei steigender Lebenserwartung nur finanzieren können, wenn wir dort, wo kleinere Risiken vorliegen und wo es auch um die Erhöhung des Wohlbefindens geht, in der Bundesrepublik Deutschland mehr Eigenverantwortung realisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, in den nächsten Wochen werden wir wieder hören, daß eine Zweiklassenmedizin ins Haus stünde.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Mehrklassenmedizin!)

    Ich möchte aber gerade nicht, daß die aufwendige Spitzenmedizin, der Krankenhausaufenthalt, die Operation, die medizinische Dienstleistung, das teure Medikament zum Privileg von Menschen wird, die es sich privat leisten können.

    (Zurufe von der SPD)


    Bundesminister Horst Seehofer
    Aber wir müssen den Menschen sagen, daß wir das nur finanzieren können, wenn nicht jede Massage nach einer Sportverletzung, jedes Aspirin und jede Erholungskur zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD: Und was machen Sie mit dem Zahnersatz? Was machen Sie bei den Zähnen?)

    Wenn eine Solidargemeinschaft alles finanzieren will, kann sie am Ende nichts mehr finanzieren. Deshalb werden wir das Niveau unserer medizinischen Leistungsfähigkeit nur erhalten können, wenn wir allen Beteiligten mehr Freiräume gewähren; denn nur Freiräume wecken Motivation und Kreativität. Wenn wir mehr Eigenverantwortung einräumen, kann der einzelne Mensch, wenn ich an die Gesundheitsprävention denke, auf fast keinem anderen Feld für sich und seine Gesundheit innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung mehr tun. Ich brauche keinen Vormund, keinen Funktionär, der mich ständig an der Hand führt und mir sagt,

    (Zuruf von der SPD: Sie haben ja Herrn Möllemann!)

    wie man sich richtig bewegt, richtig ernährt. Da gibt es eine Eigenverantwortung für jeden einzelnen Menschen, und die müssen wir motivieren.
    Für die Behandlung eines Patienten ist nicht primär der Arzt verantwortlich, sondern zunächst jeder Mensch selbst. Jedenfalls ist das bei den gesunden Menschen so, wenn es um die Prävention geht. Das müssen wir realisieren.
    Wie ich in den letzten Wochen oft gesagt habe, wird auch beim Beitrag die notwendige Sicherheit einziehen, so daß es dann nicht zu Mehrbelastungen bei den Arbeitskosten kommt. Die Beitragsfestschreibung ist das letzte Mittel. Es würde von mir der Koalition nur dann vorgeschlagen, wenn uns nicht bessere Strukturmaßnahmen einfielen. Es schaut so aus, als könnte sich die Koalition auf bessere Lösungen verständigen.

    (Zuruf von der F.D.P.: Denkt doch ein bißchen nach, das lohnt sich! Zuruf von der SPD: Haben wir schon gelesen! Noch größere Schweinereien!)

    Wir wollen hier vorsichtigerweise nur sagen, daß wir Beitragsveränderungen durch Krankenkassen so erschweren werden, daß man davon ausgehen kann, daß, wenn sie denn stattfinden, vorher alle Wirtschaftlichkeitsreserven in diesem System ausgeschöpft sind.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Damit die Kassen den Schwarzen Peter haben!)

    Ich glaube, wir brauchen diese elegante Lösung; denn wenn wir auf Dauer budgetieren würden, würde das den medizinischen Fortschritt im Gesundheitswesen abschneiden. Es darf nicht so weit kommen, daß wir uns in der Bundesrepublik Deutschland auch noch vom medizinischen Fortschritt abkoppeln.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

    Für den medizinischen Fortschritt müssen wir das notwendige Geld zur Verfügung stellen.
    Das sind Richtungsentscheidungen. Da geht es nicht mehr um Variationen. Deshalb werden wir uns auch nicht treffen, meine Damen und Herren von der SPD, weil Sie an Ihrem alten Prinzip der Aufsicht, der Kontrolle des Staates festhalten.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir wollen mehr Freiräume verwirklichen.
    Wir werden in den nächsten Wochen wieder viel von der Zweiklassenmedizin, von der Politik gegen den kleinen Mann hören.

    (Klaus Kirschner [SPD]: Was auch stimmt!)

    Ich kann Ihnen nur sagen: In der gesetzlichen Krankenversicherung sind in den letzten fünf Jahren die Ausgaben um 60 Milliarden DM gestiegen, von 170 auf 230 Milliarden DM. Wie kann man von einem Sozialabbau reden, wenn in einer Sozialversicherung die Ausgaben innerhalb von fünf Jahren um ein Drittel steigen und diese gleiche Gesellschaft just in diesem Jahr noch eine Pflegeversicherung zur Absicherung von Pflegebedürftigen mit einem Volumen von 32 Milliarden DM in Kraft setzt?

    (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Das ist sozialer Umbau, meine Damen und Herren: die Mittel dorthin zu lenken, wo sie wirklich erforderlich und notwendig sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir werden die Kraft für diese Reformen aufbringen. Denn wenn die Politik nicht jetzt die Veränderungen vornähme, würde das im Klartext bedeuten, daß wir die negativen Konsequenzen einer Reformunfähigkeit auf die nächsten Generationen verlagern.
    Dafür möchte ich und möchte die Koalition die Hand nicht reichen.

    (Beifall des Abg. Siegfried Hornung [CDU/ CSU])

    Deshalb werden wir den Mut und die Tapferkeit zu weiteren Veränderungen in den nächsten Wochen auch in der Gesundheitspolitik aufbringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)