Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Rahmenbedingungen für die Politik insgesamt und so auch für die Umweltpolitik haben sich in den letzten Jahren entscheidend geändert. Die Globalisierung der Märkte und auch der schärfer werdende Wettbewerb stellen uns vor besondere Aufgaben. Wir müssen uns die Frage stellen: Was bedeutet dies auch für die Umweltpolitik?
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
Erstens ist Deutschland auf Grund seiner wirtschaftlichen und technologischen Möglichkeiten durch eine besondere Verantwortung für die weltweite nachhaltige Entwicklung gekennzeichnet.
Zweitens wendet sich das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung nicht nur an den Staat, sondern es wendet sich genauso an die nichtstaatlichen Akteure in den jeweiligen Verantwortungsbereichen. Es ist ein Leitbild, das Herausforderungen für alle gesellschaftlichen Gruppen mit sich bringt. Gerade in diesem Bereich müssen die Verantwortlichkeiten in den nächsten Jahren sehr viel deutlicher erkennbar werden.
Drittens. Umweltpolitik muß auch den enger werdenden Verteilungsspielraum beachten. Nach einer Phase scheinbar unbegrenzter Ressourcen können wir heute nicht die Augen davor verschließen, daß unter Berücksichtigung anderer politischer und gesellschaftlicher Bereiche Prioritäten und Ziele genauer definiert werden müssen, als dies bislang geschehen ist.
Das Leitbild der Nachhaltigkeit hat neben einer ökologischen Komponente genauso eine soziale und ökonomische Komponente. Ich glaube, wir tun deshalb gut daran, den Ordnungsrahmen der ökologischen und sozialen Marktwirtschaft als Motor für eine zukunftsfähige Entwicklung in unserem Lande zu nutzen und schrittweise besser auszufüllen.
Eine neue Studie von verschiedenen Wirtschaftsinstituten kommt zu dem Ergebnis, daß 1994 in Deutschland rund 956 000 Beschäftigte für den und in dem Bereich des Umweltschutzes tätig waren. Dies sind immerhin 2,7 Prozent aller Erwerbstätigen. Das entspricht in etwa der Beschäftigtenzahl im Straßenfahrzeugbau.
Die Studie weist sehr konkret nach, daß 35 000 neue Arbeitsplätze zwischen 1990 und 1994 im Umweltschutz entstanden sind. Das heißt, Umweltschutz schafft und sichert auch zukunftsfähige Arbeitsplätze,
Nun ist der Weltmarkt für Umwelttechnologien längst von führenden Industriestaaten als ein Wachstumsmarkt erkannt worden. Amerikanische Berechnungen sagen, es gebe hier eine Wachstumsrate von jährlich rund 7,5 Prozent. Das japanische MITI rechnet bis zum Jahre 2010 sogar mit 8 Prozent.
Ich muß sagen: Die Chancen für den Umweltschutz werden von deutschen Unternehmen noch nicht immer ausreichend erkannt. Unser Welthandelsanteil ist leider auf den zweiten Platz zurückgefallen. Allerdings sind wir als Bundesrepublik Deutschland mit 18,4 Prozent am Weltmarkt immer noch recht gut hinter den USA mit Umweltschutzgütern beteiligt.
Genau aus diesem Grunde haben wir im vergangenen Jahr das sogenannte ITUT, das Internationale Transferzentrum für Umwelttechnik, gegründet, um gerade mittelständischen Unternehmen Hilfen bei der Erkundung und Eroberung dieser Märkte zu geben. Die Gründung des ITUT ist ein beispielhaftes Unterfangen, weil hier Mittel sowohl aus der deutschen Bundesstiftung Umwelt, aus dem Bundesumweltministerium als auch aus dem Wirtschaftsministerium gemeinsam eingesetzt werden, um dem Begriff der Nachhaltigkeit ein Stück weiter entgegenzukommen.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns jetzt in der Halbzeit dieser Legislaturperiode. Ich glaube, wir können sagen, daß eine ganze Reihe von Aufgaben ein gutes Stück weiter gediehen ist. Wir haben die Novelle zum Bundesnaturschutzgesetz als einen wichtigen Baustein unserer Konzeption zum Schutz der biologischen Vielfalt vor kurzem im Kabinett behandelt. Das Plenum wird darüber bald debattieren können. Ich glaube, mit diesem Gesetzentwurf ist es uns gelungen, einen wesentlichen Schritt bei der Sicherung der biologischen Vielfalt und vor allem bei der Schaffung eines modernen Verständnisses des Naturschutzes vorwärtszukommen. Dieses moderne Naturschutzverständnis sagt uns heute, daß es nicht nur darum geht, einzelne bestimmte Arten von Tieren und Pflanzen zu schützen, sondern auch darum, die vernetzten Lebensräume in der Bundesrepublik Deutschland wie auch auf internationalem Gebiet zu erhalten.
Es ist für die Akzeptanz des Naturschutzes von außerordentlicher Bedeutung, daß wir vernünftige Kompromisse finden und für die, die die Natur nutzen und Flächen im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft bearbeiten - betroffen sind immerhin 80 Prozent unserer Landesfläche -, einen Naturschutz schaffen, der nicht gegen sie geht. Das heißt natürlich nicht, daß es ohne Streit abgeht.
Deshalb glaube ich, daß die im Bundesnaturschutzgesetz vorgeschlagene Regelung, eine Ausgleichszahlung dann vorzusehen, wenn Land- und Forstwirte über die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hinaus Auflagen im Sinne des Naturschutzes erhalten, für die Akzeptanz des Naturschutzes in Zukunft von außerordentlicher Bedeutung sein wird. Ansonsten erleben wir einen Rückschlag im Bereich des Naturschutzes.
Wir werden uns als Bund - das wird auch in den Haushaltsberatungen und aus dem Bundeshaushalt schon jetzt deutlich - im Bereich der Naturschutzgroßprojekte weiter engagieren. Hier wird der Bund - genau dies und nur dies ist seine Aufgabe - seiner Verantwortung gerecht, wenn es um die gesamtstaatlich repräsentativen Schutzgebiete geht. Wir werden hier mit 40 Millionen DM trotz insgesamt sinkender Ausgabenspielräume einen sehr wesentlichen Schwerpunkt setzen, Wenn man sich vor Ort die verschiedenen Naturschutzgroßprojekte anschaut, so sieht man auch, wie es gelingt, die unterschiedlichen Nutzer- und Schutzinteressen zusammenzubringen. Hier gibt es gute und weniger gute Beispiele. Ich denke, gerade an diesen Beispielen
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
können wir lernen, wie man Naturschutz mit den Interessen der Nutzer vernünftig verbinden kann.
Wir werden in Kürze im Kabinett das Bodenschutzgesetz, ein ebenso wichtiges Vorhaben, beraten; denn eine internationale Konferenz, die ISCO-Konferenz, hat in den vergangenen Wochen gezeigt, daß der Schutz des Bodens international gesehen noch weit dem Schutz der Luft und des Wassers hinterherhinkt. Die Regenerierbarkeit der Ressource Boden ist in vielen Fällen sehr viel schwieriger als die von Luft und Wasser. Deshalb besteht hier dringender Handlungsbedarf.
Ich sage deutlich: Wenn die Bundesrepublik Deutschland ein Bodenschutzgesetz hat, dann ist sie international führend. Dies ist mitnichten der Standard - nicht einmal in anderen europäischen Ländern.
Der Stammhaushalt des Bundesumweltministeriums, also der Haushalt ohne den refinanzierten Endlagerbereich, beträgt 1997 746,2 Millionen DM. Das ist eine gewisse Absenkung. Aber angesichts der Gesamtlage des Haushalts sind dies Mittel, die sinnvoll für den Umweltschutz eingesetzt werden können. Ich betone, daß die Umweltschutzausgaben des Bundes insgesamt weit höher sind. Der Bundeshaushalt weist für 1997 Umweltschutzausgaben in Höhe von mehr als 9,5 Milliarden DM aus. Dies reicht von der Grundlagenforschung auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien bis hin zur Sanierung des Altlastenbereichs der Wismut AG und des Braunkohlebergbaus.
Was die Braunkohlesanierung anbelangt, handelt es sich hier um das größte zusammenhängende Umweltprojekt, das wir in Deutschland haben. Es ist außerordentlich wichtig, daß wir diese Arbeiten kontinuierlich fortsetzen, auch über die Jahrtausendwende hinweg. Wer sich einmal vor Ort umschaut und erkennt, was hier schon erreicht wurde, der muß sagen: Hier handelt es sich um ein beispielhaftes Projekt. Gerade im Hinblick auf die Expo 2000 werden wir dies international vorzeigen können.
Der Bund vergibt darüber hinaus in erheblichem Umfang zinsgünstige Umweltschutzkredite, die im Bundeshaushalt naturgemäß nicht erfaßt sind, die man aber keineswegs weglassen kann. Allein die Umweltschutzkredite aus dem ERP-Sondervermögen betragen 1997 rund 2,9 Milliarden DM. Auch die Banken des Bundes, die Deutsche Ausgleichsbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, vergeben Umweltschutzkredite; sie werden sich 1997 auf rund 12 Milliarden DM belaufen. Gerade diese Mittel werden schwerpunktmäßig in den neuen Bundesländern eingesetzt, was der Angleichung der Lebensverhältnisse natürlich erheblich zugute kommt.
Last not least möchte ich - richtig, Herr Abgeordneter - die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hier loben.
- Herr Weng ist ein interessierter Abgeordneter, der sich mit den Belangen der Umwelt befaßt, wie ich das von jedem Abgeordneten erwarte. Schade, daß Sie nicht die Rede darauf gebracht haben. Dieses Zwischenrufs hätte es nicht bedurft.
Diese Bundesstiftung ist in der Tat lobenswert, denn sie hat in diesem Sommer ihr fünfjähriges Bestehen unter dem Motto „Unternehmer für die Umwelt - Innovative Umwelttechnik aus dem Mittelstand" gefeiert. Seit der Errichtung der Stiftung im Jahre 1990 stehen Jahr für Jahr 140 Millionen DM als zusätzliche Fördermittel für den Umweltschutz bereit. Davon sind seit 1990 62 Prozent in die neuen Bundesländer geflossen. Aber ich möchte betonen: Gerade was technische Innovationen anbelangt, ist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt heute ein ganz unverzichtbares Instrument der Förderung von Umweltschutzinvestitionen geworden.
Staatlicher Umweltschutz ist nur eine Sache. Der staatliche Umweltschutz setzt die Rahmenbedingungen für das Handeln von Unternehmen und privaten Haushalten. Aber es hat sich immer wieder auch gezeigt, daß es vor allen Dingen auf das Handeln der Unternehmen ankommt. Ebenso hat sich gezeigt, daß staatliche Auflagen in einer Vielzahl von Fällen zu spürbaren Kostenentlastungen im Bereich der Wirtschaft geführt haben. Ich habe neulich etwas scherzhaft gesagt: Hierfür kommen keine Dankesschreiben bei mir an. Aber bei näherer Nachfrage zeigt es sich in vielen Fällen, daß sowohl die Luftreinhaltepolitik als auch die Gewässerpolitik in den Unternehmen eine ganz neue Form des kreativen Nachdenkens mit sich gebracht haben.
Beispielhaft hierfür wird das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sein, das am 7. Oktober in Kraft tritt. Ich bin sehr froh, daß es uns am 15. August gelungen ist, das untergesetzliche Regelwerk zeitgerecht fertigzustellen, so daß in der Wirtschaft Sicherheit hinsichtlich dessen, was auf sie zukommt, besteht.
Ebenso werden wir die Verpackungsordnung novellieren und Regelungen im Bereich der Altautos und des Elektronikschrotts in Kürze fertig haben, so daß dann auch die Produktverantwortung, die als
Bundesministerin Dr. Angela Merkel
wesentliches Element in dem Kreislaufwirtschaftsgesetz verankert ist, in den bestimmten Produktbereichen zum Tragen kommt.
Internationale Umweltpolitik ist von herausragender Bedeutung. Die Bundesregierung hat mit anspruchsvollen Zielsetzungen gerade auch die internationalen Verhandlungen immer wieder vorangebracht. Wir werden im Jahre 1997 eine entscheidende Konferenz im Bereich des Klimaschutzes haben: die 3. Vertragsstaatenkonferenz in Japan, in Kyoto, wo ein zusätzliches Protokoll für die Zeit nach 2000 und die internationalen Verpflichtungen verabschiedet werden.
Ich rufe uns alle auf - national natürlich -, alle Anstrengungen umzusetzen und auch zu erweitern, die notwendig sind, damit wir unser Ziel erreichen werden. Ich füge gleich vorsorglich hinzu: Die 25 Prozent CO2-Reduktion bis zum Jahre 2005, gemessen am Niveau von 1990 - man muß das immer ganz genau sagen -, sind weiterhin das Ziel der Bundesregierung. Pessimismus wird uns hier überhaupt nicht voranhelfen. Es geht darum, Szenarien für die Umsetzung zu erarbeiten. Wir werden im Mai nächsten Jahres einen Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe der Bundesregierung vorlegen und dann die weiteren Schritte besprechen.
Meine Damen und Herren, wir haben wesentliche Ergebnisse im Zusammenhang mit dem Umweltauditgesetz erzielt. Lassen Sie mich dieses als letzten Punkt einer Umweltschutzpolitik erwähnen, die nicht nur auf staatliches Handeln aus ist, sondern die vor allen Dingen auch an das Engagement und die Kreativität der Unternehmer appelliert. Wir haben eine Verordnung in Vorbereitung, die auch im Dienstleistungsbereich dieses Umweltaudit einführen will, und eine Tagung mit den Finanzdienstleistungsunternehmen im Sommer dieses Jahres hat mich durchaus ermutigt, in dieser Richtung weiterzuarbeiten.
Ich habe Ihnen an verschiedenen Beispielen zu zeigen versucht - was natürlich nicht umfassend sein kann -, daß der Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung nicht nur eine Aufgabe der Umweltpolitik ist; ich denke aber, daß die Umweltpolitik der Motor dieser Entwicklung sein muß und daß dieser Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung inzwischen weit über den staatlichen Handlungsrahmen hinausgeht. Die Aufgabe von uns Politikern ist aus meiner Sicht vor allen Dingen, sämtliche gesellschaftlichen Kräfte, Unternehmen, Verbände, aber auch Privathaushalte, zu motivieren, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen, allerdings gesteuert, begleitet und vor allen Dingen auch vorangetrieben durch staatliches Handeln. Dafür bietet dieser Bundeshaushalt eine gute Voraussetzung.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.