Rede von
Gerhard
Jüttemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt eine Reihe von Hotels, in denen Sie die Zimmernummer 13 vergeblich suchen - eine Reverenz an den Aberglauben der Kundschaft. Ab nächstem Jahr werden wir bei den Haushaltsberatungen den bisherigen Einzelplan 13 ebenfalls vergeblich suchen - eine Reverenz an den Götzen Geld.
Nach allem, was Sie mit Ihrer krisenverschärfenden Privatisierungspolitik auf dem Gebiet von Post und Telekommunikation bisher auf den Weg gebracht haben, ist das für die Haushaltsberatungen sicherlich kein Verlust. Es handelt sich ohnehin nur noch um einen reinen Personalhaushalt auf der Ausgabenseite und um die Dividenden der Telekom auf der Einnahmenseite.
Das bedeutet nichts anderes als Ihren freiwilligen, vollständigen und immerwährenden Verzicht auf jeglichen Einfluß auf die Höhe der Einnahmen. Und das führt ganz folgerichtig zur Abschaffung des ganzen Planes.
Die Frage ist nur: Wem ist eigentlich damit gedient? Sie haben seit Jahren weder Kosten noch Mühe gescheut, Post und Telekom zu privatisieren und den Markt zu liberalisieren, also Wettbewerb zu schaffen, was ja nichts anders heißt als Konkurrenz - angeblich, weil es dazu im Interesse der Verbraucher keine Alternativen gegeben hat. Also ist dem Verbraucher gedient.
Wer ist denn der Verbraucher? Der unterteilt sich in Geschäftskunden und Privatkunden. Für den ersteren ist tatsächlich vieles lukrativer geworden, jedenfalls wenn er groß genug ist: Er streicht satte Rabatte ein, und wenn ihm Anbieter Hinz trotzdem noch zu teuer ist, dann geht er halt zu Kunz.
Nicht so der Privatkunde. Für den gibt es keine Rabatte, und die, die es geben soll, heißen nur so. Denn spätestens seit die Telekom „City-Plus" und ,,City-Weekend" angekündigt hat, ist klar: Wo Rabatt draufsteht, muß noch lange nicht Rabatt drin sein.
Unter dem Strich ist für den Privatkunden das Telefonieren teurer geworden. Daß er sich im Bereich Mobilfunk und ab 1998 vielleicht auch im Festnetztelefon den Anbieter aussuchen kann, nutzt ihm ja nur dann etwas, wenn er billiger telefonieren kann, und zwar nicht billiger als mit der Telekom 1997, sondern billiger als mit der Telekom vor der Privatisierung und Liberalisierung. Und daß das eintreten wird, glauben Sie ja wohl selber nicht.
Wer ist noch im Spiel, dem Ihre Privatisierungs- und Ausverkaufspolitik nutzen oder schaden könnte? Natürlich die Anbieter - die Telekom und ihre Konkurrenten. Die sehen sich alle auf der Gewinnerseite, hoffen auf die Superprofite. Daß die meisten von ihnen auf der Strecke bleiben werden, ist dabei belanglos. Es vergrößert nur die Macht der Übriggebliebenen.
Bei denen sieht sich die Telekom, die mit ihrem Global-One-Gemeinschaftsunternehmen mit France Telecom und US-Sprint die Nummer eins weltweit werden will. Und Sie wollen das auch, aus StandortDeutschland-Gründen. Das sind die Motive für Ihre Politik.
Übrigens entsprechen die 800 Millionen DM Dividende, die die Telekom 1996 an den Bund als Alleineigentümer ausschüttet und die den Löwenanteil an den Einnahmen des Einzelplanes 13 ausmachen, laut Presseberichten exakt der Höhe des Werbeetats des Unternehmens. Der Telekom-Gesamtgewinn beträgt dagegen 5,3 Milliarden DM nach Steuern und soll bis zum Jahr 2000 noch verdoppelt werden.
Diese Zahlen verdeutlichen drastisch, wie mittels politischer Entscheidungen immense Summen aus Staatsverfügung in die private Verfügung von Konzernen wechseln. Auf der Verliererseite müssen dabei neben der bundesdeutschen Gesellschaft im allgemeinen und den privaten Verbrauchern auch die Beschäftigten der Telekom genannt werden: Mehr als jeder vierte wird bis zum Jahre 2000 wegrationalisiert sein.
Ähnliches gilt für die Post. Dort werden bis zum Jahr 2000 sogar 90 000 Arbeitsplätze abgeschafft worden sein. Postfilialen schließen zu Tausenden. Der Umfang der Leistung verringert sich im gleichen Maße wie die Qualität.
Damit diese verheerende Entwicklung auf keinen Fall aufgehalten werden kann, will Postminister Bötsch dies alles per Postgesetz festschreiben; Überschrift wie gehabt: Förderung des Wettbewerbs. Also, Profitinteressen gehen vor gesellschaftlichen Interessen. Das ist Ihr einziges Maß in der Post- und Telekommunikationspolitik wie in Ihrer gesamten Politik. Die unvermeidlichen Folgen dessen - Arbeitsplatzkahlschlag und Sozialabbau in völlig
Gerhard Jüttemann
neuer Qualität und Dimension - vergiften dieses Land.
Danke schön.