Rede von
Matthias
Wissmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute in erster Linie über den vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf zum Verkehrshaushalt 1997 debattieren, so ist vor allen Dingen eine Zahl hervorzuheben. 19,95 Milliarden DM werden im Haushalt 1997 für Investitionen ausgegeben. Die Investitionen machen damit über 44 Prozent des gesamten Verkehrshaushalts aus.
Angesichts der großen Sparzwänge, in denen wir gemeinsam stehen, ist es natürlich von großer Bedeutung, daß wir an Hand der Vorlage dieses Haushaltsplans sagen können: Für die Bundesschienenwege und die Bundesfernstraßen konnte das Investitionsniveau des vergangenen Jahres gehalten und - was noch wichtiger ist - in der Finanzplanung fortgeschrieben werden.
Hier gibt es trotz der Haushaltszwänge keine Kürzungen. Ebenso ist es gelungen, die Investitionen in die Bundeswasserstraßen nach wie vor auf hohem Niveau festzuschreiben.
Wir alle wissen angesichts der enormen Verkehrsbelastungen, angesichts der dringend notwendigen
Modernisierung unserer Infrastruktur in ganz Deutschland, vor allem in den neuen Bundesländern, welche nicht nur verkehrs- und umweltpolitische, sondern auch wirtschaftspolitische Bedeutung diese Investitionen haben. 1 Milliarde DM Investitionsvolumen in die Verkehrsinfrastruktur sichert unmittelbar 12 500 Arbeitsplätze im Baugewerbe
und in den damit verbundenen Bereichen, im Baustoff- und Dienstleistungsbereich, bei den Eisen- und Metallwaren oder im Stahl- und Maschinenbau.
Ich will allerdings hinzufügen: Die Bundesregierung wäre froh, wenn auf Länder-, Kreis- und Gemeindeebene ebenfalls beim Sparen stärker in den Konsum und weniger in die Verkehrsinvestitionen gegangen würde, weil wir auch dort die Verkehrsinfrastruktur modernisieren und weil wir auch dort Beschäftigungsimpulse auslösen müssen.
Eine gute werkehrliche Erschließung der Regionen - das wissen wir alle - beeinflußt die Attraktivität für Gewerbeansiedlungen auf Dauer entscheidend. Nicht zuletzt in den neuen Bundesländern spielt dieser Aspekt eine herausragende Rolle. Ich freue mich deshalb sehr, daß wir nach nur fünf Jahren bei der Verwirklichung der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Erfolge vorweisen können, auf die wir gemeinsam über Parteigrenzen und über Ländergrenzen hinweg stolz sein können. Die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit sind nun alle im Bau, einige bereits fertiggestellt.
Bisher wurden rund 18 Milliarden DM für die Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur allein bei den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit ausgegeben und bei allen Schienenwegen, Straßen und Wasserstraßen in den neuen Bundesländern bis jetzt 65 Milliarden DM. Das ist eine Aufbauleistung für die Infrastruktur, die sich langfristig bezahlt machen wird und die in Europa und in der Welt ihresgleichen nicht findet. Ich meine, wir können darauf stolz sein.
Wir schreiben in der Ihnen heute vorgelegten mittelfristigen Finanzplanung und im Bundeshaushalt 1997 diese Linie bewußt fort. Ich nenne nur eine Zahl für das kommende Jahr: Auch 1997 werden wir beispielsweise bei den Straßenbauprojekten in den neuen Bundesländern rund 2,4 Milliarden DM ausgeben. Wir müssen uns damit nicht verstecken; denn von dem gesamten Geld, das bisher in die neuen Bundesländer gegangen ist, sind 60 Prozent in die umweltverträglichsten Verkehrsträger, nämlich Bahn und Wasserstraße, gegangen. Die Straße hat ihren fairen Anteil gehabt, aber sie ist nicht überproportioniert gewesen. Das Ganze läßt sich also nicht nur verkehrspolitisch, sondern auch umweltpolitisch weiß Gott sehen.
Lassen Sie mich einige Beispiele nennen, weil ich sehr wohl weiß, daß Entscheidungen auf der Ebene der Makroökonomie genauso wie der Makroverkehrsinfrastruktur weniger nachvollziehbar sind als
Bundesminister Matthias Wissmann
Entscheidungen auf der Mikroebene, also dort, wo es bei den Menschen unmittelbar spürbar wird.
Als ich im April den ersten Spatenstich für den Bau der neuen Eisenbahntrasse Erfurt-Nürnberg und der Autobahn von Erfurt nach Lichtenfels und Schweinfurt gemacht habe, haben wir nach Berechnungen des Thüringer Wirtschaftsministeriums die Grundlage für jährliche Investitionen von bis zu 300 Millionen DM in Thüringen geschaffen.
In Mecklenburg-Vorpommern wird mit dem Bau der A 20 für mehr als die Hälfte der Gewerbegebiete des Landes der dringend notwendige Anschluß an das Autobahnnetz verwirklicht. Zudem bringt die bessere Erreichbarkeit der Feriengebiete einen wichtigen Impuls für den Tourismus und die Fremdenverkehrswirtschaft.
In Nordhausen, Halle, Suhl, Rostock und Neubrandenburg bringen allein die VDE-Straßenprojekte über 25 000 Dauerarbeitsplätze in den Industrie- und Gewerbeansiedlungen. Nehmen Sie den Raum Schwedt: Ohne die B 2 und die B 166 könnten 4 000 Arbeitsplätze in den Branchen Papier und Öl nicht langfristig gesichert bzw. geschaffen werden.
Ein letztes Beispiel aus den neuen Bundesländern: Mit dem Ausbau der A 12/B 112 im Raum Frankfurt! Oder wird die Grundlage für ein Logistikcenter mit bis zu 2 500 Arbeitsplätzen verwirklicht.
Was in den neuen Ländern gilt, gilt auch in den alten Ländern. Hier setzen wir auf die Modernisierung der Straßeninfrastruktur. Denken Sie daran, was die A 48 Koblenz-Trier allein im Raum Wittlich zur Entwicklung von Handel und Gewerbe beigetragen hat.
Wir setzen natürlich ganz besonders auf die Erneuerung unserer Bahn.
Ich will unser langfristiges Ziel ganz deutlich nennen: Bis etwa zum Jahr 2010
wollen wir praktisch alle großen Metropolen in Deutschland mit einem leistungsfähigen Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn verknüpft wissen. Klar ist, daß die Investitionen, die in den letzten Monaten etwa an der Strecke Köln-Frankfurt/Main getätigt worden sind - die Aufträge für die ersten drei Baulose sind vergeben worden - oder die zwischen München und Nürnberg, zwischen Hannover und Berlin oder beim Transrapid zwischen Hamburg und Berlin anstehen - sowohl für die klassische als auch für die neue Technik der Bahn -,
alle ein klares Ziel haben: durch einen attraktiveren Schienenverkehr mehr Verkehr von der Straße auf die Bahn zu bringen und den regionalen Luftverkehr unter 500 km Reichweite, der sich weder betriebswirtschaftlich noch ökologisch rechnet, überflüssig zu machen. Das ist für die Verkehrssituation und für
den Umweltschutz gut. Es ist eine langfristige Investition in die Infrastruktur unseres Landes.
Wichtig ist auch, daß die DB AG bis zum Jahr 2000 allein im Schienenpersonennahverkehr für die Modernisierung und Aufarbeitung vorhandener Züge etwa 1 Milliarde DM und für die Beschaffung neuer Fahrzeuge rund 7 Milliarden DM aufwenden wird. Auch wenn es sich nicht unmittelbar in den Zahlen des Verkehrshaushaltes widerspiegelt, sondern sich indirekt aus dem Mineralölsteueraufkommen ergibt, ist es doch eine bemerkenswerte Leistung der Finanz- und Verkehrspolitik dieser Bundesregierung, daß wir im Jahr 1997 für den Schienenpersonennahverkehr Summen wie nie zuvor in Form von Transferleistungen an die Länder und Regionen ausgeben können.
Was uns im Jahr 1995, als wir eine zentrale Verwaltung hatten, noch 7,7 Milliarden DM gekostet hat, was uns im Jahr 1996 8,7 Milliarden DM für Transferleistungen an die Länder gekostet hat, wird im Jahr 1997 auf über 12 Milliarden DM für die Modernisierung des Nahverkehrs und des Regionalverkehrs der Bahn anwachsen. Ich sage - Sie von der Opposition können in diesem Punkt nicht widersprechen; wir haben dies zum Teil gemeinsam mit den Ländern ausgearbeitet -: Es ist das größte Modernisierungsprogramm für den Nahverkehr, das es je in Deutschland gegeben hat. Es ist ein gutes Programm für die Zukunft. Es trägt an einzelnen Stellen auch die Unterschriften Ihrer Ministerpräsidenten, meine Damen und Herren von der Opposition.
Klar ist: Wir investieren nicht nur in Bahn und Straße, sondern auch in die weitere Entwicklung einer modernen Binnenschiffahrt. Das ist der Verkehrsträger, der die größten Kapazitätsreserven hat, der mit den Übergangsproblemen im liberalisierten europäischen Binnenmarkt am meisten zu kämpfen hat und dem wir deshalb in dieser schwierigen Übergangszeit, wo es irgend geht, zur Seite stehen müssen.
Wie wichtig die Binnenschiffahrt ist, sehen wir in Berlin und in Brandenburg. Dort wird logistisch gesehen eine weltweit einmalige Leistung erbracht. Gegenwärtig gibt es in der Stadt Berlin über 250 Großbaustellen. Es ist eine Meisterleistung derer, die das logistisch geplant haben, daß mehr als 80 Prozent der Baustofftransporte nach Berlin über die umweltfreundliche Binnenschiffahrt kommen.
Das zeigt, was wir damit strategisch entwickeln können, nämlich wie wir den Güterverkehr auf der Straße entlasten können und welche Zukunft die Binnenschiffahrt langfristig hat.
Deswegen bin ich besonders froh, daß ich Ihnen heute in den Haushaltsberatungen wenige Tage nach dem Abschluß monatelanger Verhandlungen und Gespräche von einer beispielhaften Vereinba-
Bundesminister Matthias Wissmann
rung in Sachen Umwelt- und Verkehrspolitik berichten kann, die das Bundesverkehrsministerium mit den großen Umweltverbänden beim behutsamen, ökologisch sensiblen Ausbau der Elbe und des ElbeSeitenkanals getroffen hat. Indem wir nur flußbaulich und äußerst sensibel die Schiffbarkeit der Elbe langfristig sichern und gleichzeitig in die Modernisierung des Elbe-Seitenkanals investieren, haben wir klargemacht, daß wir beide Ziele miteinander verbinden können: auf der einen Seite Schiffbarkeit der Elbe und auf der anderen Seite Schutz der Auenwälder, Schutz wertvollster Natur und Landschaft.
Ich bin froh, daß der Naturschutzbund Deutschland, die Umweltstiftung World Wildlife Fund for Nature, der Bund für Umwelt und Naturschutz und Euronatur mit uns gemeinsam diese Vereinbarung getroffen haben. Ich gebe zu: Ich freue mich auch ein bißchen darüber, wenn der Vorsitzende von World Wildlife Fund sagt: Was jetzt an der Elbe möglich ist, hat historische Dimensionen und zeugt von der Dialogfähigkeit des Bundesverkehrsministeriums.
Wir freuen uns über diese Vereinbarung.
Wir werden diesen Weg weitergehen
und die Verkehrsinfrastruktur mit Augenmaß und mit ökologischer Sensibilität ausbauen.