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ID1312114000

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    Plenarprotokoll 13/121 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 10807 A Absetzung von Tagesordnungspunkten 10807 B, 10894 A Nachträgliche Ausschußüberweisungen . 10807 C Begrüßung einer Delegation des Sozialausschusses des niederländischen Parlaments 10864 B Tagesordnungspunkt 1: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/5200) . . 10807 D b) Fortsetzung der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 (Drucksache 13/5201) 10808A Rudolf Scharping SPD 10808A, 10865 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 10815 A Otto Schily SPD 10821 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10824 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 10831 A Dr. Christa Luft PDS 10834 A Dr. Gregor Gysi PDS 10837A, 10858 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 10840A Rudolf Scharping SPD 10843 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 10850 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 10852 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . 10858C, 10864 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 10860 A Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . . 10863B, C Ingrid Matthäus-Maier SPD 10864 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10865 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 10867 C, 10872 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10871 D Günter Verheugen SPD 10872 D Ulrich Irmer F.D.P 10878 C Rudolf Seiters CDU/CSU 10879 B Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 10881 B Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 10883 A Ulrich Irmer F.D.P 10884 D Wolfgang Thierse SPD 10886 A Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 10887 C Willibald Jacob PDS 10889 D Dr. Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 10890 D, 10893 C Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10892 B Dr. R. Werner Schuster SPD 10892 D Manfred Kanther, Bundesminister BMI 10896 C Fritz Rudolf Körper SPD 10899 B Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 10902 D Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10905 A Ina Albowitz F.D.P. 10907 C Ulla Jelpke PDS 10910 B Uta Titze-Stecher SPD 10911 D Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 10913 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . 10915 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 10916A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 10918 A Norbert Geis CDU/CSU 10921 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10923 C, 10925 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig 10925 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 10925 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 10927 A Manfred Kolbe CDU/CSU 10928 C Tagesordnungspunkt 2: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 8. September 1976 über die Ausstellung mehrsprachiger Auszüge aus Personenstandsbüchern (Drucksache 13/4995) 10894 A b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Naturkautschuk-Übereinkommen von 1995 (Drucksache 13/5019) 10894 A c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. November 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze (Drucksache 13/5020) . 10894 B d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. Juli 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über den Zusammenschluß der deutschen Autobahn A 6 und der tschechischen Autobahn D 5 an der gemeinsamen Staatsgrenze durch Errichtung einer Grenzbrücke (Drucksache 13/5049) 10894 B e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 (Drucksache 13/5359) 10894 B f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Altschuldenhilfen für Kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (AHG-Änderungs-Gesetz) (Drucksache 13/5417) . 10894 C g) Antrag der Abgeordneten Antje Hermenau, Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mögliche zweckwidrige Verwendung von Steuergeldern durch die Förderung eines Berufsbildungsprojektes in Montevideo (Uruguay) (Drucksache 13/5008) 10894 C h) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Milchquotenregelung in den neuen Ländern (Drucksache 13/4905) . . . 10894 D i) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin-Mitte (Drucksache 13/5039) . . 10894 D j) Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung hier: Umwelttechnik und wirtschaftliche Entwicklung (Drucksache 13/5050) 10895 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes und des Waffengesetzes (Drucksache 13/5493) 10895 A b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer (Drucksache 13/5504) . . . . 10895 B Tagesordnungspunkt 3: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 14. Juni 1994 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits (Drucksachen 13/4174, 13/5031) 10895 C b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 9. Februar 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kirgisistan andererseits (Drucksachen 13/4173, 13/5032) 10895 D c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 6. März 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Weißrußland andererseits (Drucksachen 13/4172, 13/5033) 10895 D e) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses 10896 A - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht über die Mißbrauchsbekämpfung und Anpassung von öffentlichen Leistungen an veränderte Rahmenbedingungen - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht über die Mißbrauchsbekämpfung und Anpassung öffentlicher Leistungen an veränderte Rahmenbedingungen (Drucksachen 12/8246, 13/725 Nr. 63, 13/3412, 13/3930 Nr. 1, 13/5294) . . . 10896A Zusatztagesordnungspunkt 2: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Zustimmungbedürftige Verordnung zur Einführung des Europäischen Abfallkatalogs (Drucksachen 13/5416, 13/5520) 10896 B Nächste Sitzung 10929 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10930*A 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 11. 9. 96 Bachmaier, Hermann SPD 11. 9. 96 Beck (Bremen), BÜNDNIS 11. 9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 11. 9. 96 * Borchert, Jochen CDU/CSU 11. 9. 96 Duve, Freimut SPD 11. 9. 96 Gansel, Norbert SPD 11. 9. 96 Glos, Michael CDU/CSU 11. 9. 96 Kurzhals, Christine SPD 11. 9. 96 Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 11. 9. 96 Karl-Hans Dr. Lucyga, Christine SPD 11. 9. 96 * Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 11. 9. 96 Hermann Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Regenspurger, Otto CDU/CSU 11. 9. 96 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 11. 9. 96 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 11. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Schönberger, Ursula BÜNDNIS 11. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Thieser, Dietmar SPD 11. 9. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 11. 9. 96 Karsten D. Vosen, Josef SPD 11. 9. 96 Wieczorek-Zeul, SPD 11.9.96 Heidemarie Dr. Zöpel, Christoph SPD 11. 9. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herta Däubler-Gmelin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Bitte um konstruktive Mitarbeit, Herr Bundesjustizminister, verhallt bei uns - wie immer - nicht ungehört. Ich habe mir heute morgen angehört, was der Herr Bundeskanzler gerne für eine Opposition hätte: konstruktiv bis zum Umfallen und ein Ideenlieferant, damit Sie so richtig aus dem vollen schöpfen können. Dann, so hat er gesagt, sei die Regierungskoalition durchaus bereit, mit uns zu reden. Wenn man sich die Justizpolitik der vergangenen Jahre - man muß ja leider schon sagen: der vergangenen Jahrzehnte - anschaut, dann kann man, beinahe ohne Ironie, feststellen, daß wir dem Wunschbild des Bundeskanzlers gerade im Bereich der Justiz vollständig entsprechen.
    Herr Bundesjustizminister, Sie haben über einige Punkte geredet, die natürlich auch uns am Herzen liegen, so z. B. die Frage der Modernisierung der Justiz, die Frage, welche Aufgabe Rechtspolitik heute hat. Unsere Antwort auf diese Frage: Umsetzung des Rechtsgüterschutzes und der Rechtsgüterordnung des Grundgesetzes unter den gegenwärtigen Umständen. Als weiteren Punkt, der uns ebenfalls sehr am Herzen liegt, füge ich noch die Kooperation im Bereich der Justiz über die Grenzen hinaus zu. Diese drei Punkte mahnen wir im halbjährlichen Abstand bei den Generalaussprachen zur Justiz- und Rechtspolitik hier immer wieder an.
    Die Hälfte dieser Legislaturperiode ist schon wieder vorbei. Sie, Herr Justizminister, sind in Ihrer sympathischen Art seit einem Dreivierteljahr im Amt. Aber alles - und das macht einen so unlustig, wenn man über Rechtspolitik nachdenkt - ist so verdammt zähflüssig.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Dabei sind die Vorlagen die wir Ihnen liefern, wirklich gut. Ich darf ein paar aufzählen und werde nicht
    mehr nehmen, als beide Hände Finger haben - das heißt: nicht mehr als zehn, Herr Kleinert.
    Herr Scholz sprach über Staatsangehörigkeit. - Ich kann die Entwürfe, die wir dazu vorgelegt haben, gar nicht mehr zählen - und Sie sind über diese Fehlgeburt einer Kinderstaatszugehörigkeit immer noch nicht hinaus. Kein Mensch von Ihnen weiß, worauf das hinauslaufen soll. - Jetzt heben Sie wieder die Hände; das macht Sie so sympathisch. Aber ich weiß nie so recht, ob ich mich jetzt mit Ihnen auseinandersetzen und Ihnen böse sein soll,

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Am besten niemandem böse sein!)

    daß Sie bei Ihrem Koalitionspartner nichts erreichen, oder ob ich mich an die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU oder nur an die der CSU wenden soll, um Klarheit in dieser Frage zu bekommen.
    Unser Problem ist, daß wir immer das Gefühl haben, bei Ihnen in ein schwarzes Loch zu reden. Dabei sagen wir doch nur: Jetz schwätzet nit immer bloß, sondern machet en Strich! Laßt uns endlich das tun, was getan werden muß. Das heißt: Wir müssen die Kinder der Einwanderer in der Bundesrepublik Deutschland endlich integrieren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir brauchen vernünftige Regelungen für ein Staatsangehörigkeitsrecht für Kinder, und zwar jetzt. Der Preis wird doch nicht geringer, ihre Schwierigkeiten werden nicht kleiner, wenn Sie noch lange zuwarten. Aber die Zeit vergeht, und der Goodwill der jungen Leute und Kinder ist dann vertan. Wenn wir auf Konsensbildung im Innern und auf Integration Wert legen, brauchen wir ganz dringend eine Änderung.
    Ich will noch einen Punkt ansprechen, von dem auch Herr Scholz gesprochen hat. Es war gut, daß wir in den vergangenen Jahren bei Asylbewerbern und auch bei Spätaussiedlern, die nicht anerkannt werden konnten, in schwierigen und komplexen Fällen - die Fälle waren außerordentlich vielschichtig - zur Altfallregelung gekommen sind. Nun ist es aber so, daß Menschen, die unter dieser sogenannte Altfallregelung fallen, auch Kinder haben.
    Ich will Ihnen einmal einen Fall schildern, der im Wahlkreis eines jeden von Ihnen passieren kann. Wenn Sie da an einer gnadenlosen, ideologiebehafteten Ablehnung einer vernünftigen Staatsangehörigkeitsregelung festhalten, werden Sie ihn nicht lösen können.
    1985 ist eine Familie aus Ungarn in die Bundesrepublik gekommen. Die Großmutter ist als Spätaussiedlerin anerkannt worden, Ihre Tochter, die ein kleines Kind hatte, hat diese Anerkennung nicht bekommen. - Ich zweifle nicht daran, daß alles mit rechten Dingen zuging; die Bescheide waren jedenfalls bestandskräftig. - Das Kind, also die Enkeltochter, ist heute in der letzten Schulklasse. Auf Grund der Altfallregelung durften Mutter und Kind in der Bundesrepublik bleiben. Sie wurden bis 1992 gedul-

    Dr. Herta Däubler-Gmelin
    det und haben dann im Rahmen der Altfallregelung eine Befugnis bekommen.
    Wenn Sie nun annehmen, das - das jetzt 18jährige - junge Mädchen hätte entweder nach den Tatbeständen der §§, 85 ff. des Ausländergesetzes oder nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz eingebürgert werden können, dann irren Sie. Beide Rechtsgrundlagen setzen nämlich voraus, daß es sich insgesamt zehn Jahre rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn es lediglich eine Befugnis hat; dafür muß es eine Erlaubnis haben. Diese bekommt es aber erst, wenn es acht Jahre eine Befugnis hatte. Die Vereinfachungsregelungen nach dem Ausländergesetz, also nach §§ 85 ff., greifen in diesem Fall jedoch nicht mehr, weil es dann älter als 23 Jahre sein wird. Dieses Mädchen wird also wahrscheinlich erst im Jahre 2010 eingebürgert werden können. Das ist absolut unerträglich, wenn man weiß, daß diese junge Frau seit ihrem siebten Lebensjahr in der Bundesrepublik Deutschland ist und auch hier bleibt. Nur weil einige unter Ihnen so verbohrt sind, können wir keine vernünftige Staatsangehörigkeitsregelung für Kinder und junge Leute treffen, die wirklich flexibel genug ist, um den komplexen Sachverhalten gerecht zu werden.
    Das ist das, was einem das Leben so schwer macht und warum man sich fragt: Hat eigentlich das Werben des Bundeskanzlers oder anderer Persönlichkeiten um die konstruktive Mitarbeit der Opposition, so gern man dies auch hört, irgendeinen Sinn?
    Ich will in diesem Zusammenhang einiges zu wirklich guten Vorlagen sagen, die wir hier vorgelegt haben. Wir haben in unseren Reihen Kolleginnen und Kollegen, die sich begeistert hinsetzen und mit Spezialisten aus Wissenschaft und Praxis Gesetzentwürfe erarbeiten, die gut sind. Wir haben zahlreiche Anträge gestellt: Anträge zur Strafrahmenharmonisierung und zur Angleichung der Strafrahmen an die Rechtsgüterpriorität des Grundgesetzes. Wir haben Vorlagen zur Sanktionen- und zur Strafreform eingebracht; ebenso haben wir Vorlagen zum Kindschaftsrecht vorgelegt, Herr Justizminister. Darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen. Wir haben eine Reihe von Anträgen und Gesetzentwürfen zur Verbesserung des wirklich schrecklichen und auch gefährlichen Phänomens der Jugendkriminalität eingebracht. Wir haben Stellung genommen zu der Tatsache, daß die Täter immer jünger werden. Schließlich haben wir einiges im Bereich Kinder-Opfer-Zeugen gemacht und Vorlagen zur Entlastung der Justiz vorgelegt.
    Ich darf nur an eine unserer jüngsten Vorlagen erinnern, an das Ordnungswidrigkeitengesetz. Damit haben wir Ihnen vernünftige Argumente geliefert. Laßt uns aber nicht immer nur darüber reden - das ist ja noch am einfachsten - oder die Verantwortung auf die Länder schieben; denn wir wissen, daß wir sie gemeinsam tragen müssen. Bund und Länder sind hinsichtlich der Novellierung in diesem Bereich gemeinsam in der Verantwortung. Sie sollten sie also auch wahrnehmen. Das ist aber gegenwärtig nicht der Fall.
    Ich möchte noch einmal sagen, welche Schwerpunkte wir setzen wollen. - Es gab in diesem Haus schon Zeiten, in denen die Mitgestaltung an der Rechtspolitik nicht eine schwere Last, sondern wirklich eine Lust war. So soll es auch wieder werden. - Vier Schwerpunkte sind zu nennen:
    Erstens. Durchsetzung der Rechtsgüterordnung des Grundgesetzes unter den Bedingungen von heute. Das heißt: eintreten für die Schwächeren, für ihre Rechte und ihre sozialen Chancen und übrigens auch für ihre Umwelt.
    Zweitens. Bekämpfung der Kriminalität und ihrer Ursachen. Hinsichtlich der Bekämpfung der Kriminalität sind wir immer sehr schnell mit Ihnen einig. Wenn wir dann aber fragen, worin die Ursachen der Kriminalität bestehen, und fordern, daß man diese Ursachen bekämpfen muß, dann hört diese Einigkeit sehr schnell auf. Deswegen wird es dann sehr leicht - ein Catch-22-Spiel.
    Drittens. Modernisierung der Justiz. Hinsichtlich der Grundauffassung, daß Bund und Länder hier handeln müssen, liegen wir nicht weit auseinander. Das gilt übrigens ebenso für die rationelle Verwendung der Ressource Recht wie für die Aufgabe, die uns betrifft, nämlich Gesetze zu machen, die nicht nur mit dem Schlagwort „Deregulierung" belegt werden können. - Herr Bundesjustizminister, das betrifft natürlich ganz besonders das Justizministerium, weil Sie die ersten Vorlagen liefern. - Denn das ist schon sehr ideologiebesetzt. Darunter kann man z. B. verstehen, daß die Position des wirklich schützenswerten Schwächeren aufgegeben wird. Das aber ist mit uns nicht zu machen. Sehr wohl aber sind wir dafür, daß wir weniger klarere und stringentere Gesetze machen. Ebenso sind wir dafür - auch Kollege Kleinert wird nicht müde, darauf hinzuweisen; das war mir schon immer von Grund auf sympathisch; ich hoffe, Sie entschuldigen, daß ich das sage -, daß diejenigen, die Gesetze ausführen, nämlich Richterinnen und Richter oder auch Beamtinnen und Beamte, wieder daran gewöhnt werden, daß sie die Verantwortung haben, nach Recht und Gesetz zu entscheiden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/Die GRÜNEN)

    Man sollte diesen bürokratischen Mehltau, der uns die Lust an der Rechtspolitik kaputtmacht, nicht auch noch auf die Rechtsanwender herabfallen lassen.
    Ein weiteres anzugehendes Problem besteht - ich weiß, Herr Bundesjustizminister, daß Sie das ganz ähnlich sehen - in der Beantwortung der Frage, welche Richterinnen und Richter wir eigentlich brauchen, das heißt in der Beantwortung der Frage, wie die Juristenausbildung künftig aussehen soll. Diese Frage muß wieder auf den Tisch.
    Vierter Schwerpunkt: Kooperation über die Grenzen hinweg. Das ist eine der Notwendigkeiten, die wir im Auge haben müssen. Alle Welt spricht über Globalisierung. Was bedeutet dies eigentlich? - Die Grenzen für Wirtschaft, Kapital und auch Technologie bestehen schon lange nicht mehr - in Europa sowieso nicht und darüber hinaus auch nicht. Die

    Dr. Herta Däubler-Gmelin
    Grenzen bestehen nur für Gesetze, für Konsens- und Wertebildung, für Polizei und Gerichte sowie für die Durchführung von Gesetzen, und zwar ziemlich hermetisch.
    Dies führt zu Reibereien und dazu, daß man kurz vor Wahlen seitens der Union ganze Tiraden über Ausländerkriminalität hören kann. Gemeint sind dann - ich finde den Begriff wenig präzise, weil man mit dem Begriff „Ausländerkriminalität" alle hier wohnhaften, nicht eingebürgerten, aber tatsächlichen Inländer-Ausländer mit beleidigt - die Nichtseßhaften mit fremder Staatsangehörigkeit, die aus sozialen Gründen in der Tat außordentlich häufig kriminell werden. Es ist völlig klar, daß wir von diesen genauso wie von Deutschen die Befolgung der Gesetze verlangen. Das ist gar keine Frage. Ausländerkriminalität ist etwas ganz anderes. Deswegen spielt Kooperation hier ebenfalls eine wichtige Rolle.
    Folgendes sollten Sie einmal bedenken: Alle, auch im Bereich der inneren Sicherheit, reden über Korruptionsbekämpfung. Unglaublich viele Deutsche korrumpieren im Ausland. Auch das ist Kriminalität, die unter dem umfassenden Stichwort „Ausländerkriminalität" zusammengefaßt, und natürlich auch bekämpft werden muß. Hier brauchen wir ebenfalls eine bessere Kooperation.
    In den letzten Tagen und Wochen hatten wir endlich eine äußerst öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung über so schreckliche Dinge wie sexueller Mißbrauch von Kindern, Kinderpornographie und Kinderprostitution. Ich sage „endlich", weil ich mich noch sehr gut an die Zeiten erinnere, in denen das von vielen - Gott sei Dank nicht von allen, die hier sitzen - so als eine feministische Geschmäcklerei abgetan wurde. Aber man kann dazulernen. Ich bin froh, daß das so ist. Nur, ich erinnere mich daran, daß wir zum Teil mit Engelszungen - wenn Sie uns das zutrauen - reden mußten, als wir damals hier hinsichtlich Verjährungsfristen beim sexuellen Mißbrauch von Kindern um Ihre Zustimmung geworben haben. Da mußten wir mit Ihnen wirklich ringen. Von besserer Einsicht war man damals weit entfernt. Hier bleibt allerdings noch viel zu tun: Ansätze dazu sehe ich.
    Sexueller Mißbrauch von Kindern ist Kriminalität, die auch Auslandsberührung hat. Das sind Deutsche, die im Ausland übelste Verbrechen begehen, auch hier, aber auch im Ausland. Es besteht keine Chance der Aufrechterhaltung von Werten, keine Chance der Durchsetzung der Rechtsgüterordnung und der Wertordnung des Grundgesetzes, wenn wir nicht die Kooperation mit unseren Nachbarstaaten und darüber hinaus erheblich verbessern.
    Was heißt jetzt „Kooperation"? Kooperation heißt - das betrifft nun uns, das betrifft nicht die Länder; das betrifft Sie, Herr Bundesjustizminister, das betrifft den Rechtsausschuß und auch diesen Bundestag als Ganzes -, daß wir in der Wertegestaltung, bei der Verabschiedung von Gesetzen, die wir machen, sehr viel mehr auf das achten müssen, was im Ausland um uns herum passiert. Dem sollten wir dann Rechnung tragen, wenn wir neue Tatbestände regeln.
    Ich darf in diesem Zusammenhang an die Bioethik-Konvention im Europarat erinnern. Da wäre es übrigens sehr hilfreich gewesen, wenn die Bundesregierung sehr viel früher und sehr viel offener mit dem Bundestag geredet hätte. Gerade von den Kolleginnen und Kollegen aus der Bundesrepublik in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ist eine Menge zurechtgerückt worden. Aber Sie wissen, die Auseinandersetzung ist noch lange nicht zu Ende; es geht da es wirklich um Grundsatzfragen.
    Das gleiche haben wir auch bei Europol. Auch da geht es nicht nur um die Frage: Wer macht was? Es geht noch nicht einmal nur um die schon wesentlich grundsätzlichere Frage: Wie ist es eigentlich mit dem Rechtsschutz in Europa für solche Akte, die eine europäische Institution vornehmen soll? Soll hier der Europäische Gerichtshof zuständig sein, oder wird jedem einzelnen zugemutet, daß er hier zunächst die Gerichtsbarkeit seines Landes in Anspruch nimmt und erst dann die europäische Gerichtsbarkeit? Vielmehr geht es auch um die Grundsatzfragen Rechtsstaatlichkeit und ihre einheitliche Interpretation. Und es geht um die Grundsatzfrage Datenschutz, Persönlichkeitsrecht in Europa.
    Der Ruf nach schärferen Gesetzen, der so in Mode ist, bringt uns nicht mehr sehr viel weiter, weil so üble Verbrechen - ich komme noch einmal darauf zurück - wie Prostitution mit Kindern, Kinderpornographie oder auch Sextourismus und Vermittlung von Kindern in der Bundesrepublik Deutschland längst strafbar sind, mit hohen Strafen belegt werden. Es ist nun nicht so, daß man nicht mit uns reden kann, wenn man irgendwo noch eine Lücke entdeckt. Das ist gar nicht mein Punkt. Nur, was ich als Augenwischerei empfinde, als Täuschung der Öffentlichkeit: daß dann, wenn Verbrechen übelster Art passieren, die einzige Reaktion von Bundesregierung oder der sie tragenden Parteien wiederum der Ruf nach mehr oder schärferen Gesetzen ist, obwohl doch jeder weiß, Kooperation ist das, was wir brauchen: Kooperation auf der gesetzgeberischen Ebene, Kooperation im Gerichtsverfahren, Kooperation, die Sie mit Verträgen hier jetzt angekündigt haben. Da wird es hohe Zeit. Und natürlich brauchen wir auch eine Revision der Gesetze über Auslandsstraftaten.
    Ich habe den Eindruck - das konnten wir jetzt gerade bei den in Thailand passierten scheußlichen Fällen sehen -, daß wir mit dem, was heute in unserem Strafgesetzbuch steht - hinsichtlich der Voraussetzungen der Auslandsstraftaten, die hier zu einer Bestrafung führen können - nicht weiterkommen. Deshalb werden wir uns - und wir werden darauf bestehen, daß wir das tun - im Rechtsausschuß darüber Gedanken machen müssen, wie wir diese Voraussetzungen so gestalten, daß ein solch edler Grundsatz, daß man Kinder nicht zu Prostitutionszwecken vermitteln und über die Grenzen schaffen darf usw., nicht nur im Gesetz steht, sondern daß man diese Kriminellen, wenn man sie hat, auch tatsächlich vor Gericht stellen und aburteilen kann.
    Es würde mich schon interessieren, Herr Bundesjustizminister - ich habe gerade von thailändischen Fällen geredet -, ob denn nun die Auseinanderset-

    Dr. Herta Däubler-Gmelin
    zung zwischen dem Herrn Bundesinnenminister und Ihnen über die Möglichkeiten und die Zuständigkeiten der BKA-Beamten in der thailändischen Botschaft zur Verhinderung solcher Fälle, wenn man solche Straftäter mit deutscher Staatsangehörigkeit kennt, beendet ist. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten darauf noch einige Worte verwendet.
    Modernisierung der Justiz: Herr Bundesjustizminister, Sie haben uns hier an Ihrer Seite. Aber wir hätten schon ganz gerne, daß der angekündigte Bericht über die Auswirkungen des Rechtspflegeentlastungsgesetzes endlich vorgelegt wird. Ich weiß schon, daß Sie sich die entsprechenden Zahlen nicht einfach aus den Rippen schneiden können, sondern daß Sie hier die Mitwirkung der Länder brauchen. Es wäre natürlich gut, wir wären uns hier einig. Daß wir Sie dabei unterstützen, brauchen wir nicht eigens zu sagen. Es wäre wünschenswert, wenn wir die Zahlen bald bekämen, weil wir in der Frage der Vereinfachung wirklich weiterkommen wollen.
    Wenn ich schon dabei bin, einige Dinge anzumahnen, die noch nicht erfüllt sind: Einsatz für Schwächere, Kindschaftsrecht. Wir haben uns gefreut - nachdem wir nun lange genug mit unserem Antrag vorangegangen sind -, daß das Wohl des Kindes und die Verantwortlichkeit der Eltern im Mittelpunkt stehen sollen. Aber es ist natürlich nicht gut, wenn wir jetzt eine Gesetzesvorlage haben, bei der im Grunde genommen nur diese Rechthaberei - wer soll denn Recht haben? Vater oder Mutter? - fortgesetzt wird. Vielmehr muß das Kind und sein Wohl im Mittelpunkt stehen. Wenn man das so sieht - ich entnehme das jetzt Ihrer Gestik, Herr Bundesjustizminister -, dann ist es richtig, nicht immer einen Fall gesetzlichen gemeinsamen Sorgerechts anzunehmen, gegen den man sich dann im Einzelfall wenden muß, sondern für das gesetzliche gemeinsame Sorgerecht den gemeinsamen Antrag vorauszusetzen. Das wäre sinnvoll. Denn, wenn dieser gemeinsame Antrag nicht zustande kommt, dann ist das schon ein mehr als deutliches Indiz dafür, daß Vater und Mutter, die sich wahrscheinlich über die Scheidung furchtbar gestritten haben, das auch weiter tun werden. Das wäre keine vernünftige Grundlage für eine gesetzliche Regelung.
    Eintreten für Schwächere: Sie haben uns vor einigen Monaten - entweder hier oder im Rechtsausschuß - versprochen, daß Sie Rechtstatsachenforschung betreiben lassen würden, wenn es zum Beispiel darum geht, die Zuordnung der ehelichen Wohnung bei Frauen, die geschlagen wurden und Kinder haben, neu zu regeln. Diese Rechtstatsachenforschung ist immer noch nicht auf dem Weg; ein Auftrag ist nicht vergeben worden. Meine Bitte ist, dafür zu sorgen, daß ein solcher Auftrag endlich die geheiligten Räume des Justizministeriums verläßt. Bei uns verdichtet sich der Eindruck, daß irgend jemand in der Öffentlichkeit zwar sagt, man wolle das, aber dann die Sache hintertreibt. Das finde ich schade.
    Letzter Punkt, Herr Bundesjustizminister: Wer viel im Ausland ist, weiß, daß das Interesse am deutschen Rechtssystem und an der deutschen Auffassung von Rechtsstaatlichkeit dort groß ist. Nicht zu Unrecht
    wird in weiten Teilen der Welt unsere Interpretation des Rechtsstaatsprinzips und unser Rechtssystem mit dem wirtschaftlichen Wohlstand der Bundesrepublik in Zusammenhang gebracht. Es besteht ein Interesse daran, in vielen Rechtsbereichen Beratung zu bekommen. Das gilt insbesondere für Länder in Transformation, sei es nun in Zentralasien oder in Mittelosteuropa. Wir wissen, daß die Bundesregierung hier in einigen Bereichen hilfreich gewesen ist.
    Ich würde mich freuen, wenn Sie, Herr Bundesjustizminister, diesem Haus einen Bericht geben können, wie es auf diesem Felde steht. Sie haben unsere Unterstützung, daß man hier mehr Geld ausgibt. Das ist wahrscheinlich bei den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. ähnlich. Es wäre gut, wenn man rechtzeitig in die Zukunft investieren würde. Ich denke, das täte unserem Land, übrigens auch dem Rechtsstaatsprinzip, sehr gut.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Kollege Norbert Geis.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Norbert Geis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, wenn ich Ihnen so zuhöre, dann habe ich nicht den Eindruck, daß Sie die Lust an der Rechtspolitik verloren haben. Auch wir haben sie nicht verloren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ihre Bemerkung zur Staatsangehörigkeit will ich doch kurz aufgreifen. Für uns steht die Staatsangehörigkeit am Ende der Integration. Sie ist nicht direkt ein Mittel zur Integration, sondern sie steht, wie gesagt, am Ende eines solchen Vorganges. Deswegen haben wir Skepsis gegenüber einer doppelten Staatsangehörigkeit im Kindes- und Jugendalter, weil wir meinen, daß dies letztendlich doch zu einer endgültigen doppelten Staatsangehörigkeit führt. Wir überlegen uns derzeit Möglichkeiten und Wege, wie wir es so gestalten können, daß wir zwar den Kindern die Integration besser ermöglichen, als dies derzeit der Fall ist, daß aber am Ende nicht die Notwendigkeit steht, es zu einer doppelten Staatsangehörigkeit kommen zu lassen. Ihr Modell scheint uns ein wenig in diese Richtung zu gehen. Deswegen lehnen wir es ab.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist zweifellos richtig, daß wir uns Gedanken machen müssen - das ist bei beiden Vorrednern schon angeklungen -, wie wir die Justiz, um ein Schlagwort aufzunehmen, verschlanken. Es liegen bereits zwei Gesetzentwürfe des Bundesrates in dieser Richtung vor. Die VwGO haben wir schon verabschiedet.
    Diese Gesetzentwürfe des Bundesrates werden von den Überlegungen motiviert, daß man auch in der Justiz sparen müsse. Zweifellos muß man dies, und zweifellos gibt es auch Ansatzpunkte, in der Justiz zu sparen. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß man von einer Kostenexplosion in der Justiz

    Norbert Geis
    nicht reden kann. Man muß auch ein wenig darauf achten, daß die Justiz eine wichtige Staatsaufgabe ist. Manchmal scheint mir das bei dieser Diskussion um die Verschlankung auch der Justiz verlorenzugehen.
    Die Justiz hat im Jahre 1991 in Bund und Ländern zusammen 11 Milliarden DM verbraucht. Das war genausoviel wie die wirtschaftspolitisch umstrittenen Subventionen für die Kohle. Im Jahre 1995 waren es 16 Milliarden DM. Zweifellos ein krasser Anstieg, aber er ist bedingt durch den Aufbau der Justiz in den neuen Bundesländern, die inzwischen natürlich auch Geld fordert.
    Also, von der Justiz zu sagen, sie stehe unbedingt unter Sparzwängen - wie das beispielsweise im gesundheitspolitischen Bereich der Fall ist, in dem man wirklich von einer Kostenexplosion reden und sich Gedanken darüber machen muß, wie man das in den Griff bekommt -, so weit, glaube ich, brauchen wir nicht zu gehen. Die 16 Milliarden DM sind nicht einmal 1 Prozent der Gesamtausgaben von Bund und Ländern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Bei dieser Debatte sollten wir, meine ich, auch auf diesen Gesichtspunkt hinweisen.
    Natürlich heißt das nicht, daß wir nicht reformieren sollten. Selbstverständlich müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Verfahrensgänge beschleunigen können, wie wir den Einzelrichter stärken können und wie wir vielleicht auch in bezug auf die Rechtsmittel Einschränkungen vornehmen können. Das ist zweifellos ein Thema. Das will ich gar nicht vom Tisch wischen.
    Es wird immer behauptet, die Justiz sei ein öffentlicher Dienstleistungsbetrieb für private Konflikte. Zweifellos ist es richtig, daß beide Parteien, die zur Justiz gehen und einen Zivilprozeß führen, diesen staatlichen Dienstleistungsbetrieb, wenn ich das einmal so salopp sagen darf, in Anspruch nehmen. Aber jedes Urteil wirkt ja nicht nur für und gegen eine Partei, sondern hat zugleich immer auch eine rechtspolitische Gesamtbedeutung, eine Bedeutung für die Gesellschaft überhaupt. Vor allen Dingen wenn es von einem Obergericht kommt und dort erstritten ist, schafft es Klarheit in einer umstrittenen Rechtsfrage. Das ist jedenfalls sehr oft der Fall. Das darf man nicht außer acht lassen, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie man Justiz verschlanken kann.
    Das führt dann dazu, daß man das Argument, es würden bei uns zu viele Prozesse geführt, relativ sehen muß. Es ist richtig, daß die Richter bei uns nicht über Arbeitsmangel zu klagen haben. Es werden bei uns viele Prozesse geführt, und es gibt bei uns auch viele Richter, mehr als in anderen europäischen Ländern. Das war zwar immer so, muß aber nicht immer so bleiben.
    Aber wenn es richtig ist, daß jedes Urteil im zivilprozessualen Bereich nicht nur zwischen den Parteien wirkt, sondern darüber hinaus für die gesamte Rechtsordnung Bedeutung hat, dann ist jedenfalls das Argument, bei uns würden zu viele Prozesse geführt, auch unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen. Ich will dieses Argument damit gar nicht wegwischen, aber ich möchte dieses Argument, das uns immer entgegengehalten wird, einmal unter diesem Blickwinkel beleuchten. Deswegen brauchen wir uns auch nicht so arg viele Sorgen darüber zu machen, wenn in einem bestimmten Rechtsgebiet plötzlich eine große Zahl von Prozessen geführt wird. Das ist meistens ein Zeichen von Unsicherheit im rechtlichen Bereich. Diese Unsicherheit kommt sehr oft durch Neuerungen und durch neue Erkenntnisse. Die Justiz versucht, in diesen Prozessen die Unsicherheit wieder einzufangen, sie in richtige Bahnen zu lenken und auf sie zu reagieren. Sie kann es oft viel besser als der Gesetzgeber, weil sie sensibler und auf den Einzelfall bezogen reagieren kann.
    Dennoch gibt es bei uns Prozesse, bei denen man sich fragen muß, warum sie geführt werden. Das sind viele. Es gibt Rechtsgebiete, die seit Jahren ausgepaukt sind. Denken wir einmal an den verkehrsrechtlichen Bereich. Dennoch haben wir im Jahre 1995 über 130 000 Prozesse im verkehrsrechtlichen Bereich gehabt. Man fragt sich natürlich, woher das kommt. Das kommt daher - das dürfen wir bei einer solchen Gelegenheit nicht verschweigen -, daß die Parteien die Kosten nicht zu scheuen brauchen, weil sie rechtsschutzversichert sind. Es kommt auch daher - auch das muß man bei einem solchen Bereich erwähnen -, daß die Anwälte hier und dort nicht immer richtig beraten.
    Vielleicht ist für diesen Bereich der Schlichtungsgedanke, die Schiedsgerichtsbarkeit, die Möglichkeit, einen Konflikt außerhalb der Gerichte zu regeln, der richtige Weg. Wir wollen diesen Gedanken jedenfalls unterstützen. Man braucht ihn nicht auf einen ausgepaukten Rechtsbereich zu begrenzen, sondern kann ihn auch auf Prozesse mit einem Streitwert von unter 500 DM ausdehnen. Das muß man gut abwägen. Aber den Schlichtungsgedanken, also die Möglichkeit der Konfliktbereinigung außerhalb des Gerichtes, wollen wir nachhaltig unterstützen. Dabei sind wir, Herr Minister, an Ihrer Seite.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Während wir in dieser Legislaturperiode im Bereich der Justizentlastung noch ganz am Anfang stehen, sind wir im Bereich des Kindschaftsrechts schon erheblich weitergekommen. Ich möchte Ihnen, Frau Kollegin, bei dieser Frage ein wenig widersprechen, weil ich meine, daß durch Ihre Ausführungen vielleicht ein falscher Akzent entstanden ist. Wir treten dafür ein, daß beide Elternteile, wenn eine Ehe geschieden wird, grundsätzlich auch nach der Scheidung Verantwortung für ihre Kinder übernehmen müssen. Ich bin sicher, darin sind wir einer Meinung.
    Deswegen, sagen wir, ist das gemeinsame Sorgerecht der richtige Weg. Aber ich stimme mit Ihnen überein: Wir wollen das nicht gesetzlich vorschreiben bzw. verordnen. Wir wollen es auch nicht auf einen Antrag im Prozeß ankommen lassen. Wir wollen aber der Notwendigkeit Rechnung tragen, das Thema im Prozeß zu erörtern. Es kann nicht einfach

    Norbert Geis
    stillschweigend darüber hinweggegangen werden. Sofern es um das Nichtbeachten geht, ist die massive Kritik, die an diesem Gedanken geübt worden ist, richtig. Wir wollen, daß das im Prozeß erörtert wird, weil wir meinen, daß das eine viel zu wichtige Frage ist, als daß sie der Richter einfach schweigend übergehen kann. Darin stimmen wir mit Ihnen überein.
    Ich möchte noch auf einen anderen wichtigen Bereich eingehen, obgleich ich gerne noch weitere Probleme des Kindschaftsrechts erörtert hätte. Dieser andere Bereich der Justizpflege ist die Bekämpfung der Kriminalität. Das ist eines der wichtigsten Gebiete unseres politischen Bemühens. Wir werden in Kürze die Möglichkeit haben, Gangsterwohnungen elektronisch überwachen zu können. Wir haben dann endlich das Mittel, das andere europäische Länder längst haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und dem BONDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Der organisierten Kriminalität geht es aber vor allen Dingen um den Gewinn, um das Geld. Deswegen werden wir das Geldwäschegesetz in seinen Tatbeständen erweitern. Ich habe sehr viel Verständnis dafür, wenn Sie sagen, daß wir den Zugriff auf das Verbrechergeld in einer Weise ermöglichen müssen, die die Polizei nicht dazu zwingt, stehenzubleiben, wenn sie auf jemanden mit einem Koffer Geld trifft. Aber wir haben doch - ich bitte um Verständnis dafür - rechtsstaatliche Bedenken, ob wir die Beweislastumkehr mitmachen sollen.

    (Beifall bei der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wir denken daran, den Zugriff - die vorläufige Beschlagnahme, also die Möglichkeiten nach § 111 b der Strafprozeßordnung - zu erleichtern und die Bedingungen dafür nicht so scharf einzugrenzen, wie das im Augenblick der Fall ist. Dazu gibt es Vorschläge vom Justizminister. Ich hoffe, daß wir dem Anliegen gerecht werden, ohne daß wir dabei von rechtsstaatlichen Grundsätzen abweichen müssen.

    (Beifall des Abg. Detlef Kleinert [Hannover] [F.D.P.])

    Wir werden in Kürze die Vorlage der Bundesregierung zur Bekämpfung der Korruption im Bundestag erörtern können. Ich meine, daß die Unkenrufe, hier komme die Koalition nicht zu Stuhle, falsch sind.
    Die Konferenz von Stockholm gegen Kindesschändung und die gleichzeitig bekanntgewordenen furchtbaren Verbrechen in Belgien haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt, und das ist gut so. Wir stimmen mit dem Justizminister überein, daß man überlegen muß, ob man nicht den Strafrahmen für die schweren Straftaten in diesem Bereich von zehn Jahren auf 15 Jahre und die Eingangsstrafen, also die unterste Strafmöglichkeit in leichteren Fällen, von sechs Monaten auf zwölf Monate erhöhen sollte. Insofern meinen wir, daß der Justizminister recht hat.
    Aber es muß uns vor allen Dingen um die Bekämpfung der Kinderpornographie gehen. Hier sind auch von seiten des Jugendministeriums, von Frau Nolte Vorschläge gemacht worden. Deswegen ist es nicht
    richtig, zu sagen, wir hätten nur im strafrechtlichen Bereich argumentiert. Vielmehr haben wir die gesamten Notwendigkeiten im Auge.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Schlußwort: In den Augusttagen ist bestätigt worden, daß das Urteil gegen Bonhoeffer schon 1946 durch ein bayerisches Gesetz aufgehoben worden ist. Gleichzeitig ist der Gedanke laut geworden, man sollte eine gesetzliche Regelung für ganz Deutschland finden. Dies ist sicherlich eine richtige Forderung. Aber wir müssen sehen, daß viele Länder in dieser Frage schon lange Regelungen getroffen haben. Der Bundestag hat zwar 1990 eine Regelung für die einstige englische Besatzungszone getroffen; wir haben aber keine Regelung für die neuen Bundesländer. Deswegen brauchen wir eine Regelung. Der Justizminister ist dabei. Ich hoffe, daß wir auch in dieser Frage in Kürze einen entsprechenden Vorschlag auf dem Tisch haben.
    Wir unterstützen den Haushalt. Wir unterstützen den Minister in seinen Bemühungen. Wir hoffen auf eine gute Zusammenarbeit, wie es sie immer im Rechtsausschuß gegeben hat, auch in Zukunft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)