Rede von
Dr.
Graf
Otto
Lambsdorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Frau Fuchs, Sie haben mich in mehreren Punkten angesprochen. Ich mache es ganz kurz.
Vermögensteuer sei zu hoch, hätte ich gesagt. - Nein, das ist nicht richtig. Die Vermögensteuer ist auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einer „Sandwichsteuer" geworden. Wir müssen dafür sorgen, daß die Gesamtbelastung, die über 50 Prozent erreichen kann, abgebaut wird. Dann kann man die Vermögensteuer beibehalten. Das setzt eine Senkung der Einkommensteuer voraus. Sonst zahlen nämlich nur die Bezieher mittlerer Einkommen; die Bezieher ganz kleiner und die Bezieher ganz großer Einkommen zahlen nichts. Das kann ja wohl nicht sinnvoll sein. Außerdem müssen Sie sich die Frage stellen, ob Sie eine private und vor allem eine betriebliche Vermögensteuer ab 1. Januar nächsten Jahres in den neuen Bundesländern wirklich einführen und den Betrieben auferlegen wollen.
Zweitens. Sie haben kritisiert, daß wir die Lohnstückkosten für zu hoch halten. Ja, meine Damen und Herren, wenn man den internationalen Vergleich betrachtet - das ist der Vergleich mit unseren Wettbewerbern -, dann wird man finden, daß überhaupt kein Weg an dieser Erkenntnis vorbeiführt. Ich könnte den Vergleich zwischen Mexiko und der Bundesrepublik Deutschland umdrehen, der hier gestern behandelt worden ist.
Daran können Sie es doch ablesen.
Ganz interessant ist das Produktivitätsgutachten des Ifo-Instituts. Die Produktivität in Deutschland ist gar nicht so schlecht, wenn man, wie es das Ifo-Institut leider tut, den Grund dafür, nämlich die wachsende Zahl der Entlassungen bei Unternehmen, nicht berücksichtigt. Man kann eine hohe Produktivität auch dadurch erreichen, daß man Arbeitskräfte abbaut. Keiner dürfte dieses Gutachten eigentlich bejubeln, weder die Opposition noch die Regierung, noch die Gewerkschaften. Sie haben es trotzdem getan; das zeugt nicht gerade von volkswirtschaftlicher und beschäftigungspolitischer Einsicht. - Ja, Herr Schwanhold, wenn Sie es nicht getan haben, nehme ich Sie gerne aus.
Drittens. Es wird berichtet, daß unsere Exporte steigen. Ich stelle fest: Unser Anteil am Welthandel sinkt.
Die Exporte steigen, weil auch in dieser Hinsicht unsere Wettbewerbsfähigkeit durch Entlassungen der großen, gerade der exportierenden Unternehmen verbessert worden ist. Ist das der richtige, der wünschenswerte Weg?
Sie erwähnen das Stichwort Massenkaufkraft. Kein Mensch bestreitet, daß das ein volkswirtschaftlich wesentlicher Faktor ist. Aber jedermann weiß, daß Massenkaufkraft, die auf Löhnen und Gehältern beruht, auch ein Kostenfaktor ist, der wiederum mit den Lohnstückkosten und unserer Wettbewerbs-
Dr. Otto Graf Lambsdorff
fähigkeit etwas zu tun hat. Massenkaufkraft - wie denn? Besser durch Lohnerhöhungen oder durch Steuersenkungen? Wenn Sie den zweiten Weg gehen wollten, würden Sie mich sofort an Ihrer Seite finden.
Als letztes ABM. Frau Fuchs, Sie unterstellen uns, wir hätten gesagt, AB-Maßnahmen sollten abgeschafft werden. Das ist nicht wahr. Aber eines steht doch fest: Sehen Sie sich doch die Klage der ostdeutschen Gartenbauverbände aus der letzten Woche an, die sagen: Mit den Mitteln aus ABM sind über den zweiten Arbeitsmarkt unsere Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt vernichtet worden. Wir mußten die Leute entlassen, weil die Kommunen mit ABM-Mitteln den Mittelständlern Konkurrenz machen und diese Arbeiten selber erledigen. Ich frage: Ist das denn vernünftig? Ich habe immer gesagt: Das ist unvernünftig.
Schließlich folgende Bemerkung. Die Diskussion, die Herr Geißler mit seiner Frage angestoßen hat - auf sie ist nach meiner Ansicht nicht sehr kompetent eingegangen worden -, was eigentlich nationale Regierungen in ihren Volkswirtschaften bei einer wachsenden Globalisierung noch ausrichten und zu sagen haben werden, sollten wir einmal führen. Das wäre interessanter als manches andere, was wir hier tun.