Rede von
Claudia
Nolte
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich auf die Debatte der vergangenen Tage zurückkommen. Sie hat
Bundesministerin Claudia Nolte
deutlich gezeigt, daß wir uns in einem Punkt einig sind: Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist unser primäres Ziel. Weil es um neue und sichere Arbeitsplätze für Väter und Mütter geht und damit um die Grundlage der Versorgung ihrer Familien, weil es um den jungen Menschen geht, der erfahren muß, daß er gebraucht wird, und weil es um die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht, deren Lebens- und Berufserfahrungen wichtig sind und die spüren sollen, daß wir sie nicht einfach abschieben, brauchen wir eine Politik, die die Grundlagen für mehr Wachstum und Beschäftigung schafft.
Zur Wahrheit gehört, daß dazu auch unpopuläre Entscheidungen nötig sind. Sparen fällt nie leicht, schon gar nicht in einem Bereich, in dem es um familien- und frauenpolitische und um senioren- und jugendpolitische Aufgaben geht. Deshalb kann es auch keine Kürzung nach dem Rasenmäherprinzip geben.
Der größte Teil der Kürzungen meines Haushaltsansatzes ist darauf zurückzuführen, daß wir künftig weniger Anspruchsberechtigte beim Erziehungsgeld haben werden und daß die Übergangsregelung des Familienleistungsausgleichs wegfällt. Das allein macht 797 Millionen DM aus.
Mir war wichtig, mit meinem Haushalt auch weiterhin Kontinuität in den Schwerpunktbereichen sicherzustellen. Dies wird zum Beispiel deutlich bei der Förderung von Jugendverbandsstrukturen, weil ich dem eine besondere Bedeutung zumesse. Wir werden obendrein sogar einzelne Schwerpunkte verstärken. Ich erinnere nur an die Erhöhung der Mittel für den deutsch-tschechischen Jugendaustausch von 0,5 Millionen DM auf 2 Millionen DM.
Positiv ist ebenso, daß die freien Träger des Zivildienstes in den neuen Bundesländern auch im nächsten Jahr Aufwandszuschüsse bekommen werden, so daß weitere Zivildienstplätze eingerichtet werden können.
Junge Menschen brauchen Perspektiven. Deshalb ist es so wichtig, daß sie eine qualifizierte Berufsausbildung haben. Darum haben wir uns in diesem Bereich so engagiert. Ich erwarte, daß auch die Wirtschaft weiterhin ihre Verantwortung wahrnimmt und ihre Bemühungen fortsetzt.
Der Umbruch unserer Wirtschaft von der Industriehin zu einer Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft wirkt sich schon heute auf den Arbeitsmarkt aus. Hier stecken Risiken, aber auch Chancen. Dafür müssen wir unsere jungen Leute ausrüsten. Das verlangt die Bereitschaft zur Modernisierung im Ausbildungssystem. Wir sind aber auch gefordert, benachteiligte Jugendliche zu fördern, so wie wir das im Rahmen der Projekte arbeitsweltbezogener Jugendsozialarbeit tun.
Die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft bietet auch Chancen für Frauen. Frauen waren in Westdeutschland die Beschäftigungsgewinnerinnen. Wenn wir die neuen Bundesländer betrachten und dort die Entwicklung der Arbeitslosigkeit von Frauen verfolgen, dann sehen wir allerdings, daß wir dort noch vor einer großen Aufgabe stehen und auch weiterhin arbeitsmarktpolitische Instrumente speziell mit Frauenförderung verbinden müssen. Das haben wir mit der Reform des Arbeitsförderungsgesetzes getan, das heißt, wir haben die frauenfördernden Maßnahmen verstärkt.
Eine Herausforderung bleibt nach wie vor die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zumal sich eine familienfreundliche Arbeitswelt und Wettbewerbsfähigkeit nicht ausschließen. Im Gegenteil, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mit sich im reinen sind, die Familie und Beruf miteinander verbinden können, sind in der Regel auch zufriedenere und damit leistungsfähigere Beschäftigte.
Flexible Arbeitszeitmodelle, Mobilzeit - das sind Stichworte, die heute ein modernes Unternehmen auszeichnen. Daß dies funktioniert, konnte ich mir selber ansehen. Ich war vor kurzem in einem Thüringer Unternehmen, das im Rahmen unseres Modellprogramms „Mobilzeitberatung" mit uns zusammengearbeitet hat. Da war es möglich, innerhalb kurzer Zeit 67 Prozent der Beschäftigten im Bereich Mobilzeit zu beschäftigen. Ich wünsche mir, daß wir noch mehr solche Beispiele haben, daß wir Nachahmer haben, damit gute Konzepte, die es gibt, umgesetzt werden und Eingang in die Praxis finden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die notwendigen aktuellen Reformen und Maßnahmen in unserem gemeinsamen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit dürfen uns aber nicht vergessen lassen, daß der demographische Wandel die Entwicklung unserer Gesellschaft und auch unserer Wirtschaft langfristig nachhaltiger beeinflussen wird. Diese Entwicklungen werden uns vor große Herausforderungen stellen, materiell wie immateriell. Ich warne davor, den demographischen Wandel ausschließlich in seiner Finanzauswirkung zu betrachten.
Die Verschiebung in der Altersstruktur unserer Gesellschaft ist vor allem auch eine Anfrage an unsere Bereitschaft zum solidarischen Handeln. Viele Erhebungen dokumentieren sehr wohl, daß es viel mehr Solidarität in unserer Gesellschaft gibt, als allgemein angenommen wird. Aber sie passiert eben nicht im Scheinwerferlicht der Medien, sondern oft im verborgenen. Paradebeispiel hierfür ist das ehrenamtliche Engagement von Millionen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes. Diese Menschen, die ehrenamtlich Enormes leisten, verdienen unsere volle Anerkennung und Unterstützung.