Rede von
Dieter
Maaß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diesem Haushaltsentwurf 1997 liegt eine Politik zugrunde, die dazu führt, unsere Sozialstaatlichkeit zu beschädigen. Ich will Ihnen dafür, bezogen auf den Einzelplan 25, einige Beispiele nennen.
Sieht man sich die Titelgruppen im Kapitel 25 02 genauer an, so ist festzustellen: Auch 1997 erfolgt eine Mittelrücknahme im sozialen Wohnungsbau. Alle Darstellungen der Bundesregierung über die Fertigungszahlen neuer Wohnungen täuschen nicht darüber hinweg, daß es an bezahlbarem Wohnraum für untere Einkommensbezieher mangelt.
Allein die Baugenehmigungen für Mehrfamilienhäuser gingen im ersten Halbjahr 1996 um ein Viertel gegenüber dem Vergleichszeitraum 1995 zurück. Die Zahl der Menschen, die unzureichend mit Wohnraum versorgt sind, nimmt zu. Sie, meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen, tragen dafür die Verantwortung. Sie machen durch Ihre unsoziale Kürzungspolitik den sozialen Wohnungsbau zu einem Abbruchunternehmen.
Da nützen Ihnen auch keine Ablenkungsmanöver wie die Einführung einer einkommensorientierten Förderung im sozialen Wohnungsbau. Sie wollen den Bürgerinnen und Bürgern nämlich weismachen, mit weniger Bundesförderung könne gleichviel preiswerter Wohnraum geschaffen werden. Den Beweis dafür sind Sie allerdings schuldig geblieben, denn diese Förderungsart ist in keiner Weise hinreichend erprobt.
Der Haushalt 1997 weist Kürzungen für den sozialen Wohnungsbau von 200 Millionen DM aus. Gegenüber dem laufenden Jahr bedeutet dies einen weiteren Rückgang um 10 Prozent.
Aber es kommt noch schlimmer: Dem Bergarbeiterwohnungsbau graben Sie das Wasser ab. Denn
Dieter Maaß
die Rückflußmittel aus dem Bundestreuhandvermögen sollen in Zukunft angeblich dem allgemeinen sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden.
Ein Blick in den Haushalt 1997 beweist jedoch, daß dies keineswegs zutrifft. Tatsache ist vielmehr, daß die 250 Millionen DM aus dem Treuhandvermögen über die bereits dargestellten Kürzungen hinaus dem Wohnungsbau entzogen werden. Der Termin 1. Januar 1997 für das Inkrafttreten der notwendigen Gesetzesänderung wird ganz und gar nicht zu halten sein. Es ist ein übler Taschenspielertrick, wenn der Bauminister und seine Staatssekretäre glauben machen wollen, die Mittel des Bergarbeiterwohnungsbaus sollten zusätzlich dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Mit dieser Taktik wollen sie davon ablenken, wie drastisch sie die Investitionen in den sozialen Wohnungsbau tatsächlich zusammenstreichen. In Wahrheit kürzen sie die Mittel für den sozialen Wohnungsbau 1997 um 450 Millionen DM.
Wenn die Bundesregierung ihre Pläne verwirklichen sollte, auf diese Weise bis zum Jahre 2000 dem sozialen Wohnungsbau 850 Millionen DM zuzuführen, dann wird dies mit einem Komplettverlust des Treuhandvermögens in Höhe von 3,5 Milliarden DM erkauft. So, Herr Minister, vernichten Sie eine gute, lange Tradition des Arbeiterwohnungsbaus.
Das Bergarbeiter-Treuhandvermögen ist in vielen Städten der Kohlereviere zu einem zentralen Instrument erhaltender städtebaulicher Erneuerung geworden. Herr Minister Töpfer hat anläßlich der Habitat-II-Konferenz die Bundesrepublik als Musterland für die erhaltende Stadterneuerung herausgestellt. Mit der Umlenkung des Vermögens macht Herr Töpfer genau das Gegenteil und straft damit seine eigenen schönen Reden Lügen.
Wie rücksichtslos die Bundesregierung dabei mit den betroffenen Ländern umgeht - Achim Großmann hat darauf hingewiesen -, zeigt deutlich, wie wenig es Ihnen um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in dieser Frage geht.
Die Bundesregierung begeht mit der Zweckentfremdung bzw. Auflösung des Bundestreuhandvermögens einen glatten Vertrauensbruch gegenüber den Bergleuten und ihren Familien.
Wir Sozialdemokraten werden alles tun, um die Interessen dieser Betroffenen zu schützen.
Ein weiterer Schwerpunkt unserer kritischen Bemerkungen zum vorliegenden Einzelplan ist die Städtebauförderung. Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im Mai dieses Jahres ein Forschungsergebnis vorgelegt, daß die Effektivität der Städtebauförderungsmittel nachdrücklich belegt. Darin heißt es:
Die Städtebaufördermittel des Bundes und der Länder haben öffentliche, staatliche, kommunale und private Bauinvestitionen in 7,9facher Höhe ausgelöst, das heißt, 1 DM staatliche und kommunale Städtebauförderungsmittel haben rund 8 DM private Investitionen bewirkt.
Welche Art von Subventionen, frage ich, hat je eine solche Wirksamkeit erzielt?
Wir Sozialdemokraten haben im Sommer dieses Jahres unmittelbar auf dieses Gutachten reagiert und einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der eine kontinuierliche Erhöhung der Städtebaumittel auf 1 Milliarde DM vorsieht. Es ist erfreulich festzustellen, daß dieser Antrag offensichtlich dazu geführt hat, daß die Städtebauförderungsmittel nicht noch weiter abgeschmolzen werden, wie dies von einigen Finanzpolitikern der Union gerne gesehen worden wäre. Weit weniger erfreulich ist es, daß Sie keinerlei Anstrengungen unternehmen, dieses erstklassige Mittel zur Auslösung privater Investitionen, zur Ankurbelung des Arbeitsmarktes und zur Sicherung preiswerter Wohnungsbestände finanziell besser auszustatten.