Rede von
Manfred
Kanther
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! Im Vordergrund der innenpolitischen Anstrengungen muß der Kampf um die innere Sicherheit stehen - so ist es auch richtig bezeichnet -, der Kampf gegen Verbrechen und Rechtsbruch in unserem Lande - eine wichtige Aufgabe für Bund und Länder. Nach der geltenden Gewaltenteilung liegt beim Bund im wesentlichen die Rechtsetzungsbefugnis, während die Länder im Bereich der inneren Sicherheit mit Polizei und Justiz die Gesetze ausführen. Es ist enorm, was die Koalition zur Mitte der Legislaturperiode insoweit vorweisen kann.
Wir haben mit den Entwürfen zur Bekämpfung der Korruption, zur Verschärfung des Ausländerrechts gegenüber schwerkriminellen Ausländern, mit dem Bundeskriminalamtsgesetz, mit der Einigung in der Koalition zum Thema Abhören von Gangsterwohnungen, mit der Vorlage einer erneuten Geldwäschegesetzgebung in allen wichtigen Punkten die Schularbeiten, die wir uns vorgenommen haben, gemacht.
Wir zeigen damit, daß leider der Kampf gegen das Verbrechen eine Aufgabe ist, die immer wieder angepackt werden muß. Hier wird kein Ruhezustand erreicht. Das ist ein Prozeß. Hier richten sich die Antworten des Staates nach sich ständig ändernden Gefährdungssituationen.
Wir zeigen zum Beispiel mit der revidierten Geldwäschegesetzgebung, daß wir, wenn ein Ansatz, den wir zunächst gewählt haben, nicht ausreicht, in der Lage sind, ihn zu verbessern. Ich halte das im Bereich der Strafrechtspflege und dort, wo der Staat in das Leben der Bürger streng eingreift, für eine wichtige Beobachtung.
Wir werden auch in Zukunft beobachten müssen, ob Maßnahmen, die wir für nötig erachtet haben, greifen oder ob wir sie verändern müssen. Das Lernen durch Anwendung ist gerade in dem Bereich der
Bundesminister Manfred Kanther
Bekämpfung der organisierten Kriminalität, wo wir viele neue Phänomene vor uns haben, die wir vor wenigen Jahren noch nicht kannten, eine Voraussetzung unserer Arbeit.
Hinzu kommt, daß wir mit dem Aufbau des Schengener Informationssystems - Thema Außengrenzsicherheit - und mit dem Abschluß der Verhandlungen zu Europol im internationalen Bereich zwei wichtige Voraussetzungen für eine verbesserte Verbrechensbekämpfung gelegt haben.
Die Arbeit erschöpft sich nicht im parlamentarischen Bereich; es ist wichtig, darauf hinzuweisen. So wie die Bundesländer die neu geschaffenen oder demnächst vom Parlament zu behandelnden Gesetze und Entwürfe umsetzen müssen, müssen natürlich auch wir selbst unsere Sicherheitspolitik dort umsetzen, wo uns die Polizeiaufgaben aufgetragen sind. Dies ist in allen Fragen des BKA und augenblicklich im besonderen Maße im Zusammenhang mit dem Bundesgrenzschutz der Fall.
Die Verbesserung der Arbeit des Bundesgrenzschutzes ist eine wichtige Aufgabe. Das dafür notwendige Grundkonzept ist dem Ausschuß vorgestellt worden. Es muß um ein Standortekonzept ergänzt werden, das die nächste Arbeitsphase darstellt und das sicher Schwierigkeiten mit sich bringt. Wir alle kennen die Debatte unter den Aspekten der Bundeswehr oder des Zolls.
Die Standortfrage ist naturgemäß, weil sie immer sehr persönliche Fragen der Betroffenen aufwirft, eine schwierige. Aber niemand von uns kann der Bundespolizei die einfache Erkenntnis ersparen, daß die Grenzpolizei an die Grenze gehört und daß glücklicherweise die frühere Zonengrenze nicht mehr besteht, aber die Grenzpolizei mit ihren Standorten noch überwiegend an der vormaligen Zonengrenze beheimatet ist. Das kann so nicht bleiben.
Wir werden uns daranmachen und das neue Bundesgrenzschutzkonzept, das die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes bevorzugt in der Gewährleistung von Grenzsicherheit sieht - allerdings in einer ganz anderen Aufgabenstellung als vormals an der Zonengrenze - vorstellen. Dieses neue Konzept wird dann, so hoffe ich, eine allseitige Zustimmung finden können. Wir müssen es in Zusammenarbeit mit den Ländern ergänzen. Das ist sicher in manchen Punkten auch für die Länder neu.
Wir brauchen den Sicherheitsschleier an den westlichen, an den Schengen-Innengrenzen. Ich denke, daß das Verfahren mit den Ländern in einem guten Stande ist. Bundesgrenzschutz und Landespolizei müssen den Grenzraum als eine neue kriminalpolizeiliche Herausforderung begreifen und dürfen ihre Aufgabe nicht mehr in der Bewachung einer Linie sehen.
Es geht heute darum, den Grenzraum zu sichern, sowohl gegen illegale Immigration wie auch zum Beispiel gegen Rauschgifttransfer. Nach wie vor bereitet mir erhebliche Sorge, was an Rauschgift aller Art über die norddeutsche Landesgrenze aus Holland kommt. Daran muß sich viel ändern, auch in Zusammenarbeit mit unseren holländischen Nachbarn,
deren Drogenpolitik uns Sorge bereitet, deren Drogenpolitik zu formulieren zwar nicht unsere Aufgabe ist, deren Auswirkungen von unserem Lande abzuwenden aber dringend notwendig ist.
Wir haben trotz knapper Mittel in allen öffentlichen Kassen erneut einen Aufwuchs der Haushaltsmittel im Bereich innere Sicherheit im Regierungsentwurf. Ich bin dankbar, wenn das Parlament das so passieren läßt.
Wir müssen uns in diesem Zusammenhang, was die Gewährleistung der inneren Sicherheit angeht, auf die Herausforderungen der Zeit einstellen, und dort gehen die Ansprüche leider nach oben. Aber wir können die innere Sicherheit in diesem Land gewährleisten, wenn wir es so anpacken, wie wir es getan haben.
Gleichzeitig ist das ein wichtiger Erfolgsnachweis für diese Koalition, der ja nicht selten im Bereich der Innen-, Sicherheits- und Rechtspolitik besondere Schwierigkeiten oder Reibungsverluste nachgesagt werden. Nicht Reibungsverluste kennzeichnen das Klima, sondern eine an der Sache orientierte, intensive und natürlich auch manchmal streitige, aber fruchtbare Beratung. Deshalb sind diese Ergebnisse auch alle gemeinsam gewonnen worden, und weitere werden hinzutreten.
Wir haben im Bereich der Politik, was Aussiedler und Ausländer angeht, wesentliche Veränderungen geschaffen, nicht nur das Ausländerrecht unter Aspekten der Ausweisung und Abschiebung schwer krimineller Ausländer geändert, sondern auch modernisiert unter solchen Aspekten, die der Integration oder der Erleichterung von Lebensverhältnissen dienen.
Wir haben mit dem Wohnortezuweisungsgesetz die Kumulierung von Aussiedlern an manchen Plätzen der Republik verändert und steuern sie schon jetzt nach kurzer Zeit ersichtlich besser.
Wir haben neue Konzepte in den Herkunftsländern, bevorzugt in Rußland, aufgelegt, um die Kenntnisse von Aussiedlern in der deutschen Sprache zu verbessern,
ein wesentlicher Aspekt für das Hereinkommen ins Land und die Integrierbarkeit dann hier, nicht zuletzt auf dem Arbeitsmarkt oder in Schulen.
Wir haben vor dem Bundesverfassungsgericht das neue Asylrecht verteidigt. Es hat in vollem Umfang Bestand gefunden, ein wichtiger Aspekt des inneren Friedens in unserem Lande.
Allerdings: Mit etwa zehntausend Asylbewerbern jeden Monat, davon einer geringen Anerkennungsquote um zehn Prozent, ist die Arbeit noch nicht getan. Der Zustrom von nichtberechtigten Asylbewerbern ist bei weitem zu hoch, und deshalb müssen alle
Bundesminister Manfred Kanther
Anstrengungen, ihn einzudämmen, fortgesetzt werden.
Das gilt sowohl für die grenzpolizeilichen Anstrengungen als auch für die Notwendigkeit der Aufenthaltsbeendigung, und es gilt insbesondere auch für den wichtigen Zwischenaspekt: Die Länder müssen in stärkerem Maße dafür sorgen - und die Kommunen müssen das annehmen, was im Gesetz steht -, daß der Unterhalt für Asylbewerber nicht durch Barleistungen gewährt wird, sondern durch Naturalleistungen.
Barleistung für Asylbewerber bedeutet Refinanzierung von Schleppern, bedeutet Anziehung auch für kurze Zeit, um es zu versuchen, und das ist nicht unser Interesse. Unser Interesse ist - und das ist von niemandem bestritten -, politisch Verfolgten Asyl zu gewähren, aber nicht, uns anschließend mit 90 Prozent Unberechtigten zu beschäftigen, wenn sie das Land wieder verlassen müssen und daraus Streßvorgänge für die deutsche Innenpolitik entstehen.
Wir haben eine wichtige Frage vor uns mit dem Beginn der Rückführung von bosnischen Bürgerkriegsflüchtlingen. Deutschland, die Deutschen haben eine ganz große Leistung erbracht, indem sie ungefähr 400 000 Personen aufgenommen haben, die aus dem früheren Jugoslawien hierhergekommen sind, sowohl aus der heutigen Bundesrepublik Jugoslawien als auch 320 000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina. Aber wenn der Bürgerkrieg glücklicherweise zu Ende ist und der Frieden hoffentlich dauerhaft gesichert ist, dann müssen Bürgerkriegsflüchtlinge auch zum Aufbau ihrer Heimat dorthin zurückkehren.
Es ist doch ganz selbstverständlich, daß dann, wenn der Präsident und der Flüchtlingsminister dieses Landes diese Forderung aufstellen, sie auch von uns zu Recht erhoben wird.
Es ist im wesentlichen gelungen, dafür die Voraussetzungen, auch internationale Voraussetzungen, zum Beispiel Regelungen für den Transit oder Hilf s-programme der EU, zu schaffen. Ich bin deshalb sicher, daß die Innenminister bei ihrer nächsten Beratung am 19. September insoweit schrittweise weiterführende Beschlüsse vereinbaren können.
Ich erwähne das ausdrücklich, weil sich eine vernünftige Innenpolitik nur in der Gemeinsamkeit von Bund und Ländern machen läßt. Wenn zu beobachten ist, daß in manchen Fragen eine gewisse Beruhigung eingetreten ist, dann stelle ich fest: Mir ist dies gerade recht. Aber dafür war notwendig, daß seitens des Bundes durch eine klare Haltung deutlich gemacht wurde, daß eine auf Ausländer, auf das Ausland und damit auch auf auswärtige Beziehungen bezogene Politik nur einheitlich und nur nach der Maßgabe der Bundespolitik ausgeführt werden
kann. Es kann nicht jedes Land seine private Ausländerpolitik betreiben. Das geht nicht.
Ein dritter ganz wichtiger Bereich ist alles, was sich unter dem Thema „Schlanker Staat" zusammenfassen läßt. Hier ist eine mühsame Kleinarbeit an vielen Punkten erforderlich. Es geht um das Haushaltsrecht und um Globalisierungen vieler Art im Haushalt; es geht um die Zurückführung von Statistik, um den Abbau von Behörden; es geht auch um große Gesetzgebung, etwa um das Gesetz über Planungs- und Genehmigungsverfahren oder urn das zu beratende neue Baugesetzbuch des Kollegen Töpfer. Es geht um Kleines und Großes, und das täglich. Das alles ist Aufgabe der Verantwortlichen in jeder Behörde, und sei sie noch so klein.
Ich glaube, daß sich die Pflicht dazu herumgesprochen hat. Das Stichwort „Schlanker Staat" hat einen erstaunlichen Drive bekommen und wird verstanden. Die Bundesregierung ist dabei, alles, was sie vermag, daranzusetzen, damit das Wort in unserem Bereich mit Leben erfüllt wird. Wenn man sich den Kalender „Schlanker Staat" mit mehr als hundert Einzelpositionen, kleinsten und großen, der in meinem Ministerium geführt wird, anschaut, dann kann man erkennen, wie es angepackt werden muß. Es reicht von der Neuordnung des Zivilschutzrechts, das dem Hause in Gesetzesform vorliegt und wo wir in den letzten vier Jahren allein auf Grund der bisher verwirklichten Schritte über i Milliarde DM eingespart haben, bis hin zur Delegation von Unterzeichnungsbefugnissen an nachgeordnete Behörden. So kommen wir langsam an die Sache heran.
Zu diesem Thema gehört das Dienstrecht im öffentlichen Dienst. Die Novelle liegt jetzt noch im Bundesrat.
Das ist erstaunlich, denn in ihr wird auch einem Länderinteresse im Hinblick auf Kostensenkungen Rechnung getragen, vor allem auch im Versorgungsbereich. Ich habe die Hoffnung, daß mit den Bundesländern ein Einvernehmen über dieses Dienstrechtsgesetz erzielt werden kann - die letzten Gespräche deuten darauf hin - und daß wir dann im Vermittlungsausschuß ein vernünftiges Paket schnüren können.
- Der Bund ist bei den Personalausgaben mit etwa 12 Prozent betroffen. Deshalb handelt es sich hierbei um Dinge, die wir treuhänderisch in erster Linie für Länder und Kommunen anpacken.
Das gleiche gilt für den Versorgungsbericht, den ich in den nächsten zwei, drei Wochen vorstellen
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 121, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. September 1996 10899
Bundesminister Manfred Kanther
werde, wenn er fertig ist. Ich sage Ihnen: Mich bekommen Sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt dazu, eine Arbeit, die in unserer Republik zum erstenmal gemacht wird und die 40 Jahre in die Zukunft vorausgreift, unter das törichte Zeitdiktat eines Termins im September oder Oktober zu stellen. Das kommt überhaupt nicht in Frage.
Der Versorgungsbericht wird vorgelegt, wenn er fertig ist. Das wird demnächst der Fall sein. Er wird dann eine große gemeinsame Anstrengung zu Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst bei Bund und Ländern auslösen müssen. Es ist ganz wichtig, daß das dann auch als eine gemeinsame Aufgabe begriffen wird, daß der Bericht sachkundig und unter Beachtung unser aller Interessen an einem funktionierenden und motivierten öffentlichen Dienst behandelt wird und nicht als Strafexpedition gegen den öffentlichen Dienst verstanden wird. Das wäre völlig falsch.
Zu den wichtigen Fragen, die wir innovativ angepackt haben, gehören in einem Orchideenbereich des Ministeriums manche Probleme des Sports. Wir haben mit der Olympiade und den Paralympics in Atlanta ein erfolgreiches Sportjahr hinter uns gebracht.
Die Konzepte waren ersichtlich richtig. Aber es kommt immer die nächste große Herausforderung.
Ich glaube, im Bereich der Nachwuchsförderung haben wir Nachholbedarf. Während wir andere Dinge wie das Olympiastützpunktkonzept neu geordnet haben - es wird Leben gewinnen in der Praxis -, liegt vor dem Deutschen Sportbund und uns als wohlmeinend Begleitenden, aber auch kritisch Fragenden nun eine wichtige Fragestellung zum Thema Nachwuchsförderung, Trainerkonzepte und ähnliches; denn wir wollen auch bei der nächsten Olympiade und bei vielen Wettkämpfen dazwischen wieder gut abschneiden.
Meine Damen, meine Herren, ich habe Ihnen zur Mitte der Legislaturperiode ausgebreitet, wie vielfältig die Aufgaben der Innenpolitik waren und wie entschlossen sie angepackt worden sind. Genau in diesem Geiste werden wir in die zweite Hälfte der Legislaturperiode hineingehen und sie ebenso erfolgreich gestalten.
Ich danke Ihnen.