Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wohl ein einmaliger Vorgang, daß ein Bundesminister bei der Haushaltsrede für seinen Einzelplan feststellen kann, muß oder darf, es werde der letzte Haushalt für sein Ressort sein. Sicher hat es auch in der Vergangenheit Auflösungen und Zusammenlegungen von Bundesministerien gegeben, aber nie wurde dies so lange vorher geplant. Und wenn Sie die heutigen Tageszeitungen lesen, dann werden Sie feststellen, daß wohl noch nie ein Erblasser so viele Nachlaßverwalter hatte, wie dies jedenfalls im Augenblick den Anschein hat.
- Das ist mir völlig klar. Ich bedanke mich für das Mitgefühl, aber Sie sehen mich guter Laune.
Die Auflösung des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation als eines eigenständigen Ressorts ergibt sich für mich aus sachlicher Notwendigkeit. Es ist die logische Konsequenz unserer Privatisierungs- und Liberalisierungspolitik im Post- und Telekommunikationsbereich. Einzelinteressen, mögen sie subjektiv noch so begründbar sein, müssen in diesem Falle den Interessen der Gesamtheit untergeordnet werden. Dafür habe ich Verständnis.
Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen an dieser Stelle meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken, die nicht gezögert haben, an der Gesetzgebung zur Liberalisierung der Post- und Telekommunikationsmärkte aktiv und engagiert mitzuwirken - dies, obwohl sie wußten, daß die Privatisierung und Liberalisierung im Post- und Telekommunikationsbereich ihre eigene berufliche Zukunft mit manchen Fragezeichen versehen werden. Ich glaube, die Leistungen, die die Mitarbeiter in meinem Hause in den letzten Jahren erbracht haben und jetzt und im nächsten Jahr noch zu erbringen haben, gebieten es, sie in einem geordneten Verfahren in
Bundesminister Dr. Wolfgang Bötsch
die künftig zuständigen Bundesministerien und in die neu zu errichtende Regulierungsbehörde überzuleiten.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit meinem heutigen Beitrag auch einer gelegentlich in der Öffentlichkeit zu hörenden oder auch zu lesenden Annahme widersprechen, nach der das Bundesministerium für Post und Telekommunikation nach der Postreform II eigentlich keine Aufgaben mehr habe. Dies habe ich schon zu Beginn des Jahres in dem Zusammenhang „Wunderbarer Job - der Postminister ist hochbezahlt und hat nichts zu tun" gelesen. Den Kameraden hätte ich gerne einmal eingeladen, das Programm mit mir 14 Tage lang, von morgens früh bis in die Nacht, durchzumachen. Er wäre wahrscheinlich schnell außer Atem geraten; denn das Gegenteil ist der Fall: Die Fülle der Aufgaben ist so groß, daß auch unser Kollege aus Bayern im ersten halben Jahr aus dem Postausschuß überhaupt nicht mehr herausgekommen ist; jetzt lacht er fröhlich. Wir haben jedenfalls bis zur Auflösung noch alle Hände voll zu tun.
Auf einige der vor uns liegenden Aufgaben möchte ich besonders eingehen. Am 18. November 1996 wird die Deutsche Telekom AG an die Börse gehen. Dabei handelt es sich um die größte Privatisierung, die Deutschland, ja, ganz Europa bisher gesehen hat. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren.
Der Börsengang der Deutschen Telekom ist nicht nur für den Finanzplatz Deutschland von höchster Bedeutung. Von ihr geht ein Signal aus, das auf den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland ausstrahlt.
Das wichtigste gesetzgeberische Vorhaben, das wir noch bewältigen müssen, stellt das neue Postgesetz dar. Das jetzt gültige Postgesetz ist bis fast zum Ende der Legislaturperiode, zum 31. Dezember 1997, befristet worden; es ist also ein Zeitgesetz. Wir müssen nun die gesetzlichen Rahmenbedingungen festlegen, die nach diesem Termin im Postsektor gelten sollen.
Einen Entwurf des Postgesetzes habe ich bereits der Öffentlichkeit vorgestellt. In der letzten Woche fand im Postministerium eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf statt. Mir hat diese Anhörung gezeigt, daß unsere Vorstellungen im großen und ganzen sehr positiv aufgenommen werden. Daß es hier wie beim Telekommunikationsgesetz wiederum unterschiedliche Auffassungen zwischen dem bisherigen Monopolisten und den potentiellen zukünftigen Wettbewerbern gibt, halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Das muß man werten und gewichten.
Der Entwurf sieht bereits zum 1. Januar 1998 Marktöffnungen im Postsektor vor. Eine endgültige Liberalisierung des Bereichs soll aber erst zum 1. Januar 2003 erfolgen. Bis zu diesem Datum soll die Deutsche Post AG eine Exklusivlizenz für einen Kernbereich des Briefdienstes erhalten. Darüber wird es noch Diskussionen geben. Darüber müssen wir uns unterhalten. Ich halte dies aber zur Sicherung der Existenz der Post AG für unumgänglich.
Die Verabschiedung des Postgesetzes durch Bundestag und Bundesrat - das Gesetz ist, ebenso wie das Telekommunikationsgesetz es war, zustimmungsbedürftig - sollte nach meinen Vorstellungen spätestens bis zur Sommerpause 1997 erfolgen.
Unsere Liberalisierungspolitik in Deutschland muß aber auch von einer Liberalisierungspolitik in Europa begleitet werden. Ich möchte daher gegenüber der Europäischen Kommission und dem Ministerrat darauf dringen, daß auch die anderen EU-Länder ihre Postmärkte zeitgerecht liberalisieren. Ich bin für Wettbewerb - aber der Wettbewerb muß fair sein. Dazu gehört auch, daß die Deutsche Post AG in anderen europäischen Ländern die gleichen Chancen eingeräumt bekommt wie umgekehrt ausländische Postunternehmen in Deutschland.
Meine Damen und Herren, auch im Telekommunikationsbereich stehen noch einige Aufgaben an, die noch vor der Marktöffnung am 1. Januar 1998 bewältigt werden müssen. Erst am letzten Montag hat das Bundeskabinett drei von mir eingebrachte Rechtsverordnungen, nämlich die Universaldienstleistungs-, die Netzzugangs- und die Entgeltregulierungsverordnung, verabschiedet. Zwei der Verordnungen, die Universaldienstleistungsverordnung und die Netzzugangsverordnung, bedürfen vor ihrem Inkrafttreten noch der Zustimmung durch den Bundesrat. Insofern bin ich etwas erstaunt, wenn ich höre, daß das Land Nordrhein-Westfalen morgen in dem zuständigen Bundesratsausschuß die Absetzung dieser Verordnungen beantragen will. Es soll mir nur niemand mehr kommen und sagen: Es wird nicht zügig genug gearbeitet. - Ich ziehe mir diesen Schuh jedenfalls nicht an,
egal von wem der Vorwurf kommt: ob von der Telekom oder von Mitbewerbern, die vor der Verabschiedung im Bundesrat jahre- und monatelang gedrängt haben. Warum man das tut, müssen diejenigen beantworten, die solche Anträge stellen.
Alle Verordnungen sind darauf ausgerichtet, auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt zugunsten der Verbraucher einen funktionsfähigen und chancengleichen Wettbewerb entstehen zu lassen, und zwar in dem Rahmen, den das Telekommunikationsgesetz vorsieht. Ich sage das auch im Hinblick auf die Diskussion, die während der Sommerpause - mehr am Telefon als in der Öffentlichkeit - geführt wurde. Eine Verordnung kann nur so gestaltet werden, wie es der nach Zweck, Ausmaß und Inhalt bestimmten Ermächtigungsnorm im Gesetz entspricht. Das lernt man spätestens im dritten Semester des juristischen Studiums. Manche Äußerungen, die ich gelesen habe, nämlich die Verordnung müsse das ändern, die Verordnung müsse das ergänzen, die Verordnung müsse das Gesetz anders gestalten, sind Blödsinn. Dies wurde von Leuten vorgebracht, die irgendwo tätig sind und während der Sommerpause Pressemitteilungen veröffentlicht haben. Ich meine jetzt nicht die Politik, sondern eher Interessenten.
Bundesminister Dr. Wolfgang Bötsch
- Frau Kollegin Fuchs, Sie, die Kollegen Bury und Rübenkönig und ausnahmsweise auch die anderen sind im Moment nicht gemeint. - Nein, das ist so; da kann man die Verordnung daran messen. Wir haben sie natürlich am Gesetz ausgerichtet.
Anschließend gilt es dann, Lizenzen für den Bereich der Telekommunikationsinfrastruktur -30 Anträge liegen bereits vor - und ab Frühjahr nächsten Jahres auch bereits Lizenzen für den Telefondienst, die ab 1. Januar 1998 in Kraft treten, zu vergeben. Wenn dann im Herbst nach der Verabschiedung des Postgesetzes auch noch einige Lizenzen für den Postbereich vergeben werden können - mit Wirkung ab 1. Januar 1998 -, dann ist der Zeitpunkt gekommen, daß man die Aufgaben in andere Ministerien bzw. in die Regulierungsbehörde überführen kann.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.