Rede von
Hans-Joachim
Fuchtel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit dem ersten Knüller, den uns der Kollege Schreiner angeboten hat, gleich beschäftigen, nämlich mit der europäischen Beschäftigungsinitiative. Immer, wenn es im eigenen Hause nicht mehr weitergeht, dann sucht man eine andere Ebene. Vorher, als es hieß, man müsse Probleme in Niedersachsen lösen, war es der Bund. Wenn jetzt hier eine neue Ebene gesucht wird, dann muß man nach Europa schauen. Das können wir gerne tun.
Wenn wir einmal die Arbeitslosenquoten vergleichen, die wir um uns herum haben, dann werden wir feststellen: Italien 12,1 Prozent, Irland 12,4 Prozent, Frankreich 11,6 Prozent, Spanien 22,1 Prozent. Nun können wir gerne miteinander eine europäische Beschäftigungsinitative auf den Weg bringen. Aber ich frage einmal: Wer wird den Großteil der Kosten für diese Initiative tragen? Wird es Europa oder werden es wieder wir Deutsche sein, die weiß Gott schon einen guten Nettobeitrag nach Europa abführen?
Diese Frage, Herr Kollege Schreiner, müssen Sie beantworten. Es geht nicht ohne zusätzliche Milliarden. Dazu haben Sie uns jetzt kein Angebot gemacht.
Wenn ich Sie so höre, dann muß ich dem Bundesarbeitsminister schon recht geben.
Hans-Joachim Fuchtel
Er hat vorhin gesagt, bei Ihnen bewege sich die Diskussion mehr und mehr auf eine Verteilerdiskussion hin. Man muß sich fragen, was Sie für ein Verständnis von Sozialer Marktwirtschaft haben. Den ganzen Morgen frage ich mich das schon und stelle vor allem nach dem, was die Kollegin Fuchs gesagt hat, fest, daß es immer mehr in Richtung Verteilen geht. Das Vorhandene soll einfach auf mehr Schultern geladen werden. Damit werden wir nicht zurechtkommen. Sie können mit Arbeitsmarktpolitik nicht alle Probleme des Arbeitsmarktes bewältigen.
Das müssen wir uns jetzt einfach verinnerlichen. Es hat keinen Wert, davon immer wieder neu anzufangen.
Ich nenne einmal ein Beispiel. Es sind nicht nur die Gartenbaubetriebe, die unter der Situation einer großen Zahl von AB-Maßnahmen in den neuen Bundesländern leiden. Sie können zu den Baumschulen gehen. Große traditionelle Baumschulen in Westdeutschland kommen unter Wettbewerbsdruck und können ihre Betriebe nicht mehr halten. Warum? Weil in den neuen Bundesländern in einem ganz hohen Maße auf diesem Sektor mit AB-Maßnahmen gearbeitet wird. Das kann einfach nicht die Linie sein. Damit schafft man keine steuerbringenden Betriebe, sondern damit macht man steuerzahlende Betriebe kaputt. Wenn diese kaputt sind, dann frage ich: Wer soll dann die Mittel für ABM aufbringen?
Ihnen fehlt generell die Fähigkeit zur Abgrenzung zwischen erstem und zweitem Arbeitsmarkt. Das haben Sie, Frau Fuchs, deutlich zum Ausdruck gebracht. Sie sind ja in Sachsen herumgekommen und haben dort ein Wahlergebnis erzielt, das wir alle kennen und über das wir nicht weiter reden möchten. Aber Sie müßten eigentlich wissen, daß mit diesen Verteilungsmechanismen auf gar keinen Fall die Zukunft gestaltet werden kann.
Sie sind auch nicht bereit zur Korrektur der Sozialausgaben. Das ist hier in aller Breite gesagt worden. Sie wollen zulassen, daß die Wirtschaft in den Kosten ertrinkt. Wir müssen Ihnen einmal sagen, daß der, der die Soziale Marktwirtschaft als Einbahnstraße begreift, ihr Wesen verkennt. Sie sind auf dem Weg zum - ich nenne es einmal so - „Softie-Sozialismus". Das ist die Richtung, in der Sie sich bewegen. Das ist die falsche Richtung. Es ist dringend notwendig, daß wir mit dem Konzept, das wir jetzt angeregt haben, nämlich einem Programm für Wachstum und Beschäftigung, mit einem Bundeshaushalt 1997, der bewußt auf Sparmaßnahmen angelegt ist, die Ressourcen erwirtschaften, damit es mit der Wirtschaft wirklich aufwärtsgehen kann und dadurch dann auch neue Arbeitsplätze entstehen.
Meine Damen und Herren, wir müssen 2 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen,
und dafür müssen die Rahmenbedingungen entsprechend ausgerichtet werden. Das und nichts anderes erwarten die Menschen von uns.
Den Arbeitslosen helfen keine Sparpakete. Wir können der nächsten Generation nicht noch mehr Schulden hinterlassen. Wenn das alles so ist, dann helfen auch neue Verschiebebahnhöfe nicht. Dann bleibt nichts anderes übrig, als die Ausgaben dort zu senken, wo sie entstehen. Deswegen sage ich als einen zentralen Satz: Sozialausgaben müssen im Sozialetat und bei den Sozialversicherungen eingespart werden. Das ist unsere konkrete Aufgabe.
Dem tragen wir mit unseren Programmen Rechnung.
Wenn die Arbeitsmarktlage im Jahr 1996 noch ungünstiger ist, als vorher eingeschätzt wurde, ist dies nur ein weiterer Grund, unsere Bemühungen besonders ernsthaft zu betreiben, aber kein Grund, sich auf den Weg in die Neuverschuldung zu machen.
- Meine Damen und Herren, „falschliegen" ist ein sehr gutes Wort. Über 60 Prozent der Bevölkerung sind der gleichen Meinung wie wir. Das sollten Sie auch zur Kenntnis nehmen.
Deswegen sage ich Ihnen, vielleicht zum Trost, auch folgendes: Es gibt auch unter Ihren Genossen Leute, die da schon etwas weiter sind. Wenn ich zum Beispiel die „Berliner Zeitung" von gestern nehme, lese ich über Herrn Schröder: „Schröder für weniger Sozialstaat". Einmal ist Herr Schröder für Sie sehr viel wert, heute morgen ist er wieder gar nichts wert. Sie müssen sich einmal entscheiden, wer in Ihrer Partei wirklich etwas wert ist, meine Damen und Herren.
sowie der Abg.
Dr. Gisela Babel [F.D.P.] - Lachen bei der
SPD)
Herr Scharping verwechselt Mexiko mit Deutschland, Herr Lafontaine hat gestern wegen 0,4 Prozent Rückführung der Sozialleistungsquote von diesem Rednerpult aus auf Weltuntergangsstimmung gemacht, und Herr Schröder - darauf muß man noch einmal zu sprechen kommen - streicht im Landeshaushalt 1997 in Niedersachsen 7,8 Prozent sämtlicher Sozialausgaben. Ich frage mich nur, warum die Raus, die Eichels, die Simonis' keine „Sparpakete" bekommen. Offenbar trauen die Gewerkschaften denen nicht einmal eine geordnete Entsorgung zu. Das wird der Grund sein; denn sonst müßten dorthin „Sparpakete" im Übermaß geschickt werden, oder
Hans-Joachim Fuchtel
wir dürften auch keine erhalten. Irgendwo stimmt hier in Ihrer Strategie etwas nicht, meine Damen und Herren.
Durch Ihre Verzögerungsmaßnahmen wurde wertvolle Zeit für dieses Land verloren. Die Arbeitslosen haben dadurch weitere Probleme bekommen.
Das stört Sie alles nicht. Auf der einen Seite blockieren Sie alles, auf der anderen Seite kritisieren Sie, daß nichts geschieht. Wie kann man das nennen? Sie taktieren auf dem Rücken von 4 Millionen Arbeitslosen, und das muß aufhören, meine Damen und Herren
- Sie können so weitermachen. Wir werden am Freitag entscheiden.
Meine Damen und Herren, wir müssen sparen.
Die nächste Generation muß etwas mehr individuelle soziale Verantwortung übernehmen.
Das sagen wir den Menschen. In einer Zeit, wo Billionen vererbt werden, denke ich, daß es mit einer solchen Linie klappen müßte. Wenn eine solche Linie gefahren wird, dann schlittert Deutschland nicht in einen solchen Softie-Sozialismus hinein,
nein, dann wird es uns gelingen, den Standort auf sehr hohem Niveau für die Zukunft zu halten.
- Sie können darüber lachen, soviel Sie wollen.
- Wenn hier auf einmal von Kamelen die Rede ist, dann bekenne ich mich gerne als Ehrenpräsident des Deutschen Kamelvereins,
sage Ihnen aber auch, daß die Kamele wissen, was sich gehört, und sich einzuordnen wissen. Das fehlt Ihnen manchmal, meine Damen und Herren.
Einen Versorgungsstaat mit dem Niveau, das Sie sich vorstellen, hält selbst der stärkste Gaul nicht aus und schon gar nicht
unsere Gesellschaft mit ihrem demographischen Aufbau.
In den letzten Jahren ist in Deutschland viel geschehen.
Ich halte es in dieser Diskussion für besonders primitiv,
daß Sie immer wieder Helmut Kohl, Theo Waigel und vor allem auch Norbert Blüm wegen der Arbeitslosigkeit und der Verschuldung in den neuen Bundesländern anprangern.
Sie sollten sich wenigstens ganz leise noch daran erinnern, daß es hier darum ging, einen Sozialismus zu beseitigen, übrigens einen Sozialismus, den damals Leute bewirkt haben, mit denen Sie zuweilen ganz recht zu Streich gekommen sind.
Hören Sie auf, so zu tun, als ob Norbert Blüm für die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern verantwortlich wäre!
Verantwortlich ist ein System, das einen Trümmerhaufen hinterlassen hat. Wir sind jetzt dabei, aus diesem Trümmerhaufen wieder ein schönes Land zu machen, ein Land, in dem wieder genügend Arbeit vorhanden ist, ein Land, in dem es sich zu leben lohnt. Das ist der Weg, auf dem wir sind. Da ist es völlig ungerechtfertigt, wenn Sie so tun, als wäre Norbert Blüm für das Ganze verantwortlich.
- Ich warne Sie. Der Joseph Fischer ist da schon ein bißchen weiter. Der hat das gestern wenigstens anerkannt. Diese Anerkenntnis fehlt Ihnen, weil Ihre Fraktion auf das Negieren sämtlicher Wahrheiten festgelegt ist.
Ich verstehe es manchmal nicht. Ich denke manchmal, manche leben schon sehr weit weg von der Bevölkerung.
Machen Sie keine Sprechstunde? Erfahren Sie nicht,
was die Handwerksmeister Ihnen sagen, was Indu-
Hans-Joachim Fuchtel
striemanager Ihnen sagen? Das scheint Ihnen alles egal zu sein. Sie nehmen eine Blockadehaltung ein und bewegen sich kein Stückchen. Das hilft niemand weiter, überhaupt nicht denen, die besondere Hilfe bräuchten, nämlich den Arbeitslosen in Deutschland.
Meine Damen und Herren, Arbeitslosigkeit und Schuldenaufnahme, das sind Ergebnisse eines Staatssozialismus, die Norbert Blüm mit viel Engagement beiseite räumt. Wenn man sich einmal vor Augen führt, daß wir jetzt über 180 Milliarden DM an Transferleistungen allein in diesem Bereich erbracht haben und in diesem Jahr über 200 Milliarden DM erbracht haben werden, dann wird deutlich, wie stark die Kraft war,
mit der die Solidarität für unsere Landsleute in den neuen Bundesländern gewirkt hat.
- Das ist nicht unverschämt.