Rede von
Dr.
Herta
Däubler-Gmelin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Bitte um konstruktive Mitarbeit, Herr Bundesjustizminister, verhallt bei uns - wie immer - nicht ungehört. Ich habe mir heute morgen angehört, was der Herr Bundeskanzler gerne für eine Opposition hätte: konstruktiv bis zum Umfallen und ein Ideenlieferant, damit Sie so richtig aus dem vollen schöpfen können. Dann, so hat er gesagt, sei die Regierungskoalition durchaus bereit, mit uns zu reden. Wenn man sich die Justizpolitik der vergangenen Jahre - man muß ja leider schon sagen: der vergangenen Jahrzehnte - anschaut, dann kann man, beinahe ohne Ironie, feststellen, daß wir dem Wunschbild des Bundeskanzlers gerade im Bereich der Justiz vollständig entsprechen.
Herr Bundesjustizminister, Sie haben über einige Punkte geredet, die natürlich auch uns am Herzen liegen, so z. B. die Frage der Modernisierung der Justiz, die Frage, welche Aufgabe Rechtspolitik heute hat. Unsere Antwort auf diese Frage: Umsetzung des Rechtsgüterschutzes und der Rechtsgüterordnung des Grundgesetzes unter den gegenwärtigen Umständen. Als weiteren Punkt, der uns ebenfalls sehr am Herzen liegt, füge ich noch die Kooperation im Bereich der Justiz über die Grenzen hinaus zu. Diese drei Punkte mahnen wir im halbjährlichen Abstand bei den Generalaussprachen zur Justiz- und Rechtspolitik hier immer wieder an.
Die Hälfte dieser Legislaturperiode ist schon wieder vorbei. Sie, Herr Justizminister, sind in Ihrer sympathischen Art seit einem Dreivierteljahr im Amt. Aber alles - und das macht einen so unlustig, wenn man über Rechtspolitik nachdenkt - ist so verdammt zähflüssig.
Dabei sind die Vorlagen die wir Ihnen liefern, wirklich gut. Ich darf ein paar aufzählen und werde nicht
mehr nehmen, als beide Hände Finger haben - das heißt: nicht mehr als zehn, Herr Kleinert.
Herr Scholz sprach über Staatsangehörigkeit. - Ich kann die Entwürfe, die wir dazu vorgelegt haben, gar nicht mehr zählen - und Sie sind über diese Fehlgeburt einer Kinderstaatszugehörigkeit immer noch nicht hinaus. Kein Mensch von Ihnen weiß, worauf das hinauslaufen soll. - Jetzt heben Sie wieder die Hände; das macht Sie so sympathisch. Aber ich weiß nie so recht, ob ich mich jetzt mit Ihnen auseinandersetzen und Ihnen böse sein soll,
daß Sie bei Ihrem Koalitionspartner nichts erreichen, oder ob ich mich an die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU oder nur an die der CSU wenden soll, um Klarheit in dieser Frage zu bekommen.
Unser Problem ist, daß wir immer das Gefühl haben, bei Ihnen in ein schwarzes Loch zu reden. Dabei sagen wir doch nur: Jetz schwätzet nit immer bloß, sondern machet en Strich! Laßt uns endlich das tun, was getan werden muß. Das heißt: Wir müssen die Kinder der Einwanderer in der Bundesrepublik Deutschland endlich integrieren.
Wir brauchen vernünftige Regelungen für ein Staatsangehörigkeitsrecht für Kinder, und zwar jetzt. Der Preis wird doch nicht geringer, ihre Schwierigkeiten werden nicht kleiner, wenn Sie noch lange zuwarten. Aber die Zeit vergeht, und der Goodwill der jungen Leute und Kinder ist dann vertan. Wenn wir auf Konsensbildung im Innern und auf Integration Wert legen, brauchen wir ganz dringend eine Änderung.
Ich will noch einen Punkt ansprechen, von dem auch Herr Scholz gesprochen hat. Es war gut, daß wir in den vergangenen Jahren bei Asylbewerbern und auch bei Spätaussiedlern, die nicht anerkannt werden konnten, in schwierigen und komplexen Fällen - die Fälle waren außerordentlich vielschichtig - zur Altfallregelung gekommen sind. Nun ist es aber so, daß Menschen, die unter dieser sogenannte Altfallregelung fallen, auch Kinder haben.
Ich will Ihnen einmal einen Fall schildern, der im Wahlkreis eines jeden von Ihnen passieren kann. Wenn Sie da an einer gnadenlosen, ideologiebehafteten Ablehnung einer vernünftigen Staatsangehörigkeitsregelung festhalten, werden Sie ihn nicht lösen können.
1985 ist eine Familie aus Ungarn in die Bundesrepublik gekommen. Die Großmutter ist als Spätaussiedlerin anerkannt worden, Ihre Tochter, die ein kleines Kind hatte, hat diese Anerkennung nicht bekommen. - Ich zweifle nicht daran, daß alles mit rechten Dingen zuging; die Bescheide waren jedenfalls bestandskräftig. - Das Kind, also die Enkeltochter, ist heute in der letzten Schulklasse. Auf Grund der Altfallregelung durften Mutter und Kind in der Bundesrepublik bleiben. Sie wurden bis 1992 gedul-
Dr. Herta Däubler-Gmelin
det und haben dann im Rahmen der Altfallregelung eine Befugnis bekommen.
Wenn Sie nun annehmen, das - das jetzt 18jährige - junge Mädchen hätte entweder nach den Tatbeständen der §§, 85 ff. des Ausländergesetzes oder nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz eingebürgert werden können, dann irren Sie. Beide Rechtsgrundlagen setzen nämlich voraus, daß es sich insgesamt zehn Jahre rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn es lediglich eine Befugnis hat; dafür muß es eine Erlaubnis haben. Diese bekommt es aber erst, wenn es acht Jahre eine Befugnis hatte. Die Vereinfachungsregelungen nach dem Ausländergesetz, also nach §§ 85 ff., greifen in diesem Fall jedoch nicht mehr, weil es dann älter als 23 Jahre sein wird. Dieses Mädchen wird also wahrscheinlich erst im Jahre 2010 eingebürgert werden können. Das ist absolut unerträglich, wenn man weiß, daß diese junge Frau seit ihrem siebten Lebensjahr in der Bundesrepublik Deutschland ist und auch hier bleibt. Nur weil einige unter Ihnen so verbohrt sind, können wir keine vernünftige Staatsangehörigkeitsregelung für Kinder und junge Leute treffen, die wirklich flexibel genug ist, um den komplexen Sachverhalten gerecht zu werden.
Das ist das, was einem das Leben so schwer macht und warum man sich fragt: Hat eigentlich das Werben des Bundeskanzlers oder anderer Persönlichkeiten um die konstruktive Mitarbeit der Opposition, so gern man dies auch hört, irgendeinen Sinn?
Ich will in diesem Zusammenhang einiges zu wirklich guten Vorlagen sagen, die wir hier vorgelegt haben. Wir haben in unseren Reihen Kolleginnen und Kollegen, die sich begeistert hinsetzen und mit Spezialisten aus Wissenschaft und Praxis Gesetzentwürfe erarbeiten, die gut sind. Wir haben zahlreiche Anträge gestellt: Anträge zur Strafrahmenharmonisierung und zur Angleichung der Strafrahmen an die Rechtsgüterpriorität des Grundgesetzes. Wir haben Vorlagen zur Sanktionen- und zur Strafreform eingebracht; ebenso haben wir Vorlagen zum Kindschaftsrecht vorgelegt, Herr Justizminister. Darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen. Wir haben eine Reihe von Anträgen und Gesetzentwürfen zur Verbesserung des wirklich schrecklichen und auch gefährlichen Phänomens der Jugendkriminalität eingebracht. Wir haben Stellung genommen zu der Tatsache, daß die Täter immer jünger werden. Schließlich haben wir einiges im Bereich Kinder-Opfer-Zeugen gemacht und Vorlagen zur Entlastung der Justiz vorgelegt.
Ich darf nur an eine unserer jüngsten Vorlagen erinnern, an das Ordnungswidrigkeitengesetz. Damit haben wir Ihnen vernünftige Argumente geliefert. Laßt uns aber nicht immer nur darüber reden - das ist ja noch am einfachsten - oder die Verantwortung auf die Länder schieben; denn wir wissen, daß wir sie gemeinsam tragen müssen. Bund und Länder sind hinsichtlich der Novellierung in diesem Bereich gemeinsam in der Verantwortung. Sie sollten sie also auch wahrnehmen. Das ist aber gegenwärtig nicht der Fall.
Ich möchte noch einmal sagen, welche Schwerpunkte wir setzen wollen. - Es gab in diesem Haus schon Zeiten, in denen die Mitgestaltung an der Rechtspolitik nicht eine schwere Last, sondern wirklich eine Lust war. So soll es auch wieder werden. - Vier Schwerpunkte sind zu nennen:
Erstens. Durchsetzung der Rechtsgüterordnung des Grundgesetzes unter den Bedingungen von heute. Das heißt: eintreten für die Schwächeren, für ihre Rechte und ihre sozialen Chancen und übrigens auch für ihre Umwelt.
Zweitens. Bekämpfung der Kriminalität und ihrer Ursachen. Hinsichtlich der Bekämpfung der Kriminalität sind wir immer sehr schnell mit Ihnen einig. Wenn wir dann aber fragen, worin die Ursachen der Kriminalität bestehen, und fordern, daß man diese Ursachen bekämpfen muß, dann hört diese Einigkeit sehr schnell auf. Deswegen wird es dann sehr leicht - ein Catch-22-Spiel.
Drittens. Modernisierung der Justiz. Hinsichtlich der Grundauffassung, daß Bund und Länder hier handeln müssen, liegen wir nicht weit auseinander. Das gilt übrigens ebenso für die rationelle Verwendung der Ressource Recht wie für die Aufgabe, die uns betrifft, nämlich Gesetze zu machen, die nicht nur mit dem Schlagwort „Deregulierung" belegt werden können. - Herr Bundesjustizminister, das betrifft natürlich ganz besonders das Justizministerium, weil Sie die ersten Vorlagen liefern. - Denn das ist schon sehr ideologiebesetzt. Darunter kann man z. B. verstehen, daß die Position des wirklich schützenswerten Schwächeren aufgegeben wird. Das aber ist mit uns nicht zu machen. Sehr wohl aber sind wir dafür, daß wir weniger klarere und stringentere Gesetze machen. Ebenso sind wir dafür - auch Kollege Kleinert wird nicht müde, darauf hinzuweisen; das war mir schon immer von Grund auf sympathisch; ich hoffe, Sie entschuldigen, daß ich das sage -, daß diejenigen, die Gesetze ausführen, nämlich Richterinnen und Richter oder auch Beamtinnen und Beamte, wieder daran gewöhnt werden, daß sie die Verantwortung haben, nach Recht und Gesetz zu entscheiden.
Man sollte diesen bürokratischen Mehltau, der uns die Lust an der Rechtspolitik kaputtmacht, nicht auch noch auf die Rechtsanwender herabfallen lassen.
Ein weiteres anzugehendes Problem besteht - ich weiß, Herr Bundesjustizminister, daß Sie das ganz ähnlich sehen - in der Beantwortung der Frage, welche Richterinnen und Richter wir eigentlich brauchen, das heißt in der Beantwortung der Frage, wie die Juristenausbildung künftig aussehen soll. Diese Frage muß wieder auf den Tisch.
Vierter Schwerpunkt: Kooperation über die Grenzen hinweg. Das ist eine der Notwendigkeiten, die wir im Auge haben müssen. Alle Welt spricht über Globalisierung. Was bedeutet dies eigentlich? - Die Grenzen für Wirtschaft, Kapital und auch Technologie bestehen schon lange nicht mehr - in Europa sowieso nicht und darüber hinaus auch nicht. Die
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Grenzen bestehen nur für Gesetze, für Konsens- und Wertebildung, für Polizei und Gerichte sowie für die Durchführung von Gesetzen, und zwar ziemlich hermetisch.
Dies führt zu Reibereien und dazu, daß man kurz vor Wahlen seitens der Union ganze Tiraden über Ausländerkriminalität hören kann. Gemeint sind dann - ich finde den Begriff wenig präzise, weil man mit dem Begriff „Ausländerkriminalität" alle hier wohnhaften, nicht eingebürgerten, aber tatsächlichen Inländer-Ausländer mit beleidigt - die Nichtseßhaften mit fremder Staatsangehörigkeit, die aus sozialen Gründen in der Tat außordentlich häufig kriminell werden. Es ist völlig klar, daß wir von diesen genauso wie von Deutschen die Befolgung der Gesetze verlangen. Das ist gar keine Frage. Ausländerkriminalität ist etwas ganz anderes. Deswegen spielt Kooperation hier ebenfalls eine wichtige Rolle.
Folgendes sollten Sie einmal bedenken: Alle, auch im Bereich der inneren Sicherheit, reden über Korruptionsbekämpfung. Unglaublich viele Deutsche korrumpieren im Ausland. Auch das ist Kriminalität, die unter dem umfassenden Stichwort „Ausländerkriminalität" zusammengefaßt, und natürlich auch bekämpft werden muß. Hier brauchen wir ebenfalls eine bessere Kooperation.
In den letzten Tagen und Wochen hatten wir endlich eine äußerst öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung über so schreckliche Dinge wie sexueller Mißbrauch von Kindern, Kinderpornographie und Kinderprostitution. Ich sage „endlich", weil ich mich noch sehr gut an die Zeiten erinnere, in denen das von vielen - Gott sei Dank nicht von allen, die hier sitzen - so als eine feministische Geschmäcklerei abgetan wurde. Aber man kann dazulernen. Ich bin froh, daß das so ist. Nur, ich erinnere mich daran, daß wir zum Teil mit Engelszungen - wenn Sie uns das zutrauen - reden mußten, als wir damals hier hinsichtlich Verjährungsfristen beim sexuellen Mißbrauch von Kindern um Ihre Zustimmung geworben haben. Da mußten wir mit Ihnen wirklich ringen. Von besserer Einsicht war man damals weit entfernt. Hier bleibt allerdings noch viel zu tun: Ansätze dazu sehe ich.
Sexueller Mißbrauch von Kindern ist Kriminalität, die auch Auslandsberührung hat. Das sind Deutsche, die im Ausland übelste Verbrechen begehen, auch hier, aber auch im Ausland. Es besteht keine Chance der Aufrechterhaltung von Werten, keine Chance der Durchsetzung der Rechtsgüterordnung und der Wertordnung des Grundgesetzes, wenn wir nicht die Kooperation mit unseren Nachbarstaaten und darüber hinaus erheblich verbessern.
Was heißt jetzt „Kooperation"? Kooperation heißt - das betrifft nun uns, das betrifft nicht die Länder; das betrifft Sie, Herr Bundesjustizminister, das betrifft den Rechtsausschuß und auch diesen Bundestag als Ganzes -, daß wir in der Wertegestaltung, bei der Verabschiedung von Gesetzen, die wir machen, sehr viel mehr auf das achten müssen, was im Ausland um uns herum passiert. Dem sollten wir dann Rechnung tragen, wenn wir neue Tatbestände regeln.
Ich darf in diesem Zusammenhang an die Bioethik-Konvention im Europarat erinnern. Da wäre es übrigens sehr hilfreich gewesen, wenn die Bundesregierung sehr viel früher und sehr viel offener mit dem Bundestag geredet hätte. Gerade von den Kolleginnen und Kollegen aus der Bundesrepublik in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ist eine Menge zurechtgerückt worden. Aber Sie wissen, die Auseinandersetzung ist noch lange nicht zu Ende; es geht da es wirklich um Grundsatzfragen.
Das gleiche haben wir auch bei Europol. Auch da geht es nicht nur um die Frage: Wer macht was? Es geht noch nicht einmal nur um die schon wesentlich grundsätzlichere Frage: Wie ist es eigentlich mit dem Rechtsschutz in Europa für solche Akte, die eine europäische Institution vornehmen soll? Soll hier der Europäische Gerichtshof zuständig sein, oder wird jedem einzelnen zugemutet, daß er hier zunächst die Gerichtsbarkeit seines Landes in Anspruch nimmt und erst dann die europäische Gerichtsbarkeit? Vielmehr geht es auch um die Grundsatzfragen Rechtsstaatlichkeit und ihre einheitliche Interpretation. Und es geht um die Grundsatzfrage Datenschutz, Persönlichkeitsrecht in Europa.
Der Ruf nach schärferen Gesetzen, der so in Mode ist, bringt uns nicht mehr sehr viel weiter, weil so üble Verbrechen - ich komme noch einmal darauf zurück - wie Prostitution mit Kindern, Kinderpornographie oder auch Sextourismus und Vermittlung von Kindern in der Bundesrepublik Deutschland längst strafbar sind, mit hohen Strafen belegt werden. Es ist nun nicht so, daß man nicht mit uns reden kann, wenn man irgendwo noch eine Lücke entdeckt. Das ist gar nicht mein Punkt. Nur, was ich als Augenwischerei empfinde, als Täuschung der Öffentlichkeit: daß dann, wenn Verbrechen übelster Art passieren, die einzige Reaktion von Bundesregierung oder der sie tragenden Parteien wiederum der Ruf nach mehr oder schärferen Gesetzen ist, obwohl doch jeder weiß, Kooperation ist das, was wir brauchen: Kooperation auf der gesetzgeberischen Ebene, Kooperation im Gerichtsverfahren, Kooperation, die Sie mit Verträgen hier jetzt angekündigt haben. Da wird es hohe Zeit. Und natürlich brauchen wir auch eine Revision der Gesetze über Auslandsstraftaten.
Ich habe den Eindruck - das konnten wir jetzt gerade bei den in Thailand passierten scheußlichen Fällen sehen -, daß wir mit dem, was heute in unserem Strafgesetzbuch steht - hinsichtlich der Voraussetzungen der Auslandsstraftaten, die hier zu einer Bestrafung führen können - nicht weiterkommen. Deshalb werden wir uns - und wir werden darauf bestehen, daß wir das tun - im Rechtsausschuß darüber Gedanken machen müssen, wie wir diese Voraussetzungen so gestalten, daß ein solch edler Grundsatz, daß man Kinder nicht zu Prostitutionszwecken vermitteln und über die Grenzen schaffen darf usw., nicht nur im Gesetz steht, sondern daß man diese Kriminellen, wenn man sie hat, auch tatsächlich vor Gericht stellen und aburteilen kann.
Es würde mich schon interessieren, Herr Bundesjustizminister - ich habe gerade von thailändischen Fällen geredet -, ob denn nun die Auseinanderset-
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zung zwischen dem Herrn Bundesinnenminister und Ihnen über die Möglichkeiten und die Zuständigkeiten der BKA-Beamten in der thailändischen Botschaft zur Verhinderung solcher Fälle, wenn man solche Straftäter mit deutscher Staatsangehörigkeit kennt, beendet ist. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten darauf noch einige Worte verwendet.
Modernisierung der Justiz: Herr Bundesjustizminister, Sie haben uns hier an Ihrer Seite. Aber wir hätten schon ganz gerne, daß der angekündigte Bericht über die Auswirkungen des Rechtspflegeentlastungsgesetzes endlich vorgelegt wird. Ich weiß schon, daß Sie sich die entsprechenden Zahlen nicht einfach aus den Rippen schneiden können, sondern daß Sie hier die Mitwirkung der Länder brauchen. Es wäre natürlich gut, wir wären uns hier einig. Daß wir Sie dabei unterstützen, brauchen wir nicht eigens zu sagen. Es wäre wünschenswert, wenn wir die Zahlen bald bekämen, weil wir in der Frage der Vereinfachung wirklich weiterkommen wollen.
Wenn ich schon dabei bin, einige Dinge anzumahnen, die noch nicht erfüllt sind: Einsatz für Schwächere, Kindschaftsrecht. Wir haben uns gefreut - nachdem wir nun lange genug mit unserem Antrag vorangegangen sind -, daß das Wohl des Kindes und die Verantwortlichkeit der Eltern im Mittelpunkt stehen sollen. Aber es ist natürlich nicht gut, wenn wir jetzt eine Gesetzesvorlage haben, bei der im Grunde genommen nur diese Rechthaberei - wer soll denn Recht haben? Vater oder Mutter? - fortgesetzt wird. Vielmehr muß das Kind und sein Wohl im Mittelpunkt stehen. Wenn man das so sieht - ich entnehme das jetzt Ihrer Gestik, Herr Bundesjustizminister -, dann ist es richtig, nicht immer einen Fall gesetzlichen gemeinsamen Sorgerechts anzunehmen, gegen den man sich dann im Einzelfall wenden muß, sondern für das gesetzliche gemeinsame Sorgerecht den gemeinsamen Antrag vorauszusetzen. Das wäre sinnvoll. Denn, wenn dieser gemeinsame Antrag nicht zustande kommt, dann ist das schon ein mehr als deutliches Indiz dafür, daß Vater und Mutter, die sich wahrscheinlich über die Scheidung furchtbar gestritten haben, das auch weiter tun werden. Das wäre keine vernünftige Grundlage für eine gesetzliche Regelung.
Eintreten für Schwächere: Sie haben uns vor einigen Monaten - entweder hier oder im Rechtsausschuß - versprochen, daß Sie Rechtstatsachenforschung betreiben lassen würden, wenn es zum Beispiel darum geht, die Zuordnung der ehelichen Wohnung bei Frauen, die geschlagen wurden und Kinder haben, neu zu regeln. Diese Rechtstatsachenforschung ist immer noch nicht auf dem Weg; ein Auftrag ist nicht vergeben worden. Meine Bitte ist, dafür zu sorgen, daß ein solcher Auftrag endlich die geheiligten Räume des Justizministeriums verläßt. Bei uns verdichtet sich der Eindruck, daß irgend jemand in der Öffentlichkeit zwar sagt, man wolle das, aber dann die Sache hintertreibt. Das finde ich schade.
Letzter Punkt, Herr Bundesjustizminister: Wer viel im Ausland ist, weiß, daß das Interesse am deutschen Rechtssystem und an der deutschen Auffassung von Rechtsstaatlichkeit dort groß ist. Nicht zu Unrecht
wird in weiten Teilen der Welt unsere Interpretation des Rechtsstaatsprinzips und unser Rechtssystem mit dem wirtschaftlichen Wohlstand der Bundesrepublik in Zusammenhang gebracht. Es besteht ein Interesse daran, in vielen Rechtsbereichen Beratung zu bekommen. Das gilt insbesondere für Länder in Transformation, sei es nun in Zentralasien oder in Mittelosteuropa. Wir wissen, daß die Bundesregierung hier in einigen Bereichen hilfreich gewesen ist.
Ich würde mich freuen, wenn Sie, Herr Bundesjustizminister, diesem Haus einen Bericht geben können, wie es auf diesem Felde steht. Sie haben unsere Unterstützung, daß man hier mehr Geld ausgibt. Das ist wahrscheinlich bei den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. ähnlich. Es wäre gut, wenn man rechtzeitig in die Zukunft investieren würde. Ich denke, das täte unserem Land, übrigens auch dem Rechtsstaatsprinzip, sehr gut.
Herzlichen Dank.