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    Plenarprotokoll 13/121 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 10807 A Absetzung von Tagesordnungspunkten 10807 B, 10894 A Nachträgliche Ausschußüberweisungen . 10807 C Begrüßung einer Delegation des Sozialausschusses des niederländischen Parlaments 10864 B Tagesordnungspunkt 1: a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1997 (Haushaltsgesetz 1997) (Drucksache 13/5200) . . 10807 D b) Fortsetzung der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 1996 bis 2000 (Drucksache 13/5201) 10808A Rudolf Scharping SPD 10808A, 10865 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 10815 A Otto Schily SPD 10821 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10824 D Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 10831 A Dr. Christa Luft PDS 10834 A Dr. Gregor Gysi PDS 10837A, 10858 B Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 10840A Rudolf Scharping SPD 10843 B Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 10850 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 10852 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . 10858C, 10864 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 10860 A Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . . 10863B, C Ingrid Matthäus-Maier SPD 10864 C Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10865 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 10867 C, 10872 B Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10871 D Günter Verheugen SPD 10872 D Ulrich Irmer F.D.P 10878 C Rudolf Seiters CDU/CSU 10879 B Heinrich Graf von Einsiedel PDS . . . 10881 B Dr. Erich Riedl (München) CDU/CSU . 10883 A Ulrich Irmer F.D.P 10884 D Wolfgang Thierse SPD 10886 A Volker Rühe, Bundesminister BMVg . 10887 C Willibald Jacob PDS 10889 D Dr. Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 10890 D, 10893 C Dr. Uschi Eid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10892 B Dr. R. Werner Schuster SPD 10892 D Manfred Kanther, Bundesminister BMI 10896 C Fritz Rudolf Körper SPD 10899 B Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 10902 D Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10905 A Ina Albowitz F.D.P. 10907 C Ulla Jelpke PDS 10910 B Uta Titze-Stecher SPD 10911 D Dr. Rupert Scholz CDU/CSU 10913 D Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD . 10915 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister BMJ 10916A Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 10918 A Norbert Geis CDU/CSU 10921 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10923 C, 10925 C Dr. Edzard Schmidt-Jortzig 10925 A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 10925 D Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 10927 A Manfred Kolbe CDU/CSU 10928 C Tagesordnungspunkt 2: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 8. September 1976 über die Ausstellung mehrsprachiger Auszüge aus Personenstandsbüchern (Drucksache 13/4995) 10894 A b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Naturkautschuk-Übereinkommen von 1995 (Drucksache 13/5019) 10894 A c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. November 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die gemeinsame Staatsgrenze (Drucksache 13/5020) . 10894 B d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. Juli 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über den Zusammenschluß der deutschen Autobahn A 6 und der tschechischen Autobahn D 5 an der gemeinsamen Staatsgrenze durch Errichtung einer Grenzbrücke (Drucksache 13/5049) 10894 B e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 (Drucksache 13/5359) 10894 B f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Altschuldenhilfen für Kommunale Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften und private Vermieter in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (AHG-Änderungs-Gesetz) (Drucksache 13/5417) . 10894 C g) Antrag der Abgeordneten Antje Hermenau, Kristin Heyne, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mögliche zweckwidrige Verwendung von Steuergeldern durch die Förderung eines Berufsbildungsprojektes in Montevideo (Uruguay) (Drucksache 13/5008) 10894 C h) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerald Thalheim, Ernst Bahr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Milchquotenregelung in den neuen Ländern (Drucksache 13/4905) . . . 10894 D i) Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung in die Veräußerung eines Grundstücks in Berlin-Mitte (Drucksache 13/5039) . . 10894 D j) Bericht des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung hier: Umwelttechnik und wirtschaftliche Entwicklung (Drucksache 13/5050) 10895 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes und des Waffengesetzes (Drucksache 13/5493) 10895 A b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer (Drucksache 13/5504) . . . . 10895 B Tagesordnungspunkt 3: Abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 14. Juni 1994 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Ukraine andererseits (Drucksachen 13/4174, 13/5031) 10895 C b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 9. Februar 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Kirgisistan andererseits (Drucksachen 13/4173, 13/5032) 10895 D c) Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit vom 6. März 1995 zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten einerseits und Weißrußland andererseits (Drucksachen 13/4172, 13/5033) 10895 D e) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses 10896 A - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht über die Mißbrauchsbekämpfung und Anpassung von öffentlichen Leistungen an veränderte Rahmenbedingungen - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht über die Mißbrauchsbekämpfung und Anpassung öffentlicher Leistungen an veränderte Rahmenbedingungen (Drucksachen 12/8246, 13/725 Nr. 63, 13/3412, 13/3930 Nr. 1, 13/5294) . . . 10896A Zusatztagesordnungspunkt 2: Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Zustimmungbedürftige Verordnung zur Einführung des Europäischen Abfallkatalogs (Drucksachen 13/5416, 13/5520) 10896 B Nächste Sitzung 10929 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10930*A 121. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Augustin, Anneliese CDU/CSU 11. 9. 96 Bachmaier, Hermann SPD 11. 9. 96 Beck (Bremen), BÜNDNIS 11. 9. 96 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Behrendt, Wolfgang SPD 11. 9. 96 * Borchert, Jochen CDU/CSU 11. 9. 96 Duve, Freimut SPD 11. 9. 96 Gansel, Norbert SPD 11. 9. 96 Glos, Michael CDU/CSU 11. 9. 96 Kurzhals, Christine SPD 11. 9. 96 Dr.-Ing. Laermann, F.D.P. 11. 9. 96 Karl-Hans Dr. Lucyga, Christine SPD 11. 9. 96 * Dr. Rappe (Hildesheim), SPD 11. 9. 96 Hermann Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Regenspurger, Otto CDU/CSU 11. 9. 96 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 11. 9. 96 Schlauch, Rezzo BÜNDNIS 11. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Schönberger, Ursula BÜNDNIS 11. 9. 96 90/DIE GRÜNEN Thieser, Dietmar SPD 11. 9. 96 Voigt (Frankfurt), SPD 11. 9. 96 Karsten D. Vosen, Josef SPD 11. 9. 96 Wieczorek-Zeul, SPD 11.9.96 Heidemarie Dr. Zöpel, Christoph SPD 11. 9. 96 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Hans Klein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern liegen nicht vor.

    Vizepräsident Hans Klein
    Wir kommen deshalb zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz, zu den Einzelplänen 07 und 19.
    Ich erteile dem Bundesminister der Justiz, Professor Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, das Wort.

    (Dr. Willfried Penner [SPD]: Er muß jetzt zu seinen verfassungsrechtlichen Verfehlungen Stellung nehmen!)

    Bundesminister der n
    Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, B u d
    Justiz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Haushaltsdebatte geht jetzt um den Einzelplan 07, also um den Plan des Justizministeriums.
    Haushaltspläne werden heutzutage leider immer von Sparzwängen geprägt. „Pecunia nervus rerum" muß das Motto sein. Das kann man beklagen, aber das ist so. Das gilt leider überwiegend auch für die Justiz und Rechtspolitik.

    (Dr. Jürgen Meyer [Ulm] [SPD]: Es gilt auch: Pecunia non olet!)

    - Ich sage ja: Ich bedaure es.
    Dabei zählt die Justiz keineswegs zu den Hauptverursachern der betreffenden Leere in den Kassen: Die justizspezifischen Ausgaben von Bund und Ländern machen, wie wir ausgerechnet haben, 1996 gerade 1,76 Prozent der Gesamtvolumina aus. Mein Haushalt, also der Einzelplan 07, füllt für 1997 mit 0,16 Prozent sicher nur eine sehr geringe Quote des Bundeshaushalts. Klein, aber fein.
    Dennoch ist es für mich als entschiedenen Verfechter des schlanken Staats oder der politischen Intention, die hinter der Forderung nach einem schlanken Staat steht, selbstverständlich, an die Justiz im Prinzip dieselben Prüfkriterien wie an die Verwaltung anzulegen. Es geht also um die Frage der Aufgabenkritik.
    Ich denke, für eine Aufgabenkritik ist in der Justiz nur sehr begrenzt Möglichkeit vorhanden. In einzelnen Bereichen müssen wir nachfragen, ob das alles, was Justiz heutzutage tatsächlich tut, notwendig ist, das heißt notwendigerweise bei der Justiz zu tun ist. Aber dabei wird nicht viel herauskommen. Es werden dort Marginalien zu besprechen und zu erörtern sein.
    Die Aufgabenkritik wird dort nur begrenzt zu Erfolgen führen, denn die Sicherung des inneren Friedens durch das staatliche Gewaltmonopol gehört nun einmal zu den klassischen Kernaufgaben des Staates. Nur die Herrschaft des Rechts bietet dem einzelnen die Gewähr, seine Rechte und Freiheiten gefahrlos ausüben zu können. Ohne das Recht, welches die verschiedenen Interessen abgrenzt und ordnet, sicher auch begrenzt, würde der Mensch mit seinen existenziellen Bedürfnissen, seinen Entfaltungswünschen in ständiger Unsicherheit leben. Eine Herrschaft des Rechts ist nicht ohne eine funktionierende Justiz denkbar, die seine friedensstiftende Funktion sichert.
    An diesem Punkt, nämlich bei dem Thema Justizentlastung kommt manches wieder, was Kollege
    Scholz soeben für den Bereich der Verwaltung schon gesagt hat. Ich denke, daß dies vorwiegend eine Aufgabe der Länder ist. Der Bund verfügt in Sachen Justiz nur über die obersten Gerichtshöfe.
    Beim Thema Justizentlastung darf aber jedenfalls nicht allein aus dem Blickwinkel der leeren Kassen diskutiert werden. Lediglich in Randbereichen kann darüber nachgedacht werden, ob sich der Staat aus Aufgaben zurückzieht.
    Hier will ich das Thema ,,außergerichtliche Streitbeilegung" ansprechen. Denn da ist der Bund als Gesetzgeber natürlich in der Lage, etwas zu tun. Dieser Bereich muß mit Sicherheit gestärkt werden.
    Ein Ansatz ist der von mir eingebrachte Entwurf für die Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts. Er modernisiert das aus dem Jahr 1879 stammende Schiedsverfahrensrecht und paßt es an die von der Kommission für Internationales Handelsrecht der Vereinten Nationen entwickelten Standards an.
    Ich gehe davon aus, daß dieser Gesetzentwurf nicht nur die Bereitschaft zu einer raschen außergerichtlichen Streitbeilegung erhöht, sondern daß es auch gelingt, mehr internationale Schiedsverfahren nach Deutschland zu holen.
    Ein zweiter Ansatz für die Stärkung der außergerichtlichen Streitbeilegung ist eine Öffnungsklausel für eine landesgesetzliche Einführung obligatorischer außergerichtlicher Schlichtungsverfahren in geeigneten Fällen. Mit meinen Länderkollegen habe ich eine solche Öffnungsklausel insbesondere für Verfahren mit einem Streitwert von nicht mehr als 500 DM und für bestimmte Nachbarschaftsstreitigkeiten ins Auge gefaßt.
    Eine weitere Entlastung der Justiz durch verfahrensrechtliche Deregulierung - ebenfalls ein Prüfstein des schlanken Staats - stößt sicherlich an Grenzen. Aber den Raum bis an diese Grenzen wollen wir mit Bedacht ausschöpfen.
    Die Bundesregierung hat in allen Bereichen des Prozeßrechts Reformen durchgesetzt und auf den Weg gebracht. Die entsprechende Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung war heute - Sie wissen es wahrscheinlich - Beratungsgegenstand in einer Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses. Bei dieser Novelle zur Verwaltungsgerichtsordnung geht es im Kern um die Einführung einer allgemeinen Zulassungsberufung und der Zulassungsbeschwerde. In der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses ist heute eine Einigung erzielt worden. Wenn diese Einigung im Vermittlungsausschuß noch Bestand hat und das Parlament zustimmt, rechne ich ab 1. Januar nächsten Jahres mit einer deutlichen Entlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und im übrigen auch mit einer Stimulierung der Investitionstätigkeit; denn das Ganze gehört ja in das Maßnahmenpaket zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie ihrer entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.
    Im Gesetzgebungsverfahren befindet sich ebenfalls eine Novelle zum Ordnungswidrigkeitenrecht. Auch das gehört zu dem Bereich Vereinfachung und

    Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
    Deregulierung. Die Möglichkeit, einen Einspruch auf die dem Betroffenen wichtigen Punkte zu beschränken, und eine attraktivere Ausgestaltung des schriftlichen Verfahrens werden das Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht nur vereinfachen, sondern auch betroffenenfreundlicher machen.
    In der Ziviljustiz haben das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz aus dem Jahre 1990 und das Gesetz zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens von 1993 bereits zu einer Entlastung geführt. Wenn Sie beklagen - wofür ich viel Verständnis habe -, daß dies alles nicht genug sei, dann ist jedenfalls der Bund nicht die richtige Mauer, um die Klagen abzulassen. Die Klagemauer müßten vielmehr die Länder sein.
    Das jetzt von den Ländern im Bundesrat eingebrachte weitere Gesetz zur Vereinfachung des zivilgerichtlichen Verfahrens wäre dann schon die dritte Entlastungsnovelle innerhalb eines Jahrzehnts. Die Kollegen, die weiter als ein Jahrzehnt zurückgezählt haben, sind schon bei zweistelligen Zahlen angelangt. Dies zeigt, daß offenbar unsere Wünsche noch nicht erfüllt wurden, was eine Vereinfachung und Verschlankung des zivilgerichtlichen Verfahrens anbetrifft.
    Meine Skepsis gegenüber solchen Initiativen, solange ihnen nicht eine wirklich erkennbare Konzeption zugrunde liegt, will ich gar nicht verschweigen. Dennoch werden wir die Vorschläge natürlich unvoreingenommen prüfen.
    Auch - damit will ich auf die Strafjustiz kommen -20 Jahre intensiv betriebene Entlastung der Strafjustiz hat nur einen eher bescheidenen Ertrag gebracht. Das ist wohl mit darauf zurückzuführen, daß Entlastungsmaßnahmen wie das 1994 mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz eingeführte beschleunigte Verfahren bisher nicht ausreichend genutzt wurden. Dabei ermöglicht dieses Verfahren ein schnelles Prozedere, wenn der Sachverhalt einfach oder die Beweislage klar ist. Jetzt, fast zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Regelung, nehmen die Landesjustizminister auf meine Bitten hin endlich auf Staatsanwaltschaften und Gerichte Einfluß, damit diese Straftaten im beschleunigten Verfahren verhandelt werden.
    Dies zeigt, daß Neuregelungen erst konsequent genutzt werden müssen, und zwar von der Landesjustiz, ehe neue Entlastungsmaßnahmen eingeleitet werden. Hektischer Gesetzesaktionismus ist keine Lösung. Weitere Reformwünsche müssen sorgfältig geprüft werden.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Deshalb habe ich zur Entlastung des Bundesverfassungsgerichts - denn auch hier sind wir nicht auf die Länder angewiesen - eine Kommission eingesetzt, die alle vorhandenen Vorschläge - da gibt es eine ganze Fülle, die für die Verschlankung des Bundesverfassungsgerichts gemacht worden sind - unvoreingenommen und ohne irgendwelche Vorgaben sorgfältig prüfen soll und, wenn es irgendwie möglich ist, auch neue erarbeiten und diskutieren soll,
    um zum Schluß einen Vorschlagsfächer zu präsentieren.
    Eine Reform ist hier dringend nötig. Niemand wird das bestreiten. Sie ist vor allen Dingen dringend geboten, wenn das Gericht nicht in der Flut seiner Streitsachen ertrinken soll. Für leichtfertige Einschnitte und Schnellschüsse ist hier kein Platz; denn dafür sind Bundesverfassungsgericht und seine Konzeption viel zu wichtig.
    Man hat es als Krone des Rechtsstaats bezeichnet, und nicht wenige Länder beneiden uns um diese Einrichtung. Dann haben wir aber auch wirklich die Pflicht, und ich will sagen: die verdammte politische Pflicht und Schuldigkeit, für seine Schlagkräftigkeit und seine Handlungsfähigkeit zu sorgen.
    Die Möglichkeiten einer Ausdünnung des Verfahrensrechts stoßen im Rechtsstaat an Grenzen. Deswegen müßten wir uns wahrscheinlich und überall darum bemühen, auch das materielle Recht zu deregulieren. Gerichte wenden nur das Recht an, das ihnen der Gesetzgeber, das wir ihnen an die Hand geben.
    Gesetze sind geronnene Politik. Eine wirkliche Deregulierung ist bei diesem unbestreitbaren Sachverhalt nur möglich, wenn wir uns auch von liebgewordenen politischen Anliegen zu verabschieden bereit sind. Das fällt uns natürlich immer einigermaßen schwer.
    Gleichzeitig muß die Deregulierung Hand in Hand mit einer Modernisierung der Rechtsordnung gehen. Als Bundesjustizminister beabsichtige ich, noch in dieser Legislaturperiode einige solche Erneuerungsvorschläge voranzubringen. Ich will einige nennen. Im Bereich des Zivilrechts sind dies neben den bereits im Parlamentsgang befindlichen Reformen des Kindschaftsrechts und des Eheschließungsrechts vor allem eine Vereinfachung des Mietrechts und eine Modernisierung des Handelsrechts.

    (Erika Simm [SPD]: Vereinfachung!)

    - Genau, dazu will ich noch ein paar Worte sagen.
    Das geltende Mietrecht nämlich ist verstreut und zum Teil hochkompliziert geregelt und damit für die Mieter, im übrigen genauso für die Vermieter, unübersichtlich. Es soll im BGB zusammengefaßt und wieder systematischer sowie verständlicher werden. Die zwischen den - das sage ich ganz deutlich, weil da immer irgendwelche Tatarenmeldungen in die Presse gesetzt worden sind oder auch Befürchtungen laut geäußert wurden - Interessen von Mietern und Vermietern ausgleichende Funktion des Mietrechts bleibt erhalten. Es geht also wirklich um eine Vereinfachung.
    Die Reform des Handelsrechts ist ein Musterbeispiel für „Renovierung", wie ich hoffe. Wir werden sie Ihnen präsentieren; Sie mögen dann die Dinge kritisch beurteilen. Sie sieht vor, daß verschiedene altvordere Strukturen und Figuren aufgehoben bzw. geglättet werden. Das gilt etwa für das Recht der Firmennamen. Dieser Teil ist, um es deutlich zu sagen, antiquiert und paßt nicht mehr in die heutige Wirtschaftsordnung. Darüber hinaus wird unter anderem

    Bundesminister Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
    - selbst wenn das ganze Lehrbuchregale zum Einstürzen bringt - der Kaufmannsbegriff vereinheitlicht.
    Zum Schluß will ich noch auf das Strafgesetzbuch eingehen, das ebenfalls überarbeitet werden soll. Es sieht nach den Wertungen aus der Gründerzeit des deutschen Kaiserreichs hohe Strafen für Eigentums- und Vermögensdelikte vor. Das wird angesichts der geringeren Strafen für Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit heutzutage wohl nicht mehr durchzuhalten sein. Daran müssen wir also auch arbeiten.
    Ich bitte Sie herzlich, kritisch, konstruktiv und - vor allen Dingen - im Ziel solidarisch daran mitzuarbeiten, die Schlagkraft der Justiz, der Rechtsordnung in diesen schwierigen Zeiten zu erhöhen, zu stärken. Ich bitte um Ihre Unterstützung für den Haushalt des Einzelplans 07.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Kollegin Dr. Herta Däubler-Gmelin, Sie haben das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herta Däubler-Gmelin


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Bitte um konstruktive Mitarbeit, Herr Bundesjustizminister, verhallt bei uns - wie immer - nicht ungehört. Ich habe mir heute morgen angehört, was der Herr Bundeskanzler gerne für eine Opposition hätte: konstruktiv bis zum Umfallen und ein Ideenlieferant, damit Sie so richtig aus dem vollen schöpfen können. Dann, so hat er gesagt, sei die Regierungskoalition durchaus bereit, mit uns zu reden. Wenn man sich die Justizpolitik der vergangenen Jahre - man muß ja leider schon sagen: der vergangenen Jahrzehnte - anschaut, dann kann man, beinahe ohne Ironie, feststellen, daß wir dem Wunschbild des Bundeskanzlers gerade im Bereich der Justiz vollständig entsprechen.
    Herr Bundesjustizminister, Sie haben über einige Punkte geredet, die natürlich auch uns am Herzen liegen, so z. B. die Frage der Modernisierung der Justiz, die Frage, welche Aufgabe Rechtspolitik heute hat. Unsere Antwort auf diese Frage: Umsetzung des Rechtsgüterschutzes und der Rechtsgüterordnung des Grundgesetzes unter den gegenwärtigen Umständen. Als weiteren Punkt, der uns ebenfalls sehr am Herzen liegt, füge ich noch die Kooperation im Bereich der Justiz über die Grenzen hinaus zu. Diese drei Punkte mahnen wir im halbjährlichen Abstand bei den Generalaussprachen zur Justiz- und Rechtspolitik hier immer wieder an.
    Die Hälfte dieser Legislaturperiode ist schon wieder vorbei. Sie, Herr Justizminister, sind in Ihrer sympathischen Art seit einem Dreivierteljahr im Amt. Aber alles - und das macht einen so unlustig, wenn man über Rechtspolitik nachdenkt - ist so verdammt zähflüssig.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Dabei sind die Vorlagen die wir Ihnen liefern, wirklich gut. Ich darf ein paar aufzählen und werde nicht
    mehr nehmen, als beide Hände Finger haben - das heißt: nicht mehr als zehn, Herr Kleinert.
    Herr Scholz sprach über Staatsangehörigkeit. - Ich kann die Entwürfe, die wir dazu vorgelegt haben, gar nicht mehr zählen - und Sie sind über diese Fehlgeburt einer Kinderstaatszugehörigkeit immer noch nicht hinaus. Kein Mensch von Ihnen weiß, worauf das hinauslaufen soll. - Jetzt heben Sie wieder die Hände; das macht Sie so sympathisch. Aber ich weiß nie so recht, ob ich mich jetzt mit Ihnen auseinandersetzen und Ihnen böse sein soll,

    (Norbert Geis [CDU/CSU]: Am besten niemandem böse sein!)

    daß Sie bei Ihrem Koalitionspartner nichts erreichen, oder ob ich mich an die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU oder nur an die der CSU wenden soll, um Klarheit in dieser Frage zu bekommen.
    Unser Problem ist, daß wir immer das Gefühl haben, bei Ihnen in ein schwarzes Loch zu reden. Dabei sagen wir doch nur: Jetz schwätzet nit immer bloß, sondern machet en Strich! Laßt uns endlich das tun, was getan werden muß. Das heißt: Wir müssen die Kinder der Einwanderer in der Bundesrepublik Deutschland endlich integrieren.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir brauchen vernünftige Regelungen für ein Staatsangehörigkeitsrecht für Kinder, und zwar jetzt. Der Preis wird doch nicht geringer, ihre Schwierigkeiten werden nicht kleiner, wenn Sie noch lange zuwarten. Aber die Zeit vergeht, und der Goodwill der jungen Leute und Kinder ist dann vertan. Wenn wir auf Konsensbildung im Innern und auf Integration Wert legen, brauchen wir ganz dringend eine Änderung.
    Ich will noch einen Punkt ansprechen, von dem auch Herr Scholz gesprochen hat. Es war gut, daß wir in den vergangenen Jahren bei Asylbewerbern und auch bei Spätaussiedlern, die nicht anerkannt werden konnten, in schwierigen und komplexen Fällen - die Fälle waren außerordentlich vielschichtig - zur Altfallregelung gekommen sind. Nun ist es aber so, daß Menschen, die unter dieser sogenannte Altfallregelung fallen, auch Kinder haben.
    Ich will Ihnen einmal einen Fall schildern, der im Wahlkreis eines jeden von Ihnen passieren kann. Wenn Sie da an einer gnadenlosen, ideologiebehafteten Ablehnung einer vernünftigen Staatsangehörigkeitsregelung festhalten, werden Sie ihn nicht lösen können.
    1985 ist eine Familie aus Ungarn in die Bundesrepublik gekommen. Die Großmutter ist als Spätaussiedlerin anerkannt worden, Ihre Tochter, die ein kleines Kind hatte, hat diese Anerkennung nicht bekommen. - Ich zweifle nicht daran, daß alles mit rechten Dingen zuging; die Bescheide waren jedenfalls bestandskräftig. - Das Kind, also die Enkeltochter, ist heute in der letzten Schulklasse. Auf Grund der Altfallregelung durften Mutter und Kind in der Bundesrepublik bleiben. Sie wurden bis 1992 gedul-

    Dr. Herta Däubler-Gmelin
    det und haben dann im Rahmen der Altfallregelung eine Befugnis bekommen.
    Wenn Sie nun annehmen, das - das jetzt 18jährige - junge Mädchen hätte entweder nach den Tatbeständen der §§, 85 ff. des Ausländergesetzes oder nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz eingebürgert werden können, dann irren Sie. Beide Rechtsgrundlagen setzen nämlich voraus, daß es sich insgesamt zehn Jahre rechtmäßig in Deutschland aufgehalten hat. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn es lediglich eine Befugnis hat; dafür muß es eine Erlaubnis haben. Diese bekommt es aber erst, wenn es acht Jahre eine Befugnis hatte. Die Vereinfachungsregelungen nach dem Ausländergesetz, also nach §§ 85 ff., greifen in diesem Fall jedoch nicht mehr, weil es dann älter als 23 Jahre sein wird. Dieses Mädchen wird also wahrscheinlich erst im Jahre 2010 eingebürgert werden können. Das ist absolut unerträglich, wenn man weiß, daß diese junge Frau seit ihrem siebten Lebensjahr in der Bundesrepublik Deutschland ist und auch hier bleibt. Nur weil einige unter Ihnen so verbohrt sind, können wir keine vernünftige Staatsangehörigkeitsregelung für Kinder und junge Leute treffen, die wirklich flexibel genug ist, um den komplexen Sachverhalten gerecht zu werden.
    Das ist das, was einem das Leben so schwer macht und warum man sich fragt: Hat eigentlich das Werben des Bundeskanzlers oder anderer Persönlichkeiten um die konstruktive Mitarbeit der Opposition, so gern man dies auch hört, irgendeinen Sinn?
    Ich will in diesem Zusammenhang einiges zu wirklich guten Vorlagen sagen, die wir hier vorgelegt haben. Wir haben in unseren Reihen Kolleginnen und Kollegen, die sich begeistert hinsetzen und mit Spezialisten aus Wissenschaft und Praxis Gesetzentwürfe erarbeiten, die gut sind. Wir haben zahlreiche Anträge gestellt: Anträge zur Strafrahmenharmonisierung und zur Angleichung der Strafrahmen an die Rechtsgüterpriorität des Grundgesetzes. Wir haben Vorlagen zur Sanktionen- und zur Strafreform eingebracht; ebenso haben wir Vorlagen zum Kindschaftsrecht vorgelegt, Herr Justizminister. Darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen. Wir haben eine Reihe von Anträgen und Gesetzentwürfen zur Verbesserung des wirklich schrecklichen und auch gefährlichen Phänomens der Jugendkriminalität eingebracht. Wir haben Stellung genommen zu der Tatsache, daß die Täter immer jünger werden. Schließlich haben wir einiges im Bereich Kinder-Opfer-Zeugen gemacht und Vorlagen zur Entlastung der Justiz vorgelegt.
    Ich darf nur an eine unserer jüngsten Vorlagen erinnern, an das Ordnungswidrigkeitengesetz. Damit haben wir Ihnen vernünftige Argumente geliefert. Laßt uns aber nicht immer nur darüber reden - das ist ja noch am einfachsten - oder die Verantwortung auf die Länder schieben; denn wir wissen, daß wir sie gemeinsam tragen müssen. Bund und Länder sind hinsichtlich der Novellierung in diesem Bereich gemeinsam in der Verantwortung. Sie sollten sie also auch wahrnehmen. Das ist aber gegenwärtig nicht der Fall.
    Ich möchte noch einmal sagen, welche Schwerpunkte wir setzen wollen. - Es gab in diesem Haus schon Zeiten, in denen die Mitgestaltung an der Rechtspolitik nicht eine schwere Last, sondern wirklich eine Lust war. So soll es auch wieder werden. - Vier Schwerpunkte sind zu nennen:
    Erstens. Durchsetzung der Rechtsgüterordnung des Grundgesetzes unter den Bedingungen von heute. Das heißt: eintreten für die Schwächeren, für ihre Rechte und ihre sozialen Chancen und übrigens auch für ihre Umwelt.
    Zweitens. Bekämpfung der Kriminalität und ihrer Ursachen. Hinsichtlich der Bekämpfung der Kriminalität sind wir immer sehr schnell mit Ihnen einig. Wenn wir dann aber fragen, worin die Ursachen der Kriminalität bestehen, und fordern, daß man diese Ursachen bekämpfen muß, dann hört diese Einigkeit sehr schnell auf. Deswegen wird es dann sehr leicht - ein Catch-22-Spiel.
    Drittens. Modernisierung der Justiz. Hinsichtlich der Grundauffassung, daß Bund und Länder hier handeln müssen, liegen wir nicht weit auseinander. Das gilt übrigens ebenso für die rationelle Verwendung der Ressource Recht wie für die Aufgabe, die uns betrifft, nämlich Gesetze zu machen, die nicht nur mit dem Schlagwort „Deregulierung" belegt werden können. - Herr Bundesjustizminister, das betrifft natürlich ganz besonders das Justizministerium, weil Sie die ersten Vorlagen liefern. - Denn das ist schon sehr ideologiebesetzt. Darunter kann man z. B. verstehen, daß die Position des wirklich schützenswerten Schwächeren aufgegeben wird. Das aber ist mit uns nicht zu machen. Sehr wohl aber sind wir dafür, daß wir weniger klarere und stringentere Gesetze machen. Ebenso sind wir dafür - auch Kollege Kleinert wird nicht müde, darauf hinzuweisen; das war mir schon immer von Grund auf sympathisch; ich hoffe, Sie entschuldigen, daß ich das sage -, daß diejenigen, die Gesetze ausführen, nämlich Richterinnen und Richter oder auch Beamtinnen und Beamte, wieder daran gewöhnt werden, daß sie die Verantwortung haben, nach Recht und Gesetz zu entscheiden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/Die GRÜNEN)

    Man sollte diesen bürokratischen Mehltau, der uns die Lust an der Rechtspolitik kaputtmacht, nicht auch noch auf die Rechtsanwender herabfallen lassen.
    Ein weiteres anzugehendes Problem besteht - ich weiß, Herr Bundesjustizminister, daß Sie das ganz ähnlich sehen - in der Beantwortung der Frage, welche Richterinnen und Richter wir eigentlich brauchen, das heißt in der Beantwortung der Frage, wie die Juristenausbildung künftig aussehen soll. Diese Frage muß wieder auf den Tisch.
    Vierter Schwerpunkt: Kooperation über die Grenzen hinweg. Das ist eine der Notwendigkeiten, die wir im Auge haben müssen. Alle Welt spricht über Globalisierung. Was bedeutet dies eigentlich? - Die Grenzen für Wirtschaft, Kapital und auch Technologie bestehen schon lange nicht mehr - in Europa sowieso nicht und darüber hinaus auch nicht. Die

    Dr. Herta Däubler-Gmelin
    Grenzen bestehen nur für Gesetze, für Konsens- und Wertebildung, für Polizei und Gerichte sowie für die Durchführung von Gesetzen, und zwar ziemlich hermetisch.
    Dies führt zu Reibereien und dazu, daß man kurz vor Wahlen seitens der Union ganze Tiraden über Ausländerkriminalität hören kann. Gemeint sind dann - ich finde den Begriff wenig präzise, weil man mit dem Begriff „Ausländerkriminalität" alle hier wohnhaften, nicht eingebürgerten, aber tatsächlichen Inländer-Ausländer mit beleidigt - die Nichtseßhaften mit fremder Staatsangehörigkeit, die aus sozialen Gründen in der Tat außordentlich häufig kriminell werden. Es ist völlig klar, daß wir von diesen genauso wie von Deutschen die Befolgung der Gesetze verlangen. Das ist gar keine Frage. Ausländerkriminalität ist etwas ganz anderes. Deswegen spielt Kooperation hier ebenfalls eine wichtige Rolle.
    Folgendes sollten Sie einmal bedenken: Alle, auch im Bereich der inneren Sicherheit, reden über Korruptionsbekämpfung. Unglaublich viele Deutsche korrumpieren im Ausland. Auch das ist Kriminalität, die unter dem umfassenden Stichwort „Ausländerkriminalität" zusammengefaßt, und natürlich auch bekämpft werden muß. Hier brauchen wir ebenfalls eine bessere Kooperation.
    In den letzten Tagen und Wochen hatten wir endlich eine äußerst öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzung über so schreckliche Dinge wie sexueller Mißbrauch von Kindern, Kinderpornographie und Kinderprostitution. Ich sage „endlich", weil ich mich noch sehr gut an die Zeiten erinnere, in denen das von vielen - Gott sei Dank nicht von allen, die hier sitzen - so als eine feministische Geschmäcklerei abgetan wurde. Aber man kann dazulernen. Ich bin froh, daß das so ist. Nur, ich erinnere mich daran, daß wir zum Teil mit Engelszungen - wenn Sie uns das zutrauen - reden mußten, als wir damals hier hinsichtlich Verjährungsfristen beim sexuellen Mißbrauch von Kindern um Ihre Zustimmung geworben haben. Da mußten wir mit Ihnen wirklich ringen. Von besserer Einsicht war man damals weit entfernt. Hier bleibt allerdings noch viel zu tun: Ansätze dazu sehe ich.
    Sexueller Mißbrauch von Kindern ist Kriminalität, die auch Auslandsberührung hat. Das sind Deutsche, die im Ausland übelste Verbrechen begehen, auch hier, aber auch im Ausland. Es besteht keine Chance der Aufrechterhaltung von Werten, keine Chance der Durchsetzung der Rechtsgüterordnung und der Wertordnung des Grundgesetzes, wenn wir nicht die Kooperation mit unseren Nachbarstaaten und darüber hinaus erheblich verbessern.
    Was heißt jetzt „Kooperation"? Kooperation heißt - das betrifft nun uns, das betrifft nicht die Länder; das betrifft Sie, Herr Bundesjustizminister, das betrifft den Rechtsausschuß und auch diesen Bundestag als Ganzes -, daß wir in der Wertegestaltung, bei der Verabschiedung von Gesetzen, die wir machen, sehr viel mehr auf das achten müssen, was im Ausland um uns herum passiert. Dem sollten wir dann Rechnung tragen, wenn wir neue Tatbestände regeln.
    Ich darf in diesem Zusammenhang an die Bioethik-Konvention im Europarat erinnern. Da wäre es übrigens sehr hilfreich gewesen, wenn die Bundesregierung sehr viel früher und sehr viel offener mit dem Bundestag geredet hätte. Gerade von den Kolleginnen und Kollegen aus der Bundesrepublik in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ist eine Menge zurechtgerückt worden. Aber Sie wissen, die Auseinandersetzung ist noch lange nicht zu Ende; es geht da es wirklich um Grundsatzfragen.
    Das gleiche haben wir auch bei Europol. Auch da geht es nicht nur um die Frage: Wer macht was? Es geht noch nicht einmal nur um die schon wesentlich grundsätzlichere Frage: Wie ist es eigentlich mit dem Rechtsschutz in Europa für solche Akte, die eine europäische Institution vornehmen soll? Soll hier der Europäische Gerichtshof zuständig sein, oder wird jedem einzelnen zugemutet, daß er hier zunächst die Gerichtsbarkeit seines Landes in Anspruch nimmt und erst dann die europäische Gerichtsbarkeit? Vielmehr geht es auch um die Grundsatzfragen Rechtsstaatlichkeit und ihre einheitliche Interpretation. Und es geht um die Grundsatzfrage Datenschutz, Persönlichkeitsrecht in Europa.
    Der Ruf nach schärferen Gesetzen, der so in Mode ist, bringt uns nicht mehr sehr viel weiter, weil so üble Verbrechen - ich komme noch einmal darauf zurück - wie Prostitution mit Kindern, Kinderpornographie oder auch Sextourismus und Vermittlung von Kindern in der Bundesrepublik Deutschland längst strafbar sind, mit hohen Strafen belegt werden. Es ist nun nicht so, daß man nicht mit uns reden kann, wenn man irgendwo noch eine Lücke entdeckt. Das ist gar nicht mein Punkt. Nur, was ich als Augenwischerei empfinde, als Täuschung der Öffentlichkeit: daß dann, wenn Verbrechen übelster Art passieren, die einzige Reaktion von Bundesregierung oder der sie tragenden Parteien wiederum der Ruf nach mehr oder schärferen Gesetzen ist, obwohl doch jeder weiß, Kooperation ist das, was wir brauchen: Kooperation auf der gesetzgeberischen Ebene, Kooperation im Gerichtsverfahren, Kooperation, die Sie mit Verträgen hier jetzt angekündigt haben. Da wird es hohe Zeit. Und natürlich brauchen wir auch eine Revision der Gesetze über Auslandsstraftaten.
    Ich habe den Eindruck - das konnten wir jetzt gerade bei den in Thailand passierten scheußlichen Fällen sehen -, daß wir mit dem, was heute in unserem Strafgesetzbuch steht - hinsichtlich der Voraussetzungen der Auslandsstraftaten, die hier zu einer Bestrafung führen können - nicht weiterkommen. Deshalb werden wir uns - und wir werden darauf bestehen, daß wir das tun - im Rechtsausschuß darüber Gedanken machen müssen, wie wir diese Voraussetzungen so gestalten, daß ein solch edler Grundsatz, daß man Kinder nicht zu Prostitutionszwecken vermitteln und über die Grenzen schaffen darf usw., nicht nur im Gesetz steht, sondern daß man diese Kriminellen, wenn man sie hat, auch tatsächlich vor Gericht stellen und aburteilen kann.
    Es würde mich schon interessieren, Herr Bundesjustizminister - ich habe gerade von thailändischen Fällen geredet -, ob denn nun die Auseinanderset-

    Dr. Herta Däubler-Gmelin
    zung zwischen dem Herrn Bundesinnenminister und Ihnen über die Möglichkeiten und die Zuständigkeiten der BKA-Beamten in der thailändischen Botschaft zur Verhinderung solcher Fälle, wenn man solche Straftäter mit deutscher Staatsangehörigkeit kennt, beendet ist. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten darauf noch einige Worte verwendet.
    Modernisierung der Justiz: Herr Bundesjustizminister, Sie haben uns hier an Ihrer Seite. Aber wir hätten schon ganz gerne, daß der angekündigte Bericht über die Auswirkungen des Rechtspflegeentlastungsgesetzes endlich vorgelegt wird. Ich weiß schon, daß Sie sich die entsprechenden Zahlen nicht einfach aus den Rippen schneiden können, sondern daß Sie hier die Mitwirkung der Länder brauchen. Es wäre natürlich gut, wir wären uns hier einig. Daß wir Sie dabei unterstützen, brauchen wir nicht eigens zu sagen. Es wäre wünschenswert, wenn wir die Zahlen bald bekämen, weil wir in der Frage der Vereinfachung wirklich weiterkommen wollen.
    Wenn ich schon dabei bin, einige Dinge anzumahnen, die noch nicht erfüllt sind: Einsatz für Schwächere, Kindschaftsrecht. Wir haben uns gefreut - nachdem wir nun lange genug mit unserem Antrag vorangegangen sind -, daß das Wohl des Kindes und die Verantwortlichkeit der Eltern im Mittelpunkt stehen sollen. Aber es ist natürlich nicht gut, wenn wir jetzt eine Gesetzesvorlage haben, bei der im Grunde genommen nur diese Rechthaberei - wer soll denn Recht haben? Vater oder Mutter? - fortgesetzt wird. Vielmehr muß das Kind und sein Wohl im Mittelpunkt stehen. Wenn man das so sieht - ich entnehme das jetzt Ihrer Gestik, Herr Bundesjustizminister -, dann ist es richtig, nicht immer einen Fall gesetzlichen gemeinsamen Sorgerechts anzunehmen, gegen den man sich dann im Einzelfall wenden muß, sondern für das gesetzliche gemeinsame Sorgerecht den gemeinsamen Antrag vorauszusetzen. Das wäre sinnvoll. Denn, wenn dieser gemeinsame Antrag nicht zustande kommt, dann ist das schon ein mehr als deutliches Indiz dafür, daß Vater und Mutter, die sich wahrscheinlich über die Scheidung furchtbar gestritten haben, das auch weiter tun werden. Das wäre keine vernünftige Grundlage für eine gesetzliche Regelung.
    Eintreten für Schwächere: Sie haben uns vor einigen Monaten - entweder hier oder im Rechtsausschuß - versprochen, daß Sie Rechtstatsachenforschung betreiben lassen würden, wenn es zum Beispiel darum geht, die Zuordnung der ehelichen Wohnung bei Frauen, die geschlagen wurden und Kinder haben, neu zu regeln. Diese Rechtstatsachenforschung ist immer noch nicht auf dem Weg; ein Auftrag ist nicht vergeben worden. Meine Bitte ist, dafür zu sorgen, daß ein solcher Auftrag endlich die geheiligten Räume des Justizministeriums verläßt. Bei uns verdichtet sich der Eindruck, daß irgend jemand in der Öffentlichkeit zwar sagt, man wolle das, aber dann die Sache hintertreibt. Das finde ich schade.
    Letzter Punkt, Herr Bundesjustizminister: Wer viel im Ausland ist, weiß, daß das Interesse am deutschen Rechtssystem und an der deutschen Auffassung von Rechtsstaatlichkeit dort groß ist. Nicht zu Unrecht
    wird in weiten Teilen der Welt unsere Interpretation des Rechtsstaatsprinzips und unser Rechtssystem mit dem wirtschaftlichen Wohlstand der Bundesrepublik in Zusammenhang gebracht. Es besteht ein Interesse daran, in vielen Rechtsbereichen Beratung zu bekommen. Das gilt insbesondere für Länder in Transformation, sei es nun in Zentralasien oder in Mittelosteuropa. Wir wissen, daß die Bundesregierung hier in einigen Bereichen hilfreich gewesen ist.
    Ich würde mich freuen, wenn Sie, Herr Bundesjustizminister, diesem Haus einen Bericht geben können, wie es auf diesem Felde steht. Sie haben unsere Unterstützung, daß man hier mehr Geld ausgibt. Das ist wahrscheinlich bei den Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P. ähnlich. Es wäre gut, wenn man rechtzeitig in die Zukunft investieren würde. Ich denke, das täte unserem Land, übrigens auch dem Rechtsstaatsprinzip, sehr gut.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)