Also, Herr Kollege, soweit ich informiert bin, sind es 15 Prozent. Aber auch das sind sehr wenig. Das ist eben die eingefahrene Denkweise, die es nicht nur auf der einen Seite der Tariffront gibt, sondern auch auf der anderen Seite. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn der Wettbewerb durch diese 15 Prozent da ist, dann werden am Ende mehr als 15 Prozent offenhalten oder offenhalten müssen, weil der Wettbewerb diesen Druck erzeugt. Das war unser Ziel. Wir wollten ja nicht, daß jeder bis 20 Uhr offenhält, wenn er das nicht verantworten kann. Aber derjenige, der fleißig und engagiert ist und seine Arbeit besser organisieren kann und will, soll die Chance bekommen. Die haben wir jetzt geschaffen, und darüber sind wir froh.
Meine Damen und Herren, ich möchte im Anschluß an Ihre Frage noch ein Wort zur Lösung der wirtschaftlichen Probleme sagen. In Teilen der SPD werden ja Vorstellungen vertreten, die sich von den unseren überhaupt nicht unterscheiden. Andere Teile der SPD haben aber eine Art Weltmodell, eine Art „Superbündnis" für Arbeit, im Kopf, im übrigen ein Wunschbild, das an den Realitäten der Menschen und der internationalen Staatengemeinschaft vorbeigeht.
Kein Entwicklungsland und kein Schwellenland wird auf seine Kostenvorteile im globalen Wettbewerb verzichten, damit wir, die Industrieländer, ein hohes Beschäftigungsniveau halten können. Ich bin sehr für Abstimmungen und Absprachen auf internationaler Basis. In der Weise aber, wie sich das manche von Ihnen vorstellen - unter Einbindung der Zentralbanken, die in der Zinspolitik zu Wohlverhalten verpflichtet werden sollen -, ist dies eine weitere Utopie, die genausowenig aufgeht, wie andere Utopien aufgegangen sind.
Uns geht es - das ist der zweite wichtige Punkt - vor allem auch um Arbeitsplätze für die ostdeutsche Wirtschaft. Es geht dabei nicht darum, den Unternehmern ein Doping zu verpassen, sondern Aufbaunahrung, damit die Unternehmer dort Arbeitsplätze schaffen - in einer Wirtschaft, die vier Jahrzehnte unter der kommunistischen Planwirtschaft gelitten hat.
Ich habe - das möchte ich hier in der knappen Zeit, die mir zur Verfügung steht, noch einmal sagen - diese besondere Situation der neuen Länder immer wieder auch in Brüssel in Erinnerung gebracht, zuletzt - noch vor dem Fall VW - in sehr deutlicher Weise bei Überreichung eines Memorandums über die Lage in den neuen Ländern.
Wir haben diesen Fall VW jetzt soweit auf die Schiene gebracht, daß wir Zeit haben, sowohl über diesen Fall als auch über andere wichtige, anstehende große Fälle zur Förderung in den neuen Ländern zu sprechen.
Wir haben vor allem Zeit gewonnen, um das prinzipielle Problem zu lösen, daß darin besteht, daß wir auf der einen Seite in Brüssel die Einsicht fördern müssen, daß die Situation der neuen Länder nicht mit der in irgendeiner Region in Europa vergleichbar ist.
Das ist das eine.
Das andere aber ist, daß ich nachvollziehen kann und auch ein gewisses Verständnis dafür habe, daß die Europäische Kommission nicht ganz unbeteiligt an Beihilfefällen sein kann, daß sie in geeigneter Weise mitwirken kann und muß, damit in Europa keine Subventions-, keine Beihilfenanarchie entsteht. Diese beiden Aspekte unter einen Hut zu bringen wird eine schwierige Aufgabe für die nächsten drei, vier Monate sein.
Ich will noch ein Wort zu dem Bereich ABM in den neuen Ländern sagen. Wir werden das Thema ABM in Ostdeutschland konsequent angehen - auch mit Rückführungen -, so wie wir das angekündigt haben. Ich sage aber ausdrücklich: unter Würdigung der regionalen und lokalen Arbeitsmarktlage sowie einer stärkeren Differenzierung, als das heute der Fall ist.
Bundesminister Dr. Günter Rexrodt
Ich möchte abschließend sagen - ich habe nur eine sehr kurze Redezeit
- das sind leider die Geschäftsführer -:
Wirtschaftspolitik heißt vor allem, den richtigen Rahmen zu setzen. Ich habe das soeben schon angedeutet. Deshalb machen wir angebotsorientierte Politik - eine Politik, die darauf zielt, daß sich die Menschen selbständig machen und einen Anreiz darin finden, daß sie als Mittelständler existieren können, daß die Bedingungen für Investitionen verbessert werden. Dazu gehört unsere Deregulierungspolitik, der Umbau der Sozialsysteme, die Steuer- und die Förderpolitik, über die ich hier kurz gesprochen habe. Wir wollen den richtigen Rahmen setzen. Daß dies aber richtig ist, wird beispielsweise durch so renommierte Organisationen wie die OECD immer wieder unterstrichen.
Aber nicht nur Organisationen oder Institute - darauf kommt es am Ende gar nicht an -, sondern die Menschen in Deutschland haben erfaßt, daß wir auf Grund der Globalisierung vor Problemen stehen, wie wir sie bisher nicht hatten. Die Menschen in Deutschland sind bereit, ein Opfer zu erbringen - ein Opfer, das natürlich auch mit Gerechtigkeitsaspekten verbunden wird.
Ich sage immer wieder: Gerechtigkeit wird dann am besten herbeigeführt werden können, wenn die Menschen, wenn die Leistungsträger die Freiheit haben, sich zu entfalten. Das bringt für alle am meisten, auch für die sozial Schwachen, die in unserer Politik nach wie vor die ihnen gebührende Berücksichtigung finden werden.
Meine Damen und Herren, es gibt ein „Fenster", auch auf Grund der öffentlichen Bewußtseinslage, die Probleme in Deutschland zu lösen. Wir werden die Chance nutzen, damit die Zukunft unseres Landes gesichert bleibt.
Vielen Dank.